5 Wohin mit dem Dreck?
Reimer-1971
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Müll auf den Mond
Es gibt ein paar Leute, die reden ganz ernsthaft davon, den Müll in den Weltraum abzutransportieren. Die Sonne, so argumentieren sie, werde auf jeden Fall damit fertig; selbst der erdnahe Mond biete Platz genug.
Abgesehen davon, daß die kosmische Müllabfuhr vorerst jeder wirtschaftlichen Grundlage entbehrt, zeigt das Aufkommen solcher Vorschläge, wie sehr die Verdrängungstheorie nach wie vor das Feld beherrscht. Nur eine andere Dimension hat die Sache angenommen. War es zuerst eine Ecke auf dem privaten Grundstück, dann eine Kiesgrube in der Nähe, zum Schluß die Kippe vor der Stadt: immer wurde der Dreck weggeschafft und nie so recht beseitigt.
Ob der Weltraum um uns herum mit zwei bis drei Milliarden Tonnen Abfall jährlich fertig würde? Bekäme die Erde nicht einen Dreckgürtel, der den Sonnenzutritt weiter erschwert? Wahrscheinlich würde auch ein solcher Substanzverlust der Erde als Himmelskörper gar nicht bekommen. Mit — extrem weiter gedacht — kleiner werdender Erdmasse müßten sich die Geschwindigkeit des Planeten und Abstand zur Sonne, Mond und Nachbarplaneten verändern.
Vor der »Himmelfahrt« des Mülls stehen noch eine Reihe erdverbundener Methoden. Daß sie in so bescheidenem Umfang angewendet werden, liegt nicht an den Verfahren der kontrollierten Abfallbeseitigung selber. Das ist vielmehr eine Folge der damit verbundenen Kosten. Und so sind die Gründe, warum erst zwanzig bis dreißig Prozent der anfallenden Abfälle umweltschonend beseitigt werden, in erster Linie in wirtschaftlichen Bereichen zu suchen.
Die erprobten Verfahren der geordneten Abfallbeseitigung sind keineswegs ohne Nachteile für die Umwelt. Sie vermeiden dagegen mit einiger Sicherheit Bodenvergiftungen und Grundwasserverunreinigungen, Papierverwehungen und Rattenplage und sind nicht in gleicher Weise landschaftszerstörend wie wild angelegte Abfallhalden. Dafür haben sie andere Nachteile für unser Milieu. Bei der Müllverbrennung beispielsweise läßt es sich vorläufig trotz bester Rauchgasreinigung nicht vermeiden, daß eine Reihe von schädlichen Bestandteilen in Gasform in die Atmosphäre gelangen. Die Verfahren zur geordneten Beseitigung von Abfällen sind besonders auf Volumenverminderung und die Vermeidung von Boden- und Grundwasserverunreinigungen ausgerichtet. Es ist interessant festzustellen, daß zwischen dem Umfang der Volumenverminderung und den finanziellen Aufwendungen hierfür ein direkter Zusammenhang besteht. Es ist also nicht so wie bei einer Kaffeemühle, bei der der Mahlgrad eingestellt werden kann und je nachdem fein- oder grobgemahlenes Gut herauskommt, die Investitionsaufwendungen — das ist die Mühle selbst — aber konstant bleiben.
Auf die Abfälle übertragen zeigt sich nämlich, daß eine mechanische Zerkleinerung der unsortierten Abfälle nur in beschränktem Umfang möglich ist. Hiervon macht zum Teil das Verfahren der geordneten Deponie Gebrauch. Bei weiterer Volumenverminderung muß eine vorangehende Trennung der Abfälle in ihren wichtigsten Komponenten neben einer Zerkleinerung stattfinden. Das erfordert bereits Mehraufwendungen für Siebe und dergleichen. Will man das Volumen noch weiter reduzieren, sind mechanische Methoden allein überhaupt nicht mehr ausreichend. Dann hilft nur noch die Verbrennung, die wiederum zusätzliche Investitionsaufwendungen notwendig macht. Daß mit zunehmender Zerkleinerung die Investitionsaufwendungen der Anlagen dafür ansteigen, gilt im übrigen nicht nur für Abfall, sondern auch für andere Stoffe.
Auf das Ausgangsvolumen — hundert Prozent — bezogen, vermögen die Verfahren der geordneten Abfallbeseitigung hinsichtlich der Volumenverminderung folgendes zu leisten:
Geordnete Deponie:
Volumenverminderung auf ca. 70 Prozent des AusgangsvolumensKompostierung mit Reststoffdeponie:
Volumenverminderung auf ca. 40 Prozent des AusgangsvolumensKompostierung mit Reststoffverbrennung:
Volumen Verminderung auf ca. 30 Prozent des AusgangsvolumensVerbrennung mit trockenem Ascheabzug und Rückstandsdeponie:
Volumenverminderung auf ca. 20 Prozent des AusgangsvolumensVerbrennung mit trockenem Ascheabzug und Aufbereitung der Verbrennungsrückstände:
Volumenverminderung auf ca. 10 Prozent des Ausgangsvolumens
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Bereits aus dieser Gegenüberstellung kann man erkennen, daß die Verbrennung hinsichtlich der Volumenverminderung mit Abstand am wirkungsvollsten arbeitet. Dabei ist in dieser Aufstellung erst an die bis heute vorherrschende Form der Verbrennung, das heißt den Abzug der Verbrennungsrückstände in fester Form (Asche, Schlacke usw.) gedacht. Legt man die noch im Versuchsstadium befindliche Verbrennung mit dem sogenannten flüssigen Schlackenabzug zugrunde, so gelingt die Volumenverminderung auf fünf Prozent des Ausgangsvolumens. Das sind Werte, die fast an die Beseitigung von Autowracks heranreichen, wo bekanntlich aus vier bis fünf Kubikmeter Autowrack von sechshundert bis achthundert Kilogramm Schrottgewicht ein Klümpchen von weniger als ein zehntel Kubikmeter Inhalt wird.
Neben der Volumenverminderung bei der geordneten Abfallbeseitigung steht das Unschädlichmachen der Abfälle. Hier unterscheiden sich drei Hauptverfahren — geordnete Deponie, Kompostierung und Verbrennung — keineswegs so eindeutig voneinander wie bei der Volumenverminderung. Zwar gelingt bei der Verbrennung die Entseuchung der Abfälle am sichersten, weil eben die gesamten Rückstände auf ein Temperaturniveau (mindestens 800 Grad Celsius) gebracht werden, bei dem absolut kein organisches Leben mehr möglich ist. Dafür enthalten die Rückstände der Verbrennung, also die Aschen und Schlacken, schädliche Bestandteile oft in konzentrierter Form und dürfen deshalb keineswegs unkontrolliert abgelagert werden. Dazu kommen bei der Verbrennung die lufthygienischen Nachteile.
Die Kompostierung ist — ähnlich wie die Verbrennung — nur auf einen Teil der Abfälle anwendbar. Die meisten Industrieabfälle, Plastiktüten und Damenstrümpfe im Hausmüll usw. lassen sich nicht kompostieren. So verbleiben bei diesem Verfahren mehr oder minder große Reststoffmengen, die anderweitig verarbeitet werden müssen.
Das billigste Verfahren schließlich, die geordnete Deponie, stellt lediglich eine Verbesserung — allerdings eine wesentliche — der wilden Ablagerung dar und ist deshalb hinsichtlich seiner umweltschädlichen Faktoren langfristig am schwierigsten zu beurteilen.
Von allgemeiner Bedeutung für alle Verfahren der geordneten Abfallbeseitigung ist auch noch die starke Abhängigkeit der Investitionsaufwendungen vom Abfallmengendurchsatz. Während die spezifischen Investitionsaufwendungen des billigsten Verfahrens, also der geordneten Deponie, kaum mit steigender Anlagengröße abnehmen, trifft das für die beiden anderen Verfahren in hohem Maße zu. Besonders das kapitalintensive Verfahren, die Verbrennung, kann durch größere Einheiten stark verbilligt werden. Auch die Betriebskosten sind bei allen drei Verfahren degressiv, da Personaleinsatz, Energieverbrauch usw. rationeller gestaltet werden können.
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Diese grundsätzlichen Zusammenhänge lassen bereits erkennen, daß der Zusammenschluß möglichst vieler Abfallproduzenten an eine Beseitigungsanlage Kostenvorteile mit sich bringt. Natürlich kann eine derartige Zusammenfassung nicht beliebig weit getrieben werden, da andere Kostenfaktoren — wie beispielsweise die Aufwendungen für den Transport der Abfälle — ein entgegengesetztes Vorzeichen haben. Die stets erforderliche sorgfältige Untersuchung der optimalen Anlagengröße muß daher von einer Gegenüberstellung der verbilligenden und der verteuernden Faktoren ausgehen. Der Schnittpunkt der verschiedenen Kostenkurven ergibt die optimale Anlagengröße.
Die Ergebnisse einer solchen Betrachtung über die optimale Anlagenkapazität sind im allgemeinen nicht übertragbar, da sie eine Reihe standortbezogener Komponenten enthalten. Aus dem Vorhergesagten ergibt sich auch, daß die optimale Anlagengröße für jede Beseitigungsmethode eine andere sein muß.
Eng verbunden mit der Beantwortung der Frage nach optimalen Anlagengrößen ist die Frage nach dem günstigsten Standort der Beseitigungsanlage. Sie darf bei seriöser Betrachtung nicht — wie es leider oft genug der Fall ist — allein nach der Verfügbarkeit von Grundstücken entschieden werden. Natürlich spielt das Vorhandensein geeigneter Grundstücke eine entscheidende Rolle, und die in Frage kommenden Grundstücke können über den unterschiedlichen Preis der Grundstücke in der Kostenberechnung Berücksichtigung finden. Allerdings ist die Bestimmung des günstigsten Standortes einer Abfallbeseitigungsmethode nicht in gleicher Weise einer Berechnung zugänglich wie die Ermittlung der optimalen Anlagengröße. Hier spielen eine Reihe von anderen Faktoren eine Rolle, die sich in Mark und Pfennig nicht ausdrücken lassen. Hierzu zählen beispielsweise:
Landschaftsschutz
Städteplanerische Gesichtspunkte,
die Möglichkeit, an bestimmten Standorten die anfallenden Abfallprodukte (Wärme oder Elektrizität bei der Verbrennung, Kompost, also ein Düngemittel bei der Kompostierung) mehr oder weniger vorteilhaft nützen zu können.
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Allzu häufig müssen bei der Bestimmung der optimalen Anlagengröße und der Festlegung des günstigsten Standortes aber auch noch Barrieren beachtet werden, die einer wirklich umweltschonenden Abfallbehandlung im Wege sind. Gemeint sind politische und Verwaltungsgrenzen oder sonstige, abfalltechnisch gesehen unverständliche Gebietseinteilungen. Es sollte sich endlich die Erkenntnis durchsetzen, daß die geordnete Beseitigung der menschlichen Zivilisationsrückstände eine Infrastruktur-Maßnahme ist, also optimal nur bei überregionaler Betrachtungsweise gelöst werden kann. Wenn sich im Städtedreieck Basel (Schweiz), Muhlhouse (Frankreich) und Freiburg (Deutschland) eine gemeinsame Abfallbeseitigung durchführen läßt, muß das doch auch zwischen Gemeinden möglich sein, die in Bayern und Württemberg liegen. Die Bereitschaft zum überregionalen Denken bei der Abfallbeseitigung steht indes erst am Anfang. Was die Verkehrsplaner, was die Stromversorgung, was die Gas-, Wasser- und Abwasser-Fachleute geschafft haben, oder doch dabei sind zu realisieren, ist auf der Abfallseite aus der Kirchturms-Politik noch nicht so recht herausgekommen. Das ist nicht nur in Deutschland so, sondern beinahe noch stärker in anderen westlichen Industrieländern.
Wie viele Gemeindedirektoren geben sich zufrieden mit der Verdrängung ihres Abfallproblems an der Grenze ihres Hoheitsgebiets, auch wenn damit den lieben Nachbarn der Dreck gerade vor die Tür gesetzt wird. Großstädte kultivieren diese hemdsärmelige Betrachtungsweise geradezu. Oder wie soll man es sonst nennen, wenn eine Stadt wie Hannover zum Beispiel rund eine Million Kubikmeter Abfall im Jahr vor die Tore der Stadt und damit vor die Nase der Nachbargemeinde ablagert und selbstzufrieden erklärt, für sie sei das Abfallproblem während der nächsten zwanzig Jahre gelöst? Häufig verhindert auch die vertrackte Lage der Rechtsprechung das großzügige Zustandekommen von Gesamtlösungen. Da die Betreiber von Abfallbeseitigungsmethoden für eventuelle Schäden haften, neigen alle Beteiligten zu einer isolierten Behandlung ihres Drecks. Da gibt es in einer bestimmten Abfallregion getrennte Beseitigungsanlagen für Hausmüll, Klärschlamm und Industrieabfälle, nur damit die Haftungsgrenzen klar definiert sind. Eine abfalltechnisch und damit umwelthygienisch günstigere Behandlung aller Abfälle an einem Standort wird dadurch unmöglich gemacht. Die Schaffung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften beziehungsweise eine Neuordnung vieler bestehender Vorschriften ist daher für eine umfassende Regelung des Problems ebenso erforderlich wie die Bereitschaft der Bürger, einen Bruchteil ihres Wohlstandes für die Erhaltung ihrer Umwelt zu opfern.
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Die Müllrohrpost
Vor der Beseitigung der Abfälle stehen Einsammlung und Transport. Auf diesem Gebiet ist auch noch einiges verbesserungsfähig. Der Volumenstrom des Hausmülls ist der sichtbarste Teil des Müllberges. Der Hausmüll fällt auch verkehrstechnisch gesehen deshalb am stärksten ins Gewicht, weil er an Tausenden von Stellen produziert wird. Was liegt da näher, als das Einsammeln und den Abtransport wenigstens dieser Abfallkomponente genauso unsichtbar und hygienisch zu gestalten wie das Schmutzwasser aus den menschlichen Behausungen? Wenn auch die seuchenhygienischen Aspekte der Hausmüllabfuhr nicht so bedeutend sind wie die der Fäkaliensammlung und -wegbringung, so gibt es doch noch genug Gründe für eine Umstellung des heutigen Systems.
Streng betrachtet hat sich die Methode der Hausmüllsammlung und Abfuhr in den letzten dreihundert bis vierhundert Jahren zumindest im großstädtischen Bereich nicht wesentlich geändert.
Es fing ja damit an, daß der Dreck in Gefäßen aller Art, meist Körben, am Straßenrand gesammelt wurde. Erst vor siebzig bis achtzig Jahren wurden daraus Blechbehälter, die zunächst noch offen waren und später im Zuge der Staubfreimachung einen Deckel erhielten. Das ist erst fünfzig Jahre her. Beibehalten wurde aber der weitgehend manuelle Weitertransport der Abfallgefäße bis zum Sammelfahrzeug und der Transport in Fahrzeugen, die lediglich der avancierten Technik entsprechend einen anderen Antrieb erhielten. Noch immer inhalieren die Müllwerker einen Teil dessen, was sie aus den Hütten der Armen und den Palästen der Reichen abfahren, und noch immer stehen die für einen rationellen Transport viel zu kleinen Sammelfahrzeuge am Straßenrand und behindern den Verkehr.
Unter diesen Voraussetzungen muß der Gedanke, die Rohrleitung in der einen oder anderen Form zur Sammlung und zum Abtransport des Hausmülls zu verwenden, geradezu in der Luft liegen — um so mehr, als man dieses Transportmedium innerhalb der Häuser bereits seit mehr als dreißig Jahren erfolgreich ausprobiert hat. Der Abfallschacht hat in mehrgeschossigen Häusern bereits vor dem zweiten Weltkrieg im sozialen Wohnungsbau der skandinavischen Länder Eingang gefunden. Und so verwundert es auch nicht, wenn von dort der horizontale Weitertransport des Hausmülls durch die Rohrleitung im Erdreich kommt.
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Wie funktioniert diese unsichtbare Müllabfuhr? In die Erde wird ein Rohrleitungssystem parallel mit Strom-und Telefonkabeln, Schmutz- und Regenwasserkanalisation und Trinkwasserleitungen verlegt. Da diese Versorgungs- und Entsorgungsstränge heute zu den Essentials jedes Bauvorhabens gehören, kostet es im übrigen nicht viel, noch eine zusätzliche Rohrleitung in die Erde zu packen. Das Abfall-Rohrleitungssystem schließt in den Häusern an die dort vorhandenen Abfallschächte luftdicht an. Es ist durch Schleusenkammern von den jeweiligen Hausanlagen getrennt. Am anderen Ende des Rohrsystems sitzt das »Herz« der Anlage. Es besteht aus Luftkompressoren, die das ganze Müllrohrleitungsnetz unter Unterdruck setzen können. Eine ebenfalls zentral angeordnete Steuereinrichtung ruft nun die Schleusenkammern der angeschlossenen Häuser reihum ab. Bei dem Entleerungsvorgang wird die Schleuse gegenüber der Hausanlage luftdicht verriegelt und gleichzeitig zum Rohrleitungsnetz und zur Atmosphäre hin geöffnet. Hierbei strömt infolge des hohen Unterdruckes im Rohrleitungsnetz Außenluft ein, die den gesamten Abfall mitreißt.
Der Abfall landet nach dieser unsanften Auskehr in einer zentralen Sammelstelle und kann dort rationell aufgenommen oder weiterverarbeitet werden.
Die Vorteile einer solchen Einsammlung liegen auf der Hand: vollkommen hygienisch, keine Verkehrsprobleme. Die Nachteile sind allerdings auch sofort zu verstehen. Sie bestehen in den wesentlich höheren Kosten gegenüber der heute noch vorherrschenden Methode.
Daß die pneumatische Förderung — so nennt man dieses Förderprinzip — praktisch auf alle Arten von festen Abfallstoffen angewendet werden kann, verwundert den Fachmann nicht. Für Schüttgüter aller Art, besonders aber für Getreide, Zement usw., hat sich dieses Förderprinzip bereits seit langem bewährt. Im Anhang erläutert eine Abbildung weitere Details des Müllstaubsaugens.
Während die Vorteile einer derartigen Müllsammlung so offensichtlich sind, daß es keines näheren Eingehens auf sie bedarf, muß man sich mit den Nachteilen, das heißt den Kosten etwas gründlicher auseinandersetzen.
Ausschlaggebend für die Kosten sind die Aufwendungen für das Rohrleitungsnetz. Die Aufwendungen für die Hausstationen, also die Schleusenkammern und die zentrale Pump- und Steuerzentrale, treten demgegenüber zurück. Die Aufwendungen für das Rohrleitungsnetz hängen entscheidend von der Bebauungsdichte des angeschlossenen Areals ab. Je kürzer das auf jeden Müllproduzenten entfallende Rohrleitungsstück des Netzes ist, um so kostengünstiger wird die Gesamtanlage.
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Eine dicht an dicht bebaute Hauszeile, zum Beispiel im innerstädtischen Bereich, ist dafür wesentlich günstiger als ein dünnbesiedeltes Einfamilienhausgebiet.
Deshalb erscheint diese Art der Rohrpost-Müllabfuhr auch kostenmäßig heute bereits dort vertretbar, wo eine dichte Bebauung oder ein besonders hoher spezifischer Müllanfall vorliegt. Das ist auf jeden Fall im innerstädtischen Geschäftsbereich der Fall. Dort haben die Grundstückspreise längst ein Dicht-an-Dicht-Bauen in die Höhe erzwungen, und dort wirken sich Müllabfuhrfahrzeuge auch am störendsten aus. Dort herrscht auch ein Mangel an Zwischenlagerplatz für die Abfälle, die nur ein- bis zweimal wöchentlich abgeholt werden. Die Müllrohrpost kann dagegen stündlich entleeren. Nun ist es natürlich nicht so einfach, in die mit Rohrleitungen vollgepackten innerstädtischen Straßen noch eine zusätzliche Rohrleitung, die mit allem Drum und Dran einen Platzanspruch von einem Meter Breite (der Rohrleitungsdurchmesser selbst liegt bei 500 bis 600 Millimeter) ausmacht, unterzubringen. Wenn man aber bedenkt, daß die meisten europäischen Großstädte zur Zeit gerade in den Innenstädten für Verkehrsbauten aufgewühlt werden, wäre es ein leichtes, eine derartige Rohrleitung zusätzlich unterzubringen. Allein in zehn deutschen Großstädten, nämlich in Berlin, Hamburg, München, Essen, Köln, Stuttgart, Düsseldorf, Hannover, Nürnberg und Frankfurt, werden derzeit (1970) Untergrundbahnen gebaut beziehungsweise erweitert. In solchen Fällen gibt es keine Entschuldigung für den Verzicht, auch die Abfallsammlung und Abfuhr völlig neuartig zu ordnen.
Die Kosten dürften bei Beachtung aller Faktoren insgesamt gesehen nicht höher liegen als bei der bisherigen Methode. Die Schwierigkeiten liegen darin, daß die Investitionen und Unterhaltungskosten die Träger der Anlage, also die Städte, mehr belasten als das heutige System und die entsorgten Abnehmer geringer belastet sind als bisher. An die notwendige Kostenumschichtung wagt niemand so recht heranzugehen, um die als Gewerbesteuerzahler fest etablierte Geschäftswelt nicht zu vergrämen.
Wasserspülung für Müll?
Neben der hier behandelten pneumatischen Müllabfuhr sind auch — vor allen Dingen in den USA — Versuche angestellt worden, den Abfall hydraulisch wegzuschwemmen. Hierzu ist jedoch eine vorangehende Zerkleinerung des Mülls unumgänglich. Diese Wasserspülung für das Fortschaffen der Abfälle funktioniert selbstverständlich nur im häuslichen Bereich. Wegen einiger gegenüber der pneumatischen Förderung
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entscheidender Nachteile dürfte sich das Verfahren allerdings kaum durchsetzen. Und zwar wird eine Ausbreitung dieses Systems wegen des hohen Wasserbedarfes unmöglich gemacht. Wenn man sich vorstellt, daß für die Beseitigung von 250 bis 300 Kilogramm Müll pro Einwohner und Jahr mindestens das Vierzig- bis Fünfzigfache — also 12 bis 15 Kubikmeter Wasser — erforderlich sind, so erkennt man gleich die Grenzen dieses Verfahrens.
Für die Bundesrepublik Deutschland würde das bedeuten, daß der jährliche Wasserverbrauch der Haushalte von jetzt etwa drei Milliarden Kubikmeter um mindestens 25 Prozent ansteigen würde. Könnte diese Wassermenge eventuell noch beschafft werden, so entstehen auf der Seite der Abwasserreinigung immense Probleme. Zwar ist die Luft als Transportmedium für Müll ebenfalls gefährdet, und es bedarf auch dort zusätzlicher Reinigungseinrichtungen, um das Transportmedium wieder in die Umwelt-Atmosphäre zu entlassen. Bei einem Staubsaugerprinzip treten aber keine Veränderungen des Mülls auf. Nichts geht in Lösung, die Temperaturen sind so niedrig, daß keine chemischen Reaktionen eingeleitet werden. Bei der Zerkleinerung des Mülls und einem Fortschwemmen im Wasserstrom gehen dagegen eine Reihe der Müllbestandteile in Lösung und müssen erst mit komplizierten Verfahren wieder aus dem Abwasser »herausgefiltert« werden.
Das Verfahren der Wasserspülung hat darüber hinaus noch andere Nachteile. Nicht alle Abfälle aus dem häuslichen Bereich lassen sich so zerkleinern, daß sie in einem Wasserstrom ohne Verstopfungsgefahr transportiert werden können. Für diese Zerkleinerung werden im übrigen Mahlwerke in den Abflüssen der Spülsteine vorgesehen. Sie verdauen Küchenabfälle, Glas, auch Flaschenkapseln usw. ohne »Beanstandungen«. Von Zeit zu Zeit werden ihre Zähne stumpf — was sich aber mit verhältnismäßig geringem Aufwand wieder in Ordnung bringen läßt.
Der übrige Abfall aus dem Haushalt — vor allen Dingen sperrige Verpackungsgüter, Zeitungspakete usw. — kann dem Wolf nicht anvertraut werden. So gesehen ist der Abtransport der häuslichen Abfälle mit Wasser viel weniger geeignet als der »Luftweg«. Denn diesem können mit Ausnahme von Sperrmüll sämtliche Abfälle der Haushalte anvertraut werden! Allerdings muß man der Wasserspülung andererseits zugute halten, daß sie weitaus geringere Kosten verursacht. Das Abwassernetz — die Kanalisation also — ist ohnehin vorhanden, ein bis zwei Zerkleinerungsanlagen pro Haushalt kosten höchstens 200 bis 300 Mark. Bei der Müll-Rohrpost dagegen müssen bei mehrgeschossiger Bauweise und normaler Baudichte Aufwendungen in der Größenordnung von 1500 bis 2000 Mark je Wohnungseinheit allein von der Investition her vorgesehen werden. Dazu kommt ein hoher Energiebedarf. Luft als ein kompressibles Medium benötigt bei gleichem Massenstrom gegenüber Wasser das Zehn- bis Zwanzigfache an Energie.
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Die geordnete Müllkippe
Man erinnert sich, daß die wesentlichsten Nachteile der wilden Müllkippe
Boden-, Grundwasservergiftungen durch giftige Sickerwässer
Papierverwehungen
Landschaftszerstörende Abfallberge
Schwelbrände
Ungezieferplage
sind. Diese verschiedenen negativen Auswirkungen der ungeordneten Ablagerung treten je nach Standort und Abfallbeschaffenheit mehr oder minder ausgeprägt auf. Wie kann man nun diese Nachteile ohne generelle Einäscherung oder Kompostierung der Abfälle durch bloßes weniger wildes Ablagern unter Kontrolle bringen? Und welche wirtschaftlichen Aspekte hat die geordnete Deponie, wie sie auch noch genannt wird, neben den aufgezählten abfalltechnischen? Hiermit beschäftigt sich dieser Abschnitt des Buches.
Die ungeordnete Ablagerung, die wilde Müllkippe, besteht darin, daß man an einem mehr oder weniger geeigneten Platz den gesamten Unrat ablädt und ihn dort ohne weitere Behandlung oder Beaufsichtigung sich selbst überläßt. Bestenfalls wird noch ein Zaun um den Ablagerungsplatz gezogen, damit wilde Anlieferer von der wilden Müllkippe ferngehalten werden können. Typisch für diese Art der heute leider noch vorherrschenden Abfallbeseitigung ist ferner, daß die Boden-" Verhältnisse und Grundwasserzustände vorher nicht untersucht werden.
Die geordnete Deponie besteht demgegenüber aus der schichtweisen Ablagerung der Abfälle auf einem vorher gegen Boden- und Grundwasserbeeinträchtigungen hin untersuchten und gegebenenfalls abgedichteten Ablagerungsplatz. Die Abfallschichten werden bei der Ablagerung verdichtet und in ihrer Höhe so gering gehalten — etwa zwei Meter —, daß sie überschaubar im Aufbau bleiben.
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Zwischen die einzelnen Abfallschichten wird inertes Verfüllmaterial (Bauschutt, Asche oder einfach Sand oder Kies) in einer Stärke von 50 bis 80 Zentimeter gegeben. Für Ableitung und eventuelle Klärung der Sickerwässer wird Sorge getragen. Kennzeichnend für die geordnete Ablagerung ist außerdem das sofortige Verschließen aller mit der Atmosphäre in Berührung stehenden Abfalloberflächen. Solche Abfallschichtkuchen können je nach Geländebeschaffenheit in vorhandenen Gruben angelegt werden, Täler ausfüllen oder neue Berge schaffen. Sie lassen sich mit Mutterboden und Humus abdecken, bepflanzen und wenn nicht als Baugrund oder für die landwirtschaftliche Nutzung, so doch zumindest als Grünfläche landschaftsgestaltend verwenden.
Boden- und Grundwasserbeeinträchtigungen werden zwar nicht vermieden, kommen jedoch unter Kontrolle. Die Verdichtung des Mülls beengt den Lebensraum für Ungeziefer ganz beträchtlich, Gasansammlungen und damit Schwelbrände entstehen nur noch in viel geringerem Umfang. Die zwischengelagerten Füllschichten gestatten die sofortige Abdeckung des Abfalls und begrenzen damit Papierverwehungen und Geruchsbelästigungen. Andererseits sind sie luftdurchlässig genug, um einen aeroben Abbau der organischen Substanz zu ermöglichen. Der Abfallberg wird durch die ständige Verdichtung auf siebzig Prozent seines ursprünglichen Volumens reduziert.
Auch die geordnete Deponie — so einfach das Verfahren ist — kann noch keineswegs als erforscht bezeichnet werden. So ist die Frage, ob diese Methode der Abfallbeseitigung langfristig betrachtet geeignet ist, dem Abfallproblem Herr zu werden, heute noch nicht zu beantworten. In Ballungsgebieten kommt sie, sofern nicht außergewöhnlich günstige Ablagerungsplätze vorhanden sind, wegen der relativ geringen Volumenreduktion ohnehin meist nicht in Betracht. Vorläufig sind über die wichtigsten »Umweltfaktoren« der geordneten Deponie erst einige empirische Zusammenhänge bekannt. Nur an wenigen Standorten kann auf besondere Vorkehrungen für das Auffangen und die Ableitung der Sickerwässer verzichtet werden. Das gilt in abgebauten Steinbrüchen mit felsigem Untergrund oder Standorten.mit extrem tiefliegenden Grundwasserhorizonten. In der Mehrzahl aller Fälle muß der Untergrund unter einem Ablagerungsplatz gegenüber dem natürlichen Boden und dem Grundwasser abgedichtet werden. Dafür kann man Ton und Lehm, aber auch Beton und Kunststoffe verwenden.
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Für die Sammlung und Ableitung der Sickerwässer können bewährte Drainagesysteme verwendet werden. Als sehr zweckmäßig hat es sich erwiesen, die Drainage bis in die höheren Schichten des Füllmaterials hochzuziehen, um das Sickerwasser nicht unnötig mit Schadstoffen anzureichern. Wichtig ist es außerdem, den Trennschichten eine genügende Speicherfähigkeit für Wasser zu geben, damit eindringendes Regenwasser unter Umständen durch Verdunsten und nicht allein durch Versickern ausgetragen wird.
Über die Beschaffenheit der Sickerwässer gibt es so gut wie keine allgemeingültigen Unterlagen. Ihre oft harmlose Zusammensetzung hat häufig zu einer Bagatellisierung der Gefahr der Grundwasserbeeinträchtigung durch wilde Müllkippen geführt. Eine die Fachleute jahrelang beschäftigende Frage ist inzwischen jedoch eindeutig geklärt: Jede auch noch so geordnete Deponie liefert Sickerwässer. Lange Zeit war man nämlich der Auffassung, das Porenvolumen der Abfälle und der dazwischengelagerten Füllschichten reiche aus, das Regenwasser zu speichern. In Verbindung mit der stets stattfindenden Verdunstung setzte man deshalb einen halbwegs ausgeglichenen Wasserhaushalt voraus. Das trifft zumindest auf unsere Region nicht zu.
Häufig genug werden diese oft sehr schädlichen Rinnsale ohne weitere Behandlung dem nächsten Bach zugeführt. Das ist besonders dann der Fall, wenn wieder einmal Ressortdenken die Szene beherrscht. Die Beseitigung fester Abfallstoffe und die Gewässerreinhaltung ist verwaltungsmäßig meist in verschiedenen Händen. Und so fühlen sich die Müllwerker schon genügend entlastet, wenn sie das Eindringen der Sickerwässer in den Boden verhindern und sie ohne Umgebungsbelästigung abgeleitet werden. Die Klärung dieser Produkte interessiert sie nicht.
Diese Haltung der für die Unterbringung der festen Abfallstoffe Verantwortlichen ist nicht weiter verwunderlich, denn die Reinigung der Sickerwässer würde die sonst günstige Kostenseite der geordneten Deponie entscheidend belasten.
In diesem Zusammenhang ein Wort zu den Kosten. Von den Investitionsaufwendungen her gesehen ist die geordnete Deponie mit Sicherheit die billigste aller Abfallbeseitigungsmethoden. Die einmaligen Aufwendungen für die Einrichtung einer Deponie betragen, wenn man einmal von den Grundstückskosten selbst absieht, selten mehr als zehn bis fünfzehn Mark je Jahrestonne Müllanfall. Für ein Gebiet mit einer Million Menschen, die jährlich etwa eine Million Kubikmeter Hausmüll produzieren, was etwa 250 000 Tonnen entspricht, sind also Aufwendungen von 2,5 bis 4,0 Millionen DM für die Herrichtung einer geordneten Hausmülldeponie erforderlich.
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Eine Müllverbrennungsanlage für die gleiche Abfallregion kostet heute mindestens vierzig Millionen Mark. Leider verhalten sich die Betriebskosten der geordneten Deponie nicht ebenso eindeutig zu den anderen Abfallbeseitigungsmethoden wie die Investitionsaufwendungen. Von ausgeführten Anlagen sind laufende Kosten bis zu zwanzig Mark pro Tonne Abfall bekannt. Das sind Werte, die sich durchaus auch bei Großmüllverbrennungsanlagen erzielen lassen.
Berücksichtigt man nun aber, daß bei der geordneten Deponie mindestens noch fünfzig Prozent des Ausgangsvolumens (ohne Trennschichten) übrigbleiben, häufig genug noch mehr, da die Füllstoffe nicht in dem Maße verdichtet werden können wie Müll, so wird einem klar, warum diese Methode der Abfallbeseitigung für dicht besiedelte Ballungsräume nur noch selten in Frage kommt. Sie erfordert über eine Reihe von Jahren riesige Flächen, die zwar nicht endgültig verloren sind, aber erst einmal bereitgestellt werden müssen. Dazu kommt, daß in Ballungsräumen der Grundstückspreis nur in den seltensten Fällen bei der Kostenbetrachtung eleminiert werden kann.
Wenn man aber weiß, daß die Kosten einer gut geführten geordneten Deponie bereits mehr als zehn Mark pro Tonne Abfall verschlingen, dann kann man verstehen, warum die Betreiber solcher Einrichtungen sich zumindest vor den Kosten einer Sickerwasserreinigung drücken wollen. Kommt sie kostenmäßig hinzu, dürfte die geordnete Deponie in vielen Fällen teurer kommen als eine Verbrennungsanlage. Obgleich die Grundlagen noch keineswegs erforscht sind, können die Fragen der Bodenverunreinigung und Grundwasserverschmutzung und auch die Fragen der notwendigen Investitionsaufwendungen bei einer geordneten Deponie heute annähernd zuverlässig beurteilt werden. Wie steht es nun mit den anderen technologischen Aspekten? Da wären an erster Stelle die Geruchsbelästigungen durch Fäulnisprozesse und Schwelbrände zu nennen. Sodann ist die Frage zu beantworten, was die Ratten, Fliegen, Krähen und Möwen und was dergleichen vierbeinige oder beflügelte Plagegeister mehr sind, von dieser Art der Abfallbeseitigung halten. Nicht zuletzt ist zu diskutieren, wie der Raumanspruch bei dieser Abfallbeseitigungsmethode beurteilt werden muß und welche Abfälle man so überhaupt unter Kontrolle bringen kann.
Geruchsbelästigungen, Schwelbrände
Hinsichtlich dieser beiden Kategorien ist die geordnete Deponie ungünstiger zu beurteilen als andere Methoden der geordneten Abfallbeseitigung, unter Umständen sogar nicht besser als die ungeordnete, wilde Müllkippe. Wie kommt das?
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Um diese Frage zu beantworten, muß man sich mit den zum Teil sehr komplizierten biologischen Vorgängen bei der Zersetzung von Abfällen beschäftigen. Wenn hier von Zersetzung der Abfälle die Rede ist, so sind in erster Linie die organischen Bestandteile gemeint. Für den »Abbau« der mineralischen Bestandteile gelten zum Teil völlig andere Zusammenhänge. Die mineralischen Bestandteile haben bereits im wesentlichen eine stabile Form erreicht und tragen so zur Erzeugung von Geruchsstoffen oder zur Bildung brennbarer Gase nicht mehr bei. Abfälle ohne nennenswerte Anteile an organischer Substanz, beispielsweise Industrieabfälle, verhalten sich daher grundsätzlich anders.
Für den Abbau der organischen Substanz sind die Stoffwechselvorgänge der Mikroorganismen bestimmend. Sie sind in großer Zahl als Bakterien der verschiedensten Stämme, Pilze und in anderen Arten vorhanden. Für die hier interessierende Frage der Geruchsbelästigung sind die verschiedenen Formen der Deckung des Sauerstoffbedarfs für den Stoffwechsel der Mikroorganismen wichtig. Dieser Stoffwechsel (Zerlegung organischer Stoffe in Kohlendioxyd, Wasser, Schwefel und Phosphoroxyd) benötigt unter anderem Sauerstoff. Nun gibt es Mikroorganismen, die den Sauerstoff in freier Form, wie er beispielsweise in der Luft vorkommt, für den Stoffwechselvorgang verwerten. Es sind die sogenannten Aerobier. Ist genügend freier Sauerstoff vorhanden, übernehmen sie die Führung bei der Zerlegung der organischen Substanz, weil sie die günstigsten Lebensbedingungen vorfinden. Man spricht dann von einem aeroben Stoffwechsel, der chemisch gesehen einer Oxydation, also einer »Verbrennung« entspricht. Beim aeroben Stoffwechsel, wie er bei ungehindertem Zutritt freien Sauerstoffs bevorzugt abläuft, entstehen keine Produkte, die Geruchsbelästigungen hervorrufen können. Die Endprodukte Kohlendioxyd und Wasser sind auch nicht brennbar. Die wilde Müllkippe mit ihren meist nur locker geschütteten Abfällen begünstigt diesen für eine geringe Umweltbeeinträchtigung wichtigen aeroben Stoffwechsel. Bei der geordneten Deponie dagegen führt die Verdichtung des Mülls durch Raupenfahrzeuge und der aus anderen Gründen erwünschte Abschluß gegenüber der Atmosphäre durch Füllschichten usw. zu einem so umfassenden Sauerstoffabschluß, daß die Anaerobier die »Oberhand gewinnen« können. Der anaerobe Stoffwechsel (Gärung) vermag ebenfalls organische Verbindungen zu spalten. Dieser Spaltprozeß liefert bedeutend weniger Energie, wodurch die Temperaturen im Müll spürbar tiefer bleiben. Dafür werden die Endprodukte Kohlendioxyd und Wasser nur auf Umwegen über übelriechende und meist brennbare Zwischenprodukte erreicht.
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Der Sauerstoffbedarf der Anaerobier wird im übrigen aus sauerstoffhaltigen Verbindungen, die im Müll vorliegen (beispielsweise Nitraten) gedeckt. Dadurch ist sogar bei völligem Luftabschluß ein Abbau der organischen Substanz möglich. Die Zwischenprodukte sind in erster Linie Faulgase wie Merkaptan, Cystrin, Schwefelwasserstoff und Ammoniak. Außerdem entsteht aber auch das brennbare Gas Methan (CH4).
So bewirken die Verdichtungen der Abfälle und das Einbringen von Trennschichten hinsichtlich der Bildung von übelriechenden und brennbaren Gasen eine Reihe von Nachteilen, die den Vorteilen der Volumenreduktion gegenüberstehen. Es sind daher Versuche gemacht worden, die Verdichtung des Mülls bis zum Abbau der organischen Substanz hinauszuschieben, um hierfür aerobe Vorgänge wirksam werden zu lassen (Flächenkompostierung). Das aber wiederum hat den Nachteil, daß die flugfähigen Bestandteile des lose geschütteten Mülls in alle Himmelsrichtungen verweht werden und die Ratten sich einnisten.
Für den aeroben Abbau spricht auch noch die bereits erwähnte Energieausbeute, die in Form von Wärme zu einer wesentlichen Temperaturerhöhung der Schüttung beiträgt. Das wirkt der in Verbindung mit Ablagerungsplätzen immer gefürchteten Fliegenplage sehr entgegen, da die entstehenden Temperaturen für die Anlage von Nistplätzen zu hoch sind. Die Gefahr einer Geruchsbelästigung durch Faulgase und durch Rauchgase von Schwelbränden ist also bei geordneter Deponie auf keinen Fall geringer als bei der wilden Müllkippe.
Ratten, Krähen, Möwen
Die Ratten mögen die geordnete Deponie aus mehreren Gründen nicht leiden. Die Verdichtung des Mülls und die Einbringung von nicht nahrhaften Trennschichten beengen den Lebensraum ganz erheblich. Während bei lose geschüttetem Müll ein weitverzweigtes Gangsystem praktisch mitgeliefert wird, muß es bei verdichtetem Müll zuerst gegraben werden. Entscheidender aber noch ist die Tatsache, daß die ständige Unruhe auf einem derartigen Ablagerungsplatz, das Fahren der Raupen auf dem Müll, eine rattenfeindliche Umwelt schaffen. Die Zoologen wissen schon lange, daß Ratten geräuschempfindlich sind und keine allzu große Unruhe vertragen. Auch Möwen und Krähen, die Aasgeier unserer Breiten, halten nicht allzu viel von dieser Form der Dreckanhäufung. Die sofortige Abdeckung der Abfälle mit Bauschutt, Aschen, Sand oder Kies erschwert den Zutritt auch für noch so spitze Schnäbel in einem solchen Umfang, daß die Vögel zu anderen Futterplätzen abwandern. Mehr noch, die in Verbindung mit großen, ungeordneten Ablagerungsplätzen immer beobachtete starke Vermehrung der Krähen oder Möwen unterbleibt.
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Raumanspruch, Grad der Volumenverminderung
Die geordnete Deponie verlangt für ihre eigentliche Zielsetzung, das ist die Vermeidung von Boden- und Grundwasservergiftungen und die landschaftspflegende Einbettung mit anschließender Bepflanzung usw., nicht unbedingt eine Volumenreduktion. Sie ergibt sich andererseits zum Teil automatisch dadurch, daß der Müll einen vorgegebenen Platz ausfüllen soll und wasseraufnahmefähige Trennschichten erhalten muß. Hiermit zwangsweise verbundene Fahrzeugbewegungen verursachen eine Erhöhung des spezifischen Gewichtes der Schüttung von 0,2 bis 0,25 Tonnen pro Kubikmeter auf etwa das Doppelte. Hinzu kommen aber nicht unerhebliche Volumen für das Abdeckmaterial, so daß per saldo keine allzu große Volumenminderung eingetreten ist. Das hat zu Überlegungen geführt, die Abfälle vor der Ablagerung zu zerkleinern und zu homogenisieren. Für die Zerkleinerung eignen sich nach den bisherigen Erfahrungen am besten kontinuierlich arbeitende Brecher und Mühlen. Solche Zerkleinerungsmaschinen werden in Steinbrüchen und für andere weit widerspenstigere Materialien als Müll schon seit langem erfolgreich eingesetzt.
Dennoch ist die mechanische Zerkleinerung von Abfällen mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden. Hier sind es vor allem die zähen Bestandteile, die den Schlag- und Hammerwerken der Zerkleinerungsmaschinen widerstehen. Tannenbäume beispielsweise, wie sie nach Weihnachten zu Hunderten und Tausenden anfallen, und Autoreifen trotzen der Maschine ebenso wie die immer häufiger im Müll ankommenden Matratzen und Teppichrollen. Man hat daher für diese Stoffe, die meist über die Sperrmüllabfuhr angeliefert werden, besondere Einrichtungen wie Scheren usw. geschaffen.
Es ist einleuchtend, daß die Zerkleinerung des Mülls die Kosten der geordneten Deponie spürbar in die Höhe treiben. Grob gerechnet verdreifachen sich die Anlagekosten. Auch die Betriebskosten schnellen in die Höhe, denn Maschinen brauchen Energie (in diesem Falle Strom), Bedienung und verschleißen obendrein. Mit Zerkleinerungseinrichtungen klettern daher die Betriebskosten einer geordneten Deponie schon fast mit Sicherheit auf das Kostenniveau von Verbrennungsanlagen.
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Über die Auswirkungen der Zerkleinerung auf die geordnete Ablagerung gehen die Meinungen der Experten sehr auseinander. Einigkeit besteht darüber, daß eine wesentliche Homogenisierung sowohl der Zusammensetzung als auch der Stückgrößen eintritt. Hierdurch wird die Verteilung der Abfälle mit Planierraupen wesentlich erleichtert und verbessert. Einig ist man sich auch darüber, daß derartig vorbehandelte Abfälle nach der Zersetzung der organischen Substanz sich weniger »setzen« und unter anderem deshalb für eine spätere Verwendung des Abfallplatzes als Baugrund besser geeignet sind. Uneinig ist man sich dagegen über den ursprünglich angestrebten Zweck der Zerkleinerung, nämlich die Volumenreduktion. Es ist klar, daß sich zerkleinerter Müll dichter schüttet als der heterogene Haufen, der dem Müllfahrzeug unbe-landelt entquillt. Fährt man aber mit der Planierraupe oder einer Straßenwalze über eine Schicht derartig kleingehäckselten Konsumschuttes, so tritt keine nennenswerte Verdichtung mehr ein. Die Teile liegen alle schon dicht bei dicht gepackt. Der unbehandelte Müll dagegen hat so viele Hohlräume, daß er sich auf die Hälfte seines Ausgangsvolumens zusammenpressen läßt. Die nur geringfügigere Verbesserung der Volumenreduktion bei Vorzerkleinerung ist mehrfach durch exakte Messungen bewiesen worden. Allerdings fehlen auch hier loch zuverlässige Unterlagen, beispielsweise über den Faktor »Zeit«.
Abfallsorten für die geordnete Deponie
Die bisherigen Ausführungen zum Verfahren der geordneten Deponie bezogen sich in erster Linie auf Hausmüll. Das ist zwar der sichtbarste Teil des ganzen Abfallberges, umfaßt aber dennoch vom Mengenaufkommen nur einen Bruchteil. Verständlich sind daher die Bemühungen, auch andere Abfallsorten geordnet abzulagern.
Was das Einfangen von Sickerwässern und somit die Abdichtung des Untergrundes angeht, gelten auch bei Industriemüll und anderen Abfällen im wesentlichen die gleichen Voraussetzungen wie bei Hausmüll. Welche Vorgänge sich bei der Zersetzung der organischen Bestandteile abspielen und in welchem Umfang hierbei bestimmte Abfallkomponenten fördernd und bremsend wirken, weiß man allerdings noch nicht. Das ist für Hausmüll schon schwierig genug zu beurteilen, und die Vorstellungen, die man dort bezüglich des Abbaues entwickelt hat, sind auch nur grobe Denkmodelle — der allgemeinen Biologie entlehnt.
Der Aspekt der Volumenreduktion entfällt bei den meisten Industrieabfällen. Altöle, Autowracks und Altreifen lassen sich ohnehin nicht geordnet ablagern, jedenfalls nicht in gleichem Sinne wie Hausmüll und Sperrmüll. Rückstände aus der chemischen Industrie, Bleicherden, Schleifschlämme und dergleichen
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haben trotz erheblichen Mengenanfalles nur einen Bruchteil des Volumens von Hausmüll. Sie enthalten dafür hochgiftige Substanzen, die auf keinen Fall ins Grundwasser gelangen dürfen. Hier steht die Frage der Untergrundabdichtung gegenüber der Volumenreduktion daher eindeutig im Vordergrund.
Es sind eine Reihe von Versuchen angestellt worden, die Ergebnisse der geordneten Deponie dadurch zu verbessern, daß mehrere Abfallqualitäten gleichzeitig behandelt werden (Mischdeponie). Daß man zwischen Hausmüll und Sperrmüll Kraftwerksasche als Trennschicht verfüllen kann, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Hierbei handelt es sich strenggenommen bereits um eine solche Mischdeponie. Wie es sich aber verhält, wenn man dem Hausmüll Metallsalze und andere typische Industrieabfälle beimischt, weiß man nicht genau. Es besteht nämlich die Gefahr, daß die Mikroorganismen hiervon abgetötet werden oder in noch weitaus höherem Maße als bei der anaeroben Zersetzung giftige Zwischenprodukte entstehen.
Man erinnert sich, daß^mengenmäßig der kommunale Klärschlamm dem Hausmüllanfall gleichzusetzen ist. Nur weil er flüssig ist und sein spezifisches Gewicht viermal so hoch ist als das von Hausmüll, dringt er nicht so ins Bewußtsein der Zeitgenossen. Da es in derartigem Klärschlamm von Mikroorganismen nur so wimmelt, werden die Chancen, ihn geordnet mit Hausmüll und anderen Abfällen abzulagern, sehr günstig beurteilt. In Westberlin sind umfangreiche Versuche hierzu durchgeführt worden, die ermutigende Resultate erbracht haben. Sogar der biologische Abbau von Altölen kann in einem derartigen Gemisch von Klärschlamm und Hausmüll bewerkstelligt werden.
Zusammenfassend kann man wohl sagen, daß sämtliche Abfallstoffe geordnet abgelagert werden können, wenn man auch im einzelnen noch nicht weiß, was langfristig in und um solche Deponieplätze vorgeht. Aber das weiß man bei der ungeordneten, wilden Ablagerung erst recht nicht, und da stellt schon allein die Untergrundabdichtung, die Untersuchung der Bodenverhältnisse usw. eine so wesentliche Verbesserung gegenüber dem bisherigen Vorgehen dar, daß man zunächst geneigt ist, nur positive Auswirkungen zu erkennen. Man wird jedoch nicht umhin kommen, diese Zusammenhänge näher zu erforschen, um — ähnlich wie in der Abwassertechnik — Grundlagen und Normen für ein systematisches Vorgehen schaffen zu können. Wenn die Entwicklung hierfür aber auch fünfzig Jahre benötigt, ist es zu spät.
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Von entscheidender Bedeutung für die langfristige Einsatzfähigkeit der Abfallbeseitigung durch Deponie ist die Beantwortung der Frage, ob es gelingt, Chemieprodukte im weitesten Sinne des Wortes biologisch abzubauen. Hierfür bestehen berechtigte Hoffnungen, da bereits eine Reihe von Mikroorganismen als Schädlinge für makromolekulare Werkstoffe bekannt sind. Unter diese Kunststoffe fallen alle heute angewendeten Massenkunststoffe (Polyolefine, Polyvinylchlorid, Polystrol). Gelingt es, diese Mikroorganismen zu isolieren und gezielt einzusetzen, so können auch Produkte aus der Retorte auf einer Deponie abgebaut werden. Welche Bedeutung dies für die Abfallbeseitigung im Zeitalter der Kunststoffe hätte, braucht nicht erläutert zu werden. Allerdings hat die Sache auch einen Haken: man wird kaum ausschließen können, daß die kunststofffressenden Bakterien und Pilze auch abseits der Abfalldeponie tätig werden. Damit könnten unerwünschte Zerstörungen von Werkstoffen (unterirdische Kunststoffleitungen, Isolationen von Elektrokabeln usw.) hervorgerufen werden.
Nach dem heutigen Wissen sind besonders solche Kunststoffe bedroht, die aus Makromolekülen mit Kohlenstoffketten bestehen. Hier können die Mikroorganismen den Kohlenstoff für ihren Stoffwechsel abspalten und so die Zerstörung einleiten. Manchmal sind es auch nur bestimmte Bestandteile der Kunststoffe, wie beispielsweise die sogenannten »Weichmacher«, die den Appetit der Bakterien und Pilze stillen. Vielleicht ist das verstärkte Vorkommen kunststofffressender Mikroorganismen ein Anzeichen neuer ökologischer Gleichgewichte, bei denen alte Stämme, die von natürlichen Abfällen gelebt haben, mehr und mehr durch solche ersetzt werden, die die Produkte unserer Zeit bevorzugen. Abfalltechnisch gesehen könnte man eine solche Entwicklung nur begrüßen. Für die Versuche, sich Autowracks für die Küstensicherung zu entledigen oder sie im Meer zu versenken, kann man nur noch bedingt die Überschrift »geordnete Deponie« anwenden. Lediglich der Vollständigkeit halber seien daher die Versuche erwähnt, sich auf diese einfache Art und Weise die Autowracks vom Halse zu schaffen. Angeblich sollen die Fische derartige Gebilde als Unterschlupf ebenso gern aufsuchen wie Schiffswracks, um sich — geschützt vor ihren Feinden — lebhaft zu vermehren. Ob diese »Domestikation« der Meeresfauna auf die Dauer gelingt, muß bezweifelt werden. Schließlich stellen Autowracks nicht nur Eisenschrott dar, den man wohl ohne größere Gefährdung bestehender ökologischer Gleichgewichte dem Meer anvertrauen könnte, sondern sie enthalten eine Reihe anderer Zutaten, die in Lösung gehend alles andere als ideale Brutstätten etwa für Fische abgeben dürften.
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Es ist zu hoffen, daß die Bemühungen der Automobilindustrie, ihre Produkte nach möglichst kurzem Betrieb auf diese Weise »untergehen« zu sehen, bald nicht mehr ernst genommen werden. Es gibt heute wesentlich effektivere Methoden, mit den Autowracks fertig zu werden.
Eine andere Form der geordneten Ablagerung verdient dagegen weitaus mehr Beachtung. Gemeint ist die Küstensicherung mit inertem Material aus Industrierückständen. Hiermit sind sehr positiv verlaufene Versuche an der deutschen Nordseeküste gemacht worden, und zwar hat man hierfür sogenannte Verhüttungsrückstände der Stahlindustrie verwendet.
Mikroorganismen im Großangriff
Die Abfallbeseitigungsmethode »Kompostieren« läßt sich im Gegensatz zur geordneten Ablagerung und Verbrennung sinnvoll nur auf solche Abfälle anwenden, die mehr oder weniger große Anteile an organischer Substanz enthalten. Das ist für Hausmüll und Klärschlamm, für Sperrmüll bereits nur noch bedingt, für Industriemüll nur noch in den seltensten Fällen der Fall.
Der Kompostierung liegt der Gedanke zugrunde, große Teile des Abfalls für eine Bodenverbesserung zu nutzen. Es entsteht also kein Berg von Dreck wie bei der geordneten Ablagerung, und es werden auch keine oder in wesentlich geringerem Umfang Beiträge zur Luftverschmutzung geleistet wie bei der Müllverbrennung. Andererseits gehen die einfach zu kompostierenden Bestandteile im Müll ständig zurück, und Absatzmöglichkeiten für den Kompost bestehen nur noch in landwirtschaftlichen Gebieten. Da nicht dort, sondern in den besiedelten Industrielandschaften die hauptsächlichsten Abfallprobleme bestehen, verwundert es nicht, daß dieses Verfahren sich noch nicht breit durchgesetzt hat.
Das Verfahren der Kompostierung
Hausmüll, entwässerter Klärschlamm, Gartenabfälle, Tierexkremente und Schlachthausabfälle stellen die wichtigsten Abfallarten dar, die durch Kompostierung beseitigt werden können. Die in ihnen enthaltenen organischen Verbindungen können in vier Gruppen eingeteilt werden:
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Kohlenwasserstoffe (zum Beispiel Methan)
Kohlenhydrate (zum Beispiel Stärke, Zucker, Zellulose)
Lignine
Fette, Öle, Wachse und Harze
Proteine
Bei der Kompostierung werden diese organischen Stoffe durch Bakterien, Pilze, Algen und andere Mikroorganismen zerlegt. Je nach den Belüftungsverhältnissen läuft diese Zerlegung, die einen Stoffwechselvorgang der Mikroorganismen darstellt, im aeroben Bereich — also unter Anwesenheit von Sauerstoff — oder im anaeroben Bereich, das heißt unter Sauerstoffabschluß, ab. Die für die Zerlegung der organischen Substanz erforderlichen Mikroorganismen sind in Siedlungsabfällen in hohem Maße enthalten. Man rechnet mit drei bis acht Milliarden Keimen je Gramm Müll-Klärschlamm-Gemisch, das ist hundert- bis tausendmal mehr als in bestem Mutterboden. Bedeutsam für die Zerlegung der organischen Substanz durch die Mikroorganismen ist die Tatsache, daß es sich hierbei um heterotrophe Kleinlebewesen handelt. Sie ernähren sich von toten organischen Stoffen und stehen damit im Gegensatz zu den Parsiten, die lebende Zellen gebrauchen. Da die Erreger menschlicher, tierischer und pflanzlicher Infektionskrankheiten Parasiten sind, die ebenfalls in den Abfällen vorkommen, ist ein wichtiger Nebeneffekt der Kompostierung die Vernichtung dieser Organismen.
Wie besorgen nun die Kleinlebewesen die Zersetzung der organischen Substanz? Den heterotrophen Mikroorganismen ist gemein, daß sie ihre Nährstoffe in wäßrigen Lösungen durch die Zellwände aufnehmen. Die Anwesenheit von Feuchtigkeit ist daher ebenso wichtig wie die Gegenwart von Sauerstoff. Die Zellwände stellen semipermeable (halbdurchlässige) Wände dar. Die entscheidenden biochemischen Vorgänge spielen sich im Zellinneren ab. Die biochemischen Reaktionen, die dabei ablaufen, sind bei sämtlichen heterotrophen Organismen nahezu gleich. Mittels Sauerstoff werden Kohlendioxyd, Wasser und neue Zellsubstanz als Hauptprodukte gebildet. Daneben entstehen je nach Ausgangsprodukt Stickstoff-, Schwefel- und Phosphorverbindungen (Mineralsalze).
Diese Umsetzung von Kohlenstoff und Wasserstoff des Ausgangsmaterials bis zu Mineralsalzen, Kohlendioxyd und Wasser stellt energetisch betrachtet einen sogenannten exothermen Vorgang dar. Das heißt, es wird Wärme freigesetzt. Hieraus erklärt sich die Temperaturerhöhung in dem Komposthaufen.
Die verschiedenen Arten der Mikroorganismen haben ganz unterschiedliche Temperaturbereiche, in denen sie wirksam sind. So kommen mit steigender Temperatur jeweils andere
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Stämme voll zur Entfaltung, bis die höchsten Temperaturen von etwa 70 bis 80 Grad Celsius erreicht werden. Dabei stirbt die thermisch tiefere Stufe ebenso ab wie die parasitären Krankheitserreger. Zum Abschluß der Umwandlung wird es auch der widerstandsfähigsten Mikroorganismusgruppe zu warm, so daß ein steriles Endprodukt zurückbleibt.
Die hier sehr vereinfacht beschriebene Verrottung organischer Substanz in Anwesenheit von Sauerstoff (aerober Vorgang) stellt den Normalfall der Kompostierung dar. Nur bei ihm wird das angestrebte sterile Endprodukt erreicht. Steht Sauerstoff dagegen nur in ungenügenden Mengen zur Verfügung, wird zwar auch eine Zersetzung eintreten durch Mikrolebe-wesen, es handelt sich aber um andere Stämme, nämlich die Anaerobier.
Die Endprodukte Kohlendioxyd und Wasser werden hierbei auch erreicht, jedoch auf dem Umweg über Zwischenprodukte, die sich in erster Linie als stark riechende Gase (Schwefelwasserstoff, Ammoniak, Merkaptan) bemerkbar machen. Außerdem erfolgt die Zersetzung der organischen Substanz nicht so vollständig wie bei aerobem Abbau. Da die gasförmigen Zwischenprodukte einen hohen chemisch gebundenen Energiegehalt haben, ist die Temperaturerhöhung bei der anaeroben Verrottung weitaus geringer als bei Anwesenheit von Sauerstoff. Hierdurch werden nicht alle Mikroorganismen, vor allen Dingen nicht die sehr gefährlichen Parasiten, abgetötet. Die so gewonnenen Endprodukte sind daher nicht steril, und schon allein aus diesem Grunde ist der aerobe Vorgang für die Zersetzung bei der Kompostierung zu bevorzugen.
Neben der Sauerstoffzufuhr müssen noch eine Reihe von weiteren Voraussetzungen erfüllt sein, wenn die Umsetzung optimal ablaufen soll. Feuchtigkeit, ein bestimmtes Verhältnis von Kohlenstoff- zu Stickstoffgehalt und andere Bedingungen müssen eingehalten werden, wenn die organische Substanz der Abfälle richtig abgebaut werden soll. Die organischen Bestandteile machen aber je nach Herkunft der Abfälle nur dreißig bis sechzig Gewichtsprozent aus. Was passiert mit den übrigen, den mineralischen Bestandteilen? Sie sind keineswegs nur Ballaststoffe, die den Vorgang der Verrottung negativ beeinträchtigen. Zunächst begünstigen sie durch ihre körperliche Anwesenheit den Sauerstoffzutritt, indem sie die Abfälle gewissermaßen porig machen. Daneben sind sie chemisch wirksam. Sie puffern, das heißt neutralisieren die bei der Zersetzung der organischen Substanz anfallende Kohlensäure und organische Säure.
Nach dem ungefähren Erkennen des Mikrokosmos der Kompostierung drängt sich einem die Frage auf, wie man es im
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großtechnischen Maßstab anstellt, rund fünf Milliarden Bakterien, Pilze und ähnliche Mikroorganismen pro Gramm Müll für den Abbau von Abfällen einzusetzen. Wie sieht also der Makrokosmos der Kompostierung aus?
Hierfür sind eine Reihe von Verfahren entwickelt worden, die sich in ihrem grundsätzlichen Aufbau jedoch nicht unterscheiden. Unterschiede bestehen im wesentlichen darin, den eigentlichen Verrottungsvorgang entweder natürlich ablaufen zu lassen oder ihn maschinell zu intensivieren und damit das Verfahren zu beschleunigen. Auch im Hinblick auf die Reststoffverarbeitung, das sind die Teile der Abfälle, die aufgrund ihrer Stückgröße oder ihrer Beschaffenheit nicht verrottet und auch nicht zwischen der verrotteten Substanz gelagert werden können, gibt es verschiedene Methoden, die aus Abfällen Kompost werden lassen.*
Der gewonnene Rohkompost wird meist einer Nachbehandlung unterzogen. Sie besteht darin, Glasscherben und andere für die landwirtschaftliche Nutzung des Kompostes unerwünschte Bestandteile auszusondern. Der so aufbereitete Rohkompost kann nunmehr direkt als Bodenverbesserungsmittel angewendet werden oder in offenen Mieten völlig ausreifen. Die bei der Vorbehandlung des Mülls und der Nachbehandlung des Rohkompostes anfallenden Stoffe sind nicht steril und daher nur mit den gleichen Einschränkungen ablagerungsfähig wie Rohmüll. Da sie oft noch ein beträchtliches Volumen haben (mehr als zehn Prozent des Rohmülls), ist ihre Beseitigung ein erhebliches Randproblem der Abfallbeseitigung durch Kompostierung. Am wirkungsvollsten werden diese Rohstoffe nämlich durch Verbrennen vernichtet. Das macht jedoch die Einrichtung von Verbrennungsanlagen erforderlich, die den Gesamtprozeß wesentlich verteuern. Im Zusammenhang damit muß man meist feststellen, daß die Kompostierung die teuerste aller Abfallbeseitigungsmethoden ist, sofern sich durch den Verkauf nicht außergewöhnlich hohe Einnahmen erzielen lassen.
Von den Investitionsaufwendungen her liegt die Kompostierung zwischen geordneter Deponie und Verbrennung. Allerdings ergibt sich — je nach Aufwand und Verfahren — eine erhebliche Streubreite. So sind die aufwendigsten Kompostie-rungsmethoden, die neben einer Vorbehandlung des Rohmülls auch eine Verbrennung der Reststoffe einschließen, teurer als reine Verbrennungsanlagen mit gleichem Durchsatz. Im allgemeinen liegen die Aufwendungen bei 100 bis 150 Mark je Jahrestonne-Durchsatz. Sie sind damit genau zehnmal so hoch wie die einer geordneten Deponie.
* Beschreibung einiger dieser Methoden: siehe Anhang.
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Die niedrigeren Werte werden — spezifisch gesehen — bei Großanlagen und Verzicht auf Reststoffverbrennung, die höheren Werte bei kleinerem und mittlerem Jahresdurchsatz und Reststoffverbrennung erreicht.
Da die Betriebskosten durch den hohen Verschleiß einiger Anlagenteile oder den Personaleinsatz bei Kompostierung in offenen Mieten, Nachkompostierung usw. recht hoch liegen, wird die Wirtschaftlichkeit der Kompostierung entscheidend von den Kompostpreisen beeinflußt. Diese bewegen sich leider nach unten, da der Kompost als Bodenverbesserungsmittel zwar anerkannt, seine Anwendung aber mit erhöhtem Personaleinsatz verbunden ist. Mehr als acht bis zehn Mark je Tonne Kompost lassen sich nicht erzielen. Wenn man bedenkt, daß höchstens sechzig Prozent des Hausmülls als verwertbarer Kompost anfallen, so reduziert ein Kompostpreis von zehn Mark je Tonne die Kosten der Abfallbeseitigung höchstens um sechs Mark je Tonne. Das ist oft zu wenig, um einem Verfahren zum Durchbruch zu verhelfen, das an landwirtschaftlich genutztes Hinterland, großen Flächenbedarf und dabei erhebliche Investitionen gebunden ist.
Die Nachteile sind bei dem Verfahren der Kompostierung allerdings rein wirtschaftlicher Art. Wie keine andere Methode vermeidet die Kompostierung bei der Abfallbeseitigung neue Umweltbelästigungen. Besonders dann, wenn die Reststoffe, statt verbrannt, geordnet abgelagert werden. Auch die Möglichkeit, große Teile des anfallenden Klärschlamms nutzbringend zu verwerten, muß als Vorteil der Kompostierung gewertet werden.
Schließlich ist die Rückgewinnung von sechzig Prozent des Hausmüllgewichtes als Bodenverbesserungsmittel auch nicht von der Hand zu weisen, selbst dann nicht, wenn man sich vor Augen führt, daß damit Bodenverbesserungs- und Düngemittel aus der Retorte nicht ersetzt werden können. Denn eines ist inzwischen auch den eifrigsten Anhängern der Kompostierung, die sich gern aus den Reihen etwas gesundbeterisch anmutender Weltverbesserer rekrutieren, klargeworden — nämlich die Tatsache, daß die Ernährung der Weltbevölkerung durch noch so intensive Kompostwirtschaft nicht entscheidend verbessert werden kann.
Ein neben den wirtschaftlichen Aspekten entscheidender Nachteil der Kompostierung ist ferner darin zu sehen, daß dieses Verfahren der Abfallbeseitigung nur auf Rückstände mit hohem Anteil an organischer Substanz anwendbar ist. Das sind — von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen — in erster Linie Hausmüll, Gartenabfälle, Marktabfälle, Klärschlamm.
Der immer größer werdende Industriemüllberg, die Altöle, der zunehmende Kunststoffanteil im Müll usw. können von den
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heute lebenden Mikroorganismen noch nicht so recht verdaut werden.
Vielleicht gelingt es, jene Stämme von Kleintier-Lebewesen, die sich ebenso gern von Kunststoffolien ernähren wie andere von Speiseresten, weiter zu züchten. Schließlich ist man schon dabei, aus Mineralöl via Mikroorganismen Proteine zu fabrizieren.
Wohin aber mit dem Kompost? In der Bundesrepublik werden derzeit 60 000 bis 65 000 Tonnen Müllkompost jährlich hergestellt. Das entspricht etwa 100 000 Tonnen Rohmüll beziehungsweise Klärschlamm als Ausgangsprodukt. Bezogen auf die 65 bis 75 Millionen Tonnen Abfälle dieser Kategorie, die in jenem Gebiet jährlich anfallen, ist das nur ein verschwindender Bruchteil. Der anfallende Kompost geht
zu 55 bis 60 Prozent in den Weinbau
zu 15 bis 20 Prozent in Baumschulen, Obstanbaugebiete und Gemüsebau
zu 15 bis 20 Prozent für Landschaftsgestaltung, Gartenarchitektur usw.
zu 5 Prozent für öffentliche Parkanlagen und dergleichen.
Allen Anwendungsbereichen ist gemein, daß die Abfallkomposte in erster Linie als Bodenverbesserungsmittel und nicht so sehr als Düngemittel angesehen werden müssen. Natürlich enthalten sie auch eine Reihe von Nährstoffen, die jedoch anderwärtig rationeller und im allgemeinen auch billiger eingebracht werden können. Die Erosionsverluste, die bei intensiv bewirtschaftetem Kulturland durch Regen und Wind bewirkt werden, lassen sich durch den Kompost wieder wettmachen. Besonders gilt das für die Abschwemmverluste auf Hängen, die im deutschen Weinbau eine so große Rolle spielen. Bei Versuchen hat man festgestellt, daß durch die Verwendung von Kompost ein Ertragszuwachs von 5 bis 23 Prozent erreicht werden kann.*
* Vgl. auch Tabellen im Anhang.
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Abfall-Krematorium
Das Verfahren der Abfallverbrennung unterscheidet sich vor allem durch fünf Eigenschaften von geordneter Deponie und Kompostierung:
Es erreicht den höchsten Grad an Volumenreduktion,
es ist praktisch auf alle Arten von Abfällen anwendbar,
es läßt sich am weitesten mechanisieren, unter Umständen sogar automatisieren
und ist nicht zuletzt deshalb im allgemeinen die teuerste Beseitigungsmethode,
es kann durch Staub- und Schadgas-Emissionen zur Umweltbeeinträchtigung führen.
Trotz dieser zum Teil recht negativen Eigenarten bewirken die heute noch nicht einmal voll ausgeschöpften Möglichkeiten der Volumenreduktion und die Anpassungsfähigkeit der Verbrennung an jede Entwicklung der Abfallzusammensetzung, daß das Verfahren zunehmende Bedeutung erlangt. Die höhere Volumenverminderung ist vor allem im großstädtischen Bereich von Bedeutung, wo Platzmangel häufig jede andere Form der Abfallbeseitigung unmöglich macht.
Was die Anwendung der Verbrennung auf die verschiedenen Abfallarten betrifft, so sind durchaus gewisse Einschränkungen zu beachten. Verbrennen, das heißt chemisch gesehen oxydieren, kann man nur Kohlenstoff, Wasserstoff, Schwefel und die von ihnen abgeleiteten Stoffe. Das ist zwar ein erheblicher, dazu noch wachsender Teil unserer Abfälle, trifft aber keineswegs auf alle Bestandteile der Zivilisationsrückstände zu. Die sogenannten inerten Stoffe, die sich an der Verbrennung kaum beteiligen, also Ballaststoffe darstellen, machen einen erheblichen Anteil der Abfälle aus. Bestimmte Industrieabfälle, zum Beispiel die bereits besprochenen Hüttenwerksrückstände, Schlacken von Gießereien usw., bestehen sogar ausschließlich aus solchen Stoffen und scheiden für eine sinnvolle Beseitigung durch Verbrennung aus. Andererseits erfahren auch derartige Stoffe beim Weg durch das »Fegefeuer« so hohe Temperaturen, daß sie absolut steril und somit in aller Regel für eine Ablagerung unbedenklicher werden. Auch Eisenschrott, zum Beispiel von Autowracks, kann ohne Vorbehandlung nicht rationell durch eine Verbrennung beseitigt werden.
Bei der Verbrennung werden organische Bestandteile der Abfälle im weitesten Sinne des Wortes mineralisiert. Die Umwandlung geschieht nicht biologisch wie bei der Kompostierung und zum Teil auch bei der Deponie, sondern rein chemisch. Auch solche Stoffe, die Mikroorganismen trotzen, wie zum Beispiel die Kunststoffe, werden leicht eine Beute der Flammen. Damit erfaßt die Verbrennung bei richtiger Handhabung von allen Methoden der Abfallbeseitigung den größten Teil der organischen Substanz. Selbst inerte Stoffe können unter Umständen eingeschmolzen und somit wenn schon chemisch nicht wesentlich verändert, so doch im Volumen reduziert werden beziehungsweise in wasserunlösliche Produkte verwandelt werden.
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Die Oxydation, das heißt das Eingehen einer chemischen Verbindung mit Sauerstoff unter Freisetzung von Wärme erfordert ganz bestimmte Bedingungen, wenn sie optimal ablaufen soll. Der Brennstoff muß aufbereitet, eine bestimmte Menge Sauerstoff zugeführt, bestimmte Temperaturverhältnisse müssen eingehalten werden. Schon bei vergleichsweise genau definierter Brennstoffzusammensetzung, wie zum Beispiel bei Dieselöl, genügt eine bloße Initialzündung für eine einwandfreie Verbrennung nicht. Man kann ohne weiteres in eine Lache von Dieselöl ein brennendes Streichholz werfen — das öl entzündet sich nicht. Bekannt ist ja folgende drastische Demonstration der schweren Entflammbarkeit von Heizöl, das dem Dieselöl weitgehend entspricht: Hierbei flutete man einen in Betrieb befindlichen Heizkessel mit Öl. Vor den Augen der etwas skeptisch antretenden Feuerwehrleute wird ein Keller, in den ein in Betrieb befindlicher Heizungskessel installiert ist, mit Heizöl, also mit einem hochwertigen Brennstoff geflutet. Erreicht der Ölspiegel die Flammen, kann man mit Sicherheit »Feuer aus« melden. Selbst das sehr leicht entflammbare Benzin muß für die definierte Verbrennung in einem Automotor im Vergaser zunächst aufbereitet werden. Bei Abfällen mit ihren besonders im Hinblick auf die verbrennungstechnischen Eigenschaften sehr schwankenden Zusammensetzungen (Heterogenität) stellt die Einhaltung der für eine einwandfreie Oxydation erforderlichen Bedingungen ein großes Problem dar. Nach mehr als achtzig Jahren Erfahrung — die ersten Abfallverbrennungsanlagen wurden 1890 in England gebaut — beherrscht man die Materie inzwischen sicher genug, wenn auch die Entwicklung keineswegs als abgeschlossen bezeichnet werden kann.
Die Anforderungen an die Aufbereitung für die Verbrennung, auch der Ablauf der Verbrennung selbst, sind natürlich bei den verschiedenen Abfallkategorien sehr unterschiedlich; Klärschlamm mit mehr als 90 Prozent Wasseranteil verhält sich verbrennungstechnisch eben völlig anders als Hausmüll mit 40 Prozent Papieranteil oder Autoreifen, die nahezu zu 100 Prozent brennbare Substanz haben.
Es sind daher eine Reihe ganz unterschiedlicher Verfahren entwickelt worden, die den spezifischen Eigenschaften der jeweiligen Abfälle so gerecht wie möglich zu werden versuchen. Es würde den Rahmen dieses Buches sprengen, auf alle diese Methoden einzugehen. Schließlich kommt es hier in erster Linie darauf an, dem an seiner Umwelt interessierten Leser klarzumachen, daß — und in welcher Form — die geordnete Abfallbeseitigung möglich ist.
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Dennoch erscheint es für das Verständnis der Abfallverbrennung an sich sinnvoll, einige grundsätzliche Zusammenhänge aufzuzeigen. Hinsichtlich der verbrennungstechnischen Eigenschaften ist vor allem der Gehalt an brennbarer Substanz, der Gehalt an Wasser und an inertem Material von Interesse. Daneben spielt die Tatsache, ob der Abfall in fester oder flüssiger Form vorliegt, eine große Rolle für die Auswahl des geeigneten Verbrennungsverfahrens.
Je geringer der Gehalt an brennbarer Substanz ist, um so relativ mehr Sauerstoff — also Verbrennungsluft — muß dem Brennstoff angeboten werden, damit mit Sicherheit alle Bestandteile oxydieren. Gleichzeitig muß der Abfall bewegt oder fein verteilt werden (schüren, zerstäuben), um eine innige Vermischung von Sauerstoff und Brenngut zu erreichen. Die Wirkung von Luftzufuhr und Schürwirkung für den Verbrennungsablauf ist wohl jedem aus dem Zeitalter der Anwendung von Kohle und Holz am häuslichen Herd bekannt. Bei der Abfallverbrennung spielen aber außerdem andere Faktoren (Temperatur im Feuerraum, Rauchgasführung, Temperatur der Verbrennungsluft) eine bedeutende Rolle. Mit diesen Einflußgrößen kann man den Abfall so aufschließen, daß er einwandfrei ausbrennt. Die verschiedenen Verbrennungssysteme* haben nun das Instrumentarium, diese Vorgänge wahlweise gleichzeitig oder nacheinander, stark oder abgeschwächt ablaufen zu lassen.
Welches Verfahren im gegebenen Fall optimal eingesetzt werden kann, entscheiden Menge und verbrennungstechnische Eigenschaften der Abfälle.
Natürlich ist das eigentliche Verbrennungssystem nur ein kleiner Teil einer Abfallverbrennungsanlage. Dazu gehören außerdem Transporteinrichtungen für den Abfall und die Verbrennungsrückstände, Vorrichtungen, die bei der Verbrennung anfallende Wärme wegzukühlen, Rauchgasentstaubung usw. Die notwendigen Zusatzeinrichtungen machen eine Abfallverbrennung gegenüber Deponie und Kompostierung in Errichtung und Betrieb so viel teurer.
Mit folgenden Werten muß man heute für die Investitionen rechnen:
Kleine Anlagen ohne Wärmeausnutzung, ohne Rückstandsverarbeitung: 250 bis 300 Mark pro Jahrestonne Durchsatz,
Mittlere Anlagen mit Wärmeausnutzung, ohne Rückstandsverarbeitung: 200 bis 250 Mark pro Jahrestonne Durchsatz,
Große Anlagen mit Wärmeausnutzung, mit Rückstandsverarbeitung: 150 bis 200 Mark pro Jahrestonne Durchsatz.
* Vgl. Anhang.
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Große Müllverbrennungsanlagen (ab 250.000 Tonnen pro Jahr Durchsatz entsprechend einer Million Einwohner Einzugsbereich) sind damit nicht aufwendiger als Kompostierungsanlagen mit Rottezellen und Reststoffverbrennung. Die Betriebskosten einer Müllverbrennungsanlage werden entscheidend davon beeinflußt, ob die freigesetzte Wärme nutzbringend angewendet werden kann und die in den Rückständen enthaltenen Stoffe (Schlacke, Eisenschrott) zu verkaufen sind.
Dennoch wird auch die wirtschaftlich betriebene Müllverbrennungsanlage ein Zuschußbetrieb bleiben. Je nach Größe, Umfang der Wärmeverwertung usw. bleibt eine ungedeckte Kostenlücke von 20 bis 25 Mark je Tonne Abfall. Das ist verhältnismäßig wenig im Vergleich zu den Kosten, die für das Einsammeln und die Abfuhr der Abfälle entstehen. Sie liegen im großstädtischen Bereich heute bereits bei 60 bis 80 Mark pro Tonne und steigen schnell an.
Die Kostenseite ist leider nur einer der Nachteile der Abfallverbrennung. Weitere Nachteile wiegen fast schwerer. Die bei der Verbrennung entstehenden Produkte — Rauchgas, Asche und Schlacke — enthalten oft schädliche Bestandteile in konzentrierter Form. Zu lange hat man auf die hervorragende Volumenverminderung bei der Verbrennung gestarrt und andere Eigenarten dieser Beseitigungsmethode dabei übersehen. Erst in jüngster Zeit beginnt man sich für die Umweltfaktoren der Müllverbrennung zu interessieren. Auch hier steht man erst am Anfang der Erforschung.
Die Vorteile der Abfallverbrennung sind indes so eindeutig, daß selbst die Aufdeckung besonders negativer Umweltbeeinträchtigungen das Verfahren selbst nicht in Frage stellen können. Dagegen wird der Bekämpfung der Emission schädlicher Gase, Stäube usw. zunehmende Beachtung zu schenken sein. Bis heute werden lediglich eine gewisse Entstaubung und die Verteilung der Rauchgase in großen Höhen (hohe Schornsteine) als Gegenmaßnahmen angewendet. Beides ist nicht länger ausreichend. Durch die Entstaubung der Rauchgase wird zwar der überwiegende Teil — in der Regel mehr als 98 Prozent — der festen Bestandteile aus den Verbrennungsgasen herausgefiltert, schädliche Bestandteile im verbleibenden Rest aber oft angereichert. Gasförmige Schadstoffe im Rauch werden vorläufig gar nicht bekämpft. Indem man sie über hohe Schornsteine in die Atmosphäre entläßt, schafft man zwar die Voraussetzungen für eine Verdünnung auf heute noch als ungefährlich angesehene Konzentrationen; echt beseitigt werden die Schadgase dadurch jedoch nicht. Und was bei der Verbrennung von Abfällen an giftigen Gasen entsteht, umfaßt die ganze Skala der als bedenklich einzustufenden Gasarten.
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Da gibt es Schwefeldioxyd (SO2), Chlorwasserstoff (HCl) und Fluorwasserstoff (HF), um nur die wichtigsten zu nennen. Diese Gase kommen zum Teil mit dem Regen wieder herunter, entlauben und entnadeln Bäume und beschädigen den Autolack. Gerade die letztgenannte Erscheinung ruft den sonst gleichgültigen Zeitgenossen auf den Plan, weil er seinen Wohlstand »befleckt« sieht. Hier tut sich ein weiteres Betätigungsfeld für die Entwicklung von Verfahren zur Gasreinigung auf. Auch die Aschen und Schlacken einer Müllverbrennung sind nicht ganz so harmlos wie oft dargestellt. Sie sind zwar in aller Regel frei von organischer Substanz und praktisch steril. Aber auch anorganische Verbindungen können Boden und Grundwasser zusetzen. Salze, schädliche Metalloxyde sind neben harmlosen »Sanden« häufig genug in konzentrierter Form vorhanden.
Eine Nachbehandlung der bei der Verbrennung anfallenden Rückstände erscheint deshalb nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen geboten. Bei der Aufbereitung der Müllverbrennungsschlacken und Aschen kann man neben den Metallen wertvolles Wegebaumaterial und sogenannte Bauzuschlagstoffe gewinnen. Eine Tonne Hausmüll enthält außerdem drei bis vier Gewichtprozent Eisenschrott. Das sind dreißig bis vierzig Kilo, die einen Wert von 1,50 bis 2,50 DM präsentieren. Ein Betrag, der hilft, die Kosten der Abfallverbrennung zu senken.
Es ist verständlich, daß man bei dem Abfallbeseitigungsprinzip mit den höchsten Investitionsaufwendungen der Frage der Kostensenkung die größte Beachtung schenken muß. Hierfür bieten sich bei der Verbrennung mehrere Möglichkeiten an. Durch die Wahl geeigneter Standorte kann die anfallende Wärme meist ausgenutzt werden. Die Zusammenfassung möglichst vieler Abfallproduzenten an eine Verbrennungsanlage führt zu relativ starken Senkungen der Investitionsaufwendungen. So kostet unter sonst gleichen Voraussetzungen zum Beispiel eine Hausmüllverbrennungsanlage für 500.000 Einwohner 30 Millionen Mark. Bei Verdoppelung des Einzugsbereiches, also einer Million Einwohner, benötigt man nur 45 Millionen Mark, um den Dreck einwandfrei zu verbrennen. Damit tritt, spezifisch gesehen, bei einer Verdoppelung der Kapazität nur eine fünfzigprozentige Kostensteigerung ein. Ähnlich verhält es sich mit den Betriebskosten. Dagegen treten bei einer Vergrößerung der Anlagenkapazität im allgemeinen höhere Transportkosten auf für den Antransport des Abfalls und den Abtransport der Rückstände. Dennoch gilt für das kapitalintensive Verfahren der Verbrennung mehr als für alle anderen Beseitigungsmethoden, daß Zusammenballung Kostenvorteile bringt.
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Eine Wärmeausnutzung bei der Verbrennung ist in mehrfacher Weise möglich. Besonders wirtschaftlich ist die gemeinsame Verbrennung von Müll und Klärschlamm. Es zeigt sich nämlich, daß die bei der Verbrennung von Hausmüll frei werdende Wärmemenge einer Müllregion im allgemeinen gerade ausreicht, den hohen Wassergehalt des kommunalen Klärschlamms aus demselben Gebiet zu verdampfen. Die Wirtschaftlichkeit dieses Vorgehens ergibt sich aus dem relativ einfachen apparativen Aufwand, um die thermische Trocknung von. wasserhaltigem Schlamm durchzuführen. Die Rauchgase der Müllverbrennungsanlage werden einfach über den zu trocknenden Schlamm geleitet und dabei noch sehr wirkungsvoll entstaubt. Der trockene Klärschlamm kann ohne besondere Schwierigkeiten verbrannt werden oder aber — und das ist meist wirtschaftlicher — als Düngemittel Verwendung finden. Er ist steril und hat einen hohen Düngewert. Richtig getrocknet ist er absackfähig und somit genau wie Kunstdünger verarbeitbar.
Kann die bei der Verbrennung entstehende Wärme nicht für eine Klärschlammbehandlung eingesetzt werden, ist eine Ausnutzung für Stromerzeugung oder Fernheizung möglich. Hierbei werden jedoch die Investitionsaufwendungen der Verbrennungsanlage zunächst einmal kräftig erhöht. Es entsteht ein Müllkraftwerk, das heißt eine für die Abfallbeseitigung etwas artfremde Zusatzeinrichtung. Häufig genug entwickelt sich aus einem solchen Mittel zum Zweck der Wärmeausnutzung ein der Abfallbeseitigung abträglicher Selbstzweck. Denn die anfallende Wärme oder der Strom müssen verkauft werden, und die Käufer für die Energien gewinnen mehr Einfluß auf die Abfallverbrennung, als ihr guttut. Die volumenmindernde Beseitigung der Abfälle, die Umwandlung in unbedenkliche Rückstände müssen im Vordergrund stehen!*
Steinkohle und Braunkohle werden in Kraftwerkskesseln heute überwiegend in sogenannten Schmelzkammerfeuerungen verbrannt. Dabei wird die Temperatur im Feuerraum durch Vorwärmung der Verbrennungsluft, sorgfältige Dosierung der Verbrennungsluft, entsprechende Aufbereitung des Brennstoffes (feines Vermählen) so hoch getrieben, daß die im Brennstoff enthaltenen inerten Bestandteile flüssig werden. Diese Schmelzkammerfeuerungen haben verschiedene Vorteile. Sie binden mehr Staub ein als »trockene« Feuerungen, die Schlacke hat ein bedeutend geringeres Volumen und ist außerdem als Granulat vielseitiger verwendbar. Das Granulat entsteht beim Einlauf der flüssigen Schlacke in ein Wasserbad, das unterhalb der Feuerungen angebracht ist.
* Beispiele ausgeführter Müllverbrennungsanlagen siehe Anhang.
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Die Anwendung von Schmelzkammerfeuerungen, die auch Hochtemperaturverbrennungen genannt werden, auf die Abfallverbrennung erscheint zunächst sehr verlockend. Für die Verbrennung von Müll bei hohen Temperaturen spricht vor allem die Möglichkeit, sämtliche Bestandteile, die nicht an der Verbrennung teilnehmen, einzuschmelzen. Schrott, Glas, Aschen usw. verbinden sich zu einer Schmelzschlacke, die in einem Wasserbad gelöscht ein Granulat ergäbe. Hierdurch würde einerseits das Volumen der Rückstände gegenüber der »trockenen Verbrennung« halbiert auf etwa fünf Prozent des Ausgangsvolumens. Weitaus wichtiger wäre jedoch die Tatsache, daß die Rückstände wasserunlöslich und daher überall ablagerungsfähig wären. Die höhere Staubeinbindung in der Feuerung wäre ebenfalls ein wünschenswerter Nebeneffekt der Hochtemperaturverbrennung, da die Entstaubungsanlagen entsprechend kleiner und damit billiger ausgeführt werden könnten.
Da das Temperaturniveau für einen flüssigen Schlackenabzug bei Müllverbrennungsanlagen weitaus tiefer liegt als bei anderen technischen Feuerungen, über die langjährige Erfahrungen vorliegen, verwundert es nicht, daß man die Hochtemperaturverbrennung von Abfällen immer wieder versucht hat — leider bis heute nicht sehr erfolgreich. Denn Abfälle sind in ihrer Zusammensetzung nicht nur sehr schwankend — die schmelzflüssigen Rückstände zeichnen sich auch durch eine äußerste Aggressivität aus. So gibt es bis heute noch kein feuerfestes Material, was der durch hohe Temperaturen gesteigerten Aggressivität von flüssigen Müllschlacken länger als einige hundert Stunden widersteht. Auch die Bedingungen für einen flüssigen Schlackenabzug lassen sich nur mit Zusatzfeuerungen oder bei extrem energiereichem Industriemüll aufrechterhalten. Zusatzfeuerungen sind aber im allgemeinen unwirtschaftlich, sofern nicht billige Altöle zur Verfügung stehen; heizwertreiche Industrierückstände enthalten zu wenig Asche und Schlacke, um vorteilhaft in einer Schmelzfeuerung eingesetzt zu werden.
Dennoch bleibt die langfristig betriebssichere Hochtemperatur-Abfallverbrennung das erklärte Entwicklungsziel aller Verbrennungsfachleute.
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Wohin mit dem Klärschlamm?
Bei der Behandlung der drei Hauptverfahren der Abfallbeseitigung — Deponie, Kompostierung, Verbrennung — war mehrfach von der Einbeziehung des kommunalen Klärschlamms die Rede. Besonders bei der Kompostierung kann der hohe Feuchtigkeitsgehalt des Klärschlamms zur Verbesserung des Rottevorganges dienen. Die gemeinsame Verbrennung mit Hausmüll erscheint vor allem aus energiewirtschaftlicher Sicht sinnvoll. Dennoch läßt es sich nicht in allen Fällen vermeiden, den Klärschlamm isoliert von Hausmüll und anderen Abfallqualitäten zu beseitigen.
Kommunaler Klärschlamm fällt bekanntlich bei der Reinigung der menschlichen Abwässer an. Das Problem, ihn zu beseitigen, ist so alt wie die Abwasserreinigung selbst, also rund hundert Jahre. Bis heute überwiegt die »Deponie« dieser vor allem durch einen hohen Wassergehalt gekennzeichneten Schlämme. In der Nähe des Klärwerkes werden sogenannte Trockenbeete oder Schlammteiche angelegt. Auf ihnen wird der Schlamm durch Verdunsten getrocknet, das heißt im Wassergehalt so weit verringert, daß er stichfest ist. Das Räumen der Trockenbeete erfolgt von Hand oder bei größeren Anlagen maschinell. Je nach Witterungsbedingungen dauert der Trocknungsvorgang zwei bis acht Wochen.
Für diese sogenannte natürliche Schlammbehandlung sind große Flächen in der Nähe der Klärwerke erforderlich. Ganz abgesehen davon, daß diese Flächen zumindest im großstädtischen Bereich nur noch in den seltensten Fällen zur Verfügung gestellt werden können, treten unangenehme Umgebungsbe-' "stigungen durch Gestank, Fliegenplage usw. auf. Seit lan-~m ist man daher bemüht, den Schlamm künstlich zu entwäs-rn, um ihn dann als Düngemittel oder für eine Verbren-ng — unter Umständen ohne Müll — einsetzen zu können, 'r eine selbstgängige Verbrennung ohne Zusatzfeuerung uß der Schlamm auf etwa vierzig Prozent Wassergehalt entwässert werden. In diesem Zustand ist er bereits krümelig, so von fester Konsistenz, da die Restfeuchtigkeit als sogenanntes Zellenwasser gebunden ist.
Bei der künstlichen Klärschlammbehandlung unterscheidet man drei Stufen: Entwässerung, Trocknung, Verbrennung oder Veraschung. Für jede dieser Behandlungsstufen sind eine Reihe von Verfahren entwickelt worden, einige befinden sich noch in der Erprobung. Dennoch hat die künstliche Klärschlammbehandlung bereits einen weitaus höheren Grad an Vollkommenheit erreicht als die Beseitigung von Hausmüll.
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Das hängt einerseits damit zusammen, daß der Klärschlamm in seiner Zusammensetzung und damit in seinen Eigenschaften viel geringeren Schwankungen unterliegt, überhaupt definierter ist als übrige Abfälle, und liegt zum anderen darin begründet, daß Abwasserreinigung und somit die Notwendigkeit für eine Klärschlammbehandlung schon wesentlich länger auf breiter Basis betrieben werden als die Müllbeseitigung.
Entwässerung des Klärschlamms
Unter Entwässerung des Klärschlamms versteht man die Verringerung des Wassergehalts von 90 bis 95 Prozent auf 40 bis 50 Prozent. Diese Entwässerung kann mechanisch oder thermisch erfolgen. Die mechanische Entwässerung in Filterpressen oder Zentrifugen ist im allgemeinen wirtschaftlicher als die thermische Entwässerung. Steht jedoch — beispielsweise aus der Verbrennung von Hausmüll — billige Abwärme zur Verfügung, kann die Entwässerung auch thermisch ökonomisch durchgeführt werden.
Die Bindekräfte des Wassers an die sehr kleinen Feststoffteile des Klärschlamms sind groß. Für die mechanische Entwässerung müssen daher erhebliche Kräfte aufgewendet werden. Das gesamte Wasser kann mechanisch allein nicht ausgetrieben werden. Die Zellflüssigkeit, aber auch Teile des Kapillarwassers, lassen sich nicht mit noch so hohen mechanischen Kräften von den Feststoffen trennen. Hierfür ist immer thermische Energie erforderlich.
Um die Effektivität der rein mechanischen Entwässerung bis auf einen End was sergehalt von 40 bis 50 Prozent zu verbessern, setzt man dem Klärschlamm Chemikalien — sogenannte Elektrolyte — zu. Diese Elektrolyte heben einen Teil der überwiegend elektrostatischen Bindekräfte zwischen Feststoffen und Wasser auf und erleichtern so die Wasserabführung. Als Elektrolyte kommen Eisenchlorid, Eisensulfat und andere Salze in Betracht. Als zusätzliche Hilfe für die Entwässerung kann auch Holzmehl, Asche und Kalk zugemengt werden. Diese Zuschlagstoffe haben jedoch eine rein mechanische Wirkung, indem sie den Klärschlamm poriger machen, um so die Wasserableitung zu begünstigen. Die Kosten für eine Klärschlammentwässerung liegen je nach Anlagengröße zwischen zwei und zehn Mark pro Kubikmeter Naßschlamm. Da pro Kopf jährlich etwa 0,5 bis 0,6 Kubikmeter Klärschlamm anfallen, sind für die Entwässerung auf etwa 50 Prozent Wassergehalt eine bis fünf Mark aufzuwenden. Dabei muß man sich vor Augen führen, daß eine Entwässerung auf 50 Prozent Wassergehalt die Abscheidung von 800 bis 900 Liter Wasser je Kubikmeter Klärschlamm bedeutet.
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Denn in Naßschlamm, wie er aus dem Klärwerk ankommt, sind 95 Prozent Wasser enthalten. Er entspricht — wie erwähnt — in seiner Konsistenz etwa Joghurt. Bei 95 Prozent Wassergehalt beträgt der Feststoffanteil je Kubikmeter Klärschlamm 50 Kilogramm. Wird der Schlamm nun auf 50 Prozent Wassergehalt entwässert, sind neben den 50 Kilogramm Feststoffen noch 50 Kilogramm Wasser vorhanden. Somit wurden 900 Kilogramm beziehungsweise 900 Liter abgeschieden. Durch eine Entwässerung auf 50 Prozent reduziert sich somit das Schlammvolumen auf ein Zehntel des Ausgangsvolumens.
Wenn dermaleinst in der Bundesrepublik sämtliche kommunalen Abwässer geklärt werden, fallen jährlich 30 bis 35 Millionen Kubikmeter Klärschlamm an. Wenn dieser Berg 90 Prozent seines Volumens verliert, ist er kein Berg mehr! Vorläufig beträgt der Klärschlammanfall in der Bundesrepublik jährlich fünf bis acht Millionen Kubikmeter, wenn man die Klärwerke für kommunale Abwässer betrachtet. Hiervon werden zur Zeit höchstens zehn Prozent künstlich entwässert oder in anderer Weise für eine kontrollierte Beseitigung behandelt.
Trocknen des Klärschlammes
Unter Trocknen versteht man die Reduzierung des Wassergehaltes von 40 bis 50 Prozent auf unter 20 Prozent bis zur völligen Trockenheit. Wassergehalte von unter 40 Prozent können mit rein mechanischer Entwässerung auch bei thermischer Vorbehandlung nicht erreicht werden. Für die weitere Trocknung kommen daher nur direkte thermische Verfahren in Betracht. Diese Methoden setzen im allgemeinen keine mechanische Vorentwässerung des Klärschlamms voraus, wenn sie dennoch meist angewendet werden, so geschieht das aus wirtschaftlichen Gründen. Denn der Energiebedarf für eine rein thermische Klärschlammbehandlung von 95 Prozent Wassergehalt auf etwa 20 Prozent Wassergehalt ist beträchtlich, weil je Kubikmeter Naßschlamm mehr als 900 Liter Wasser abgeführt werden müssen. Geschieht das auf dem Umweg über die Verdampfung, müssen rund 900 kg/m3 • 600 kcal/kg = 540.000 kcal/m3 (Klärschlamm) Verdampfungswärme aufgebracht werden.* Die Energiekosten betragen bei Berücksichtigung der unvermeidlichen Verluste etwa zehn Mark pro Kubikmeter Naßschlamm und somit ein Vielfaches dessen, als bei der natürlichen Schlammbehandlung, das heißt bei der Lufttrocknung in Trockenbeeten aufzuwenden ist.
* kcal = Kilokalorie = 1000 Kalorien, 1 Kalorie ist die Wärmemenge, die nötig ist, um die Temperatur von 1g Wasser um 1° Celsius zu erhöhen.
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Verbrennung des Klärschlammes
In einigen Fällen kann der vorbehandelte Klärschlamm landwirtschaftlich nicht genutzt werden. Eine gemeinsame Beseitigung des Klärschlamms mit anderen Abfällen der Region ist dann die vorteilhafteste Lösung. Aber auch das läßt sich nicht immer bewerkstelligen, so daß man Verfahren für eine isolierte Verbrennung des Klärschlammes schaffen mußte. Für die Verbrennung oder Veraschung des Klärschlamms ist eine Vorentwässerung oder -trocknung auf die sogenannte Eigenbrandgrenze erforderlich. Die Eigenbrandgrenze von Klärschlamm liegt je nach der vorangegangenen Methode der Klärschlammbehandlung bei 40 bis 50 Prozent Wassergehalt. Der Verbrennung geht deshalb im allgemeinen eine mechanische Entwässerung voraus. Der für die Verbrennung erforderliche Ausgangswassergehalt kann jedoch auch durch eine thermische Entwässerung — sofern genügend billig Abwärme zur Verfügung steht — erreicht werden. Die Veraschung erfolgt in Spe-zialöfen verschiedener Bauart.*
Zusammenfassend kann zur Klärschlammbeseitigung festgehalten werden, daß sie auf das Einheitsgewicht des Ausgangsmaterials, das heißt des nicht entwässerten Naßschlammes, bezogen wesentlich billiger ist als die Beseitigung anderer Abfälle. Selbst die Verbrennung als das aufwendigste Verfahren der Klärschlammbeseitigung verursacht bei mittleren und großen Anlagen höchstens Aufwendungen in der Größenordnung von sechs bis sieben Mark pro Tonne Naßschlamm. Das ist nur ein Drittel der Verbrennungskosten, die bei Hausmüll anfallen. Hinzu kommt außerdem, daß der Klärschlamm, sofern er thermisch getrocknet oder verbrannt wird, praktisch ohne Umgebungsbelästigungen beseitigt werden kann. Auch hierin liegt ein nicht zu unterschätzender Vorteil gegenüber der Beseitigung anderer Rückstände. Dennoch sollte, wenn irgend möglich, die Klärschlammbehandlung und -beseitigung nicht isoliert von den übrigen Abfällen der gleichen Region durchgeführt werden. Eine gemeinsame Behandlung aller Abfälle ist insgesamt gesehen immer wirtschaftlicher.
Zum Abschluß dieses Abschnitts noch eine Anmerkung zu der vor allem bei Küstenstädten anzutreffenden Klärschlammbeseitigung im offenen Meer. New York, London, Hamburg und eine Reihe anderer großer Städte lösen ihr Schlammproblem auf diese Weise. Der Klärschlamm wird in Spezialschiffen ins offene Meer hinaustransportiert und 25 bis 30 Kilometer vor der Küste abgelassen. Obgleich man immer wieder festgestellt hat, daß selbst beim Löschvorgang in unmittel-
* Vgl. Anhang
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barer Nähe der Schlammeingabe keine erhöhte Konzentration an Krankheitskeimen festgestellt werden kann, muß das Verfahren als sehr bedenklich erscheinen. Zunächst erscheint der ganze Vorgang sehr unlogisch: Da werden die Millionen und aber Millionen Kubikmeter von kommunalem Abwasser mit einem Riesenaufwand (der größte Nebenfluß der Elbe ist, wie gesagt, die Hamburger Kanalisation) gereinigt, um die Vorfluter Hudson, Themse und Elbe nicht zu verdrecken. Was bei dieser Reinigung herausgefiltert wird — in New York sind das täglich 12000 bis 14000 Kubikmeter, in London 8000 bis 10 000 Kubikmeter und in Hamburg 2000 bis 3000 Kubikmeter —, wird dann noch im Mündungsgebiet der Flüsse dem Wasser wieder beigegeben. Freilich, so wenden die Anhänger der Klärschlammbeseitigung im Meer ein, wird der Schlamm zuerst einem Ausfaulprozeß — bei dem über 90 Prozent der Krankheitserreger vernichtet werden — unterzogen. Als ob Krankheitserreger allein die Ökologie der Meere durcheinanderbringen könnten!
Schließlich ist ja auch denkbar, daß die Millionen von Tonnen, die auf diese Weise jährlich ins Meer geschwemmt werden, die Meeresflora ersticken, damit Kleintier-Lebewesen ihre Existenzgrundlage nehmen, womit auch die Fischbestände betroffen sind.
Weltweit ist ein erheblicher Rückgang der Fischbestände zu beobachten, und in Küstennähe von industrialisierten Ländern gibt es überhaupt keine Fischbestände mehr. Diese einmal als unerschöpflich angesehene Nahrungsquelle der Menschheit droht in wenigen Jahren vernichtet zu sein. Sicher sind hieran giftige Industrieabwässer und das, was an Giftstoffen über die Atmosphäre ins Meerwasser gelangt, auch wesentlich beteiligt. Aber warum muß zusätzlich noch der kommunale Klärschlamm abgeladen werden?
Die letzte (Alt-)ölung
Auch für die kontrollierte Beseitigung von Altölen gibt es umweltfreundlichere Methoden, als Badestrände zu verschandeln und Millionen von Vögeln in teerähnlichen Öllachen verenden zu lassen. Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen: Verfahren, bei denen die Altöle für eine Wiederverwendung aufbereitet werden, und Verfahren, bei denen die Altöle durch Verbrennen vernichtet werden.
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Grundsätzlich ist es möglich, alle Altöle so aufzubereiten, daß sie einer Wiederverwendung zugeführt werden können. Oft ist das jedoch mit zu hohen Kosten verbunden, so daß eine Vernichtung durch Verbrennen gegebenenfalls unter Ausnutzung der dabei freigesetzten Wärme vorteilhafter ist. Die Beseitigung durch Verbrennen hat unter Umständen negative lufthygienische Auswirkungen. Altöle enthalten Bestandteile, die bei der Verbrennung zu luftverunreinigenden oder sogar giftigen Produkten verwandelt werden. Man muß daher von Fall zu Fall sehr sorgfältig prüfen, ob eine Verbrennung ohne gleichzeitige Rauchgasreinigung vertretbar ist.
Die Altölaufbereitung zum Zwecke der Wiederverwendung der Öle läuft immer darauf hinaus, die für den jeweiligen Verwendungszweck des regenerierten Öls schädlichen Bestandteile abzusondern. Das ist in erster Linie Wasser, Metallstaub, unter Umständen sogenannte Additive, die dem Öl bei seiner Erstverwendung — zum Beispiel zur Erhöhung der Schmiereigenschaften (Graphit, Silikone) — zugegeben wurden.
Ein großer Teil der auszuscheidenden Bestandteile kann durch Zentrifugieren abgetrennt werden. Hierbei wird das unterschiedliche spezifische Gewicht von Öl und seinen Verunreinigungen ausgenutzt. Bei Emulsionen oder disperser Verteilung müssen aufwendigere Methoden, zum Beispiel Ultraschall, für die Trennung benutzt werden. Feste Bestandteile können im allgemeinen durch Filtern abgeschieden werden. Das bei solchen Altölaufbereitungen abgeschiedene Wasser muß meist ebenfalls einer Behandlung unterzogen werden, da es nicht umweltgerecht ist. Hierfür wendet man eine Kombination von chemischen und mechanischen Verfahren an. Durch Zugabe von Chemikalien können fein verteilte Schmutzstoffe im Wasser zur Koagulation und zum Aufschwemmen oder Absinken gebracht werden. Außerdem kann durch Zugabe von Säuren oder Basen in die abgeschiedenen Wässer deren Neutralisation erreicht werden.
Für die Verbrennung der Altöle ist eine Aufbereitung nur bei extremem Gehalt an Ballaststoffen einschließlich Wasser erforderlich. Für solche Altöle, die bei Raumtemperatur bereits stocken, muß eine Erwärmung für die Verbrennung durchgeführt werden.
Wegen der häufig schwankenden Zusammensetzung der Altöle ist die Beseitigung durch Verbrennen nicht ohne Probleme. Die bis heute entwickelten Verbrennungssysteme befriedigen nicht in jeder Weise. Es werden daher noch ständig Versuche angestellt, die Verbrennung zu vereinfachen, um höhere Betriebssicherheit und geringere Kosten zu erreichen.
Da Altöle, wenn man von Raffinerien, der Tankschiffahrt und einigen sehr großen ölverarbeitenden Industrien einmal ab-
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sieht, im Gegensatz zu vielen anderen Abfallstoffen weit verteilt vorkommen (Automobilwerkstätten, private Heizöltanks usw.), kann es vor allen Dingen in den ländlichen Gegenden sehr teuer sein, diese Altöle einer zentralen Verbrennungsanlage zuzuführen.
In solchen Fällen ist es oft wirtschaftlicher, mobile Verbrennungsanlagen zu schaffen, um die Altöle am Ort ihrer Entstehung zu beseitigen. Die fahrbare Anlage ist auch für die Behandlung ölverseuchten Erdreiches, das bei Tankwagenunfällen auftritt, anzuwenden. Bei einem Tankwagenunfall muß zur Vermeidung von Grundwasserbeeinträchtigungen das gesamte ölverseuchte Erdreich ausgebaggert und abgefahren werden. Normalerweise sind das 500 bis 1500 Kubikmeter Erde, je nachdem, welche Zeit bis zur Einleitung von Gegenmaßnahmen vergeht. Bei Schäden an Pipelines fallen manches Mal einige tausend Kubikmeter ölverseuchtes Erdreich an. Für solche Vorkommnisse ist es nicht vertretbar, das gesamte Erdreich zu einer entfernten Verbrennungsanlage zu transportieren und die ausgeglühten Rückstände wieder zur Auffüllung an die Unfallstelle zurückzuschaffen.
Anti-Autofriedhöfe
Für die Beseitigung von Autowracks kommt eigentlich nur ein Verfahren in Frage: das Einschmelzen im Stahlwerk. Die in den Vereinigten Staaten versuchte Methode der Deponie von Autowracks dürfte keine Zukunft haben. Auch die in Dänemark vorgeschlagene Variante dieser Methode, die Autowracks in Betonklötze einzugießen und diese als Küstenschutz zu verwenden, erscheint abwegig. So viel Küste gibt es gar nicht zu schützen, wie Autowracks anfallen. Abzusehen ist schon der Zeitpunkt, wo jährlich 25 bis 30 Millionen Autowracks beseitigt werden müssen. Da bleibt als sinnvolle Lösung nur der Weg zurück ins Stahlwerk, auch wenn der Auto-schrott teurer ist als Eisenschrott im allgemeinen. Leider enthält Autoschrott eine Reihe von Bestandteilen, die ihn für den direkten Einsatz im Stahlwerk ungeeignet machen. Dem Einschmelzen muß daher, wie bereits erwähnt, eine Aufbereitung vorausgehen. Auch hierfür sind eine Reihe von Verfahren entwickelt worden, auf die hier kurz eingegangen werden soll.
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Paketierpressen
Mit ihnen wird nur das Volumenproblem des Autoschrottes bis zum Einschmelzen »verkleinert«. Eine eigentliche Aufbereitung findet nicht statt. Aus den Autowracks werden die Motoren ausgebaut, der Rest (die Karosserie und Zubehörteile) in die Presse gefördert. Dort erfolgt unter einigen hundert Tonnen Preßkraft ein Zusammendrücken auf eine »handliche« Paketgröße. Diese Schrottpakete wiegen 600 bis 800 Kilogramm und sind wesentlich billiger an die oft weit entfernt liegenden Stahlwerke zu transportieren als die Autowracks selbst. Der Nachteil dieses Verfahrens besteht einerseits in den hohen Kosten, da die Durchsatzkapazität der Pressen wegen des diskontinuierlichen Betriebes beschränkt ist — andererseits aber in der Tatsache, daß sämtliche schädlichen Bestandteile wie Nichteisenmetalle, Kunststoffe usw. im Schrottpaket enthalten sind. Dadurch wird der erzielbare Preis des Schrottes, der sich nach dem Eisengehalt richtet, reduziert. Es sind daher Versuche angestellt worden, die Schrottpakete durch ein anschließendes Ausbrennen in der Qualität zu verbessern. Ganz abgesehen davon, daß hierdurch die Kosten nicht unerheblich erhöht werden, gelingt durch ein Ausglühen lediglich die Absonderung der brennbaren Bestandteile, nicht jedoch die Ausscheidung der Nichteisenmetalle.
Scheren
Einige Nachteile der Schrottpressen vermeiden die Schrottscheren. Hierbei handelt es sich um riesige Scheren, die mit einer Kraft von 300 bis 500 Tonnen den Autoschrott in »Scheiben« von 15 bis 25 Zentimeter Dicke schneiden. Auch für das Zerscheren der Autowracks müssen die Motoren ausgebaut werden. Der Vorgang ist genau wie bei der Schrott-paketierung diskontinuierlich, das heißt er ist zeitraubend und macht eine flüssige Arbeitsweise nicht möglich. Mit den am Markt befindlichen Schrottscheren können maximal 10 000 Tonnen pro Jahr verarbeitet werden. Der kleingeschnittene Schrott kann unter Zuhilfenahme von sogenannten Magnetabscheidern jedoch in Eisenbestandteile und Nichteisenbestandteile getrennt werden. Insofern kann in Verbindung mit dem Zerschneiden eine echte Aufbereitung des Schrottes erfolgen.
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Shreddern
Wegen der Nachteile der Pressen und Scheren wurde in den Vereinigten Staaten — dem klassischen Land des Automobils und daher auch dem klassischen Land des Autowracks — ein ganz neuer Typ von »Beseitigungsmaschine« geschaffen. Es handelt sich um eine Brechmühle, in der Hämmer mit großer Umfanggeschwindigkeit rotieren. Je nach Größe der Shredder-Anlage beträgt die Antriebsleistung 2000 bis 3000 PS. Diese Mühlen verkraften ganze Autowracks ohne jede Vorbehandlung und häckseln sie in faustgroße Stücke. Eine solche Anlage arbeitet kontinuierlich und verarbeitet spielend bis zu 60.000 Tonnen bei einschichtigem Betrieb pro Jahr. In Amerika sind sogar Anlagen installiert, die bis zu 200.000 Tonnen pro Jahr erzeugen.
Die Shredder-Anlage umfaßt keineswegs nur die Zerkleinerung des Schrotts. Das zerkleinerte Material wird zunächst über ein Sieb geleitet, das von einem kräftigen Luftstrom quer zur Förderrichtung des Autoschrottes durchströmt wird. Dabei wird »flugtüchtiges« Material des Autoschrotts wie Stofffetzen, Kunststoffrest usw. abgesondert. Danach erfolgt durch Magnete eine Trennung in eisenhaltige und nichteisenhaltige Metalle. Aufwendige Shredder-Anlagen haben daran anschließend noch ein langsam laufendes Hand-Ausleseband, wo manuell weitere Nichteisenbestandteile ausgeschieden werden können. Danach wird der nunmehr fast ausschließlich aus Eisen bestehende Schrott in einem Drehrohrofen bei Temperaturen von 500 bis 600 Grad Celsius »abgeflämmt«. Solche Shredder-Anlagen sind sehr kapitalintensiv und auch im Betrieb teuer. Da sie sich erst ab einer gewissen Größe rentieren, sind große Einzugsgebiete wichtig. Eine im Auftrag der Bundesregierung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführte Untersuchung hat ergeben, daß in diesem Gebiet höchstens zwanzig Anlagen rentabel sind.
Abfallzukunft
Mit der Beschreibung der Verfahrensweise, den Vor- und Nachteilen und den Kosten der wichtigsten Methoden für die Beseitigung fester und flüssiger Abfallstoffe sollte demonstriert werden, daß für die überwiegende Zahl der heute bekannten Abfälle eine befriedigende, das heißt umweltschonende Beseitigung möglich ist. Alle Verfahren konnten nicht behandelt werden, aber man darf getrost zur Regel erheben und feststellen: Es gibt für jeden Dreck eine Beseitigungsmethode! Man braucht nicht, wie einige Umweltschützer vorschlagen, Raketen zu entwickeln, die unsere Abfälle in den interplanetarischen Raum befördern und sie dort sich selbst überlassen.
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Es ist ganz natürlich, daß viele der heute angewandten Beseitigungsmethoden Mängel aufweisen und Nachteile haben. Man darf nicht übersehen, daß die Versuche zur kontrollierten Abfallbeseitigung zwar schon so alt sind wie die industrielle Technik, also über hundert Jahre, ernsthaft aber erst seit zwanzig Jahren an diesen Problemen gearbeitet wird. So darf man hoffen, daß die Methoden der Abfallbeseitigung in Zukunft noch wesentlich verbessert werden und daß die Bereitschaft, sich ihrer zu bedienen, gleichzeitig wächst. Zum Abschluß dieses Abschnittes sei noch auf einige in der Entwicklung befindliche Verfahren hingewiesen.
Gas aus Müll
In der dänischen Stadt Kolding hat man ein Gaswerk auf Müllbasis errichtet. Die Vergasung fester Brennstoffe ist nichts Neues. Auch die Anwendung dieser Methode auf menschliche Abfälle, nämlich auf Klärschlamm, wurde bereits erfolgreich ausprobiert. Bei dem dänischen Verfahren der Müllvergasung wird ein sogenanntes Generatorgas erzeugt. Hierfür wird in einem abgeschlossenen Raum der erhitzte Müll mit Luft und Wasserdampf in Berührung gebracht. Pro Kilogramm Müll kann so etwa 0,4 Kubikmeter Gas mit einem Heizwert von 3000 Kilokalorien je Kubikmeter erzeugt werden. Zurück bleibt — wie bei der Verbrennung — steril ausgebrannte Asche. Der Vorteil dieses Verfahrens, das sich noch in der Erprobung befindet und deshalb nicht abschließend beurteilt werden kann, liegt vor allen Dingen darin, daß die bei der Müllvernichtung anfallende Energie in einen speicherfähigen Zustand verwandelt werden kann. Bei der bloßen Verbrennung fällt Wärme an, die praktisch im Augenblick der Erzeugung verwendet werden muß. Nur in den seltensten Fällen gelingt es, Wärmeabnehmer zu finden, deren Wärmebedarf synchron mit dem Wärmeanfall liegt. Gas kann dagegen wirtschaftlich gespeichert werden. Die Kosten der Müllgasanstalt sind auf keinen Fall geringer als die einer Verbrennung. Die Wärmegutschrift, die in diesem Fall eine Gasgutschrift ist, kann aus den genannten Gründen allerdings höher liegen. Für die Vergasung eignen sich selbstverständlich nur brennbare Bestandteile des Mülls. Industriemüll mit unter Umständen hohem Gehalt an inerten Ballaststoffen kommt daher nicht in Frage. Das gewonnene Gas hat im übrigen die gleichen Nachteile wie Stadtgas. Es ist giftig, weil es Kohlenmonoxyd enthält. Auch das muß für eine Beurteilung dieser Methode der Abfallbeseitigung in Betracht gezogen werden.
Alkohol aus Müll
Chemiker in verschiedenen Ländern haben damit experimentiert, aus den organischen Bestandteilen der Abfälle Alkohol herzustellen. Ob das Verfahren sich im großtechnischen Maßstab lohnt, muß erst noch untersucht werden. Eine besonders hohe Gutschrift für den so gewonnenen Alkohol ist allerdings nicht zu erwarten. Schließlich ist Alkohol nur wegen der steuerlichen Belastung so teuer, ansonsten aber eine ziemlich billige organische Verbindung, die man aus Korn und Kartoffeln, an anderen Stellen aus Mais und Gerste sicher weitaus billiger herstellen kann als aus Müll. Wenn man weiter bedenkt, daß die ebenfalls auf die organische Substanz der Abfälle angewiesene Kompostierung schon deshalb in Zukunft in Frage gestellt wird, weil eben jene Bestandteile in den Abfällen ständig zurückgehen, so gilt das noch in viel höherem Maße für die Alkoholgewinnung.
Gold aus Müll
In den USA hat man durch sorgfältige Müllanalysen herausgefunden, daß großstädtischer Müll im allgemeinen mehr Gold enthält als die Erze, aus denen heute Gold gewonnen wird. Wieso? Weil viele Dinge des kurzlebigen Massenkonsums heute buchstäblich vergoldet werden. Zur großen Geschenkorgie Weihnachten regnet es förmlich Goldstaub. Natürlich wird das Edelmetall nicht dick aufgetragen. Aber auch hauchdünne Beläge addieren sich im großen Müllhaufen zu ansehnlichen Beträgen zusammen. Ob allerdings die Rückgewinnungskosten, die eine umfangreiche Aufbereitung des Mülls voraussetzen, nicht ein Gold ergeben, das teurer ist als das von der südafrikanischen Republik auf dem Weltmarkt angebotene, ist noch nicht untersucht. Es ist ja bis heute auch noch nicht gelungen, das Silber von verbrauchtem Fotomaterial kostendeckend zurückzugewinnen, obgleich dieses Metall immer knapper und damit teurer wird und gerade die fotochemische Industrie einer seiner Hauptabnehmer darstellt. Gleichgültig, ob Alkohol oder Gold, etwas Gutes hat die Schatzsuche im Müll auf jeden Fall: Ein immer größerer Kreis der Bevölkerung wird auf das Problem an sich aufmerksam, immer mehr Eierköpfe sehen es als lohnenswert an, sich auch mit dem zu beschäftigen, was nach dem Wohlstand kommt.
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Dr.-Ing. Hans Reimer 1971 Müllplanet Erde