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18. Gedanken über das Ende 

 (Krebs und Hoffnung)

 

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In Freiburg wurde vor einiger Zeit ein Kongreß <Über die Apokalypse und ihre Propheten> veranstaltet. Der Zulauf war dramatisch hoch. Der Tenor des Kongresses: In der gesamten Entwicklungsgeschichte der Menschheit — aber hier war natürlich auch wieder nur die Geschichte der abend­ländischen Kultur gemeint — hat es die Vorhersage der Apokalypse gegeben. Merkwürdig ist dabei jedoch, daß in der Regel der Prophezeiung auch der Zusammenbruch folgte. 

Während einige auf dem Kongreß die Schilderung des Endes einmal mehr mit dem Phänomen der Angstlust zu erklären versuchten, indem die Warner als teilweise oder gänzlich verrückt hingestellt wurden, als paranoid oder sonst geistig krank, versuchten andere, einen Ursachen­zusammenhang zwischen der Schilderung der Apokalypse und dem tatsächlichen Ereignis herzustellen. Sie versuchten also nachzuweisen, daß erst durch die Warnung vor dem Ende dieses geradezu herbeigeredet wurde. 

Konkret gewendet bedeutet dies: 

Hätten die Warner vor dem Ersten Weltkrieg geschwiegen, hätten sie den Krieg verhindert, die Warner vor dem Faschismus wären nicht im Konzen­trations­lager gelandet, die Warner vor dem Zweiten Weltkrieg redeten Hitler herbei, und die Atomkraftgegner verursachten letztlich Harrisburg, Tschernobyl und die kriminellen Machenschaften des internationalen Uranhandels.

Die Auseinandersetzung mit den herannahenden ökologischen Katastrophen wird einerseits immer härter und unehrlicher geführt; zeigt aber durch die Reaktionen immer mehr die wahre Problematik des Dilemmas, sich mit dem Ende auseinandersetzen zu müssen. Denn fast alle Warner vor einer eskalierenden katastrophalen Situation versuchen immer wieder, mit einem Fünkchen Hoffnung die Gesamtsituation zu entkrampfen.

Auch der große Skeptiker Konrad Lorenz sagt in einem Interview mit der Zeitung <Chancen> vom März 1988 auf die Frage, ob unsere Situation verzweifelt sei: 

"...die Katastrophe naht mit exponentiell ansteigender Geschwindigkeit; die Zahl der Menschen, die diese Gefahren sehen, wächst ebenfalls exponentiell... 
Aber ob sich die beiden Kurven kreuzen, bevor der point-of-no-return erreicht ist, das ist die böse Frage. Pessimisten behaupten, wir hätten diesen Punkt schon überschritten, das will ich nicht glauben." 

Nehmen wir den großen Alten einmal ernst: Pessimisten behaupten etwas, und er will es nicht glauben, d.h. er sagt nicht, er kann es nicht glauben, er sagt auch nicht, er weiß es nicht, sondern er sagt, er glaubt es nicht. Und er wird es wohl sehr bewußt so formuliert haben. Lorenz glaubt nur noch, wissen müßte er eigentlich das Gegenteil. Dann kommt es im Grunde noch schlimmer, denn er sagt,

"... der Mensch hingegen verhält sich in seiner angestammten Umwelt wie das Kaninchen in Australien. Man [=ich] möchte hoffen, daß es immer mehr Menschen gibt, die das allmählich sehen aber ich habe selbst mit ganzen Ansammlungen von Nobel­preisträgern geredet, glauben Sie, nur einer von ihnen hätte das verstanden?"  

Weiterhin drückt er die Hoffnung aus, daß die Anzahl der Umweltkatastrophen, die exponentiell zunimmt, den Erkenntnisprozeß über den Fehler des Gesamt­systems vorantreiben möge. Auch hier geht wohl der Glaube mit dem exakten Wissenschaftler durch. 

Es ist sehr wohl im Laufe der industriellen Entwicklung eine Eskalation in der Größe der Unfälle zu beobachten. Das liegt zunächst daran, daß die Geräte und Systeme größer geworden sind und die Konzentration von Menschen an einem Punkt in einer Stadt oder an einem technischen Gerät permanent zugenommen hat.

Daneben gibt es aber noch eine andere Eskalation, die eigentlich viel schlimmer ist, aber beinahe genauso wenig spürbar für den Menschen ist wie die Strahlung. Es ist die Eskalation der nicht mehr abwendbaren Katastrophen, die mit mittelfristiger Geschwindigkeit die Menschen bedrohen. Es ist die Zerstörung des Grund­wassers, die Zerstörung des Waldes und die Zerstörung des Bodens durch die chemischen Einflüsse der technischen Zivilisation.

(d-2014:)  wikipedia  Konrad_Lorenz  (1903-1989)   K.Lorenz bei detopia 

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Rechnet man als langjähriger Beobachter einmal nüchtern die Indikatoren für die große Katastrophe zusam­men und summiert sie über die letzten 30 Jahre, so ist es zu keinem grundlegenden Erkenntnisprozeß gekommen, sondern nur zu der Erkenntnis: So konnten wir es nicht machen, wir wollen es deshalb anders, aber mit vergleichbarer Technik versuchen. Der sterbende Wald stellt nicht grundsätzlich das Automobil oder die Technologie der Großkraftwerke in Frage, sondern produziert nur mehr Katalysatoren, bleifreies Benzin oder Entschwefelungsanlagen in Kraftwerken. 

Das Ergebnis der neuen Technologie ist dann: Nach weniger als zwei Jahren wird entdeckt, daß der neue Benzinzusatz ebenfalls schädliche Wirkungen hat, meist noch schädlichere als das Projekt vorher, und daß die Entschwefelungs­anlagen der Kraftwerke zwar den größten Teil des Schwefels herausfiltern, aber eine riesige Menge nicht deponierbarer Rückstände produzieren, die über kurz oder lang ebenfalls zu nicht vertretbaren Formen der Umweltzerstörung führen werden.

Die Unfälle von Harrisburg und Tschernobyl, die kriminellen Praktiken des internationalen Uranhandels beweisen unserer Zivilisation nicht die Unmöglichkeit des technischen Systems, sondern sie spornen sie ganz im Gegenteil an, immer intensiver an seiner Verfeinerung zu arbeiten. 

So gesehen, hat Lorenz recht, wenn er nicht glaubt, daß wir den Wendepunkt einer möglichen Umkehr schon erreicht hätten. Gegen diese Uneinsichtigkeit kann man wahrscheinlich nur den Glauben, nicht aber die Vernunft anrufen. 

Insofern verbünden sich heimlich fast alle Warner vor dem großen Umweltcrash zu einer Art Geheimbund der Glaubenden. Von ihrem Wissen, ihrer Vernunft und der Zwanghaftigkeit des Ablauf natürlicher Phänomene her wissen sie eigentlich alle, daß es keine Gründe mehr gibt, die eine Umkehr wahr­scheinlich machen.

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Die Menschheit befindet sich im Zustand eines Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium, dessen Körper voller Metastasen ist und der von einem jener Ärztinnen oder Ärzte behandelt wird, die auf Gedeih und Verderb sein Leben verlängern wollen. 

Naturwissen­schaftlich gesehen wissen wir immer noch nicht genau, was Krebs für eine Krankheit ist, denn eigentlich ist sie dem Lebensprinzip des Wachsens unendlich nahe. Das Lebensprinzip des Menschen, der Tiere und der Pflanzen ist das Prinzip des Zellwachstums und des Zellabsterbens. Krebs ist die Eskalation des Wachstums der Zellen, der durchgegangene Fortschritt, das Wachstum, das sich gegen den Menschen selbst kehrt.

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Wir wissen inzwischen, daß sehr viele Produkte der chemisch-technischen Zivilisation krebserregend, krebsauslösend und krebsfördernd sind. Die Forscher versuchen fast verzweifelt den Beweis dafür zu finden, daß Krebs die Menschheit von Anfang an begleitet hat, denn dann wäre unsere technisch-naturwissen­schaftliche Zivilisation entlastet. Sie hätte den Krebs höchstens verstärkt, und der Betriebsunfall in der kulturellen Entwicklung der Menschen könnte als beseitigbar angesehen werden.

Der Krebspatient von heute reagiert in vielfältiger Weise auf die Offenbarung, daß er an der tödlichen Krankheit leidet. 

Entweder verdrängt er, gibt also seiner Umgebung zu verstehen, daß er über das Thema nicht reden will, oder er versucht in fast geschwätziger Weise das Grauenhafte des Geschehens zu übertönen und zu überspielen, oder aber er gibt sich einem rauschhaften letzten Lebensabschnitt hin und versucht alles, was er in seinem Leben angeblich versäumt hat, nachzuholen. 

Andere wiederum gehen mit einer ungeheuren Coolheit an das Problem heran; sie ertränken es gewissermaßen in der Nichtigkeit des alltäglichen Lebens.

Die Realität des Krebskranken mit seinem Verhältnis zu seinen Angehörigen, seinen Freunden, seinen Ärzten, das Verhältnis zwischen den Ärzten und den Angehörigen, zwischen der Apparatemedizin und der Gesellschaft, das ist die Realität, in der sich unsere Umwelt heute befindet

Das Ganze verdichtet sich dahin, daß alle Beteiligten zugleich Patient, Arzt, Angehöriger, Freund und Gesellschaft sind. Jeder findet sich jeden Tag in einer der vielen Rollen wieder, gleitet in die nächste Rolle und gerät in immer zwanghaftere Handlungsweisen, wie er sich denn nun zu dem einen Phänomen, nämlich der lebensbedrohenden Krise, verhalten soll. 

Er weiß mit sehr großer Wahrscheinlichkeit, daß die Krankheit zum Tode führt, er ahnt langsam, daß der riesige Aufwand an Medikamenten, Chemie, Apparaten, Bestrahlung und Intensivpflege wahrscheinlich eher zur Verkürzung als zur Verlängerung des Lebens führen wird, er hat inzwischen davon gehört, daß eine radikale Umstellung der Nahrung in einigen Fällen die Krankheit zum Stillstand gebracht hat oder gar Heilung möglich war.

Aus meiner eigenen Erfahrung mit Freunden und Angehörigen möchte ich meinen, daß die schlechteste Reaktion in der Verdrängung, im Verschweigen und im Glauben an die Maschinen besteht. 

Man muß eindeutig erklären, daß eine so weit fortgeschrittene Krankheit mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lich­keit zum Tode führen wird, wenn die Ursachen, die mit großer Wahrscheinlichkeit die Krankheit herbeigeführt haben, nicht beseitigt werden.

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Man muß weiterhin erkennen, daß bei einem weit fortgeschrittenen Stadium der Krankheit auch eine radikale Veränderung der Lebensweise keine Rettung, sondern nur noch eine Milderung bringen wird. 

Und man muß erkennen, daß nur eine Reaktivierung der Selbstheilungskräfte des Körpers und des Geistes eine so schwere Krankheit wie den Krebs besiegen kann.

 

In einer solchen Situation befindet sich unsere gesamte Zivilisation: 

Unsere natürliche Umgebung ist inzwischen bis in die kleinsten Winkel von den Metastasen der Umweltzerstörung durchfressen. Der große Patient aber glaubt, daß er zwar Krebs hat, soweit geht die Einsicht bei vielen, er nimmt die Metastasen aber für lokale Befunde, für lokalisierbare Normalkrankheiten, die auch bei Nichtkrebskranken auftreten. 

Die Alpenzerstörung ist eine regionale Unpäßlichkeit, das Ozonloch ist eine momentane vegetative Störung, die unter Umständen psychischen Ursprungs ist, die Grundwasser­verseuchungen sind Durchblutungs­störungen, die man mit lokalen Maßnahmen oder mit Medikamenten beheben kann. Kurz, wir versuchen ängstlich, für alles eine Erklärung zu finden, nur nicht die eine, daß wir die Auswirkungen einer generellen Zellwachstums­störung vor uns haben und daß diese auf eine krebsartige Gesamtentwicklung zurückzuführen ist.

Das bedeutet jedoch, daß wir Mahner vor dem Untergang unserer Gesundheit und unserer Zivilisation einen Bärendienst leisten, wenn wir immer wieder mit dem irrealen Optimismus von Gesundbetern Hoffnungs­funken in die Warnungen einstreuen und damit die Erkenntnis über den Zustand hinausschieben.  

Die Gesamtsicht der heutigen Krebsbehandlung billigt der Chemo- und der Strahlent­herapie nur eine verlängernde, aber kaum eine heilende Wirkung zu.

Die einzige bisher wirkliche Heilung erfolgte mit einer radikalen Umstellung auf eine fleischlose, makrobiotische Kost und eine Aktivierung des Geistes, wieder in Einklang mit dem Körper zu gelangen.

Genau an dieser Stelle befindet sich auch unsere Zivilisation mit ihrem Setzen auf falsche Hoffnungen. Wenn man die heutigen Statistiken über die Eskalation der einzelnen Umwelteinflüsse betrachtet, so gleichen die Erfolge den kurzzeitigen Höhepunkten, die man auch in den Endphasen der Krebs­erkrankung feststellen kann, und zwar immer dann, wenn ein neues, stärkeres schmerz­linderndes Mittel eingesetzt wird.

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Der Patient empfindet Erleichterung durch die Schmerzlinderung und glaubt, die Heilung sei eingeleitet. Dabei merkt er nicht, daß der weitere Fortschritt der Krankheit durch das Morphium überlagert wird, das ihn selbst dem Untergang immer schneller nahebringt, weil die Kampfkraft des Körpers die aus dem Schmerz kommt, noch weiter unterdrückt wird.

 

Wenn also die Mahner gegen den Untergang immer wieder bei aller Schwarzmalerei einen irrealen Hoffnungs­funken als Morphium­präparat einsetzen, so können sie zwar dem Patienten in der Regel einen ruhigen Tod verschaffen, verhindern aber gerade damit die letzten Chancen auf Heilung. 

Erst wenn die Menschheit versteht, daß es auf dem bisherigen Weg keine Hoffnung mehr gibt, wird sie in die Lage versetzt, endlich zu handeln.

Hoffnung ist Opium für das Volk.  

Erst wenn wir uns jenseits der Vorstellung von Hoffnung befinden, können wir auch den Schutt und Müll, mit dem wir uns unsere Krankheit buchstäblich selbst geschaffen haben, aufgeben.

Die gesamte christlich-abendländische Zivilisation hat bisher in allen Untergangszeiten nach dem Prinzip Hoffnung gelebt und ist mit ihm untergegangen. Und auch nach den regionalen Untergängen hat man aus dem Weiterleben geschlossen, man sei noch einmal davongekommen, also habe das Prinzip Hoffnung doch funktioniert. Man übersieht dabei, daß die Stelle, an der das Prinzip Hoffnung nicht funktioniert hat, zerstört ist und daß man sich eine neue Stelle auf dieser Erde sucht, wo man eine neue Organisationsform nach diesem Prinzip aufbaut und damit die Eskalation der Zerstörung immer schneller vorantreibt. Eine Eskalation, die scheinbar eine lange Zeit gebraucht hat, um zu dieser heutigen Intensität zu kommen, nämlich 10.000 Jahre. Zweihundert Jahre später gab es bereits die Atombombe, die Kernkraftwerke, das Ozonloch, das Waldsterben, das Sterben der tropischen Regenwälder, die globale Bodenerosion und das dramatische Ansteigen des CO2-Gehaltes der Atmosphäre.

Das Prinzip Hoffnung zwingt uns zu immer größeren Verdrängungskunststücken, um die realen Zustände nicht an uns heran­kommen zu lassen. Wir reden uns selber jeden Tag ein, daß wir über die Probleme nicht permanent nachdenken können, weil wir sonst nicht mehr leben können.  

Die chemisch-biologischen Vorgänge in der Umwelt kümmern sich aber nicht um unsere Denkweise, sie nehmen keine Rücksicht auf unsere Verdrängung, sie halten sich nicht an Hoffnungen, sondern nur an naturwissenschaftliche Grundsätze.  

(d-2014:)  Das Allzwecknarkotikum Hoffnung    184/185


Die Gülle, die ich im Oldenburger Land in riesigen Mengen in den Boden lasse, kommt an der Nordsee als Nitrat an und zerstört die Kleinlebewesen und den Fischbestand.  

Das Prinzip Hoffnung ist in diesen Kreisläufen bisher nicht vorgesehen, und es ist kaum vorstellbar, daß die unbewußte Materie plötzlich Bewußtsein entwickelt und Erbarmen hat mit dem Menschen.

Das Erbarmen Gottes ist eine Erfindung des Menschen, ein Selbstbetrug, es läßt den Menschen bis zuletzt geduldig in Demut verharren und auf den Untergang warten. Er lächelt seinem Henker — sich selbst — entgegen, und die Angehörigen erklären seinen Tod als Erlösung.

Der Rückfall in das Prinzip Hoffnung ist der Rückfall in eine dumpfe Religiosität: Kant hat in seinen berühmten Sätzen über die Aufklärung nicht von Hoffnung, sondern von Mündigkeit gesprochen:

"Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. 
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen."

Erst die Einsicht in den Untergang macht uns handlungsfähig, unseren Geist und unseren Körper wieder so zu nutzen, daß er uns nicht zum Tod, sondern zum Leben verhilft, ohne dabei zu vergessen, daß wir als Menschen sterblich sind. Diesen Zeitraum müssen wir aber nicht unbedingt dadurch verkürzen, daß wir aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen.

Indem die Menschheit sich scheut, über die ökologische Katastrophe — die Vernichtung der gesamten Menschheit durch unsere Zivilisation — zu reden, verweigert sie sich der Aufklärung und führt in einem dumpfen Glauben an die Hoffnung ihren eigenen Untergang herbei. 

Das Aufgeben der Hoffnung ist der erste reale Schritt des Menschen, sich seiner Situation bewußt zu werden, die Ursachen für seinen Untergang zu entdecken, die Betriebsamkeit der chemischen und Apparatemedizin abzulegen und einen ruhigen Weg zur Heilung zu finden.

 

Auch hier kann uns wieder das Bild von der untergehenden <Titanic> sehr viel sagen. Nach der Kollision mit dem Eisberg weigerten sich viele Menschen, die Rettungs­boote zu besteigen, weil sie die unbestimmte Hoffnung hatten, das Schiff sei unsinkbar und ihr Überleben sei an das Schiff gekoppelt. Das Schiff aber, die Ursache ihres Untergangs, riß sie in seinem Strudel mit, und es blieb ihnen noch nicht einmal die Kraft, sich schwimmend aus dem Todesstrudel zu befreien.

Waren es damals nur wenige Tausend Passagiere eines aus heutiger Sicht sehr unsicheren Luxusdampfers, so handelt es sich diesmal um die riesige Gesamt­maschinerie der zivilisierten Welt, die in der Logik ihrer Unfehlbarkeit und in dem Bauen auf das Prinzip Hoffnung noch nicht einmal Rettungsboote eingebaut hat, um wenigstens einer gewissen Zahl das Entrinnen aus der Katastrophe zu ermöglichen.

Die Kernkraftwerke symbolisieren dies mit ihrer Sicherheitsphilosophie. Sie haben so viel Sicherheitssysteme eingebaut, daß ein Durchgehen eines Kraftwerkes angeblich unmöglich ist. Wenn es aber doch passiert, gibt es für die Betroffenen keine Rettung mehr. 

Fortschrittsglaube und Hoffnung total, das Zeitalter mit der geringsten Religiosität, das Zeitalter der Rationalität, der Berechnung, der Naturwissenschaft und der höchstentwickelten Technik scheint das Zeitalter des endgültigen Endes des Aufklärung zu sein, das Zeitalter, das auf das <Prinzip Hoffnung setzt> — eine Chimäre des Geistes — und gleichsam in einem letzten Akt einer kollektiven Selbstbeschwörung alle geistigen Errungenschaften des Menschen aufgibt, ihn auf die Stufe des Kaninchens in Australien zurückwirft. 

Selbst dieser großartige Akt, daß es nur dem Menschen bestimmt ist, den Menschen zu besiegen, wird dann keinerlei Auswirkungen mehr auf irgend­jemanden haben, denn nach der Auslöschung des Menschen wird niemand mehr Bedauern empfinden.

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 Ende

 

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(d-2007:) Dieses Buch beeindruckt. Die frühen Neunziger waren ertragreich - an Endzeit-Büchern: 

H.Gruhl-1992, G.Fuller-1993, U.Horstmann-1991, W.Hildesheimer-1989, C.Amery-1995, Rieseberg-1988-1992.

Sie behielten den klaren Kopf - in der Euphorie des Systemaustausches 1989-1991.

  www.detopia.de