Start    Weiter

Vorwort

 

 

7-10

Menschenrechte und Selbstbestimmung, soziale Gerechtigkeit, freie Wahlen, demokratische Partizipation der Bürger, Rechtsschutz durch unabhängige Gerichte und die Kontrolle politischer und wirtschaftlicher Macht sind die wesentlichen Punkte der europäischen demokratischen Verfassungsordnung. Es ist nichts Neues, daß Wirtschafts­kriminelle oder in Syndikaten organisierte Gangster ständig versuchen, diese Grundrechte und Normen in allen europäischen Ländern außer Kraft zu setzen. Doch noch nie ist es dem Organisierten Verbrechen gelungen, so tief in das gesamte Staatswesen einzudringen wie in den Nachfolgestaaten der UdSSR, Staaten also, von denen einige sogar so schnell wie möglich Mitglied der Europäischen Union werden wollen.

Ein böser Alptraum könnte bald bittere Realität werden: Die westlichen demokratischen Gesellschaften können sich dem Würgegriff der neuen kriminellen Macht aus dem Osten nicht mehr entziehen. Ihr Name: "Russenmafia". Dahinter verbergen sich kriminelle Organisationen, die in den GUS-Staaten, in Rußland und den neuen Republiken, ein Verbrecherregime aufgebaut haben. Russenmafia, das ist eine Mixtur aus "normalen Kriminellen" und mächtigen Industriekonglomeraten, die einen demokratischen Staat zerstören und die Bevölkerung erpressen.

Die Russenmafia ist nicht mehr darauf angewiesen, Banken zu überfallen, im Gegenteil. Sie schützt sie vor Überfällen. Schließlich gehören ihr selbst fast alle Banken in Rußland. Mindestens 200.000 Angehörige des kommunistischen Sicherheitsapparates sowie Offiziere und Generäle der ehemals ruhmreichen Sowjetarmee wurden in den letzten Jahren arbeitslos.

Ein großer Teil hat sich, in wirtschaftliche Not geraten, kriminellen Banden angeschlossen. Und das Know-how dieser gutaus­gebildeten Kader ist einer der Gründe, warum die Russenmafia innerhalb weniger Jahre eine, ja, die kriminelle Weltmacht werden konnte.

Russenmafia – das sind außerdem Personen und Firmen, die ihren unvorstellbaren Reichtum der Plünderung des Volksvermögens der Ex-UdSSR verdanken, nachdem sie das Milliardenvermögen der KPdSU und des Geheimdienstes KGB illegal im Westen deponiert und investiert haben.

Auf diese Weise sind weltweit agierende mächtige Unternehmenskonglomerate entstanden, die eng mit den "traditionellen" russischen Mafiasyndikaten vernetzt sind. Sie sind unantastbar geworden.

Wenn es einmal keine Trennungslinie mehr zwischen multinationalen Konzernen, die zumindest noch teilweise kontrolliert werden können, und den kriminellen Multis aus den GUS-Staaten gibt, die in Europa mit brutaler Gewalt jegliche Konkurrenz ausschalten, dann wird das fatale Konsequenzen für die demokratische Gesellschaft im Westen haben. 

Mit dem gewaltigen, kriminell erwirtschafteten Kapital der Russenmafia wird korrumpiert und Politik gemacht, wird die Volkswirtschaft der demokratischen Staaten manipuliert und damit die soziale Stabilität zerstört.

Die traditionellen kriminellen Organisationen der ehemaligen kommunistischen Weltmacht verfügen, im Vergleich zu anderen weltweit operierenden Syndikaten, noch über andere Wettbewerbsvorteile: Sie haben teilweise das staatliche Gewaltmonopol übernommen; sie beuten ungehindert die Rohstoffe der einstigen Supermacht aus; sie lassen das Land ökonomisch ausbluten. Wenn gleichzeitig ein großer Teil der Industriekonglomerate – ob in Rußland, der Ukraine oder Usbekistan – in den Besitz politisch-krimineller Syndikate übergeht, und genau das ist geschehen, dann hat das weitreichende Folgen für die Bürger dieser Staaten. Bereits jetzt lebt ein Drittel der Menschen in Rußland unterhalb der offiziellen Armutsgrenze. Die soziale Katastrophe zerstört zwangsläufig jegliche demokratische Entwicklung.

 

8/9

Im Zusammenhang mit einem anderen Vorgang lassen sich hier gefährliche politische Entwicklungen ausmachen. Im Oktober 1995 veröffentlichte das Moskauer "Institut für Verteidigungsstudien" einen Bericht. Demnach seien die USA und ihre Alliierten die größte Bedrohung für die nationale Sicherheit Rußlands, und die baltischen Staaten sollten wieder besetzt werden, um den westlichen Versuchen entgegenzuwirken, Rußland zu isolieren und zu zerstören. In dem Bericht wird außerdem eine militärisch-nukleare Allianz mit dem Irak, Iran und Libyen empfohlen. Ein Vorschlag, der sowohl die Meinung der höchsten russischen Militärs widerspiegelt wie die des russischen Verteidigungsministers. Und der wiederum hatte in der Vergangenheit beste Kontakte zur russischen Mafia.

Wo sonst auf der Erde hat die Mafia Zugriff auf das Militär samt deren atomarer Bewaffnung? Die bereits 1994 zu erkennende Tendenz, daß zunehmend Diebstähle von radioaktiven Materialien aus russischen Militärbasen zu registrieren waren, setzte sich 1995 weiter fort. Kriminelle Organisationen haben das lukrative Geschäft mit dem Schmuggel tödlich strahlenden Materials übernommen. "Im Jahr 1995 wurde bekannt, daß größere kriminelle Organisationen in Südosteuropa beim Nuklearschmuggel aktiv geworden sind. Es handelt sich um Banden mit bis zu etwa 50 Mitgliedern, die aufgabenteilig zusammenarbeiten", meldete Mitte Januar 1996 Konrad Porzner, der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND).

Wer wundert sich dann, wenn der ehemalige Vorsitzende des Staatlichen "Komitees für die Produktion von chemischen und biologischen Waffen" 800 Kilo chemischer Kampfstoffe von Rußland in den Nahen Osten verschiebt?

Die europäischen Sicherheitsbehörden und Politiker sehen dieser Entwicklung wie gelähmt zu. Wer möchte sich schon mit einflußreichen russischen Unternehmern oder Politikern anlegen, die entweder selbst der Mafia angehören oder von ihr gekauft und damit abhängig sind? Natürlich gibt es engagierte Staatsanwälte und Polizeibeamte. Doch die haben weder die technischen Mittel noch die Rückendeckung der politisch Verantwortlichen, um die neu entstandenen kriminellen Syndikate, ihre Stroh- und Hintermänner aus dem Osten bekämpfen zu können. 

Der Verdacht kommt auf, es könnte den Politikern gleichgültig sein, wenn sich eine kriminelle Nebengesellschaft in Europa etabliert. Ist diese inzwischen doch sogar auf dem besten Weg, Teil der normalen demokratischen Gesellschaft zu werden. Wenn man sie läßt, wird sie diese früher oder später verschlingen. Das ist ihr Ziel. Der demokratische Rechtsstaat wäre dann lediglich noch eine Hülle, völlig bedeutungslos.

Weil das so ist, müßten die Bürger endlich aufbegehren. Sie nehmen die Bedrohung bislang allenfalls am Rande wahr, wenn es zu Raubüberfällen oder Morden kommt. Diese sichtbare Kriminalität ist jedoch vergleichsweise harmlos. In dem Augenblick jedoch, in dem Wirtschaftsunternehmen von der Mafia übernommen, der Staat und seine Bürger durch Atomwaffen erpreßt werden, die Preise für Strom und Erdöl steigen, weil die Mafia das Monopol über die Rohstoffe besitzt und die Preise diktiert: dann versteht man vielleicht, wie mächtig die Russenmafia geworden ist. Dann ist es aber bereits zu spät, den kriminellen Moloch wirkungsvoll zu bekämpfen.

Gerade deshalb ist es an der Zeit und notwendig, diejenigen Polizeibeamten zu unterstützen, die trotz aller Behinderungen noch bereit sind, das neue Verbrecherimperium zu bekämpfen.

Ihnen und ihrem – wie ich leider befürchte aussichtslosen – Kampf ist dieses Buch daher gewidmet.

Bevor wir uns nun ins scheinbar undurchdringliche Dickicht oder ausweglose Labyrinth der Mafia begeben, noch eine Vorbemerkung zur Klärung der Begriffe. Die Transkription der russischen Namen ist uneinheitlich, da die Namensträger in den vielen Ländern, in denen sie aktenkundig sind, ganz unterschiedlich geschrieben werden – im Englischen und Französischen zum Beispiel anders als im Deutschen. Die jeweils herangezogenen befragten oder zitierten Quellen sind also für die Schreibweise verantwortlich.

10

#

 

  ^^^^ 

  www.detopia.de