Warlam Schalamow 

Durch
den Schnee 

Erzählungen aus Kolyma 1

340 Seiten

Übersetzt von Gabriele Leupold

dnb.Buch 

bing.Buch 

goog.Buch

 

detopia

Start Schalamow  

Gulagbuch

Schalamows Erzählungen gehören zu den herausragendsten Leistungen der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts.

Der Autor geht darin einer Schlüsselfrage unserer Gegenwart nach: Wie können Menschen, die über Jahrhunderte in der Tradition des Humanismus erzogen wurden, Auschwitz, Kolyma hervorbringen?

Schalamow zieht den Leser der Erzählungen aus Kolyma, deren erster Zyklus in diesem Buch versammelt ist, in die Gegenwart des Lageralltags hinein, ohne Hoffnung auf einen Ausweg: "Viele Kameraden sind gestorben. Aber etwas, das stärker ist als der Tod, ließ ihn nicht sterben. Liebe? Erbitterung? Nein. Der Mensch lebt aus denselben Gründen, aus denen ein Baum, ein Stein, ein Hund lebt." 

Audio:

 Hörbild 2 min

Hörbild 5 min   

Lesebericht dlf 7 min 

Video 3sat  3 min 

matthes-seitz-berlin.de/buch/durch-den-schnee.html 
mit leseprobe

 

Aus dem Russischen von Gabriele Leupold.

Herausgegeben und mit einem Nachwort von Franziska Thun-Hohenstein.

 

Inhalt     Inhalt.pdf  

 

Durch den Schnee (7)   Auf Ehrenwort (9)   In der Nacht (18)    Zimmerleute (22)

Die Einzelschicht (30)    Das Paket (34)   Regen (40)    Der Kant (45)

Marschverpflegung (52)    Der Injektor (72)   Apostel Paulus 74    Beeren 82

Die Hündin Tamara (86)    Cherry Brandy 94   Kinderbildchen 102   Kondensmilch 107

Brot (113)      Der Schlangenbeschwörer 123

Der tatarische Mullah und die frische Luft  (132)

Der erste Tod (142)    Tante Polja (148)

Die Krawatte (154)   Goldene Tajga    Waska Denissow, der Schweinedieb

Serafim    Der freie Tag   Domino   Ein Herkules    Schocktherapie  

Das Krummholz    Rotes Kreuz   Die Juristenverschwörung    Typhusquarantäne

Was ich im Lager gesehen und erkannt habe

Nachwort von Franziska Thun-Hohenstein - Warlam Schalamows radikale Prosa

Biografische Daten zum Autor

Anmerkungen

Glossar 

 ^^^^ 

 

 

perlentaucher  durch-den-schnee-erzaehlungen-aus-kolyma-band-1.html



zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20.10.2009
Bisher hatte die FAZ Warlam Schalamows vor zwei Jahren "Erzählungen aus Kolyma" standhaft ignoriert, nun zeigt sich Rezensent Reinhard Lauer in seiner Besprechung doch noch tief beeindruckt. Die Texte Schalamows, der fast 20 Jahre in sowjetischen Lagern zugebracht hat, führen den Leser seiner Darstellung zufolge in eine Welt, "in der die Normen menschlicher Zivilisation außer Kraft gesetzt sind", in der Kälte, Hunger, Gewalt, Terror, Korruption, Verrat, Verrohung und Tod regieren. Anders als Solschenizyns von einem epischem Duktus beziehungsweise von Dokumentarität geprägten Texte über das Lager sieht Lauer bei Schalamow den "unerhörten Einzelfall, das grauenhafte Detail" im Zentrum. Dabei hebt er den hohen künstlerischen Anspruch dieser Erzählungen und Skizzen hervor, die auch eine Herausforderung für die Übersetzung darstellen.

In diesem Zusammenhang lobt er Gabriele Leupolds deutsche Übersetzung sowie ihre genauen Anmerkungen und ihr Glossar.



zu Frankfurter Rundschau, 18.11.2008
Olga Martynova beschäftigt sich in einem Essay mit der Frage, warum Solschenizyns Roman "Ein Tag aus dem Leben des Iwan Denissowitsch" in der Sowjetunion veröffentlicht werden konnte und dem Autor letztlich zum Nobelpreis verhalf, während Warlam Schalamows "Erzählungen aus Kolyma" nahezu unbekannt blieb. Für die Rezensentin, das lässt sie durchblicken, ist Schalamow der größere Schriftsteller von beiden, dessen "Erzählungen aus Kolyma" in der Sowjetunion nicht mehr zu seinen Lebzeiten erschienen sind. In ihnen berichtet der Autor in "schonungsloser" Präzision und knapper Nüchternheit vom unmenschlichen Alltag in den Lagern der unwirtlichen Kolyma-Region, wobei für ihn die Erniedrigungen durch die mitinhaftierten "Kriminellen" noch schwerer zu ertragen waren als die menschenfeindliche Natur, so Martynova.

Grundsätzlicher Unterschied zwischen Solschenizyn und Schalamow sei, dass ersterer sich in seinem Werk für "große Ideen" und Politik einsetzte, Schalamow dagegen, desillusioniert und verbittert, vor allem seine Erlebnisse dokumentieren wollte. Martynova erhofft sich, dass durch die deutsche Publikation der "Erzählungen aus der Kolyma" sich der Blick für das "herzzerreißend vollendete" Leben und Werk dieses Schriftstellers öffnet.



zu Süddeutsche Zeitung, 13.03.2008
Im Gegensatz zu den deutschen Konzentrationslagern hat der sowjetische Gulag noch nicht seinen Platz in der Literatur, meint Franziska Augstein, die deshalb die Kurzgeschichten von Warlam Schalamow mit besonderem Interesse gelesen hat. Schalamow, der 18 Jahre lang im Gulag inhaftiert war, hat das stalinistische Lager zum lebenslangen Hauptthema seines Schreibens gemacht, erklärt die Rezensentin. Der Autor habe seine Erfahrungen in kurzen episodischen Texten zu Papier gebracht, schien ihm die Romanform doch angesichts der Unmenschlichkeit des Gulags als nicht mehr möglich, so die Rezensentin weiter. Deutlich merkt sie den Texten Schalamows Vorgeschichte als Journalist und Lyriker an, denn sie stellt beeindruckt fest, dass er in seinen Erzählungen, deren "poetische Lakonik" Augstein bewundert, keine unnötigen Worte macht und stets auf die Genauigkeit seiner Beobachtungen setzt.



zu Die Tageszeitung, 15.12.2007
Großen literarischen Rang bescheinigt Rezensentin Wiebke Porombka diesen dokumentarischen Erzählungen aus einem sibirischen Gulag, die ihr "eisige Klarheit" über das unvorstellbare Grauen, aber keine Erklärung geliefert haben. Ihr Autor hat den Informationen der Rezensentin zufolge achtzehn Jahre in sowjetischen Gefängnissen und Lagern verbracht und mit diesen Erzählungen eine Art "Pysiognomie des Gulag" erschaffen, in der "mit seismografischer Genauigkeit die Regeln des Lebens und Sterbens" in diesen Straflagern freigelegt würden. Es ist gerade die "distanzierte Sachlichkeit" der Beschreibung, die die Rezensentin immer wieder über die "absurde", im Namen einer Utopie begangene Gewalt" erschaudern lässt. Gleichzeitig fasziniert sie die geschliffene Schönheit mit der der Schrecken von Autor Warlam Schalamow in Szene gesetzt wurde.



zu Die Zeit, 04.10.2007
Erschienen ist der erste von drei Bänden mit Erzählungen des sowjetischen Autors Warlam Schalamow. Hans-Peter Kunisch ergreift die Gelegenheit, Leben und Werk des Verfassers ausführlich vorzustellen. Schalamows prägende Erfahrung war die jahrelange Gefangenschaft in verschiedenen Lagern, unter anderem auch als Arbeiter zu unmenschlichen Bedingungen in den Goldminen Nordsibiriens. Im Jahr 1953 kam Schalamow frei, das Lager wurde ihm zum Lebensthema. Nicht aber, wie etwa bei Solschenizyn, im Modus des erzählerischen Realismus, sondern stets auf der Suche nach der Möglichkeit, Formen für das nicht Darstellbare zu finden. In Perspektivwechseln zum Beispiel wie in der ersten kurzen Erzählung des Bandes, die allegorisch den Weg durch den Schnee beschreibt und im letzten Satz plötzlich zu den Lesern schwenkt, die "auf Traktoren und Pferden" kommen. Wichtige Themen sind der Identitätsverlust, bei den dochodjaga - den "Muselmanen" der sowjetischen Lager - als Auslöschung, in der Erzählung "Typhusquarantäne" aber auch als Befreiung. Viel zu unbekannt, stellt Kunisch fest, war Schalamow trotz gelegentlicher Teilveröffentlichungen im Westen. Es sei höchste Zeit für "eine seiner Bedeutung gemäße Würdigung".



zu Neue Zürcher Zeitung, 22.09.2007
Hierzulande kennt man den sowjetischen Autor Walam Schalamow kaum. Cord Aschenbrenners Rezension dieses Bandes mit Erzählungen Schalamows legt aber sehr nahe, dass sich das ändern sollte. Zwar macht es der Autor seinen Lesern alles andere als leicht, freilich hat er, wie Aschenbrenner berichtet, auch keinen Grund dazu. Vierzehn Jahre hat Schalamow in einem sibirischen Arbeitslager verbracht und die Texte, die er danach schrieb, handeln vom Überleben in Exil und Kälte. Illusionen macht sich und lässt der Autor dem Leser keine, sein Menschenbild ist von der Zeit im Lager geprägt. In den Erzählungen geht es, zum Beispiel, um einen, der sich im Lager beschwert, und daraufhin in eine Strafkompanie versetzt wird. Ein Resümee in dreißig kargen Sätzen schließt den Band ab, der von Rechts wegen, wie Aschenbrenner meint, bei uns wie in Russland "Schullektüre" sein müsste.



zu Frankfurter Rundschau, 31.08.2007
An den "Kältepol der Grausamkeit" haben Warlam Schalamows Erzählungen aus Kolyma den Rezensenten Jörg Plath geführt. Dort, im Dauerfrostgebiet im Osten der Sowjetunion, hat Schalamow unvorstellbare 14 seiner insgesamt 20 Jahre als politischer Häftling im Gulag zugebracht. Ihm sind in einer Nacht alle zehn Zehen abgefroren, berichtet Plath fassungslos, Schalamow habe erlebt, wie Mithäftlinge Leichen ausgruben, um an die Kleider zu kommen, er hat Verrat und den "Bankrott der menschlichen Kultur" erlebt, und wie Kälte, Hunger und Gewalt die Menschen zu Bestien machten. Ohne Erklärungen, und ohne eine Spur von Distanz schildere Schalamow diese unmenschliche Welt, warnt der Rezensent, den die "schockgefrorene Klarheit der Erzählungen immer wieder "schaudern" ließ. Über die literarische und historische Bedeutung dieses Buchs lässt Plath keine Zweifel aufkommen, doch weist er darauf hin, dass in ihnen - anders als bei Imre Kertesz oder Primo Levi - die politischen Verantwortlichen keine Rolle spielen. Bedauerlich allein findet der Rezensent, dass das Nachwort "mit mancher Information geizt", zum Beispiel darüber, warum Schalamow eigentlich in den siebziger Jahren die Samisdat-Zeitschriften angriff, die seine bis dahin ungedruckten Erzählungen abdruckten.


zu Neue Zürcher Zeitung, 30.06.2007

Erfreut zeigt sich Rezensent Ulrich M. Schmid vom ersten Band einer auf sechs Bände angelegten Werkausgabe mit Schriften Warlam Schalamows.

Denn damit werde der vor 100 Jahren geborene russische Schriftsteller endlich auch im Westen besser bekannt. Die "Erzählungen aus Kolyma" versteht er als Zeugnis des "grausamen Lebensschicksal" des Autors, der vierzehn Jahre Haft in sibirischen Lagern erleiden musste. Nicht verwunderlich scheint es ihm, dass diese Erzählungen zu Lebzeiten des Autors in der Sowjetunion nicht erscheinen konnten. Er hebt hervor, dass sich Schalamow gleichwohl immer gegen politische Vereinnahmung seines Werks im Westen gewehrt habe.

Ausführlich berichtet Schmid auch über das prekäre Verhältnis Schalamows zu Alexander Solschenizyn, dem er vorhielt, den Archipel Gulag ästhetisiert zu haben und mit dem er deshalb brach. Schalamow hatte eine literarische und moralisch bewertende Darstellung der russischen Lager immer abgelehnt. Das Grauen, davon war er überzeugt, kann nur in einer dokumetarischen Schilderung erfasst werden, erklärt uns Schmid. Das scheint Schalamow auf beeindruckende Weise gelungen zu sein, umgibt die in "formbewusster" Prosa gehaltenen Texte für den Rezensenten doch eine "Aura höchster Authentizität".


Süddeutsche Zeitung von 13.03.2008
Die Poetik des Sterbens

Warlam Schalamows Kurzgeschichten aus dem Gulag

Deutsche Konzentrationslager haben ihren Platz in der Literatur. Von den Lagern des stalinistischen Gulag weiß man hingegen wenig. Vom einen auf das andere zu schließen, wäre ein Fehler. Seine Jugend abgezogen, bestand das Leben des Journalisten Warlam Schalamow aus zwei Teilen. Erst war er fast 18 Jahre lang in den Lagern des hohen Nordens eingesperrt. Dann, nachdem Stalins Tod 1953 ihm die Freiheit geschenkt hatte, verbrachte er viele Jahre damit, seine Erlebnisse auf den Begriff zu bringen.

Wer den Körpersäften, die bei Jonathan Littell in die Gegend spritzen, literarisch nichts abgewinnen kann, darf sich Schalamow und seiner Übersetzerin Gabriele Leupold anvertrauen, die mit diesem Buch für den Übersetzerpreis der Leipziger Buchmesse 2008 nominiert ist.

Angesichts des Bankrotts der humanistischen Ideale, der ihm im Gulag augenfällig wurde, hielt Schalamow die aus dem 19. Jahrhundert überkommene Romanform für überholt.

Drei Wochen dauerte es im Schnitt, bis ein Intellektueller in den Goldbergwerken im Osten Sibiriens auf seine Kenntnisse nichts mehr gab. Hunger, Gewalt und Arbeit bei mehr als minus 50 Grad Kälte zersetzten jedes Individuum.

Undenkbar schien Schalamow die Vorstellung, einen Mann, dessen Denken erstarrt ist, reduziert auf den Wunsch nach Wärme, Schlaf und Brot, zum Protagonisten eines Romans zu machen. So ein Mann hat keine Sprache mehr. Er ist wie ausgelöscht.

 

 ^^^^ 

 BRalpha, 2007    - Von Marina Farschid   Neuübersetzung 

 

Warlam Schalamow sagte über sich: Ich kann vieles nicht, aber eines ganz sicher: nicht mehr getäuscht werden. Meinem Blick entgeht nichts. "Er durchleuchtet dich, in Sekunden", erinnert sich Irina Sirontinskaja. Man konnte ihm nichts vormachen. Sie kannte ihn gut, besser als jeder andere. Sie war seine letzte Lebensgefährtin und engste Vertraute. Warlam Schalamow, der fast 18 Jahre im Gulag saß, hat ihr alles erzählt - von seinem Leben am Kältepol der Erde. Von Kolyma.

Irina Sirontinskaja: "Das, wovor er wirklich Angst hatte, war die Kälte. Die Kälte von minus 50 Grad, bei der jeder Rest von Menschlichkeit, vom Menschsein erfriert. Und dazu noch dieser endlose Hunger, diese Wassersuppe, die sie bekamen - mit der Ration von einem halben Hering dazu. Man fütterte und strafte sie wie wilde Tiere. Und nur, wenn du dich gut benommen hast, funktioniert hast, bekamst du ein Stück Brot."

Aus Kolyma, dem Fernen Osten Sibiriens, konnte niemand fliehen. Schalamow kam 1937 wegen sogenannter trotzkistischer Verschwörung in den brutalsten Gulag Sibiriens - mit der großen Terrorwelle Stalins. 14 Stunden arbeitete er täglich in den Goldgruben, im Kohlebergwerk, als Holzfäller. Mit bloßen Händen schlug er sich durch Schlamm und Eis. Das Gewehr im Nacken. Wer den Plan nicht erfüllte, wurde erschossen.

Irina Sirontinskaja: 

"Im Lagerleben war nicht der Kopf das Wichtigste, was man schützen musste. Schalamow hat schnell gelernt, wie man überlebt. Wie man zuschlägt und sich verteidigt. Den Bauch musste man zuallererst schützen - vor Tritten und Messerstichen. Es war nackter Instinkt."

In diesem Menschenstrom am Kältepol der Erde verschwindet das Individuum. Es wird in drei Wochen zum Tier, schreibt Warlam Schalamow in seinen jetzt erstmals auf Deutsch erscheinenden Erzählungen, die wie keine anderen das Grauen des Gulags schildern: 

"Er hatte einen menschlichen Zeh berührt. Ein großer Zeh ragte aus den Steinen hervor - im Mondlicht. Sie bogen dem Toten die Arme gerade und zogen ihm das Hemd aus. Er war noch ganz jung. Sie zogen ihm auch die Unterhosen aus. Die Wäsche des Toten wurde an Glebows Körper warm und schien schon nicht mehr fremd."

Schalamow beschreibt die Zersetzung des Menschen lakonisch, er erkundet nicht ihr Seelenleben, wenn sie gleichgültig töten oder jemanden retten oder sich zum Sterben niederlegen. Er moralisiert nicht, er belehrt nicht, sondern er untersucht. 

1953 darf er die Kolyma verlassen und kommt wieder nach Moskau. Er hofft, dass seine Gedichte - von Pasternak hochgelobt - und später seine Erzählungen veröffentlicht werden. Doch nur ein paar Lyrikbände erscheinen. 

Auch die anfängliche Freundschaft mit Solshenizyn zerbricht. Zu unterschiedlich sind ihre Ansichten. Ihre Wege trennen sich.

Solshenizyns "Archipel Gulag" erscheint im Westen. Wie auch einige Erzählungen Schalamows. Der distanziert sich davon - öffentlich. Er will, dass seine Erzählungen über Kolyma nur in der Sowjetunion erscheinen. Solshenizyn wirft ihm daraufhin Opportunismus vor.

Diesen Vorwurf hält Schalamows Lebensgefährtin bis heute für pure Heuchelei. Irina Sirontinskaja: 

"Solshenizyn war doch derjenige, der Schalamow regelrecht ausgeredet hatte, seine Texte im Ausland, im Westen zu veröffentlichen. Er würde dann eine persona non grata und nicht mehr in der Sowjetunion erscheinen. Der wahre Grund war: Solshenizyn hatte Angst vor der künstlerischen Konkurrenz des Stärkeren."

Schalamow treibt ruhelos durch Moskau. Getrieben von den eigenen Erinnerungen, die niemand lesen will und darf.

Die Jahrzehnte der Haft haben ihn zu einem einsamen Menschen gemacht, unfähig, anderen zu vertrauen. Er ist zweimal geschieden, lebt von einer kleinen Invalidenrente, schreibt unermüdlich, ausgezehrt von Krankheiten. Sein Gleichgewichtssinn ist gestört, er wird schwerhörig und erblindet. 

Am 15. Januar 1982 kommt er mit einer Erkältung und Fieber ins Krankenhaus. Er liegt im kalten Flur und wird gefragt befragt. Irina Sirontinskaja: "‚Welchen Tag haben wir heute? Wie spät ist es jetzt?', fragten die Ärzte einen Schwersthörigen und Blinden! Darauf konnte er nicht antworten. Wie auch?! Die schnelle Diagnose der Ärzte hieß: Demenz, ein Verrückter. Man steckte ihn in die Irrenanstalt. Er war wieder isoliert, ausgestoßen. Diesmal endgültig."

Zwei Tage später stirbt er. In der Nervenklinik. Die Obduktion ergibt: Er hatte eine Lungenentzündung. - Er hätte noch gerettet werden können.

 



 

 

 

(Ordner)    www.detopia.de     ^^^^