Karl Ludwig Schweisfurth  


Wenn's um die Wurst geht

Gedanken über die Würde
von Mensch und Tier

Autobiographie

 

1999 im Riemann-Bertelsmann 

2001 als Goldmann-TB


Audio 2011 dlf Gespräch  

Audio 2010 SR2 Gespräch

1999 

wikipe  Autor *1930
in Herten bis 2020 (89)

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"Mir war schlagartig klar, dass Fleisch von derart gequälten Tieren keine lebensfördernde Nahrung für uns Menschen sein kann."


Karl Ludwig Schweisfurth war als Eigentümer von "Herta" einer der größten industriellen Wurst­fabrik­anten Europas. Aufgrund persönlichen Bewußt­seinswandels und der Überzeugung, daß kein Segen auf der Massen­tierhaltung liegt, verkaufte er seine Firma und baute einen Land­wirt­schafts­betrieb auf, der nach ökologischen Kriterien produziert und verarbeitet.

Schweisfurths Auto­biographie: der persönliche Bericht eines großen Unternehmers, der seine Ideale mit klarem Verstand, mit Phantasie und liebevoller Hingabe verwirklichte.

Herta – wenn's um die Wurst geht. Wie kein anderer personifizierte Karl Ludwig Schweisfurth mit dem Herta-Fleisch­imperium das Konzept der Massentierhaltung und -Vermarktung.

Mit 34 Jahren übernahm K. L. Schweisfurth das Unternehmen vom Vater und machte es innerhalb von 20 Jahren zum erfolgreichsten Fleischkonzern Europas. 5000 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von 1,6 Milliarden standen zur Disposition, als er Herta im Jahre 1984 an Nestle verkaufte. Weder wirtschaftliche Notwendigkeit noch der Wunsch, "Kasse zu machen", trieben ihn zu diesem Schritt, sondern die langsam gewachsene Überzeugung, daß auf der bisher praktizierten Form des Wirtschaftens kein Segen liegt.

In der vorliegenden Autobiographie schildert Karl Ludwig Schweisfurth seinen Lebensweg, der in dieser Form exemplarisch sein könnte für den überfälligen Bewußtseinswandel unserer Gesellschaft. Die Geschichte eines Mannes, der wißbegierig auszog in ferne Lande, der sich begeisterte für die Produktionsmechanismen der Neuen Welt, diese in Deutschland einführte, um schließlich erkennen zu müssen, daß Erfolg erkauft durch das Leiden zahlloser Tiere, nicht glücklich macht. Schweisfurth zog sich jedoch nicht resignierend zurück, sondern suchte Alternativen zur landläufig praktizierten Landwirtschaft, Tierhaltung und -vermarktung.

Mit dem Bio-Hof Hermannsdorf bei Glonn (südöstlich von München) realisierte er unter großem materiellen Einsatz seine Vision einer ganzheitlichen Landwirtschaft. Die Hofanlage beherbergt eine eigene Käserei, Metzgerei, Bäckerei, Gaststätte (16 Punkte im Gault Millau) und Brauerei, die alle nach Schweisfurths Maxime wirtschaften. Nur Tiere und Pflanzen, die artgerecht und würdevoll wachsen, verdienen die Klassifizierung "Lebensmittel", nur sie können als "lebendige Nahrung" bezeichnet werden.

Schweisfurths Vision reicht jedoch über sein Hofgut und sein persönliches Leben hinaus. Mit Hilfe einer von ihm gegründeten Stiftung setzt er sich ein für "Wege zu ganzheitlichem und erfülltem Leben, in dem Arbeit und Technik wieder in besseren Einklang mit der Natur gebracht werden".

Karl Ludwig Schweisfurth, Jahrgang 1930, wurde nach Metzgerlehre und Betriebs­wirtschafts­studium mit 34 Jahren alleiniger Geschäftsführer des Herta-Fleischwaren-Unternehmens, dem er zu außerordentlichem wirtschaftlichem Erfolg verhalf. Von 1966 bis 1979 war er Präsident des Bundesverbandes der deutschen Fleischwarenindustrie. 1984 verkaufte Schweisfurth sein Unternehmen, stieg aus der herkömmlichen Fleischproduktion aus und orientierte sich an ganz­heitlichen, ökologischen Konzepten. Ab 1988 baute er die Hermannsdorfer Landwerkstätten auf, die das Schweis­furth'sche Grundanliegen verkörpern: den achtsamen Umgang mit allem Leben zum Maßstab unseres Handelns zu machen.

 

Inhalt

Kindheit und Jugend 
Prägungen   (7) 

Lehre und Studium 
Entwicklungen   (41)  

Familie und Firmenleitung
Expansion und Erkenntnisse  (131)

Stiftung und Landwerkstätten 
Konsequenzen und Neuanfänge  (227) 

 

 

Kindheit und Jugend

Prägungen

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Meine Vorfahren waren arme Bauersleute, die sich im Siegerland über Wasser hielten und kaum das Brot im Schrank hatten und nicht das Salz im Kasten. Wir sind Westfalen und zwar die von der ganz dickköpfigen Sorte: Siegerländer, die angeblich noch dickköpfiger sein sollen als Münsterländer oder Ostwestfalen. Vielleicht ist das schon ein Charakterzug, der in meinem Leben den roten Faden darstellt.

Einem von den Bauersleuten war das alles zu dürftig und zu arm. Er machte sich auf und ging in die Stadt nach Gelsenkirchen. Das war damals eine große Entfernung, und es gehörten Mut und viel innovativer Elan dazu, sich vom heimatlichen Boden zu trennen. Oft war es die schiere Not, die die Menschen dazu zwang, und das mag auch bei meinem Urgroßvater so gewesen sein. Sein Sohn, mein Großvater Ludwig, verließ Gelsenkirchen und kam in das damals noch kleine, verschlafene Nest Herten. Das war im Jahr 1897.

Aber dieser kleine Ort begann gerade eine größere Bedeutung zu bekommen. Es herrschte Aufbruchs­stimmung: Mit dem Zechenbau begann ein wahrer Boom, zwei große Schachtanlagen waren gerade abgeteuft worden, die Zechen Ewald und König Ludwig.

Mein Großvater war der erste in der Familie, der das Metzgerhandwerk erlernte, und weil er Weitblick besaß und ahnte, wie sich der Bergbau weiterentwickeln würde, kam er nach Herten mit dem festen Willen, dort ein Geschäft aufzumachen, ein Metzgergeschäft. Er war der erste Schweisfurth, der in Herten als Metzger auftrat.

So haben wir in dieser Stadt ein ganzes Jahrhundert verbracht, und ich bin stolz auf diese hundertjährige Tradition, auf meine Vorfahren, und dankbar, daß sie mir das bereitet haben, womit ich heute arbeiten kann.

Fast scheint es mir ein wenig anmaßend, wenn ich meine Geschichte erzählen soll. Ich bin nicht alt genug, um mein Leben endgültig zu beschreiben, und vielleicht auch nicht bedeutend genug. Aber ich will gerne berichten, wie es zu dem gekommen ist, was ich heute erreicht habe, und aus welchen Wurzeln alles wuchs. Vor allem hoffe ich, daß ich vielleicht manchen Leser nachdenklich machen und ihn dann überzeugen kann, daß wir auf unsere Erde achtgeben müssen.

Wenn man Ziele erreichen will, ist der Weg immer steinig und häufig auch entmutigend. Ich habe viele Fehler gemacht, ehe ich begriffen habe, daß wir nur in der Ganzheitlichkeit des Denkens und Handelns zu einem versöhnlichen Miteinander von Natur, Technik und Leben kommen können. Immer wieder habe ich mich geirrt, aber es hat auch immer wieder Menschen gegeben, die mir geholfen und meinen Weg begleitet haben, und davon will ich berichten. Ich bin es meinen klugen und tüchtigen Vorfahren schuldig, ihnen meinen Dank abzustatten, und ich weiß, daß man nur durch Reflexion, die manchmal bittere Erkenntnisse mit sich bringen kann, zu neuen Einsichten und Veränderungen imstande ist.

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Kehren wir also zurück in das Jahr 1897, zu meinem Großvater Ludwig und seiner jungen Frau Minna, die er sich aus Aachen geholt hatte. Sie hatte die Idee, ein Feinkostgeschäft in Herten aufzumachen. Ihre Tüchtigkeit hatte sie schon bei ihrer Arbeit in Kaiser's Kaffeegeschäft bewiesen, und sie überredete ihren Liebsten einfach, so ein schönes Geschäft aufzumachen: wo es feine Sachen in der Auslage zu bewundern gab und wohin die feinen Leute kommen würden, um all die guten Dinge mit nach Hause zu nehmen, nicht nur die Metzgerwaren.

Aber da hatte sich Großmutter Minna doch ein wenig vertan. Denn Herten war bevölkert von "Pohlbürgern", westfälisch "Pöhle" genannt, das waren die Alten, die schon lange in der Stadt lebten, die schon eingebürgert waren, im Gegensatz zu den Polen und Tschechen, die neu eingewandert waren und schlecht Deutsch sprachen. Arm waren sie aber alle mehr oder weniger, und von Feinkost hatten sie ohnehin noch nie was gehört.

Trotzdem eröffneten Minna und ihr Metzgerehemann am 13. Dezember 1897 in Herten ihr Geschäft. Doch die Kundschaft blieb aus. Wer sich überhaupt etwas leisten konnte, kaufte Schweinebraten und Speck. Die Leute waren arm und gaben ihr Geld lieber für Speck als für mageres Fleisch aus, und darum kostete das Kilo Speck genausoviel wie das Kilo mageres Fleisch. So konnte der schöne Gedanke von Minna mit ihrem Feinkostgeschäft nicht realisiert werden, und es kam zur großen Pleite. Die Leute waren zwar neugierig, kamen und drückten sich die Nasen platt am Schaufenster - aber sie kauften nicht. Als Weihnachten vorbei war, mußten meine Großeltern das ganze übriggebliebene Zeug selber essen, und am 31. Dezember machten sie ihr Geschäft wieder zu.

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Das Geld war verpulvert, sie waren wohl noch einmal satt geworden, aber guter Rat war nun teuer im wörtlichsten Sinn. Und da mag der Großvater sich wohl besonnen haben auf sein Handwerk, das er gelernt hatte. Vielleicht mußte er seiner Frau ein bißchen zureden, sie vielleicht auch trösten, denn die schönen Träume waren ja zunächst ausgeträumt, und die beiden mußten einfach wieder ganz von vorne anfangen.

Das bißchen Geld, das sie noch auftreiben konnten, steckten sie in einen Bollerwagen, einen kleinen Leiterwagen mit einem Bernhardiner davor. Für einen größeren Wagen mit Pferd hätte das Geld nicht mehr gereicht. Mit diesem Gespann fuhr mein Großvater unverdrossen durch die Bergarbeitersiedlung.

Es wird berichtet, daß Großvater Ludwig morgens in die Tschechensiedlung fuhr, dort ein Schwein holte, es auf den Leiterwagen lud, das Schwein dann in eine kleine Werkstatt fuhr - die es heute noch gibt -, dort verwurstete, was das Tier hergab, und abends dann mit dem Bollerwagen wieder zurückfuhr und seine Ware auslieferte.

Darum hat das Unternehmen Schweisfurth auch das Jahr 1897 als Gründungsjahr, denn da lagen die Ursprünge, so klein und kümmerlich sie auch gewesen sein mögen. Im selben Jahr wurde auch Vater Karl geboren, und es ist schön, daß so das hundertjährige Bestehen der Firma zusammen mit dem hundertsten Geburtstag meines Vaters gefeiert werden konnte.

Tüchtig muß er gewesen sein, der Großvater, und die Großmutter Minna nicht minder. Sie stand ihm immer zur Seite und half, wo sie konnte, trotz der größer gewordenen Familie, zu der sich drei Jahre später noch eine Tochter gesellte, Alwine, die immer einen besonderen Ruf in unserer Familie genoß.

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 Foto: Das Metzgergeschäft in Herten (Foto) 

 

So brachten es die beiden durch Fleiß und gewaltigen Einsatz, mit Ausdauer und Zähigkeit zu einem bescheidenen Wohlstand. Bald war aus der kleinen Werkstatt mit dem Bollerwagen und den abgeholten Schweinen eine richtige Metzgerei geworden. Es ist überliefert, daß mein Großvater ein neugieriger und fortschrittlicher Mann war. Er hatte als erster in Herten eine elektrische Dampfmaschine und elektrisches Licht, und er fuhr als erster in dem kleinen Ort ein Auto! Er muß also recht tüchtig gewesen sein und erfolgreich dazu, sonst hätte er sich dies alles nicht leisten können.

Es war die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als noch alles ruhig war und in festgefügten Bahnen verlief. Schnell hatte der Großvater sich ein eigenes Haus erarbeitet, und sein Betrieb war ansehnlich und wuchs. Er selbst war bald ein gemachter Mann, Vorsitzender in Vereinen und Verbänden, zu allen möglichen Ehren gekommen, immer unterwegs und sehr beschäftigt.

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Die Großmutter war es, die auf die kleinen, aber wichtigen Dinge sah, die morgens um fünf Uhr aufstand, die Werkstatt aufschloß und darüber wachte, daß alles seine Ordnung hatte.

Da blieb natürlich kaum Zeit für Kindererziehung, und so kamen die beiden Kinder Karl und Alwine in ein Internat. Alwine war für ihre Zeit anscheinend eine besonders kesse junge Dame, die nichts davon hielt, in einer muffigen Institution zu versauern. Sie nahm bald Reißaus, ging nach Berlin und führte dort ein ziemlich selbständiges Leben, wohl nicht unbedingt immer zur Freude ihrer Eltern.

Mein Vater Karl allerdings muß viel Glück gehabt haben mit seinem Internat. Er ging in Solingen-Ohligs zur Schule, das war noch vor dem Ersten Weltkrieg, und noch sehr spät in seinem Leben hat er immer wieder davon berichtet. Der Leiter des Internats war eine Art Ersatzvater für ihn, der ihn an die Hand nahm und sich sehr um ihn kümmerte. Aus kleinbürgerlichen Verhältnissen kommend, traf mein Vater dort auf jemanden, der ihm neue Sichtweisen eröffnete und ihn ein wenig aus der Enge herausführte, die zu Hause geherrscht haben mochte.

Sicher waren diese prägenden Erlebnisse auch entscheidend dafür, daß mein Vater sich später soviel mit mir beschäftigt hat. Er kümmerte sich sehr um meine Ausbildung, ließ mich aber von früh an Dinge, die wichtig waren, immer selbst entscheiden. Bei ihm selbst lief das alles noch völlig anders. Nicht nur, daß man zu dieser Zeit ohnehin anders mit Kindern umging, mein Großvater hatte auch gar nicht das entsprechende Zutrauen und war viel voreingenommener gegenüber seinem Sohn. Daher konnte er ihn nicht so fördern oder an ihn glauben, wie das glücklicherweise dann mit mir geschehen ist.

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Erstaunlich ist, daß mein Großvater, nachdem er seinen Metzgerbetrieb wahrlich aus kleinen Anfängen aufgebaut hatte, relativ rasch zu Wohlstand und Ansehen gekommen war, kurzerhand beschloß, zu privatisieren und Rentier zu werden. Das war zu jener Zeit durchaus ein Beruf. Großvater Ludwig verpachtete also seinen Betrieb, nahm seine Frau Minna am Arm und zog in die Großstadt nach Essen. Er hatte bei aller Tüchtigkeit auch eine Tendenz zum Wohlleben und verhielt sich so, daß man meinen konnte, er sei ein reicher Müßiggänger. Ihm schien dieses Leben zu gefallen, seiner Angetrauten, meiner Großmutter Minna, aber keineswegs. Sie langweilte sich zu Tode, während er jagen ging, sich auf der Trabrennbahn herumtrieb und abends auch wohl gerne im Wirtshaus saß.

Großmutter muß sich ziemlich geärgert haben, vielleicht waren auch andere Damen im Spiel, wer weiß. Ganz ohne Einfluß kann sie nicht gewesen sein, denn sie packte den tüchtigen Metzgermeister Ludwig Schweisfurth genau an seiner empfindlichsten Stelle: Sie erzählte ihrem Mann, was sie alles an Schlechtigkeiten über den Pächter des Betriebes in Herten hörte, und stachelte ihn regelrecht auf, damit er nicht in seinem bequemen und üppigen Rentnerdasein versank.

Minna wußte immer wieder Neues zu berichten über die Pflichtvergessenheit des Pächters, Kleinigkeiten und größere Dinge. In ihrer Langeweile in der Großstadt Essen - bei einem Leben, mit dem sie gar nichts anfangen konnte, denn sie wollte einfach etwas tun und bewegen - fiel Minna genug ein, um ihren Mann schließlich so weit zu kriegen, daß er selbst ärgerlich wurde über die vielen Versäumnisse des Hertener Pächters.

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Jedenfalls ist das die Familiensaga, an der durchaus einiges geschönt oder falsch sein mag, die dennoch ein charakteristisches und in vielen Teilen zutreffendes Bild meiner Großeltern Schweisfurth zeichnet. Kurzum — der Großvater ging zurück nach Herten, übernahm wieder selbst den Metzgerbetrieb und führte ihn auch durch die schwierigen Zeiten des Ersten Weltkrieges. Auffallend ist, daß keine Schreckens­meldungen oder besonderen Geschehnisse aus diesen wirren und schweren Zeiten berichtet werden, sie scheinen für unsere Familie relativ glimpflich verlaufen zu sein.

Das Verhältnis zwischen dem alten Ludwig Schweisfurth und meinem Vater Karl war kein besonders gutes. Die beiden waren sehr verschieden, der Großvater, einerseits autoritär, liebte andererseits das gute Leben und scherte sich nicht allzusehr um die Gefühle anderer Menschen. Tüchtig war er, aber seine Vorstellungen vom Leben differierten sehr von denen seiner Frau und damit auch von denen seines Sohns.

Die Tochter Alwine war ein ganz anderer Typ als ihr Bruder Karl, mein Vater. Sie war ähnlich lebenslustig wie ihr Vater, hatte eine gewisse Tendenz zur Leichtlebigkeit und interessierte sich ohnehin nicht für die Probleme im engen Herten. Sie war nach Berlin gegangen, führte ein munteres Leben, liebte die Männer und war immer fröhlich und ausgelassen. Ich erinnere mich an viele Erzählungen, mit denen sie mich weit in ihr Alter hinein köstlich unterhielt. So fing sie etwa in Berlin als Verkäuferin in einem Pelzgeschäft zu arbeiten an, ich weiß noch heute, wie sie davon erzählt hat.

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Das schlechte Verhältnis von Bruder und Vater kümmerte sie auch nicht länger, sie hielt sich aus diesem Streit heraus, der schließlich dazu führte, daß die Familie fast auseinanderbrach.

Die Großmutter Minna hielt zu ihrem Sohn, während der Großvater Ludwig der Meinung war, sein Sohn Karl, mein Vater, tauge nicht viel. Trotzdem übernahm mein Vater etwa im Jahre 1924 den Betrieb, obwohl der Großvater ihn für untüchtig hielt und glaubte, daß er es nie schaffen würde, diesen Betrieb erfolgreich zu führen.

Wie das alles genau ablief, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß damals ein veritables Familiendrama begann und das schlechte Verhältnis sich erst viel später wieder auflöste. Damit einher ging auch das Ende der Ehe meiner Großeltern, die zwar nicht offiziell gelöst wurde, aber schließlich nur noch auf dem Papier weiter­bestand.

Einige Jahre später ging der Großvater Ludwig dann nach Düsseldorf, baute sich in Gerresheim ein sehr schönes Haus und führte dort auch ein sehr schönes Leben — ohne seine Frau Minna, die in Herten blieb und in einem kleinen, düsteren Haus in der Nimrodstraße wohnte.

Trotz aller Bedenken seines Vaters, der ihm nicht genug Durchsetzungsfähigkeit und Weitblick zutraute, wuchs mein Vater Karl in das übernommene Geschäft hinein und wurde auch bald sehr erfolgreich.

Er heiratete im Jahre 1922. Seine Frau Erna brachte ein neues Element in die Familie der ehrbaren Metzgerhandwerker, sie stammte nämlich aus einem sehr angesehenen Beamtenhaushalt in Herten. Verlobt haben sich meine Eltern in Hiddesen in Lippe-Detmold. Das war damals schon ziemlich weit von zu

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