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6.   Schlussbemerkungen

Schwendter-1994 

 

 

Während ich diese abschließenden Seiten zu Papier bringe, erhalte ich den Brief eines erfahrenen Zukunfts­werkstätten­moderators, in welchem dieser von (rumänischen) Teilnehmern einer Werkstatt berichtet, bei welchen die geäußerten Utopien über <Marktwirtschaft> und <parlamentarische Demokratie> nicht hinausgegangen seien. 

In einem gegebenen gesellschaftlichen Kontext findet ein Rückgriff auf Utopien statt, deren eine mit spätestens 1688 (Anfänge des englischen Parlamentarismus), deren andere mit ca. 1775 (Adam Smith's Begründung der Marktwirtschaft als <moralisch-ökonomisch> Form des Wirtschaftens) zu datieren ist. 

Auch liegt das Problem nicht in »Marktwirtschaft« und »parlamentarischer Demokratie« als Utopie, sondern in den Entwicklungen der Praxis, die zwischen­zeitlich feststellbar waren. Auf lange Sicht neigt die »Marktwirtschaft« zu einem verheerenden Wechselspiel von ökonomischer Machtkonzentration und Verelendung/Naturzerstörung, das europäische Modell der »parlamentarischen Demokratie« zu einem Übergewicht der Exekutive über die Legislative.

Nicht zufällig sind der <Marktwirtschaft> die <soziale Marktwirtschaft> und die <öko-soziale Marktwirtschaft> gefolgt und zwar durchaus aus eher konservativen Kreisen — und die in dieser Konsequenz liegende <alternativ-pazifico-femina-ökosoziale Marktwirtschaft> hätte nur noch bedingt etwas mit Adam Smith zu tun. 6.1

 

Idealtypisch sind die Ängste vor der Utopie an den Schriften jener konservativen Theoretiker abzulesen, die ihre Abschaffung so vehement zu verweigern pflegen: 6.2)   

Ernst Nolte anerkennt eine Utopie als politische schon einmal nur dann, wenn sie mit Gewalt durchgesetzt werden soll. Am ehesten erwägt er die Möglichkeiten — wenn auch ohne prognostizierbare Chancen — einer Ökodiktatur, eines Feminismus zur Beseitigung des männlichen Geschlechts und einer Ausrottung der »weißen Rasse« durch die Dritte Welt.

Joachim Fest beschränkt Utopie auf Nationalsozialismus und Realsozialismus, und bei letzterem auf Determinismus, "Allmachtsphantasien, Geschichts­mystik und Menschheitspathos". Er muß zugestehen, daß "die utopische Sehnsucht ... deshalb nicht verstummt" ist — und noch zunehmen wird —, verkürzt aber umgehend wiederum Utopie auf Lösung des "Erden­durcheinanders" aus seiner "Undurchschaubarkeit", auf "schlagende Lösungen".

Daß »der Mensch in Zukunft ohne das große Tamtam der Utopien leben muß«, obwohl eine Seite vorher deren Anwachsen als plausibel unterstellt wurde, verheißt nichts Gutes: Schließlich haben zu den Ungeheuern, die Goyas träumende Vernunft geboren hat, auch schon die Gemetzel an den Pariser Communarden 1871 gehört — jener Massenmord, der - als Reaktion - zur ideellen Geburtsstunde des Horrors der Kaderpartei wurde. 

Ergänzt wird die Märchenstunde vom Ende der Utopie durch die Kalauer, "daß seit Generationen kein Entwurf für eine ideale Ordnung mehr entstanden ist",6.3 daß es keine liberalen Utopien gäbe und daß der "Zukunftsschock", dem wir auch ein gutes Dutzend Utopien verdanken, zum Sterben des utopischen Gedankens beigetragen hätte. 

Schließlich mündet Joachim Fest in die platteste technokratische Utopie ein, die historisch zu haben ist: Eine "Praxis ..., die ... mehr Handwerk und Ingenieurwesen (ist) als metapolitische Fürsorge". 6.4

 

Um ein liebgewordenes Vorurteil noch einmal in Frage zu stellen: Es gibt keinerlei Automatismus zwischen der utopischen Intention einerseits und einem Weg zu einer sozialistischen Gesellschafts­ordnung andererseits. 

Es hat feudale Utopien gegeben, insbesondere unter den sozialrebellischen Bauern der ersten Hälfte des zweiten Jahrtausends unserer Zeitrechnung: die Wiederkehr des »guten Königs«, sei dies nun Friedrich Barbarossa aus dem Kyffhäuser oder König Johannes aus dem Goldland in Afrika; die Wiederherstellung des »alten Rechts«, das den Bauern mehr Rechte gegeben hatte als ihnen die aufkommenden Landesfürsten lassen wollten.

Es hat liberale Utopien gegeben, und gibt sie immer noch: Die weltweite Gültigkeit der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte stünde immer noch an deren Spitze — oft eingefordert, gelegentlich auf Zeit durchgesetzt, von jedem amnesty international-Bericht indes Lügen gestraft. Auch Kants »ewiger Friede«, wie auch sein »Ausgang des Menschengeschlechts aus selbstverschuldeter Unmündigkeit«, zählen zu den uneingelösten Utopien der Aufklärung — für deren Einlösung noch viel Kraft und Geduld erforderlich sein wird. 

Es gibt auch nach wie vor kapitalistische Utopien, deren bislang weitreichendste und einflußreichste jene von den harmonischen, menschheitsbeglückenden Wirkungen der Marktwirtschaft ist, jene »unsichtbare Hand« (Adam Smith), die automatisch, im Sinne einer Gleichgewichtsapparatur, alles zum besten wendet. 

Es gibt Utopien der Dritten Welt, exemplarisch sei das argentinische Bariloche-Modell von Herrera, Skolnik, Mallmann und anderen erwähnt, die naheliegender­weise die weltweite Versorgung zur Befriedigung der Grundbedürfnisse anstreben — in denen es indes von Atomkraft­werken nur so wimmelt. 

Schließlich hat es auch faschistische Utopien gegeben — und es ist sehr zu befürchten, daß es sie, etwa im Umkreis der französischen Gruppe GRECE, nach wie vor gibt. Nicht nur denke ich an die Utopien Hitlers, Rosenbergs, auch Mussolinis, sondern auch an politisch weit weniger geschichtsmächtige, wie das »Atlantropa«-Projekt des Hermann Sörgel, in welchem, wie gesagt, erstrebt wurde, durch Riesendämme bei der Straße von Gibraltar das Mittelmeer zwecks Landgewinnung und Brücke nach Afrika einfach auszutrocknen. Aus dem eingangs Gesagten heraus ist es jedoch verständlich, daß Utopien der vergangenen beiden Jahrhunderte dennoch so sehr mit irgend einer Form des Sozialismus verbunden waren und sind. Immer wieder ergänzt durch den Faschismus, 70 Jahre lang auch durch den Realsozialismus, hat in dieser Zeit der Kapitalismus idealtypisch für jenes schlechte Bestehende gestanden, das zu negieren unter anderem die Utopie angetreten ist. 

Dies ist auch letztlich der Hintergrund, warum das Ansehen der Utopie bei den Verteidigern des Status quo, des bestehenden Zustands, ein so geringer ist. Schwieriger wird es beim zweiten Moment der Utopie, jenem des »überschießenden Bewußtseins« — hier gibt es bekanntlich große, bis zur kaum möglichen Überbrückbarkeit gewaltige Differenzen. Einfach ist es noch, die oben schon erörterte Unterscheidung zwischen neueren zentralistischen und dezentralistischen Utopien hier zu verorten: Solange insbesondere der Konkurrenzkapitalismus wahrnehmbar ist, beziehen sich die Wünsche, Tagträume, Neigungen vorrangig darauf, dessen tote Kosten, dessen Tendenzen zur Vergeudung von Ressourcen, durch, modern gesprochen, den Synergieeffekt zentraler Planung staatlichen Eigentums zu überwinden. 

Diese Utopien haben in der Realpolitik des Realsozialismus, wie auch lange Zeit hindurch im Mainstream der Sozialdemokratie, Spuren hinterlassen. Sobald der Kapitalismus insbesondere in der Gestalt seiner Konzerne, auch in Querverbindungen zum Staat (z.B. bei Rüstungsaufträgen) wahrgenommen wird, werden die Utopien dezentralistisch. Und auch hier sind dann noch die utopischen Intentionen ausgesprochen antwortvielfältig: 

Die anthroposophische Utopie etwa, idealtypisch in Rudolf Steiners Schrift von der »Dreigliederung des sozialen Organismus« festgehalten, verbindet das Wirtschaftsleben von Assoziationen (in etwa hier: umverteilungs­bereiten Genossenschaften) mit dem Rechtsleben des Parlaments und einem den Anspruch nach ausgesprochen antwortvielfältigen Kulturleben. 

Die anarchistische Utopie gipfelt in der Abschaffung des Staates, begleitet vom Ersatz der Funktion desselben durch eine Vielzahl und Vielfalt freiwilliger Vereinigungen (Peter Kropotkin). Varianten dieser (Roel van Duyn) verbinden dies mit den Möglichkeiten elektronisch verfaßter Dezentralisierung. Der Genossenschaftssozialismus gründet seine Vorstellungen in der umspannenden Tätigkeit von Genossenschaften, der Gemeindesozialismus in jener von lokalen Kommunen. Die freiwirtschaftliche Utopie, verbunden mit den Namen Silvio Gesells und dem Schwundgeld-Experiment der Tiroler Stadt Wörgl um 1930, entwirft subtile Mechanismen zur grundsätzlichen Veränderung des Geldwesens und der Verfügbarkeit über Grund und Boden.

Subsistenzorientierte Utopien, exemplarisch ist in diesen Band von den Schriften des Schweizer Autor P.M. die Rede, gehen davon aus, Macht- wie Planwirtschaft zugunsten eines umfassenden Konzepts von Selbstversorgung zurückzudrängen.6.5 Unabhängige Sozialisten und »Neue Linke« erstreben, an Stelle der Hegemonie des Kapitals, eine Verkehrung des Stellenwerts der vorerst bestehenden Staatsfunktionen: einen Staat, der ökonomisch stark ist, hingegen in Fragen der Verwaltung, der Kultur, des Gewaltmonopols liberal, wenn nicht libertär. 

Ökologische Utopien, wobei »ökolibertäre« und »ökosozialistische« nicht immer scharf voneinander zu trennen sind, versuchen, auf je verschiedene Weise die Utopien von einer »zu ihrer Vernunft gekommenen« Marktwirtschaft, wie von einer dezentralisierten Marktwirtschaft miteinander zu verbinden. Bekanntlich hat Friedrich Engels gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts (wie er irrtümlich meinte: abschließend) festgestellt, die Entwicklung des Sozialismus hätte ihren Weg von der Utopie zur Wissenschaft genommen. 

 *

Es ist an der Zeit, Friedrich Engels an der Schwelle zum 3. Jahrtausend unserer Zeitrechnung ironisch zu variieren: Sollte es noch überhaupt je einen wissenschaftlichen Sozialismus geben können, wird es ein durch die Wissenschaft hindurchgegangener utopischer Sozialismus sein müssen.

Mit anderen Worten: einer, der beide Teile des Worte von Ernst Bloch: »gelehrte Hoffnung« (»docta spes«) ernst nimmt. Einer, der sowohl beständig die gesellschaftliche Wirklichkeit weltweit daraufhin untersucht, wo und wie (und zwar, wenn irgend möglich, auf gewaltfreie Weise) Chancen bestehen, zu neuen Formen solidarischer Vergesellschaftungen zu gelangen.

Einer, der gleichzeitig die Tagträume, die Wünsche, die Bedürfnisse, die Interessen der Leute, und dies in ihrer mindestens klassenströmungsbedingten Verschiedenartigkeit (zu welcher bekanntlich ohne weiteres geschlechtsspezifische, historisch-traditionelle, ethnische, religiöse Verschiedenartigkeiten zu treten pflegen), einbezieht: das heißt, sie weder jeweils fremdgesetzten allgemeinen Normen unterwirft, noch auf den Sankt-Nimmerleinstag verschiebt.

Einer, der endlich die jahrtausendealte, nur immer hin- und herverschobene Kluft zwischen Armutsbevölkerung und Reichtumsbevölkerung einebnet — ein Unterfangen, welches bekanntlich bislang weder christlicher Soziallehre, noch sozialer Marktwirtschaft, noch Realsozialismus gelungen ist (um hier nur jene sozialphilosophisch untermauerten Machtsysteme zu nennen, die überhaupt irgendwann mit diesem Anspruch angetreten waren).

Einer, der zwar bewußt an jenes Menschheitserbe anknüpft, demgemäß unsere Vorfahren die allerlängste Zeit ihrer Existenz in Stämmen, Clans, Gilden, Gemeinschaften (oder wie auch immer) lebten; der allerdings, und dies ebenso bewußt, so bedeutsame Spielräume zur engagierten Eigentätigkeit offenläßt, daß es erst gar nicht dazu kommen kann, unter der Hand Utopien der völligen Losgelöstheit, der Egozentrik auf Kosten anderer, des individuellen wie des Gruppenegoismus entwickeln zu müssen. Ein Prozeß, der, mit verheerenden Folgen, im Herrschaftsbereich des Realsozialismus fraglos eingetreten war.

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Richard Saage schreibt in dem von ihm 1992 herausgegebenen Sammelband <Hat die politische Utopie eine Zukunft?>:

»Kein Zweifel: Das Ende des autoritär-etatistischen Musters der klassischen Utopie­tradition ist unwider­ruf­lich. Selbst wenn es zur Errichtung von Diktaturen kommen sollte, die erneut in den Schatten von Campanellas <Sonnenstaat> eintauchen, so ist doch gewiß, daß es ihnen nicht mehr gelingen wird, was das utopische Denken stets auch auszeichnete: so etwas mit Hoffnung zu vermitteln.

Andererseits ist, so meine These, mit dem Zusammenbruch des realen Staatssozialismus in Europa nicht das utopische Denken als ganzes diskreditiert, weil der Problemdruck, der seit Morus in der Neuzeit Utopien hervorbrachte, weiter besteht. Ich meine nämlich, daß es falsch ist, Utopien immer nur mit idealen Gemeinwesen oder zukünftigen Schreckensszenarien gleichzusetzen und sie ausschließlich unter diesem Aspekt zu sehen.

Ebenso wichtig wie der utopische Entwurf selbst scheint mir der soziopolitische Anlaß zu sein, der sie ausgelöst hat. Zwar konstruktiv in dem Sinne, daß sie mit Hilfe der säkularisierten Vernunft Gegenwelten entwerfen, sind politische Utopien immer auch Phänomene des Reagierens: Sie antworten nämlich seit Morus auf erkennbare Fehlentwicklungen und Krisen des gesellschaftlichen und heute sogar globalen Kontextes, innerhalb dessen sie entstanden sind«.

Als konkrete Momente derselben benennt Saage folgende Entwicklungen:

»Der neuere Utopie­diskurs nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt entscheidende Impulse von der zunehmenden Zerstörung der natürlichen Lebensbedingungen der Menschheit durch die naturwissenschaftlich-technische Entwicklung (sic!), den Industrialismus mit seinem Massenkonsum in den hochentwickelten Ländern des Nordens, der die Verelendung des Südens zumindest billigend in Kauf nimmt, sowie die noch immer bestehende Unterdrückung der Frau«.

Als zeitgenössische Erben des utopischen Diskurses erschienen dem Autor die Mitglieder des »Club of Rome«: aufgrund ihrer Prämisse, daß die Welt, wie sie ist, in ihrer bloßen Faktizität nicht fortgeschrieben werden darf; daß eine Vision der Welt, in der wir gerne leben wollen, notwendig ist; daß es Denk- und Phantasiesphären geben muß, die vom Druck der Interessen politischer und gesellschaftlicher Natur entlastet sind.

Oder auch, wiederum, Holland-Cunz: 

»Die Notwendigkeit, über das schlechte Bestehende weitreichend hinauszudenken, mehr als kleinteilige reformistische Variationen am repressiven männlichen Fortschritts­denken vorzunehmen, ist unübersehbar. Viele der fiktiven Ereignisse, die in den feministisch-utopischen Texten der siebziger Jahre vielleicht noch als gewagte dystopische Extraplationen gelten konnten (Unfälle in Kernkraftwerken, steigende Krebsraten, Sperrung ökologisch verseuchter Gebiete, steigende städtische Armut und soziale Verelendung, antifeministische Politik), sind schon zur Realität geworden, avancierten gar zum Inhalt tagespolitischer geschäftlicher Routine. 

Eine endgültige Verabschiedung "der Utopie" wäre angesichts der anstehenden globalen Probleme politisch fatal — eine Humanisierung politischer Phantasie und utopischen Denkens ist jedoch absolut erforderlich, kann aber nur als anthrozentrismus-kritischer selbstreflexiver Prozeß gelingen. Vor einer Verabschiedung der Utopie oder des Subjekts steht logisch und historisch der Abschied von deren patriarchalen Gehalten. 

Utopisches Denken ist dann nicht überholt, wenn es sich selbst als überholbar zu denken beginnt. Damit aus theologischen Visionen offene Re-Visionen werden können, braucht die utopische Reflexion ihre feministischen Impulse. Mit fortdauernder herrschaftlicher Ignoranz gegen ihre eigene "weibliche" Seite wird die Utopie ihre derzeitige Krise nicht überleben. Und ein solches Ende — dieser Abschied — wäre dann noch nicht einmal bedauerlich«. (Holland-Cunz).

 

Es scheint mir auch keineswegs zufällig zu sein, daß das Interesse an der Erörterung von Utopien in den bislang letzten Jahren wieder stärker geworden ist, und authentischer. Unabhängig davon, wie die Abläufe in Osteuropa und in anderen Teilen der Welt, die sich als realsozialistisch verstanden hatten — und die Einschätzungen reichen vom Beginn des Endsiegs des Kapitalismus im kalten Krieg bis (so Ulrich Sonnemann in Januar 1990) zur »ersten deutschen Revolution, die diesen Namen verdient« —, beurteilt werden mögen: Was mit Sicherheit zusammengebrochen sein dürfte, ist die Annahme eines Geschichts­mechanismus, der letztendlich, abgesehen von barbarischen Alternativen, den Sieg einer sozialistischen Gesellschafts­formation in absehbarer Zeit gewährleisten würde. 

Auch wenn ich annehme, daß von den dies Lesenden ohnehin kaum jemand an diese Art Weihnachts­mann geglaubt haben wird, hat dies Konsequenzen auch für uns. Schon ist ja beobachtbar, daß von der triumphalistischen real existierenden kapitalistischen Hegemonie das »Neues Forum« oder »Vereinigte Linke« in der DDR, Dubcek in der CSSR, ja selbst Geremek oder Jacek Kuron in Polen, nicht zu reden von den bundesdeutschen Grünen, behandelt worden sind, als seien sie eine Art realsozialistischer Wurmfortsatz — und nicht die, die mit dem Kampf gegen die realsozialistischen Bonzen überhaupt erst begonnen hatten.

Der offensichtliche Zerfall von als ehern angesehenen Institutionen, der sich wie im Zeitraffer vollzieht, läßt die alte Mao-Metapher von den Papiertigern, die halt leider atomare Zähne haben, als noch zu milde erscheinen: Die Lage erinnert eher an ein Regiment von Vampiren, die unverhofft in ein sommerliches Strandbad geraten sind, um dort umgehend in große Staubhügel zu zerfallen. Alles scheint unterschiedslos pulverisiert zu werden, was mit den hegemonialen Interessen nicht im elektronifizierten Gleichschritt marschiert, und der Verwertbarkeit der neuen Djangos kostengünstig ausgesetzt werden kann: »Jede/r für sich und der Weltmarkt gegen alle«.

In diesem Zusammenhang gibt es letztlich nur zwei Möglichkeiten. 

Die eine entspräche dem real-existierenden Verhalten der gesamteuropäischen Bevölkerungsmehrheiten: Noch genauer an den Selbstlauf des Weltmarkts und der diesen dirigierenden Konzerne sich anpassen, durch Bausparverträge und demonstrativen Konsum kompensieren und dem Ganzen einen postmodernen Überbau überzubraten — und wer dabei das Pech hat, die Reihe der weltweiten Armutsbevölkerung zu verstärken, den beißen halt die Hunde. 

Und die andere kommt an der Wiederauferstehung der Utopie nicht vorbei.

 

Ende

 

Anmerkungen

 

 

www.detopia.de     ^^^^