Zusammenfassung
einer Tagung zur Zukunft (1998)
des Theoriearbeitskreises
Globalisierung, oder mit anderen Worten die weltweit fortwirkende Akkumulation und Konzentration des Kapitals, verbunden mit den zunehmenden Wirkungen der elektronischen Maschinerie, Hegemonie des Finanzkapitals, und weltweit erstrebter Arbeitsteilung, weist einige Chancen und sehr viele Leidenszusammenhänge auf.
Im Kontext real existierender Alternativer Ökonomie neigen die Chancen eher dazu dünn zu bleiben. Zwar hat vor einigen Jahren Dieter Otten ein großzügiges Panorama elektronifizierter Genossenschaften entworfen, das jedoch nicht wirklich wurde. wikipedia Dieter_Otten *1943
Globalisierung brutalisiert die sozialen Verhältnisse; sie ist weder nachhaltig noch geschlechtsneutral. Die Funktion der Frauen als un- und unterbezahlte Arbeiterinnen, als "working poor", ist vorweg eingeplant; der "Kostenfaktor Umwelt" wird als Disziplinierungsinstrument gegen alle Formen ökologischer Politik eingesetzt.
Abgesehen von einigen eher äußerlichen Ähnlichkeiten, Arbeitsformen betreffend (so ist die Arbeit auch in der Alternativen Ökonomie häufig extrem flexibel unterbezahlt, tariflich ungebunden – jedoch zum anderen, gerade dann selbstbestimmt und Arbeitsteilung relativierend), stellt Alternative Ökonomie, idealtypisch, geradezu die bestimmte Negation der Globalisierungstendenzen dar. Zum einen weist sie einen potentiellen Stellenwert hinsichtlich der erforderlichen Remoralisierung (besser: Renormativierung) von Ökonomie auf:
Wie könnte ein Bündel weithin konsensfähiger Normen aussehen, das nachhaltig wirtschaftliches handeln weltweit mit Aussicht auf Verwirklichung ermöglicht?
Weiters bestünden ihre Gegentendenzen in ihrer Kleinteiligkeit, in der Einschränkung von Hierarchien, in der Ablehnung des Profitprinzips, in exemplarischen Nischen (in welchen gezeigt wird, daß auch etwas anderes möglich wäre, als die überkommene Form des Wirtschaftens), in zivilgesellschaftlichen Zusammenschlüssen ohne staatliches Gewaltmonopol, in Gebrauchswertorientierungen. Stichworte hierfür auf der mittleren Ebene wären beispielsweise "fairer Handel", "eigenständige Regionalentwicklung", lokale Ökonomie", "Nicht-Regierungs-Organisationen". Indes nähern sich auch gesamtgesellschaftliche Forderungen mit Entkopplung von Einkommen und Arbeit, an das Paradigma Alternativer Ökonomie an.
Alternative Ökonomie ereignet sich überall dort, wo die globalisiert hegemonial erstrebte Kosten-Nutzen-Rechnung zumindest relativiert, wo nicht negiert wird. dies gilt in gleichem Maße für ihre Begleiterscheinungen: weltweit durchgeplante Hierarchien, Arbeitsteilungen bis zur Bewußtlosigkeit aller Beteiligten – bis hin zum Ausschluß großer Bevölkerungsgruppen von jeder Erwerbstätigkeit überhaupt –, radikale Monopole (im Sinne der Begriffsbestimmung von Ivan Illich) mit ihrer Neigung, Angebote wie Nachfragen, die ihnen nicht mehr entsprechen, bereits im Vorfeld auszuschalten.
Demgemäß kann Alternative Ökonomie keine statistische Größe darstellen – bei Lichte betrachtet konnte sie es noch nie. Sie reicht von der bewußt kleinformatig gehaltenen Selbsthilfegruppe bis hin zum Genossenschaftskonzern (etwa vom Typus Mondragon), von einer Kulturinitiative, die sich kaum noch von einem Freundeskreis unterscheidet, bis hin zu penibel institutionalisierten Stiftungen.
Diese Dynamik und Flexibilisierung (die freilich auch eine Folge jener Flexibilisierung darstellt, welche durch die globalen Tendenzen forciert wird – und dies, um hierin irgendwie zu überleben) drückt sich auch in jenen begrifflichen Annäherungen aus, die die theoretischen Diskussionen des vergangenen Jahrzehnts weithin beeinflußt hatten. Wo Wirtschaften, wenigstens dem hegemonialen Anspruch nach, global wird, beginnen die Differenzen zwischen Einheiten herkömmlicher Alternative Ökonomie einerseits, jenen der herkömmlichen Klein-, teils auch der Mittelbetriebe andererseits, zu verschwimmen.
Dies hat mit der niederländischen MEMO und mit Verbänden vom Typus der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft begonnen, auch mit der Feststellung schon 1986, viele Differenzen seien zwischen dem Verband des linken Buchhandels und den AK kleiner Sortimenter nicht mehr auszumachen. Es hat sich mit „Unternehmensgrün" fortgesetzt. Zum anderen bringt die Rede von der "Sozialen Ökonomie" (der "Economie Sociale") den Umstand auf den Begriff, daß Alternative Ökonomie dem angenähert wird, was von der herkömmlichen Gemeinwirtschaft und Sozialwirtschaft übriggeblieben ist.
Diese notwendige Vielfalt und Dynamisierung hat alternativer Ökonomie nicht nur gut angeschlagen. Allein die Übersicht zu behalten, ist Sache weniger Experten und Expertinnen geworden (von welchen einige im TAK AÖ versammelt sind). Das wenigstens abstrakte Interesse aneinander ist einer weitgehenden Gleichgültigkeit gewichen, die, wenn überhaupt, die je eigene Branche, den je eigenen Typus, oft auch dies nur noch auf den je eigenen Standort bezogen, in das Zentrum des Engagements stellt, wo nicht letzteres an die Geschäftsführung delegiert. In den "Bunten Seiten", die es immerhin noch gibt, sind weit über 100 Dachverbände ausgewiesen. Selbst falls der Großteil dieser im "Netz" organisiert sein sollte, dürfte er von den je anderen zumeist allenfalls wissen, daß es sie noch gibt.
An einem Beispiel aus jener Zeit, in der der TAK AÖ vor 20 Jahren gegründet wurde, kann dies dargestellt werden:
Zwischen ca. 1978 und ca. 1984 reüssierte im alternativ-ökonomischen Diskurs eine etwas schematische, aber immerhin wenigstens überlegte, Dreiteilung: in betriebliche, soziale und kulturelle Projekte. Zweck des Diskurses war, gleichzeitig die Unterschiedlichkeit der Bedürfnisse festzuhalten, gleichzeitig deren Auseinanderdividieren zu vermeiden. Das Establishment hingegen setzte auf eben jenes Auseinanderdividieren – selbstredend in jedem Bundesland auf völlig unterschiedliche Weise – und hatte damit Erfolg. Mal wurden die gefördert, mal die anderen, zum Schluß waren alle zusammen totgespart (wenigstens zu erheblichen Teilen):
Die "betrieblichen" Projekte haben sich zunehmend dem Markt angepaßt; statt der ehemaligen "Markenzeichen"-Diskussion ist es ihnen heute zumeist eher peinlich, allzu ostentativ in der Öffentlichkeit als "alternativ", "selbstverwaltet" oder wie auch immer identifiziert zu werden. Immerhin, und dies ist Frank Heiders Studie exemplarisch zu entnehmen, gibt es die Hälfte noch.
Die "sozialen" Projekte lassen sich grob zweiteilen: jene, welchen es gelungen ist, in dauerhafte staatliche Förderung rein zukommen, und jene, bei denen dies nicht der Fall ist. Letztere würgen sich zwischen Mieterhöhungen, Hauptamtlichenabbau und drohendem Konkurs herum.
Dies gilt generell für die "kulturellen" Projekte, die zwischen Markt, Fund-Raising, niedrigen Zuschüssen, gelegentlichen Sponsoren (wenn überhaupt) und Ehrenamtlichkeit herumzupendeln haben.
Globalisierung führt auch zu durchweg unerfreulichen subjektiven Wirkungen. Das Nullsummenspiel von Erfolg oder Verhungern, in einer Ellbogengesellschaft in der jede/r dem/der Anderen auf die Füße tritt, um dann voller körperlichem Schmerz in die Isolation zu gehen, die dieser folgenden Depression, verbunden mit Angst und Mangel.
Wo immer dies ermöglicht oder unterstützt werden kann, sollte diesem ein solidarischer und unelitärer Lebensstil in relativer Harmonie (die freilich die solidarische Austragung von Konflikten nicht ausschalten darf) entgegengesetzt werden, hierarchiefrei und nahe dem Einklang mit der Natur. allen Menschen soll es gut gehen. Dafür ist ein kollektives Selbstwertgefühl ebenso notwendig wie Entwicklung anstelle von nicht enden wollender Beschleunigung. Die Zeitsouveränität, von der Teriet vor 20 Jahren berichtete, reicht nicht mehr aus – erforderlich wäre ein "Zeitwohlstand", der die Hegemonie des "Geldwohlstandes" abzulösen geeignet wäre.
Genossenschaften und (zumindest aus nationalen rechtlichen Gründen) genossenschaftsähnliche Einrichtungen stehen nach wie vor im Zentrum des alternativ-ökonomischen Interesses. Dabei entspricht es der Wahrnehmung der Erfahrungen des vergehenden Jahrhunderts, das Mega-Genossenschaften zumeist untergegangen sind, sofern sie nicht in vielfältiger Weise lokal und regional verankert sind (wie etwa Mondragon), daß hingegen überschaubare Genossenschaften in vielfältiger Weise sich relativ erfolgreich ausdifferenziert haben (Burghard Flieger hat diese als geradezu fortschrittsfähige Organisation" beschrieben).
Intellektuelle "Professionsgenossenschaften", im technischen, ökologischen, auf soziale Dienstleistungen bezogenen Bereich, haben sich qualitativ und quantitativ ausgeweitet. Sozialgenossenschaften, in Italien bereits juristisch mit erheblichen Differenzierungen ausgestattet, haben kraft europäischer Synergie ausbaufähige Bedeutung auch für den zentraleuropäischen Raum erlangt. Inwieweit Mitarbeitendenbetriebe, ehemals osteuropäische Produktivgenossenschaften, Unternehmermodelle in ihrer Bedeutung zunehmen könnten, ist noch nicht abzuschätzen (die Mutmaßungen sind eher skeptisch) Von der Vielzahl der Genossenschaften soll in der Folge auf EVGs und auf Wohnungsbaugenossenschaften focussiert werden.
Um die Vielzahl der Probleme und Chancen der Vielfalt genossenschaftlicher und genossenschaftsähnlicher Institutionen regelmäßig diskutieren zu können, wird die periodische Veranstaltung eines Genossenschaftstages vorgeschlagen. Auch diente ein solcher dem Austausch mit genossenschaftlichen Traditionen aus den neuen Bundesländern und den Anregungen für neue Unternehmen, die für sich geeignete Formen suchen. Er sollte sich nicht nur auf einen gegenseitigen Austausch begrenzen, sondern versuchen, den Genossenschaftsgedanken in der Republik weiterzuentwickeln.
Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaften (EVG) sind fast alle aus dem Anspruch des nachhaltigen Wirtschaftens entstanden. Sie sind bestrebt, den kontrolliert ökologischen Landbau in ihrer Region zu stärken, indem sie den Erzeugern vor Ort helfen, ihren Absatz zu sichern. Hierbei lassen sich geschlossene (nur Mitglieder werden beliefert) und offene (jede interessierte Person kann einkaufen) Verbraucherversorgung unterscheiden.
Während der gesamten Geschichte der EVGs bestand das Dilemma, gleichzeitig den Erzeugern einen akzeptablen Preis zu bezahlen, gleichzeitig auch schlechter Verdienenden die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit Waren aus kontrolliert-ökologischem Anbau zu ernähren. Zudem ist der Wettbewerb in ihrem Marktsegment stark gestiegen, dadurch die Situation der EVGs schwieriger geworden (Bioläden, Einzelhandelsketten mit eigenen Biomarken oder Produkten biologischer Markenzeichen, selbst Ab-Hof-Verkauf von EVG-Erzeugern).
Demgegenüber sind Perspektiven darin zu sehen, eigene Produkte unter eigenem Label über Lebensmittelketten zu vertreiben, und darin, zu diversifizieren (Abo-Kisten; Paket "erlebte Ökologie" – Gastronomie/Tagungshaus/Fahrradverleih/Reisen).
Viele EVGs haben den Charakter von Konsumgenossenschaften mit ökologischer Ausrichtung, mit der einschlägigen Gefahr des Untergangs (Ex-DDR: nur noch 18 von ehemals 156 "Konsums"). Auch durch eine gewisse Überalterung der Aktiven gibt es Probleme. Ebenso dadurch, daß zumeist weder für die Erzeugenden noch für die Verbrauchenden besondere Anreize zur Mitgliedschaft bestehen. Perspektiven bestünden in der Einräumung von Anreizen (bis hin zur Aufgabe der Offenheit), wobei eine solche nachträgliche Umstellung problematisch erscheint.
Von den 2050 Wohnungsbaugenossenschaften in Deutschland sind etwa 500 klein (weniger als je 500 Wohnungen – 300 von diesen verfügen über noch weniger). Hier werden Selbstverwaltung und unbezahltes Engagement zur Selbstverständlichkeit, da eine bezahlte Geschäftsführung nicht finanzierbar ist.
Bis 1990 hielten sich Neugründungen wegen des hohen Kapitalbedarfs sehr in Grenzen, erst danach entstanden in der ehemaligen DDR viele neue Genossenschaften (Umwandlung von Genossenschaftseigentum nach bundesdeutschem Genossenschaftsrecht, Umwandlung ehemaliger Werkswohnungen).
Der Tendenz nach ist die Mehrheit der Neugründungen eigentumsorientiert (die Satzung läßt einen privaten Erwerb zu, wenn mehr als 50% der Bewohnenden eines Wohnobjektes dieses befürwortet). Wenn auch die Eigentumsorientierung nicht als genossenschaftswidrig abzulehnen ist, so wird vom Gesamtverband Deutscher Wohnungsunternehmen jenem genossenschaftlichen Wohnungsbau den Vorzug gegeben, der generationenübergreifendes gemeinschaftliches Eigentum schafft. Schwerpunkt ist hierbei der alten- und behindertengerechte Wohnungsbau – dem ökologischen Bauen kann dies hingegen nicht nachgesagt werden (teils auch aus historischen Gründen: über 100 Wohnungsbaugenossenschaften haben bereits ihr 100-jähriges Jubiläum gefeiert). Die Mieten liegen durchschnittlich sehr günstig.
Für neugegründete Genossenschaften stellt die Aufbringung des Eigenkapitals oft ein kaum lösbares Problem dar. Eine Perspektive hierfür wäre ein genossenschaftlicher Investitions- und Solidarfonds, an dem sich alte und neue Genossenschaften beteiligen, in Kombination mit einer neuen steuerlichen Investitionszulage, welche die stiftungsähnliche Vermögensbindung zum zentralen Ziel hätte, nicht jedoch mit Belegungsvorgaben verbunden wäre.
Die zukünftige Kapitalbeschaffung der Baugenossenschaften sollte verstärkt bündeln: bei Eigenmitteln die Mobilisierung von Geldbeträgen durch die Übernahme von weiteren Geschäftsanteilen und Spareinlagen, sowie von baulichen Selbsthilfeleistungen; bei privatem Kapital jene von Nicht-Mitgliedern zu angemessener Rendite; bei staatlicher Förderung die Anschubfinanzierung der genossenschaftlichen Selbsthilfe. Damit ist die einzelne Genossenschaft überfordert.
Daher der Investitions- und Solidarfonds als Sekundärgenossenschaft, wie dies in der Schweiz, in Schweden und Norwegen der Fall ist. In Deutschland sollten die regionalen Prüfungsverbände zusammen mit den Genossenschaften selbst und evtl. den Wohnungsbaukreditanstalten der Länder regionale genossenschaftliche Investitions- und Solidarfonds gründen. Dabei sollte der Fonds als zentrale Spareinrichtung, Stelle der Kapitalmobilisierung (Emission von Anleihen), Ort eigener Mittelanlage und des Einsatzes steuerlicher Investitionszulage als atypische stille Beteiligung dienen. Nur Genossenschaften auf der Grundlage dauerhaften gemeinschaftlichen Eigentums sollten in den Genuß der Förderung, der "neuen Baugenossenschaftszulage", kommen.
Die Verzinsung der steuerlichen Investitionszulage soll erst nach 15 Jahren erfolgen, und zwar in einer Höhe, die sicherstellt, daß die Nutzungsgebühren die ortsübliche Vergleichsmiete um mindestens 10% unterschreiten. Voraussetzung für die steuerliche Investitionszulage und Fondsbeteiligung ist die Bereitstellung von mindestens 10% Eigenkapital durch die Genossenschaftsmitglieder.
Die Forderung an die Politik besteht hierbei, genossenschaftliches und individuelles Eigentum gleichzustellen, von der ideologischen Bevorzugung des Einzeleigentums als "besseres" Eigentum abzusehen, und den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Eigentumsformen endlich zuzulassen.
Stiftungen erscheinen als eine relativ mächtige gleichwohl minoritäre Form. In Deutschland gibt es 45 Milliarden DM an Stiftungsvermögen, das ist gerade 1 % des privaten Kapitalvermögens. Doch auch in den USA (die Europäischen Ländern oft als ein Beispiel vorgehalten werden) beträgt im Verhältnis zur Bevölkerungszahl das Stiftungsvermögen nur etwa das Doppelte von Deutschland. Viele Stiftungen sind operativ (und nicht – oder nicht in erster Linie – fördernd); nur 20 % vergeben mehr als 1 Million DM im Jahr, 31 % fördern soziale Zwecke, ca. 18 % Bildung, ca. 11,6 % Kunst und Kultur. Die Lage der Stiftungen ( und ihrer Antragstellenden) ist durch immense Antragsflut und viele Irrläufer einerseits, Frustration über standardisierte Ablehnungsschreiben andererseits charakterisiert.
Bei allen Widersprüchlichkeiten werden Stiftungen vermehrt für die Perspektive Alternativer Ökonomie in Frage kommen.
Seitens der Lebensgemeinschaften ist an alternativen Normen aufgezählt worden:
Gleichstellung der Geschlechter und Rassen
Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsprinzips
gemeinsames Eigentum an Grund und Boden und den Produktionsmitteln
Hierarchiefreiheit (niemand hat Sonderrechte)
soziale Absicherung (ökonomische Absicherung und soziale Eingebundenheit)
selbstbestimmtes Arbeiten (kein Chef, sondern Entscheidungen in Absprachen)
auch sind ihre Lebens- und Arbeitsprozesse (gemessen an der gesellschaftlichen Norm) entschleunigt.
teilweise Arbeit auch auf dem genossenschaftlichen Sektor in der 3. Welt.
Ausbildung einer informellen Infrastruktur im Dorf, Einbindung in regionale Wirtschaftsabläufe.
Dennoch: eher eine Theorie mit bislang einigen Jahrzehnten Praxiserfahrung, immer noch ein Experiment; kein Ausweg aus der Globalisierungsfalle.
Durchgehend wurden die Ursachen für Mißerfolge auf der Beziehungsebene gesehen: der Ausstieg von Leuten, die aus Beziehungsgründen nicht bleiben konnten; die Diskrepanz zwischen Ansprüchen und Lebensrealitäten; vielfältige Fluchten von der nächstliegenden Kleinstadt bis in außereuropäische Länder. Persönliche Krisen erscheinen als Systemkrisen. Wurde in früheren Zeiten die Gruppenidentität als wichtiger als die individuelle Identität angenommen, so wird nun davon ausgegangen, daß die Entwicklung individueller Identität die Grundlage für die Weiterentwicklung der Gruppenidentität wird. Das Konsensprinzip, das von der Gleichheit aller ausgeht, begünstigt die Stärksten. Die Verbindung von Konsensentscheidung und Machttabuisierung behindert Gestaltungsmacht und Verantwortungsübernahme in Gemeinschaften. Auch braucht es , um tragfähige Beziehungen aufzubauen, ein Mindestmaß an Bewußtsein über die Bedeutung von Gefühlen bei sich und anderen, wie ein Mindestmaß an Beziehungsfähigkeit.
Zu erwarten ist, daß sich auch Lebensgemeinschaften ausdifferenzieren werden: Von der Vollkommenen bis zu vielfältigen Formen der Hausgemeinschaft und anderer Gemeinschaften.
Globalisierung führt vermittels der abnehmenden Erwerbstätigkeit unweigerlich zu patriarchalischen Reformvorschlägen, welche die Krise der Erwerbsarbeit in den Griff zu bekommen beabsichtigen. diesen liegen im wesentlichen vier ziele zu Grunde: das Arbeitsethos (Leistungswille, Disziplin, Anerkennung von Lohndifferenzen...) aufrechtzuerhalten; Kontrolle und Lenkung des ungenutzten Reservepotentials; Einsparung sozialer Leistungen; Vermeidung der Konkurrenz der Arbeitsplätze zum ersten Arbeitsmarkt.
Diese Reformvorschläge (Rifkin, Beck, Giarini/Liedke) beziehen sich zumeist auf Kombinationen von Erwerbsarbeit im ersten Arbeitsmarkt, auf Arbeitsformen zu außerordentlich geringen Löhnen (bis hin zur Zwangsarbeit), auf unbezahlte Arbeit (teils in Eigenleistung).
Demgegenüber besteht die Perspektive gemeinwesenorientierten Wirtschaftens in der bedürfnisorientierten Leistung von Leben und Arbeiten. Etwa in Mischformen (z.B. Sozialstation, Gemeinschaftsräume, Haus für Eigenarbeit, Seniorennetz, gemeinsame Küche und Waschküche, Garten, Wohnungen, Solarschule), Industriebrachen belebend. Zwischen der Erwerbsneigung der Frauen und der Pflege/Hausarbeitsneigung der Männer soll ebenso ein Gleichgewicht hergestellt werden (und die verschiedenen Arbeitsfelder macht-symmetrisch verteilt), wie eine Gleichbewertung der Arbeit. Andere Varianten wären Dienstleistungsgenossenschaften, die die Vergesellschaftung von Hausarbeit beinhalten: etwa in Kombination von Entwicklungszentren für den Norden, Öko- und Gewerbezentren, Sozialfonds (z.B. aus Überschüssen gewerblicher Projekte) gespeisten Kantinen und Kindergärten, die auch für die Bevölkerung der umliegenden Stadtteile zugänglich sind. Mischformen auch zwischen der idealtypischen Absonderung von Kommuneleben einerseits, gesamtgesellschaftlicher Isolation andererseits.
Auch die Mitarbeitenden der Alternative Ökonomie, ob hauptamtlich, nebenerwerbstätig oder unbezahlt, werden älter. An der Zeit ist es für sie, in Selbstverantwortung sich allmählich Gedanken zu machen, wie sie es für sich vermeiden können, gerade jenem isolierten Altern anheimzufallen, das sie in jüngeren Jahren beredt kritisiert hatten.
Eine Vielzahl von Chancen und Problemen ist hierbei zu bedenken: Reisen, Engagementmöglichkeiten und freie Tätigkeiten (die "jüngeren Alten" betreffend), klimatischen Bedingungen, Verhältnis von Eigenarbeit und Versorgung, Solidaritätsfonds, Zuschußmöglichkeiten, Gesundheit und Sexualität im Alter, schließlich Behinderungen, Pflege, Trauer- und Sterbebegleitung. Sinnvoll wäre hierbei, schon um eine erneute Ghettobildung (diesmal unter "alternativen" Vorzeichen) zu vermeiden, ein Netz von unterschiedlichen Standorten alternativen Altenwohnens.
Der Beginn hierzu könnte bei alternativen Einrichtungen gemacht werden, die bereits bestehen und bei welchen ohnehin bereits oder in den nächsten Jahren ein Umbruch stattfindet: eine Spielart jener "Reprojektierung der Projekte", von welcher Elmar Sing vor einiger Zeit geschrieben hatte – und in der Folge allmählich erweitert.
Auch ein „Dokumentationszentrum für Lebensstile" ist vorgeschlagen worden – eine überfällige Innovation, bei welcher pragmatische Gründe entscheiden sollten, welche Verbindung alternativer Einrichtungen am besten die Trägerschaft übernehmen sollte.
Zu den kulturellen Projekten kann wie folgt die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre bilanziert werden:
Die ökonomische Krise hat sich auf den Kulturbereich ausgewirkt (Mittelknappheit, Haushaltskürzungen, prekäre Arbeitsverhältnisse mit immer neuen Buchstabenkombinationen) Der Anteil des Budgets, der über Markt und privat umverteilten Revenuen erwirtschaftet wird, stieg ständig. Kultur wird den Kosten geopfert.
Selbstverwaltung heißt weithin anderes als vor 20 Jahren (arbeitsteilige Strukturen, Geschäftsführungen, Mitarbeitendenselbstverwaltung, Vollversammlungen wurden zu Leerversammlungen)
Auch der Zielgruppenbezug läßt nach, zumal er durch die zunehmende Marktorientierung noch weiter durchlöchert wird. Der relativen Unabhängigkeit von der öffentlichen Hand entspricht der Umstand, daß die Unfreiheit des Marktes noch schlimmer ist.
Schon in den soziokulturellen Zentren stehen nur 10% der Mitarbeiter in unbefristeten sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Bis zu 70 % werden sie über Drittmittel finanziert, der Trend geht zu Honorarverträgen, Aushilfen, Unbezahlten.
Durch die Unsicherheit der (ohnehin weithin gestückelten) Finanzierungen wird die Planungssicherheit von Kulturarbeit außerordentlich beeinträchtigt.
Zum anderen darf nicht übersehen werden, daß in den vielfältigen Formen alternativer Kulturarbeit viel kreatives und innovatives geleistet worden ist und wird: Verbindungen von Ökologie und Kultur; städtische Feste gegen Kommerzialisierungen; dezentral-basisdemokratisches Theater als Lesetheater; Straßentheater im Stil von Boal.
An Perspektiven wurden erwähnt:
Überprüfung und (eventuelle) Neubestimmung der eigenen Ziele wird notwendig sein.
das neue Verwaltungshandeln (Kontaktmanagement) mag der Freien Szene eine Chance eröffnen – zum anderen besteht die Gefahr, daß die städtischen Zuschußgeber Inhalte bestimmen.
Unbezahlte Arbeit (die stellenweise auch abnimmt) ist gut, wenn sie Leute zum Selbermachen aktiviert – und ist schlecht als Ersatz für Erwerbsarbeit.
Auch wenn für diese jede noch so kleine Kürzung schmerzlich ist, ist davon auszugehen, daß die Mittelstreichungen eher bei großen kulturellen Institutionen stattfinden werden (weil dies mehr bringt) als bei den soziokulturellen Einrichtungen: hier wären, wenn schon, mehr Mittel zu holen. Dies resultiert aus der historisch gewachsenen Ungleichbehandlung: ein Platz in einem großen Theater wird mit 166 DM subventioniert, ein/e Besuchende/r in einem soziokulturellen Zentrum mit 8.31 DM.
eine "Verbetriebswirtschaftlichung" der Freien Szene wird weiterhin bedauerlicherweise zunehmen (Umsätze, Quoten, Auslastungen) zu Lasten der Qualitäten ("irrationale Quantifizierung" für administrative Personen, die die Kultureinrichtungen nie betreten).
Verstärkte Lobbyarbeit wird unumgänglich werden, insbesondere auch auf lokaler Ebene, insbesondere auch seitens der Benutzenden der Kulturarbeit. (In der Diskussion wurde deutlich, wie schwierig dies werden wird).
Weiterbildung ist in eine Krise geraten, welche weithin eine Krise des Marktes ist. Von einigen Angeboten abgesehen, die eine gewisse Zeit gut nachgefragt werden (die dann etwas später ebenfalls abzuebben pflegt), sinkt die Nachfrage (wobei auch die Möglichkeit eines steigenden Angebots nicht ausgeschlossen werden kann, was indes nicht eindeutig beantwortet werden konnte). Fest steht, daß frei ausgeschriebene Seminare immer häufiger wegen zu geringer Teilnehmendenzahlen nicht stattfinden. Zum einen werden oft Angebote über die Finanzierungsmöglichkeiten von Weiterbildungsangeboten beeinflußt, nicht nur über den Bedarf der Zielgruppe. Die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen spielen eine große Rolle (Teilnahmegebühren, Bezuschussung, Fehlbedarfsfinanzierung), wie auch der Geldmangel und Zeitmangel bei vielen kleinen Projekten die von Mittelkürzungen betroffen sind. Zum anderen wird die Vielzahl der Angebote für die Nachfragenden immer unüberschaubarer. Schließlich ist die Entscheidung für die Teilnahme an Seminaren vielschichtig: sie ist von den Inhalten, den Referierenden, Zeit und Preis, sowie von der Erwartung, dort Gleichgesinnte zum Erfahrungsaustausch zu treffen, abhängig.
Auch gibt es Erfahrungen, die große Qualitätsunterschiede zwischen den Anbietenden gibt, wobei der Qualitätsbegriff einigermaßen diffus geblieben ist (Zielgruppen, Inhalte, Methode, Wirkungen, Beitrag zur egalitär-gleichberechtigten Förderung der Personen). Besonders ambivalent ist hierbei die Zertifizierung von Weiterbildungsangeboten: Zum einen schafft sie Transparenz über die Wissensaneignung und verbessert Berufschancen der Teilnehmenden – zum anderen verhindert sie freie Gestaltung von Seminarinhalten, macht unflexibel, fördert weitere Ausdifferenzierung der Konkurrenz.
Als Perspektive wurde die Vernetzung von Weiterbildungsangeboten diskutiert. Vernetzung heißt hier: die Stärke schwacher Verbindungen. Vernetzung ist unter gleichberechtigten Partnern notwendig, auf verschiedenen Ebenen – lokal/regional/national, Termine/Inhalte/Methoden, Zielgruppen. Vernetzung bedeutet auch, gemeinsame Qualitätsstandards zu entwickeln, um mehr Transparenz für die Teilnehmenden zu schaffen, die Angebote gemeinsam zu vermarkten, mit Konkurrenz umgehen zu lernen. Dies heißt auch: in der Vernetzung benötigt jeder Knoten Stärken, die der auch weitergeben kann (die Vernetzung der Schwächen und Schwachen ist zwar notwendig – vor allem, wenn sie mit Enpowerment verbunden ist – reicht aber nicht). Es ist anzunehmen, daß Vernetzung Zeit und Nerven kostet, sich aber qualitativ lohnt. Auch über Vernetzung mit Universitätsseminaren um Schlüsselqualifikationen in originäre Ausbildungen hineinzubekommen, wäre nachzudenken.
Grenzen bestehen in der Notwendigkeit der Vereine, Verbände, Träger das "Eigene" darzustellen, Profil zu entwickeln, Eigenwerbung machen, Gelder zu bekommen – und gleichzeitig das "Gemeinsame" der Vernetzung zu entwickeln. In der Vernetzung darf niemand verlieren, sonst kommt sie nicht zustande. Unter kapitalistischen Bedingungen gilt die je eigene Qualifikation als Besitzstand und Existenzgrundlage, führt zu Namens-, Marken-, Lizenzrechten.
Auch wenn dies nicht als Universalmittel für alle Vernetzungsprobleme gelten kann: mit Sicherheit ist davon auszugehen, daß die Bedeutung der elektronischen Datenübertragung im 21. Jahrhundert stark zunehmen wird.
Exemplarisch für diese Tendenz ist "Fishnet" (eine Abkürzung für "Farmers International Self-Help Network"), in welchem Kooperativen aus allen Teilen der Welt – insbesondere Genossenschaften der Dritten Welt, die aktiv an der Lösung ihrer wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme arbeiten – zusammenarbeiten können. Die Kooperation von genossenschaftlich Tätigen der 3. Welt (Verbände, Firmen, Vereine, Einzelpersonen) soll hierbei besonders gefördert werden.
Zu denken ist auch etwa an das Informationssystem "ARIES", in welchen europaweit Informationen zur Sozialwirtschaft (Gesetzgebung, Projekte, Projektergebnisse, Fördermittel, aktuelle Diskussionen, politische Aktivitäten) gesammelt werden. Teilnehmende sind hierbei u.a. Vereine, Genossenschaften und Wohlfahrtsverbände.
Der Begriff des Kollektivs hat seinen Sinn, und zwar dort, wo er in der Tat eine Gruppe von Personen eine wie immer geartete Problemlösung gemeinsam erarbeitet und entscheidet. Darüber hinaus, zumal in stark dezentrierten, großräumige verstreuten, immer wieder unterschiedlich vernetzten Zusammenhängen ziehen wir auf dem Felde der Alternativen Ökonomie den Begriff der Assoziation vor. Die Rede war etwa von der "Verwirklichung des assoziativen Tanzes": von Verknüpfungen, die sich geradezu rhythmisch, zusammenfinden, sich lösen, wieder zusammenfinden, immer wieder unterschiedliche Schnittmengen bilden. Schon gar gälte dies für internationale Assoziationen: weltweite Genossenschaftszentren, reisende Akademien, internationale Projektzentren mit möglichst frei fluktuierendem gemeinsamen Leben und Arbeiten.
Pragmatisch gedacht, gälte dies etwa für folgende Assoziationen:
eine Akademie für Alternative Ökonomie, die ihre Arbeit mit einem konkreten (Lehr-)Buch beginnt, bei welchem in assoziativer Arbeit möglichst viele Akteure und Akteurinnen der ersteren eingebunden sind;
die Entwicklung von weiteren Finanzierungsinstrumenten, an welcher Experten und Expertinnen aus vielen verschiedenen Feldern beteiligt werden;
die Herausarbeitung einer Öffentlichkeitsarbeit, die den Namen verdient.
Vorliegendes Summing-Up verzichtet, wiewohl auf der letzten großen Tagung des TAK AÖ vor der Jahrtausendwende vorgestellt, auf ein emphatisches Schlußpanorama. Was auch immer bei vergleichbaren Anlässen als Verbesserungsmöglichkeit vorgeschlagen worden ist – etwa die "Vernetzung" seit 1978, die "Alternativenversammlung" 1993 –, war nicht von Erfolg gekrönt.
Selbstredend haben alle normativen Anforderungen der vergangenen beiden Jahrzehnte auch ihre Bedeutung für das dritte Jahrtausend behalten: insbesondere jene nach umfassender Solidarität. Doch der Ruf nach Solidarität, gar nach einer globalen, nützt gar nichts, wenn er nicht von konkreten Menschen in ebenso konkreten Netzwerken umgesetzt wird (und davon ist weit und breit nichts zu sehen).
Wir können nur daran arbeiten, daß sich dieses ändert.
Rolf Schwendter 1998