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Beilage der <Zukunft>, Nr. 3/1940

Drei Fragen - drei Antworten

 

Auf unsere bisherigen Artikel sind uns Briefe zugegangen mit Vorwürfen, Fragen und Zustimmungen. Zustimmungen haben mir wiederholt veröffentlicht, heute wollen wir einige Vorwürfe und Fragen behandeln, die uns erreichten. Wir hoffen, daß die allgemeinen Umstände es uns erlauben, bald auf einige andere Vorwürfe einzugehen. Heute beschränken wir uns auf drei Fragen, die zugleich auch Vorwürfe sind, und auf die wir, soweit es die besonderen Verhältnisse ermöglichen, eingehen wollen.

 

167-178

1

»Warum habt Ihr so lange zu der Sowjetunion Stalins gestanden, obwohl dort Ungeheuerliches und Unerträgliches schon vor dem Hitler-Stalin-Pakt im Namen des Sozialismus geschehen ist? Und wenn Ihr Euch so sehr habt irren können, dann müßtet Ihr das erstens gestehen und zweitens Euch fragen, ob Ihr Euch nicht auch weiter irrt.«

Der Schreiber dieses Artikels gehört zu den Leuten, die, aufs tiefste von den Vorgängen betroffen, die sich seit dem Aufstieg Stalins in der Sowjetunion gehäuft haben, dennoch von jeder öffentlichen Kritik an der Sowjetunion Abstand genommen haben, die bis zum letzten möglichen Augenblick darauf gehofft haben, es würde durch eine deutsche Revolution möglich sein, die aufs schwerste bedrohte, in vielen wichtigen Hinsichten allzu offenbar verderbte Revolution in Rußland zu retten.

Wir gehörten nicht zu jenen, die in den berüchtigten Prozessen, in der Einführung des Abtreibungs­para­graphen, in der kulturellen Reaktion und dergleichen einen Fortschritt des Sozialismus gesehen haben. Wir haben auch niemals versucht, dies als Sozialismus zu propagieren oder zu verteidigen.

Der Bruch einiger unserer besten Freunde mit Moskau erfolgte gerade deshalb, weil sie sich weigerten, diese Entartungen und Verbrechen zu verteidigen. Doch haben wir niemals aus dem Auge verloren, daß die Hauptschuld daran, daß die Sowjetunion wurde, was sie nie hätte werden dürfen: ein totalitärer Staat mit einem volksfeindlichen Regime —, daß die Schuld daran nicht zuletzt die europäische Arbeiterbewegung selbst traf, die die Oktoberrevolution im Stich gelassen hat.

Hatte es die Geschichte so gewollt, daß in dem zurückgebliebensten Land Europas die proletarische Revolution zuerst siegte, so war es klar — Lenin machte sich darüber keine Illusionen —, daß diese Revolution überaus gefährdet sein würde, wenn ihr nicht entsprechende Umwälzungen in den fortgeschrittenen Ländern sehr bald zu Hilfe kämen.

Aber die Sowjetunion ist allein gelassen worden, die russische Arbeiterklasse sah sich einer Aufgabe gegenübergestellt, die vielleicht so ideal, wie wir es gewollt hätten, gar nicht lösbar war. Anstelle der Lenin-Epigonen und der elendigen und allzu willigen Propagandisten der Sowjetunion hätten wir lieber Menschen gesehen, die den Mut gehabt hätten, zuzugestehen, daß das, was dort geschah, vielleicht die einzige Möglichkeit, aber eben nicht Sozialismus war und vielleicht auch gar nicht sein konnte.

168


Als die Prozesse und die Schändung all dessen, was einem Kommunisten und Sozialisten lieb und wert war, begannen, begann für uns ein Leiden, für das es schwerlich einen gemäßen Ausdruck geben kann. Das war ein Prozeß der steten und immer gesteigerten Vergiftung unserer Gedanken und Gefühle. Und doch haben wir weiter geschwiegen. Dies kann man uns vorwerfen. Und doch bekennen wir uns zu dem Irrtum, den wir begangen haben. Wir haben ihn aus den gleichen Gründen und aus der gleichen Stellung zu dem Interesse der Gesamtbewegung begangen, die auch heute in allen Fragen bestimmend sind.

Nach neunzig Jahren marxistischer Arbeiterbewegung war die einzige Realität eben doch dieser letzte Rest der Oktoberrevolution, und man hatte sich sehr wohl zu fragen, ob man auch auf ihn verzichtete. Wir sahen, daß immerhin sehr viele arbeitende Menschen im Gedanken, daß es diese Sowjetunion gab, Mut fanden, Trost nach den Niederlagen, die einander ununterbrochen gefolgt sind. Es ging sozusagen um das letzte Zeichen, den letzten Rest des einzigen großen Sieges, den die Arbeiterbewegung jemals errungen hat.

Die Feinde der Sowjetunion — gleichviel in welchem Lager sie sich befanden — haben gegen uns recht behalten. Sie wollen unser Zugeständnis, daß wir uns geirrt haben. Ach, wenn sie ahnten, wie wenig es für uns ins Gewicht fällt, unrecht gehabt zu haben, gegenüber der Tatsache, daß wir so viel verloren haben mit der Sowjetunion, daß es fast ist, als wären wir mit ihr tausend Tode gestorben.

Diese Feinde haben es sich immer leichtgemacht. Sie glaubten, solche Stellung, wie wir sie einnahmen, sei in irgendwelchen ökonomischen oder sonstigen Abhängigkeiten begründet. In Wirklichkeit aber gab es bereits seit längerer Zeit, ohne daß dies organisatorisch sichtbar wurde, zwei Gruppen von Kommunisten: die Stalinisten, die zur Sowjetunion standen, weil für sie der Sozialismus aufgehört hatte, anders zu bestehen als eben in und durch die Sowjetunion.

169


Somit wurde für ihr ganzes Verhalten entscheidend, was in der Stalinschen Sowjetunion geschah. Sie prüften nicht: »Ist das, was Stalin tut, kommunistisch oder sozialistisch?«, sondern: »Ist das, was wir tun, in Übereinstimmung mit Stalin. Wenn ja, dann sind wir Kommunisten« usw.

Die zweite Gruppe blieb weiterhin und in allen wichtigen Punkten und vor allem Sozialisten in des Wortes bester Bedeutung. Sie standen zur Sowjetunion, weil sie trotz allem Verderb noch immer das einzige Siegeszeichen der sozialistischen Arbeiterbewegung war. Sie überprüften und erkannten, wie stark und fortgesetzt diese vom Kommunismus abwich, und zögerten dennoch, die endgültige Trennung zwischen Sowjetunion und Sozialismus und damit ihre Trennung von den Verderbern der Oktoberrevolution zu proklamieren.

Wir gehörten zur zweiten Gruppe. Wir zogen uns zurück, als die Vorgänge in der Sowjetunion unserem Gewissen unerträglich wurden. Und schwiegen dennoch weiter. Und gingen nicht weg, solange das letzte Fünkchen Hoffnung noch nicht absoluter Widersinn geworden war. Wir gingen, als das stalinistische Rußland sich eines Tages im Feindeslager befand. Wir sind geblieben, was wir gewesen sind, internationale Sozialisten.

Nicht zum ersten Mal geschieht es, daß eine ganze Truppe mit Troß und Wagen und mit entrollter Fahne zum Feinde übergeht und jene Verräter schimpft, die nicht übergehen, die treu bleiben. Als wir zur Sowjetunion standen, hat uns an ihr nicht angezogen, daß sie eine Häufung von Staatsmacht war. Manche von uns hatten sich zu ihren Prinzipien bekannt, bevor die Träger ihrer ersten Zeit auch nur ahnen konnten, daß sie Regierung werden würden.

170


Da wir allein geblieben sind, fühlen wir uns nicht geschwächt, weil nun diese Macht auf der anderen Seite ist. Wir haben keinerlei Macht, keine Staatsapparate stehen uns zur Verfügung, und wir haben nicht einmal eine Fahne zu entrollen, scheint es, denn die unsere ist geschändet worden, und doch haben wir weiterhin die Überzeugung, die Prinzipien, die uns bisher bestimmt haben, die nicht an unserer Niederlage schuld sind — vielmehr sind wir an ihrer Niederlage schuld —, und diese Prinzipien werden wir, wenn wir überleben, zum Siege zu führen suchen.

Ihr werft uns vor, daß wir uns geirrt haben. Wir bestreiten es nicht. Doch war der Irrtum unvermeidlich. Wir hatten auch zu den verderbten Erben der Oktoberrevolution zu stehen, solange die geringste Aussicht auf ein Bündnis mit ihnen im Interesse der gesamten Arbeiterbewegung bestand. Wir waren die ersten, die den offenen Bruch herbeiführten und den schärfsten Kampf gegen den Stalinismus in Deutschland und im Ausland aufnahmen, als durch den Hitler-Stalin-Pakt jede Hoffnung auf ein Zusammengehen vernichtet wurde und Stalin die Front unseres Todfeindes verstärkte.

Niemand brauchte uns zweifeln zu lehren, doch ging es darum, wie es auch heute darum geht, sich nicht von negativistischen Zweifeln betören zu lassen, sondern den schöpferischen Zweifel zu verbreiten und wirken zu lassen.

Man könnte sagen: Ihr habt Euch aber doch sehr geirrt, daß Ihr nicht den Mut aufbringen solltet, weiter öffentlich Meinungen zu äußern. Wir könnten antworten, andere, die sich anmaßen, in der neuen Bewegung allein die Führung zu beanspruchen, haben sich noch gründlicher geirrt, und die Folgen ihres Irrtums sind für die Bewegung viel verhängnisvoller geworden, als unser Irren es je hätte sein können. Aber wir antworten: Vielleicht habt Ihr recht.

171


Wir drängen uns nicht vor. Mögen andere, was wir zu vertreten haben, besser vertreten — und wir werden uns zurückstellen. Aber solange das nicht geschieht, solange andere abwarten, zaudern, zögern, schweigen, sich verstecken und totstellen, werden wir bis zur Erschöpfung unserer Kraft werben, wirken und kämpfen, um unseren Anteil an dem internationalen Ringen beizutragen und zu erfüllen. Wir haben nicht um Positionen zu kämpfen und wir kämpfen nicht um sie. Wir versuchen, so gut wir es können, ein wenig besser zu machen, was wir — und weiß Gott, nicht nur wir allein — so schlecht gemacht haben, daß nicht vermieden wurde, was jetzt gekommen ist.

Wir sind ehrlich genug, die Schlußfolgerungen aus unseren früheren Fehlern zu ziehen. Es stände wahrlich besser um die deutsche Arbeiterbewegung, wenn von allen anderen und aus allen Gruppen, die sich geirrt haben, das Gleiche zu verzeichnen wäre. Und gerade weil wir unsere Fehler offen eingestehen und versuchen, sie durch eine bessere Arbeit wettzumachen, nehmen wir für uns das Recht in Anspruch, auch die Irrtümer und Fehler anderer zu kritisieren, besonders jener, die in diesen Fehlern verharren und versuchen, sie uns als die einzig richtige und wahre Taktik auch für die zukünftigen Kämpfe anzupreisen.

 

2

Wie ist Eure Stellung zum Krieg? Wie ist dieser Krieg zu bezeichnen ?

 

Willi Münzenberg hat alles Wichtige zu dieser Frage in seinen sehr klaren Ausführungen in mehreren Artikeln, in seinem <Brief an den Schuhfabrikarbeiter X> und im <Ersten Arbeiterbrief> gesagt.

172/173

Zum Unterschied von jenen Stalinisten, die noch bis Anfang September 1939 geradezu kriegswütig waren, haben wir immer im Auge behalten, daß der Krieg für das Volk, abgesehen von allen guten oder schlechten Zielsetzungen, vor allem eines gewiß ist: ein großes Grauen, eine furchtbare Tragödie.

Auch wir haben uns um »revolutionäre Härte« bemüht, sie gelang uns nie so gut wie jenen. Wir haben zu häufig daran gedacht, wieviel das Leben eines einzelnen Menschen bedeutet, und wir hätten jene fast beneiden mögen, denen die Härte so gut gelang — gegen die anderen. Darum haben wir die Kriegs­schuldigen so häufig angeklagt, darum haben wir die Pseudorevolutionäre Talmudistik zur Begründung des »genialen« Stalinschen Streichs, der den Krieg ausgelöst hat, mit einer Empörung zurückgewiesen, deren Ausdruck als Schwäche erscheint, je mehr wir an die Unermeßlichkeit des herauf­beschworenen Leides denken.

Das darf in Frankreich ausgesprochen werden, in einem Lande, dessen Volk so viele und so große Opfer für den Frieden gebracht hat, in dem Lande, dessen Arbeiter solch große Hoffnungen auf die Rettung des Friedens mit Hilfe Stalins gesetzt hatten.

Wir haben also auf die Frage geantwortet: Was ist der Krieg?

Nun sucht Ihr noch Bezeichnungen für ihn, und die altgewohnten schönen Wörtchen schweben Euch vor: imperialistischer Krieg, nationaler Krieg und dergleichen mehr. Aber keine dieser Bezeichnungen ist die Tinte wert, sie niederzuschreiben. Es ist alles viel komplizierter und schwieriger. Diesen Krieg wird man bezeichnen müssen nach dem Frieden, der ihm folgen wird, und er wird wert gewesen sein, was dieser Friede wert sein wird. Wir stehen erst am Anfang des Krieges, und niemand weiß, welche Ströme sich noch in dieses Meer ergießen, bevor der letzte Schuß abgefeuert wurde.

173


Eins wissen wir, Europa wird nach diesem Krieg anders aussehen als 1939, und wir setzen unser Leben ein, daß Deutschland anders aussehen wird, als wir es 1933 verlassen haben und wie es Hitler oder Stalin zu gestalten dachten. Aber niemand weiß, welche Änderungen die am Kriege beteiligten Staaten, besonders Deutschland und Rußland, durchmachen werden, bevor der Krieg zu Ende ist, und welche Änderung des Charakters dieser Krieg allein dadurch erfahren wird. Was der Frieden wert sein wird, das hängt davon ab, ob das Volk, ob nicht zuletzt die Arbeiterbewegung endlich Klarheit und Kraft gewonnen haben wird in bezug auf die Friedensziele, die sie im Interesse der ganzen Völker zu vertreten und durchzusetzen haben wird. Der Frieden, den wir meinen, der wird nicht geschenkt werden, den wird man erobern müssen. Wer? Du, ich, er — wir alle, die zu leiden haben und diesem Leiden nur einen Sinn geben können, wenn wir es sinnvoll beenden.

Dieser Krieg, da er nun unvermeidlich geworden ist, ist für die deutsche Arbeiterbewegung eine Vorfeld-Bereinigung, ein Gefecht, dessen siegreiche Beendigung erst ermöglicht, die Kampfposition in Deutschland selbst einzunehmen. Diese Feststellung ist von entscheidender Bedeutung und muß die Taktik und Strategie der neuen Bewegung und jede Form des Kampfes auf das Bestimmende beeinflussen. Wer von ihr mehr erwartet, irrt sich. Wer meint, daß er weniger erbringen wird, könnte recht behalten. Man fahre nur mit der idiotischen proklamatorischen Politik fort und man wird die möglichen Siege in Niederlagen verwandeln, wie es schon immer bisher unter der »genialen« Führung Stalins für die gesamte Arbeiterbewegung der Fall gewesen ist.

Wir können uns keinerlei Illusionen mehr leisten, alles Schwere steht uns noch bevor. Es geht darum, genau zu wissen, was man will, und dafür zu erstarken.

174/175

Ihr fragt, in wen Ihr noch Vertrauen setzen könnt? In niemanden außer in Euch selbst, wenn Ihr Euch endlich von Phrasen befreit habt, und die Wirklichkeit nicht durch Agitationsbroschüren hindurch seht, sondern so, wie sie wirklich ist. Wir haben hinter uns die schwersten Niederlagen, die überhaupt ausdenkbar sind. Wir haben vor uns die Gefahren neuer Niederlagen und eine begrenzte Möglichkeit, erst einmal aus dem tiefsten Tief ein wenig wieder hervorzusteigen und den Streifen Raum zu gewinnen, den wir brauchen, um uns neu zu formen und um kämpfen zu können.
     Wir hier bemühen uns erst einmal um einen kleinen Schritt vorwärts.

 

3

 

»Ihr kritisiert beide Arbeiterparteien. Was setzt Ihr an deren Stelle, und wo ist die Gewähr, daß eine neue Partei nicht ebenso verkommt wie die bisherigen Parteien?«

Beginnen wir zuerst damit zu erkennen, daß die Partei weder eine Kirche noch ein Selbstzweck sein kann noch sein darf, ohne daß wir mit dieser Feststellung die Bedeutung der Partei für den sozialistischen Befreiungskampf herabmindern oder gar leugnen wollen. Beginnen wir aber ferner damit, von vornherein die Gefahr der Bürokratisierung der Arbeiterpartei zu bekämpfen, werden wir auch nachdenklich darüber, ob nicht die vom Bürgertum übernommene Organisationsform, die die Partei eben ist, nicht schon wesensmäßig zu den revolutionären Notwendigkeiten der Arbeiterbewegung im Widerspruch steht, und wie weit die Entartungserscheinungen der russischen Partei in der Struktur und in dem Wesen des leninistischen Organisationsprinzips bedingt waren.

175


Wir haben über vieles nachzudenken, vieles, was uns in dieser Hinsicht heute noch gewiß erscheint, sehr gründlich zu überprüfen. Ihr fragt, welche Gewähr wir dafür hätten, daß eine neue Partei nicht alle Fehler und Schweinereien der bisherigen Parteien wiederholt. Wir haben gar nichts und keine Gewähr, keine Gewißheit, man muß eben dafür sorgen, daß sie sich nicht wiederholen, und muß aus der Vergangenheit lernen. Und dieses Lernen ist auch noch im allerersten Anfangsstadium, wir beginnen ganz klein und mit gutem Grund sehr bescheiden.

Jedenfalls könnte man schon heute einige Grundsätze, die wir beachten müßten, zur Diskussion stellen,, etwa:

1. Alle Parteiinstanzen müßten von unten, von der Basis her gewählt und so oft als möglich erneuert werden.

2. Die gewählten oberen Instanzen dürften kein Vorschlagsrecht für Kandidaturen bei Neuwahlen haben.

3. wäre auch zu erwägen, daß niemand länger als höchstens zwei Jahre hintereinander in die politisch bestimmende Zentralleitung gewählt werden dürfte.

4. müßte bestimmt werden, daß jede untere Gruppe das Recht der Kontrolle über die gewählten Funktionäre inkl. Vorschlag auf Absetzung und dergleichen hätte.

5. Jeder politischen Opposition müßte das Recht garantiert werden, ihre Meinung in der Partei vertreten und in den offiziellen Parteizeitungen zum Ausdruck bringen zu können, sich als Gruppe oder Fraktion zu organisieren und, ähnlich wie in der Sozialistischen Partei Frankreichs, gemäß ihrer organisatorischen Stärke auf allen Konferenzen und Parteitagen durch Delegierte vertreten zu sein.

176


6. Sicherung des Rechtes bei Meinungsverschiedenheiten auf sachliche Opposition innerhalb der neuen Partei.

7. Kein Mitglied dürfte gemaßregelt oder ausgeschlossen werden, das nicht die Möglichkeit hätte, alle Beschuldigungen und die Ankläger kennenzulernen und sich in aller Öffentlichkeit vor seiner Gruppe, wenn notwendig vor höheren Instanzen und schließlich vor einem Kongreß verantworten zu können.

8. Sicherung vor Vergiftung des innerparteilichen Kampfes durch Verleumdungen, persönliche Verdächtigungen und dergleichen mehr, als Mittel der oberen Leitung gegen oppositionelle Gruppen und Einzelpersonen.

9. Schließlich Verminderung des bezahlten Funktionärkörpers auf das allernotwendigste Minimum und Entlohnung dieser Funktionäre auf einem niedrigen Niveau, etwa dem Lohn eines qualifizierten Durchschnittsarbeiters.

 

Das scheint wenig zu sein, aber es ist viel, wenn man bedenkt, daß gegenwärtig die innere Parteidiskussion bei den Kommunisten mit »abhängen«, »ausschließen« oder gar Mord durchgeführt wird. Ausschlüsse und Morde allein auf Grund geheimer und anonymer Beschuldigungen wurden in der deutschen Partei in den letzten Jahren zu Hunderten durchgeführt.

Es muß zu einer mühevollen Aufgabe werden, Parteifunktionär zu sein, es müssen Mittel gefunden werden, um die Wahl von Parteifunktionären nicht nur von entsprechenden geistigen Fähigkeiten, sondern auch vom Charakter abhängig zu machen.

Machen wir uns nichts vor: die letzten zwei Jahrzehnte der Arbeiterbewegung haben überall Typen hochgebracht, deren ganzes Wesen den Bürokratismus unvermeidlich gemacht hätte, auch wenn nicht noch ganz ändere Umstände dahin gewirkt hätten. 

Suchen wir den guten Typ des Vertrauensmanns und jagen wir weit von uns den Beamten, der so leicht mit »revolutionärer Härte« Kommandant eines Hinrichtungskommandos werden kann.

Wir haben ein großes Zutrauen zur menschlichen Substanz der Arbeiterklasse. Die Reformisten sowohl wie die Stalinisten haben diese Substanz unterdrückt und entwertet. Entdecken wir sie und geben wir ihr die Wirksamkeit, die sie verdient.

Doch sehen wir noch nicht die neue Partei. Wir haben uns unbeschreiblich gespalten, auseinandergeredet, auseinandergeschwätzt. Es gibt jedoch Menschen, Kämpfer, Gruppen, die sich miteinander sehr gut verständigen könnten, jedenfalls, was die allgemeine Linie und ein Sofortprogramm betrifft. Zum Teufel mit denen, die jede Einigung verhindern, mit diesen kleinen Spekulanten auf Monopolpositionen!

Seien wir einig, einig, einig!

178

 

Ende

 

 

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