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Assoziation und Wirtschaftsleben

Schriftenreihe "Goldgruben", Stellen aus dem Gesamtwerk Rudolf Steiners, 4. Band 

 Aus  www.dreigliederung.de    

 

Rudolf Steiner

Was ist eine Assoziation?

GA 23, S.13-17, 6/1980, 04.1919

 

Wie sich für das Geistesleben aus den Erfahrungen der Gegenwart die freie Selbstverwaltung als soziale Forderung ergibt, so für das Wirtschafts­leben die assoziative Arbeit. 

Die Wirtschaft setzt sich im neueren Menschenleben zusammen aus Warenproduktion, Warenzirkulation und Warenkonsum. Durch sie werden die menschlichen Bedürfnisse befriedigt; innerhalb ihrer stehen die Menschen mit ihrer Tätigkeit. Jeder hat innerhalb ihrer seine Teilinteressen; jeder muß mit dem ihm möglichen Anteil von Tätigkeit in sie eingreifen. Was einer wirklich braucht, kann nur er wissen und empfinden; was er leisten soll, will er aus seiner Einsicht in die Lebensverhältnisse des Ganzen beurteilen. Es ist nicht immer so gewesen, und ist heute noch nicht überall so auf der Erde; innerhalb des gegenwärtig zivilisierten Teiles der Erdbevölkerung ist es im wesentlichen so.

Die Wirtschaftskreise haben sich im Laufe der Menschheitsentwickelung erweitert. Aus der geschlossenen Hauswirtschaft hat sich die Stadtwirtschaft, aus dieser die Staatswirtschaft entwickelt. Heute steht man vor der Weltwirtschaft. Es bleibt zwar von dem alten noch ein erheblicher Teil im Neuen bestehen; es lebte in dem alten andeutungsweise schon vieles von dem Neuen. Aber die Schicksale der Menschheit sind davon abhängig, daß die obige Entwickelungsreihe innerhalb gewisser Lebensverhältnisse vorherrschend wirksam geworden ist.

 

Es ist ein Ungedanke, die Wirtschaftskräfte in einer abstrakten Weltgemeinschaft organisieren zu wollen. Die Einzelwirtschaften sind im Laufe der Entwickelung in die Staatswirtschaften in weitem Umfange eingelaufen. Doch die Staatsgemeinschaften sind aus anderen als bloß wirtschaftlichen Kräften entsprungen. Daß man sie zu Wirtschaftsgemeinschaften umwandeln wollte, bewirkte das soziale Chaos der neuesten Zeit. 

Das Wirtschaftsleben strebt darnach, sich aus seinen eigenen Kräften heraus unabhängig von Staatseinrichtungen, aber auch von staatlicher Denkweise zu gestalten. Es wird dies nur können, wenn sich, nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten, Assoziationen bilden, die aus Kreisen von Konsumenten, von Handeltreibenden und Produzenten sich zusammenschließen. Durch die Verhältnisse des Lebens wird der Umfang solcher Assoziationen sich von selbst regeln. Zu kleine Assoziationen würden zu kostspielig, zu große wirtschaftlich zu unübersichtlich arbeiten. Jede Assoziation wird zu der andern aus den Lebensbedürfnissen heraus den Weg zum geregelten Verkehr finden. Man braucht nicht besorgt zu sein, daß derjenige, der sein Leben in reger Ortsveränderung zuzubringen hat, durch solche Assoziationen eingeengt sein werde. Er wird den Übergang von der einen in die andere leicht finden, wenn nicht staatliche Organisation, sondern wirtschaftliche Interessen den Übergang bewirken werden. Es sind Einrichtungen innerhalb eines solchen assoziativen Wesens denkbar, die mit der Leichtigkeit des Geldverkehrs wirken.

 

Innerhalb einer Assoziation kann aus Fachkenntnis und Sachlichkeit eine weitgehende Harmonie der Interessen herrschen. Nicht Gesetze regeln die Erzeugung, die Zirkulation und den Verbrauch der Güter, sondern die Menschen aus ihrer unmittelbaren Einsicht und ihrem Interesse heraus. Durch ihr Drinnenstehen im assoziativen Leben können die Menschen diese notwendige Einsicht haben; dadurch, daß Interesse mit Interesse sich vertragsmäßig ausgleichen muß, werden die Güter in ihren entsprechenden Werten zirkulieren. Ein solches Zusammenschließen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist etwas anderes als zum Beispiele das in den modernen Gewerkschaften. 

Diese wirken sich im wirtschaftlichen Leben aus; aber sie kommen nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zustande. Sie sind den Grundsätzen nachgebildet, die sich in der neueren Zeit aus der Handhabung der staatlichen, der politischen Gesichtspunkte heraus gestaltet haben. Man parlamentarisiert in ihnen; man kommt nicht nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten überein, was der eine dem andern zu leisten hat. In den Assoziationen werden nicht "Lohnarbeiter" sitzen, die durch ihre Macht von einem Arbeit-Unternehmer möglichst hohen Lohn fordern, sondern es werden Handarbeiter mit den geistigen Leitern der Produktion und mit den konsumierenden Interessenten des Produzierten zusammenwirken, um durch Preisregulierungen Leistungen entsprechend den Gegenleistungen zu gestalten. Das kann nicht durch Parlamentieren in Versammlungen geschehen. 

Vor solchen müßte man besorgt sein. Denn, wer sollte arbeiten, wenn unzählige Menschen ihre Zeit mit Verhandlungen über die Arbeit verbringen müßten? In Abmachungen von Mensch zu Mensch, von Assoziation zu Assoziation vollzieht sich alles neben der Arbeit. Dazu ist nur notwendig, daß der Zusammenschluß den Einsichten der Arbeitenden und den Interessen der Konsumierenden entspricht.

Damit wird nicht eine Utopie gezeichnet. Denn es wird gar nicht gesagt: Dies soll so oder so eingerichtet werden. Es wird nur darauf hingedeutet, wie die Menschen sich selbst die Dinge einrichten werden, wenn sie in Gemeinschaften wirken wollen, die ihren Einsichten und ihren Interessen entsprechen.

 

Daß sie sich zu solchen Gemeinschaften zusammenschließen, dafür sorgt einerseits die menschliche Natur, wenn sie durch staatliche Dazwischen­kunft nicht gehindert wird; denn die Natur erzeugt die Bedürfnisse. Andrerseits kann dafür das freie Geistesleben sorgen, denn dieses bringt die Einsichten zustande, die in der Gemeinschaft wirken sollen. Wer aus der Erfahrung heraus denkt, muß zugeben, daß solche assoziative Gemeinschaften in jedem Augenblick entstehen können, daß sie nichts von Utopie in sich schließen. Ihrer Entstehung steht nichts anderes im Wege, als daß der Mensch der Gegenwart das wirtschaftliche Leben von außen "organisieren" will in dem Sinne, wie für ihn der Gedanke der "Organisation" zu einer Suggestion geworden ist. Diesem Organisieren, das die Menschen zur Produktion von außen zusammenschließen will, steht diejenige wirtschaftliche Organisation, die auf dem freien Assoziieren beruht, als sein Gegenbild gegenüber. Durch das Assoziieren verbindet sich der Mensch mit einem andern; und das Planmäßige des Ganzen entsteht durch die Vernunft des einzelnen. 

Man kann ja sagen: Was nützt es, wenn der Besitzlose mit dem Besitzenden sich assoziiert? Man kann es besser finden, wenn alle Produktion und Konsumtion von außen her "gerecht" geregelt wird. Aber diese organisatorische Regelung unterbindet die freie Schaffenskraft des einzelnen, und sie bringt das Wirtschaftsleben um die Zufuhr dessen, was nur aus dieser freien Schaffenskraft entspringen kann. Und man versuche es nur einmal, trotz aller Vorurteile, sogar mit der Assoziation des heute Besitzlosen mit dem Besitzenden. Greifen nicht andere als wirtschaftliche Kräfte ein, dann wird der Besitzende dem Besitzlosen die Leistung notwendig mit der Gegenleistung ausgleichen müssen. 

Heute spricht man über solche Dinge nicht aus den Lebensinstinkten heraus, die aus der Erfahrung stammen; sondern aus den Stimmungen, die sich nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus Klassen- und anderen Interessen heraus entwickelt haben. Sie konnten sich entwickeln, weil man in der neueren Zeit, in welcher gerade das wirtschaftliche Leben immer komplizierter geworden ist, diesem nicht mit rein wirtschaftlichen Ideen nachkommen konnte. Das unfreie Geistesleben hat dies verhindert. Die wirtschaftenden Menschen stehen in der Lebensroutine drinnen; die in der Wirtschaft wirkenden Gestaltungskräfte sind ihnen nicht durchsichtig. Sie arbeiten ohne Einsicht in das Ganze des Menschenlebens. In den Assoziationen wird der eine durch den andern erfahren, was er notwendig wissen muß. Es wird eine wirtschaftliche Erfahrung über das Mögliche sich bilden, weil die Menschen, von denen jeder auf seinem Teilgebiete Einsicht und Erfahrung hat, zusammen-urteilen werden.

Wie in dem freien Geistesleben nur die Kräfte wirksam sind, die in ihm selbst liegen, so im assoziativ gestalteten Wirtschaftssystem nur die wirtschaftlichen Werte, die sich durch die Assoziationen herausbilden. Was in dem Wirtschaftsleben der einzelne zu tun hat, das ergibt sich ihm aus dem Zusammenleben mit denen, mit denen er wirtschaftlich assoziiert ist. Dadurch wird er genau so viel Einfluß auf die allgemeine Wirtschaft haben, als seiner Leistung entspricht. Wie Nicht-Leistungsfähige sich dem Wirtschaftsleben eingliedern, das wird in dieser Schrift auseinandergesetzt. Den Schwachen gegenüber dem Starken schützen, kann ein Wirtschaftsleben, das nur aus seinen eigenen Kräften heraus gestaltet ist.

 

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