Start     Weiter

3 - Der Mensch und seine Ersatzteile

Taylor-1968

 

  1  Möglichkeiten der Transplantation    2  Woher nehmen und nicht töten?

3 Juristische Probleme    4 Zukunftsvision   5 Künstliche Organe   6 Wer bin ich?     7 Nachtrag

 

57-94

Während seiner Militärzeit beobachtete ein junger Amerikaner, Mister R.H., wie auf einmal seine Füße und Beine anschwollen. Die zuständigen Ärzte entdeckten daraufhin, daß sein Blutdruck ungewöhnlich hoch und auch sein Urin keineswegs normal war; beides hatte man bei der Musterung nicht festgestellt. Es war klar, daß er an chronischem Nierenversagen litt und daß sich sein Zustand rasch verschlechtern würde. 

Er war erst 22. Mit 5 Jahren hatte er Scharlach gehabt. Damals gab es noch kein Penizillin, um diese Streptokokkeninfektion unter Kontrolle zu bekommen. Gerade diese Keime aber waren sehr wahrscheinlich die Ursache für seine akute Nierenerkrankung. In den Jahren 1952 und 1953 wurde er im Bostoner Public-Health-Service-Krankenhaus behandelt, aber es ging ihm zunehmend schlechter. Im Herbst 1954 erwogen seine Ärzte die Übertragung einer gesunden Niere, nachdem sie erfahren hatten, daß R.H. einen Zwillingsbruder hatte. 

Bis dahin waren Organübertragungen zwar schon mehrfach versucht worden, aber sie waren nie erfolgreich verlaufen. Schon 1950 hatten französische Chirurgen die Nieren guillotinierter Verbrecher in urämische (nierenkranke) Patienten überpflanzt. Im folgenden Jahr versuchten sich auch englische und amerikanische Ärzte an dieser Aufgabe; sie verwendeten häufig Nieren mißgebildeter Kinder. Die Operationen verliefen zufrieden­stellend, und die transplantierten Nieren arbeiteten sogar für einige Tage. Aber dann gab es eine »Abstoßungskrise«. Körpereigene Abwehrmechanismen versuchten, die fremde Niere loszuwerden. Es waren die gleichen Mechanismen, die auch sonst den Organismus gegen Eindringlinge schützen und die beispielsweise verhindern, daß Hauttransplantate anwachsen. In den günstigsten Fällen überlebten die Patienten ein paar Monate, aber meistens waren es nur wenige Tage.

Nun wußte man aber, daß Hautstückchen zwischen identischen Zwillingen übertragen werden können. Vielleicht würde auch eine übertragene Niere in einem solchen Fall überleben. Zunächst mußte man sicher sein, daß R.H.s Bruder tatsächlich ein echter eineiiger Zwilling war. Beide hatten gleiche Muttermale am Ohr und auch die gleiche Blutgruppe; aber die erfolgreiche Übertragung von Haut war dann der endgültige Beweis. Es blieb außerdem zu klären, ob beide Nieren des Bruders gesund waren und ob Gefahr bestand, daß er vielleicht später die gleiche Krankheit bekommen könnte. Auch R. H. selbst mußte noch gründlich untersucht und beobachtet werden.

Jetzt aber standen die Chirurgen und Ärzte vor dem moralischen und ethischen Problem: ist es überhaupt zulässig, einer gesunden Person eine Niere wegzunehmen, um einen anderen Menschen zu retten, der sonst sterben müßte? Der Zwillingsbruder selber war bereit, seinem Bruder auf diese Weise zu helfen, und so entschloß sich das Ärzteteam zur Operation. Zwei Tage vor Weihnachten, am 23. Dezember 1954, wurde die Operation durchgeführt. Dr. J. Hartwell Harrison nahm die linke Niere des Spenders in einem Operationssaal heraus, während im benachbarten OP schon die Blutgefäße der kranken Niere abgetrennt wurden. Anderthalb Stunden lang war die gesunde Niere ohne Blutzufuhr; so lange brauchte man, um die Niere zu übertragen und die Venen und Arterien wieder anzunähen. Kaum war die neue Niere angeschlossen, »konnte man kristallklare, normale Urintropfen aus dem abgeschnittenen Ende des Harnleiters kommen sehen«. Die beiden kranken Nieren wurden nicht entfernt.

Nach der Operation erholte sich R. H. rasch. Sein erweitertes Herz nahm wieder Normalgröße an, seine Kräfte und sein Appetit wuchsen, und sein Urin normalisierte sich. Er war auf dem Weg zur Besserung — nur eines stimmte nicht. Sein Blutdruck fiel nicht so rasch, wie man gehofft hatte. Man vermutete, daß die beiden kranken Nieren daran schuld sein könnten. Sie wurden daher entfernt — mit Erfolg. R. H. wurde aus dem Krankenhaus entlassen, heiratete die Krankenschwester, die ihn gepflegt hatte, und gründete eine Familie.

Diese Operation war ein historisches Ereignis. Zum ersten Male wurde eine wirkliche Hilfe für Nierenkranke sichtbar. Zugegeben, eineiige Zwillinge sind selten (1 auf 270 Geburten); die Zahl der Menschen, denen man sofort helfen könnte, ist danach recht klein. Trotzdem war es ein echter Fortschritt, und bis Herbst 1963 sind auf der ganzen Welt etwa 30 Transplantationen an Zwillingen vorgenommen worden. Nicht alle waren so erfolgreich wie der beschriebene Fall. Man mußte lernen, mit verschiedenen Schwierigkeiten fertig zu werden: einige Leute haben beispielsweise Nieren mit zwei kleinen Arterien statt einer großen.

Aber die entscheidenden Zweifel waren ausgeräumt: die neue Niere wurde nicht das Opfer einer Infektion. Unglücklicherweise stellte es sich jedoch heraus, daß die übertragene Niere dazu neigte, die gleiche Krankheit zu bekommen wie die alte Niere. Auch R. H. starb acht Jahre nach der Operation an Nephritis.

58/59

Diese Operation war aber noch in einem viel weiteren Sinne historisch, denn sie bezeichnete den Beginn eines neuen Zweigs der Chirurgie, der Transplantationschirurgie. Plötzlich tauchte die Möglichkeit auf, nicht nur Nieren zu übertragen, sondern auch Lungen, Herzen, Lebern, Gliedmaßen und welche Organe auch immer. Morgen könnte es schon soweit sein. Organverpflanzungen im großen Stil werden das menschliche Leben ganz wesentlich beeinflussen; darüber hinaus entstehen ernste ethische und technische Probleme aus der Beschaffung der benötigten Organe.

Schon im 16. Jahrhundert träumten die Mediziner von Organübertragungen. Gaspare Tagliacozzi beschrieb seine Bemühungen, Nasen, Ohren und Lippen zu ersetzen, und es gibt noch frühere Beispiele. Aber alle diese Ersatznasen starben schließlich ab und wurden abgestoßen. Der Austausch größerer Organe, wie beispielsweise einer Niere oder einer Lunge, war natürlich zu dieser Zeit technisch noch nicht möglich. Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts perfektionierte Alexis Carrel seine Methoden, Blutgefäße aneinanderzukoppeln, so daß er glauben konnte, daß die dauernde Transplantation von Geweben und Organen möglich sein müßte. Die entscheidende Voraussetzung jedenfalls schien erfüllt: aseptische Methoden waren Allgemeingut der Chirurgie geworden. Carrel mußte aber feststellen, daß seine Austauschorgane abgestoßen wurden, und entmutigt gab er seine Bemühungen auf.

Die Mechanismen, die zur Abstoßung eines neu eingepflanzten Organes führen, erwiesen sich als außerordentlich kompliziert, und man nimmt heute an, daß der Organismus sie eigentlich ursprünglich zu ganz anderen Zwecken entwickelt hat.

Während des embryonalen Wachstums eines höheren Organismus scheinen Zellen verschiedener Typen sich gegenseitig zu erkennen und sich mit ihresgleichen zusammenzulagern, um dadurch Gewebe zu bilden. Dieses Sich-gegenseitig-Erkennen hängt wahrscheinlich von bestimmten Mustern auf den Zelloberflächen ab, vielleicht elektrischen Ladungsmustern, die unsere heutigen Instrumente allerdings noch nicht entdecken, geschweige denn analysieren können. Es ist wahrscheinlich das gleiche Erkennungssystem, das einen Organismus einerseits Bakterien und andererseits übertragene Organe als »fremd« wahrnehmen läßt und damit die körpereigene »Müllabfuhr« in Aktion setzt, um die fremden Zellen zu zerstören. Es wird heute sehr viel Mühe aufgewendet, um diese Prozesse zu studieren — man nennt diese Wissenschaft Immunologie —, und Fortschritte auf diesem Gebiet werden sicher nicht nur für die Transplantationschirurgie nützlich sein.


0-60

Es gibt aber jetzt schon einige einfache Regeln, die Aussicht auf Erfolg bieten. Die erste empfehlt die Verwendung von Röntgenstrahlen oder besonderen Arzneimitteln, die das Immunsystem außer Aktion setzen. Hauptnachteil: diese Behandlungen setzen den Patienten im wesentlichen ungeschützt bakteriellen Infektionen aus. Kostspielige keimfreie Operationsräume sind daher erforderlich, soll der Patient nicht an einer ganz gewöhnlichen Infektionskrankheit zugrunde gehen. Darüber hinaus können diese doch recht drastischen Methoden sehr leicht auch andere Körperfunktionen schädigen und dadurch den Allgemeinzustand des Patienten so sehr verschlechtern, daß allein deshalb schon eine Besserung recht unwahrscheinlich ist. Sowohl die Dosierung als auch die Zeit der Behandlung sind kritisch. Auch die kombinierte Anwendung von Röntgenstrahlen und immunosuppressiven Medikamenten wurde versucht. Man kommt dann mit einer geringeren Strahlendosis und weniger Medikamenten aus; die schädlichen Nebenwirkungen werden dadurch reduziert.

Wenn ein Organ verpflanzt wird, wächst es gewöhnlich zunächst einmal an. Aber dann mobilisiert der Körper seine Verteidigungsmechanismen, und es kommt zu einer »Abstoßungskrise«. Wenn aber infolge lahmgelegter Immunmechanismen der Körper das Implantat nicht abstoßen kann, dann beruhigt sich die Situation, und das Organ kann »anwachsen«, wenn es auch gelegentlich einige Wochen später zu einer zweiten »Abstoßungskrise« kommt.

Die erste Operation, die mit Hilfe von Röntgenstrahlen die körpereigenen Abwehrmechanismen in Schach hielt, wurde im Jahre 1958 durchgeführt, die erste mit immuno-suppressiven Medikamenten (Azathiopren) im Jahre 1961. Im zweiten Fall wuchs die Niere trotz zweier Abstoßungskrisen an, aber der Patient starb nach nur 36 Tagen infolge der toxischen Effekte des Medikamentes. Auch im Falle der Röntgenstrahlen ist der Spielraum äußerst klein zwischen einer lethalen Dosis und einer solchen, die ausreicht, die Immunmechanismen des Körpers genügend zu blockieren.

Neuerdings wurde eine Methode entwickelt, die mehr Erfolg verspricht: die Typisierung der Gewebe (Tissue-typing). Sie geht von der bekannten Tatsache aus, daß Patienten nur solche Bluttransfusionen »vertragen«, die von Spendern mit einer »verträglichen« Blutgruppe kommen. Man kam nun auf den Gedanken, daß auch Organe zu einer Typenreihe gehören könnten, so daß Organtransplantationen von bestimmten Spendern möglich wären, während die von anderen abgestoßen würden. (Die Geschichte könnte natürlich auch noch komplizierter sein: es könnte Typen geben — wie es sie ja auch bei den Blutgruppen gibt —, die für alle verträglich wären, wieder andere, die für einen begrenzten »Kimdenkreis« in Frage kommen, und solche, die sich nur auf typengleiche Empfänger übertragen ließen.)


0-61

L. Brent und P. Medawar am <National Institute of Medical Research> in London konnten nun zeigen, daß es tatsächlich verschiedene Gewebetypen gibt mit einem weiten Spielraum von Verträglichkeiten. Dies erklärt ohne Zweifel, warum Chirurgen bei Organübertragungen an Nichtzwillingen nicht immer Erfolg hatten und warum die Abstoßungskrisen von unterschiedlicher Gravität sein können.

Es wird heute daran gearbeitet, Techniken zu entwickeln, die auch beim Menschen Angaben über Gewebeverträglichkeiten erlauben; Medawar's Untersuchungen waren bisher an Ratten durchgeführt worden. Solche Techniken könnten einen Durchbruch in der Transplantationschirurgie bedeuten, noch bevor man gelernt hat, die Immunreaktionen im einzelnen zu verstehen. Dr. J. W. Streilin von der >School of Medicine< an der Universität von Pennsylvania meint, daß die Lösung dieser Probleme nicht mehr fern ist und daß brauchbare Zwischenlösungen wohl bald zur Verfügung stehen werden. Auch in anderen Forschungsrichtungen wird intensiv gearbeitet: so konnte man zeigen, daß die Thymusdrüse — ein birnenförmiges Gebilde unterhalb des Halses — für die Produktion der Antikörper verantwortlich ist, die zur Organabstoßung führen. Tierexperimente bewiesen, daß die Entfernung der Thymusdrüse die Immunreaktionen abschaltet.

Bei Transplantationen zwischen verschiedenen Lebewesen — wie beispielsweise zwischen Schwein und Menschen — ist die Immunreaktion (»Immunantwort«) besonders heftig. In diesem Falle reagiert der Körper: »Halt, das ist nicht nur nicht ich, das ist noch nicht einmal menschlich!« Dieser Punkt ist wichtig, denn wie wir sehen werden, wird ernsthaft erwogen, tierische Organe als Ersatzorgane für den Menschen heranzuziehen.

So hatte schon im Jahre 1964 Dr. K. Reemtsma von der »Medical School< der Tulane University die erste Nierenübertragung von einem Tier auf einen Menschen dank immuno-suppressiver Medikamente versucht; es standen seinerzeit keine geeigneten menschlichen Spender zur Verfügung. Beide Nieren wurden überpflanzt und funktionierten trotz zweier Abstoßungskrisen. Unglücklicherweise starb der Patient aber schon nach acht Wochen.

Es lohnt sich, die Entwicklung dieses neuen Gebietes der Medizin kurz zu skizzieren, um dadurch ein Gefühl für die immer raschere Entwicklung der biologischen Wissenschaft zu bekommen. In den späten zwanziger Jahren zeigten zwei Amerikaner, Dr. Padget aus Kansas City und Dr. Brown aus St. Louis, daß Hautstücke zwischen eineiigen Zwillingen erfolgreich ausgetauscht werden können. Dieser Befund erschien aber damals lediglich als eine Kuriosität, und man erkannte nicht seine Konsequenzen.


0-62

Dabei war damit gezeigt worden, daß die Abstoßung eines übertragenen Organs keineswegs immer erfolgen muß. Während des Zweiten Weltkriegs wurde dann eine Entdeckung gemacht, die die Mediziner veranlaßte, sich ernsthaft mit dieser Materie zu befassen. Gibson und Medawar, die 1942 am Problem der Hautübertragung auf verbrannte Piloten der Royal Air Force arbeiteten, zeigten, daß die Übertragung von Haut den Empfänger wesentlich empfindlicher machte gegenüber Übertragungen von anderen Organen des gleichen Spenders. Für den Laien scheint dieser Befund die ganze Geschichte nur noch schwieriger zu gestalten, für die Biologen jedoch war es ein Hinweis darauf, daß sich der Immunmechanismus regeln lassen müßte. Wenn er »angedreht« werden konnte, müßte er eigentlich auch wieder »abgedreht« werden können. Bis damals hatte niemand gewußt, daß es überhaupt eine Kontrolle gab. Nach dem Krieg intensivierte man dann die Arbeit und hatte auch Erfolg, wie wir gesehen haben: 1942 erste Einsichten in das Problem 1950 erste erfolglose Nierenübertragung 1954 erste erfolgreiche Übertragung zwischen eineiigen Zwillingen 1958 erste erfolgreiche Operation zwischen Nichtzwillingen 1964 erste Tier-Mensch-Übertragung.

Bei Hunderten von Patienten liegt heute die Operation wenigstens um ein Jahr zurück, viele haben drei Jahre überlebt und einige wenige leben nun schon fünf und mehr Jahre nach der Operation. Wenn 25 Jahre ausreichten, um diese Erfolge zu erzielen, was werden uns dann die nächsten 25 Jahre bringen?

 

   1 Möglichkeiten der Transplantation   

 

Bisher beschränkte sich die Transplantationschirurgie im wesentlichen auf die Niere, teils weil die meisten Leute zwei Nieren haben und eine davon entbehren können, teils aber auch, weil die operativen Probleme nicht so groß sind wie bei einigen anderen Organen. Trotzdem haben sich aber die Chirurgen um die Technik bemüht, auch andere Organe zu verpflanzen. Normalerweise arbeiten sie mit Hunden, weil bei kleineren Tieren die Blutgefäße unbequem klein und weil Affen teuer und schwer zu bekommen sind. Gewöhnlich entfernt man das Organ, für das man sich interessiert, durchspült es und setzt es dem gleichen Tier wieder ein, denn dadurch werden die rein immunologischen Probleme vermieden.

Diese Experimente haben die chirurgischen Probleme, um Lungen, Lebern und sogar Herzen auszutauschen, im großen und ganzen gelöst; allerdings hatte man oft Schwierigkeiten, das Gerinnen von Blut zu vermeiden.

 62/63

Besonders die Entfernung der Leber scheint zu Störungen im Mechanismus der Blutgerinnung zu führen. Trotzdem wurden einige Operationen sogar beim Menschen versucht. So führte Dr. T. E. Starzl am >Veteran Administration Hospital< in Denver drei Leberverpflanzungen durch, mit einer maximalen Überlebenszeit von 22 Tagen. Später berichtete er, daß ein Hund sieben Monate den Leberaustausch dank der Verwendung immunosuppressiver Medikamente überlebt habe und daß er zur Zeit des Berichtes immer noch wohlauf sei. Ende 1967 galten 45 Tage als die menschliche »Bestzeit« — es handelte sich in diesem Falle um ein einjähriges Baby.

Unglücklicherweise ist eine von der Blutzufuhr abgeschnittene Leber viel empfindlicher als eine isolierte Niere; das Operationsrisiko erhöht sich, weil die Leber des Patienten zuerst entfernt werden muß.

Die erste Lungentransplantation am Menschen erfolgte 1963. Dr. Hardy in Jackson, Mississippi, führte sie an einem Mann durch, der außerdem noch ein chronisches Nierenleiden hatte. 18 Tage später starb der Patient an Schwierigkeiten seiner Niere, aber die Lunge war »angenommen« worden. Man hielt dies für ermutigend, denn man wußte sehr wenig über die immunologische Empfindlichkeit dieses Organs. Man darf daher jetzt wohl hoffen, daß chronische Lungeninsuffizienz, eine Krankheit, unter der sowohl Teenager als auch Erwachsene leiden, bald behandelt werden kann.

Die für den Menschen wichtigste Transplantation wäre ohne Zweifel der Ersatz schadhaft gewordener Herzen. Während ich diese Zeilen schreibe, werden gerade die ersten Herzverpflanzungen durchgeführt. Ob die Patienten die neuen Organe für eine sinnvolle Zeit tolerieren, bleibt abzuwarten. Chirurgisch gesehen ist die Operation nicht ungewöhnlich schwierig; einige Operateure ziehen es vor, Lunge und Herz gleichzeitig zu transplantieren, weil dann weniger Blutgefäße angekoppelt werden müssen. Das Abstoßungsproblem ist aber hier besonders gravierend. Setzt das Herz auch nur für einige Minuten aus, kann infolge Sauerstoffmangels das Gehirn schon irreversibel geschädigt werden. Nur wenn rechtzeitig Warnsignale auftreten, könnte man den Patienten rasch genug an eine Herz-Lungen-Maschine anschließen und ihn so über die Krise hinwegbringen.

Erweisen sich aber Herztransplantationen allgemein als durchführbar, so wäre der Bedarf an Ersatzherzen ungeheuer groß: Herzkrankheiten sind die häufigste Todesursache der westlichen Welt. Der Nachschub wird kaum ausreichen: brauchbar sind nur Herzen von jüngeren, gesunden Menschen, die an einer Krankheit gestorben sind, die nicht das Herz in Mitleidenschaft gezogen hat (beispielsweise Hirntumoren) oder die bei einem Unfall plötzlich ums Leben kamen.


1-64

Es wird zweifellos notwendig sein, spezielle Methoden zu entwickeln, geeignete Herzen zu sammeln und darauf zu achten, daß so wenige wie möglich vergeudet werden. Warum sollte man beerdigen, was einem anderen Menschen das Leben retten könnte? Moralisch gesehen ist der Fall eindeutig.

Aus diesen Gründen hat man schon daran gedacht, eventuell tierische Herzen auf Menschen zu verpflanzen. Aber die Gefahr der Abstoßung ist hier wesentlich größer, und bei der einzigen bisher durchgeführten Operation dieser Art verstarb der Patient fast unmittelbar danach.

Weniger spektakulär, aber enorm wichtig sind Transplantationen von Darmstücken. Diese werden dringend gebraucht, wenn die Eingeweide durch Schüsse oder andere Wunden oder auch durch Blutgerinnsel verletzt wurden. Da wir alle einen Darmschlauch von sechs und mehr Metern haben, könnten Spender einen Meter ohne Unbequemlichkeiten entbehren: für den Empfänger wäre das Geschenk ganz gewiß eine ungeheure Wohltat, um mit dem Ausdruck eines bekannten Chirurgen zu sprechen. Die chirurgischen Probleme sind ziemlich kompliziert, denn es müssen viele kleine Venen aneinandergehängt werden, aber es lohnt die Mühe.

Die Rückverpflanzung verlorener Gliedmaßen ist ganz offensichtlich von großer, praktischer Bedeutung. 1962 gab es einige Aufregung, als einem Jungen aus Somerville/Massachusetts, Ev Knowles, ein Arm wieder angenäht wurde. Beim Versuch, unerlaubt auf einem Güterzug zu fahren, war er ihm glatt abgeschnitten worden. Er packte den Arm mit seiner unverletzten Hand, und man konnte ihn rechtzeitig ins Bostoner General Hospital bringen. Dort hatte sich zufälligerweise ein Ärzteteam gerade mit den Problemen einer solchen Operation befaßt. Der Arm wurde denn auch erfolgreich wieder angenäht. In späteren Operationen versuchte man, ihm durch Nervenübertragungen die Kontrolle über seine Hand wenigstens teilweise wiederzugeben. Hier liegt nämlich die Hauptschwierigkeit. Nervenzellen können sich nicht mehr teilen, daher sind Nerven nicht regenerierungsfähig, wenn auch innerhalb enger Grenzen durchaus Anpassungen möglich sind. Zwei Jahre nach dem Unfall hatte der Junge seine Hand wenigstens teilweise wieder »in den Griff« bekommen.

Schon im Jahre 1954 nahm Anastasius Lachinsky am <Forschungsinstitut für Experimentelle Chirurgische Geräte> in Moskau die offensichtlich erste erfolgreiche Übertragung eines Gliedes an einem Hund vor. Das Tier überlebte sechs Jahre und benutzte sein neues Bein recht geschickt, obwohl es kürzer als die anderen war.


  1-65

Auch chinesische und japanische Chirurgen waren auf diesem Gebiet aktiv, nähten sowohl Hände als auch Füße wieder an und erreichten zumindest eine teilweise Wiederherstellung der ursprünglichen Funktionen. Die Möglichkeiten sind jetzt gegeben, ein ganzes Bein zu übertragen. Könnten die immunologischen Probleme gelöst werden, so würden solche Operationen den Arthritiskranken ebenso zugute kommen wie den Opfern von Industrie- und Verkehrsunfällen und vielleicht auch den »Contergan«-Kindern.

Das Ein- und Verpflanzen von Zähnen wurde seit den Zeiten des großen Chirurgen des 16. Jahrhunderts, Ambroise Pare, schon oft versucht. Nach zwei oder drei Jahren fallen die trans-plantierten Zähne aber wieder aus. In den letzten Jahren fand man jedoch heraus, daß die Anlagen, aus denen die Zähne herauswachsen, erfolgreich verpflanzt werden können und daß diese dann normale Zähne produzieren. Der Weg zu echten Ersatzzähnen scheint daher einfach, sobald Banken für Zahnanlagen eröffnet werden.

Ein weiteres, sehr wichtiges Gebiet, in dem heute schon an den notwendigen Transplantationstechniken gearbeitet wird, sind endokrine Drüsen, wie beispielsweise Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Pankreas (Bauchspeicheldrüse) und Hypophyse. Schilddrüse und Pankreas stellen eigentlich kein dringendes Problem dar, denn Patienten können leicht mit Schilddrüsenextrakten und Insulin behandelt werden. Dringend gebraucht werden dagegen Methoden, um Hypophysen in Kinder, die mit einer akuten Hypophyseninsuffizienz geboren wurden, zu überpflanzen. Die Entwicklung dieser Kinder, einschließlich ihrer Sexualentwicklung, verläuft unnormal. Hypophysenextrakte sind — bis jetzt jedenfalls — nicht im Handel erhältlich.

Die chirurgischen Probleme sind klar, aber die Hypophyse hat eine besondere Art der Blutzufuhr: das Blut erreicht die Hypophyse erst, nachdem es durch gewisse Bereiche des Gehirns gekommen ist und dort, wie man heute annimmt, wichtige Bestandteile auf genommen hat. Es könnte sich durchaus als schwierig herausstellen, Blut gerade auf eine solche Art und Weise aufzubereiten. Möglicherweise hängt die Funktion der Hypophyse aber entscheidend davon ab.

1967 wurde eine Bauchspeicheldrüse erfolgreich in eine 32 Jahre alte zuckerkranke Frau verpflanzt und funktionierte dort ordnungsgemäß. Erwachsene sprechen normalerweise so gut auf eine Insulintherapie an, daß die Operationsrisiken — jedenfalls heute noch — nicht gerechtfertigt sind. Tritt aber Diabetes schon früh im Leben auf, sind die Aussichten sehr viel schlechter, und dann kann eine Operation durchaus das einzige Mittel sein, einen tödlichen Ausgang der Krankheit zu verhindern.


1-66

In diesem Falle befand sich die Patientin außerdem schon im Endstadium chronischen Nierenversagens, sie war bereits blind und hatte einen hohen Blutdruck. Daher wurde zusätzlich eine Niere verpflanzt. Die Patientin lebt noch heute und braucht kein Insulin mehr. Dr. Lillehei und W. Kelley führten die Verpflanzung durch, nachdem ein früherer Versuch mit einer anderen chirurgischen Technik gescheitert war.

Eine besondere Erwähnung verdienen die Gonaden oder Sexualorgane. Ein kleiner Teil von Frauen bekommt keine Kinder, weil ihre Eierstöcke nicht richtig funktionieren oder weil sie gar keine haben. Diesen Frauen könnte die Transplantation von Eierstöcken oder vielleicht auch nur Eierstockgewebe die Fähigkeit zurückgeben, Kinder zu bekommen. Ein Eierstock enthält Hunderte von Eianlagen, ein kleines Stückchen würde daher für einen Empfänger völlig ausreichen. Nach Vorversuchen an Ratten und Affen untersuchte Dr. S. H. Sturgis die Effekte implantierten Eierstockgewebes, das er in kleine Kammern durchlässigen Materials eingebracht hatte. Trotz einiger Hinweise auf eine Stimulierung der Ovarien schienen ihm die Versuche nicht erfolgversprechend genug, um die Experimente fortzusetzen. Es gibt trotzdem keinen Grund anzunehmen, daß eine solche Operation unmöglich ist oder daß sie schwieriger sein müßte als eine Nierentransplantation.

Hier wird es um ethische Fragen gehen: wären die Kinder aus implantierten Eierstöcken legal die Kinder der Mutter oder müßten sie adoptiert werden? Die gleichen Probleme würden natürlich auch entstehen, wenn Hoden erfolgreich auf Männer übertragbar würden. Es ist nach dem Gesagten klar, daß nur die Schwierigkeiten der körpereigenen Immunabwehr eine wirklich ausgedehnte Anwendung von Transplantationsoperationen verhindert. Dieses Kapitel soll umreißen, welche Probleme auf die menschliche Gesellschaft zukommen. Aber bevor wir uns weitere Problemkreise ansehen, wollen wir einen Blick auf die Frage der Organbeschaffung werfen, denn auch hier werden ethische und soziale Fragen berührt.

 

   2  Woher nehmen und nicht töten?  

 

Organe für Transplantationen können gegenwärtig nur aus drei Quellen bezogen werden; später allerdings könnten — wie wir noch erörtern werden — andere hinzukommen. Diese drei sind: lebende Personen, tote Personen und lebende Tiere. Vom rein technischen Standpunkt ist der lebende Spender die bevorzugte Quelle: das Organ ist in gesunder Verfassung und kann mit einem Minimum von zeitlichem Aufwand in den Empfänger überführt werden. Leichen sind viel ungünstigere Organquellen, und zwar aus mehreren Gründen.

  66/67

Das Organ wird oft beim Todeskampf in Mitleidenschaft gezogen. Darüber hinaus ist es oft sehr schwer, den Empfänger unmittelbar nach dem Tode des Spenders zu operieren. Geringe Verzögerungen sind unvermeidlich, aber während dieser Zeit kann das Organ schon rasch »schlecht« werden. Eine Niere sollte spätestens bis 10 Minuten nach Eintritt des Todes entnommen werden, besser aber wohl innerhalb von 5 Minuten. Es gibt heute Vorrichtungen, um eine entnommene Niere für einen oder sogar mehrere Tage in Funktionsbereitschaft zu halten. Allein rechtzeitig das Einverständnis der Angehörigen zu bekommen, ist vielfach ein unüberwindliches Hindernis.

Tierische Organe rufen, wie bereits diskutiert, besonders starke Abstoßungsreaktionen hervor und sind daher heute noch weniger geeignet als menschliche Organe. Sie stehen aber in bestem Zustand und in beliebigen Mengen zur Verfügung. Wenn die Immunprobleme gelöst sind, könnten sie eines Tages durchaus die bevorzugten Organe sein, vorausgesetzt natürlich, daß sie im menschlichen Organismus ebenso gut funktionieren wie in ihrem Heimatorganismus. Alle Probleme mit toten Organen würden dann wegfallen.

Natürlich gibt es noch eine weitere Möglichkeit: nämlich künstliche Organe, Organimitationen. Heute allerdings sind sie ihren natürlichen Modellen noch weit unterlegen. Kürzlich hörte man eine ganze Menge über künstliche Herzen und auch über die Arbeiten des Dr. DeBakey in Houston, dem es sogar gelang, ein solches Herz zu verpflanzen. Aber das Herz ist eine verhältnismäßig einfache Maschine, eigentlich nichts weiter als eine Doppelpumpe. Doch auch eine einfache Maschine muß angetrieben werden. Bis heute aber kennt man keinen Weg, Energie anders als von außen zuzuführen. Gar eine Leber oder Niere innerhalb der Größenmaßstäbe des natürlichen Organs zu konstruieren, ist bislang jenseits aller menschlichen Möglichkeiten.

Die sogenannte »künstliche Niere« ist zwar schon kleiner geworden, als sie zunächst war, aber immer noch wesentlich größer als eine menschliche Niere. Sie muß erschütterungsfrei stehen, sie braucht natürlich äußere Energie, und ihre Membranen müssen häufig ersetzt werden. An künstliche Lebern hat man sich überhaupt noch nicht herangewagt. Sogar Haut, die einem Laien als einfaches Organ erscheint, ist viel zu kompliziert, als daß man sie wirklich künstlich nachahmen könnte. Die natürliche Haut wächst von unten nach, wenn sie abgeschürft wurde, sie wird auf Druck hin dicker, sie vergrößert ihren Bestand an Schweißdrüsen, wenn sie in wärmeres Klima kommt, sie ist also in hohem Maße anpassungsfähig. Eigentlich die einzigen erfolgreichen Ersatzorgane sind heute Arterien, Gelenke und Zähne. Die Verwendung von Metall-Hüftgelenken für Patienten mit arthritisgeschädigten Gelenken ist heute fast Standardmethode. Kunststoff-»Hornhaut« wurde schon probeweise übertragen, aber sie scheint lokale Reizungen hervorzurufen.


2-68

Bis jetzt kann man daher diese Quelle vernachlässigen, wenn man auch damit rechnen muß, daß Kunststofforgane später durchaus zu Transplantationen herangezogen werden, zumindest als wichtige Ergänzung zum Angebot an natürlichen Organen.

Daß wir überhaupt die Möglichkeit haben, über lebende menschliche Spender zu verfügen, beruht auf der Tatsache, daß uns die Natur mit reichlich überschüssiger Nierenkapazität ausgestattet hat, so daß ein Mensch sehr wohl auch nur mit einer Niere leben kann, ohne daß irgendein Verlust der Nierenfunktion meßbar würde. Ein unmittelbares Handikap für einen Einnierigen gibt es nicht. Er ähnelt einem Autofahrer, der einem Freund seinen Reservereifen zur Verfügung stellt und dadurch, wenn auch nur geringfügig, die Chance erhöht, später selber in Schwierigkeiten zu kommen.

Ein lebender Spender könnte auch kleine Mengen von Haut zur Verfügung stellen und vielleicht auch andere Gewebe wie Eierstöcke oder endokrine Drüsen oder Knochen. Aber man könnte ihn begreiflicherweise kaum bitten, ein ganzes Glied oder ein Auge abzutreten, obwohl auch diese Organe paarig vorkommen. Ob er es sich leisten kann, einen Teil der Lunge zu spenden, ist fraglich: es gibt Tuberkulosepatienten, die gut mit einer einzigen Lunge zurechtkommen, aber mit fortschreitendem Alter wird eine größere Atmungskapazität notwendig, vor allem wenn Herzschäden auftreten, die die Versorgung des Blutes mit Sauerstoff zusätzlich erschweren.

In jedem Fall besteht zudem ein kleines, aber signifikantes Operationsrisiko für den Spender: Fehler im Operationssaal sind möglich, aber auch postoperative Infektionen können nicht ausgeschlossen werden.

Aus ethischen Gründen ist es daher klar, daß wir uns dringend nach anderen Organquellen umsehen müssen. Und das bedeutet, jedenfalls heute, Leichen.

Die meisten Patienten aber, die in Krankenhäusern sterben, sind als Spender ungeeignet. Viele sind alt oder waren schon lange Zeit krank, und ihre Organe sind in Mitleidenschaft gezogen. Hatten die Patienten verhärtete oder verengte Arterien, so war die Blutversorgung der Organe sicher nicht optimal. Daher stellen Unfalltote, die bald nach ihrem Eintreffen im Krankenhaus sterben, die wichtigste Organquelle dar. Aber gerade in diesen Fällen ist es sehr schwierig, das Einverständnis der Angehörigen schnell genug zu bekommen. Auch wenn sie gefragt werden können, sind sie meistens seelisch kaum in der Lage, über ein solches Ersuchen ruhig nachzudenken.


  2-69

Das Problem, gut erhaltene Organe zu bekommen, wäre offensichtlich sehr viel einfacher, wenn es gelänge, diese Organe nach dem Tod des Spenders so lange auf Vorrat zu halten, bis man sie braucht. Eine Lagermöglichkeit von nur 48 Stunden wäre schon ein enormer Fortschritt, denn der Patient könnte dann in aller Rühe zur Operation vorbereitet werden. Längere Lagerungszeiten würden es sogar gestatten, verschieden große Organe, Organe mit verschiedenen Gefäßzuführungen und vor allem Organe mit verschiedenen Typen der Gewebeverträglichkeit zu den Operationen einzusetzen. Wenn schließlich die verschiedensten Organe nicht nur über Monate, sondern über Jahre in funktionsfähigem Zustand gelagert werden könnten, wäre sogar an einen genügend großen Vorrat für Katastrophenfälle zu denken.

Es genügt nicht — wie viele Leute meinen —, die Organe einfach in einen Kühlschrank zu legen oder sie tiefzukühlen, um sich einen Organvorrat anzulegen. Die meisten Gewebe werden nämlich beim Einfrieren beschädigt; wir werden im nächsten Kapitel beim Problem der Ganzkörper-Tiefkühlung noch darauf zurückkommen. Wenn nämlich das Wasser in den Zellen gefriert, nimmt die Salzkonzentration im noch flüssigen Teil der Zellen derart zu, daß schädliche Einflüsse unvermeidbar werden. Darüber hinaus können wachsende Eiskristalle die Zellwände anbohren. Diese Effekte lassen sich mit besonderen Zusätzen, beispielsweise Glyzerin, mildern, jedoch ist der Fortschritt auf diesem Gebiet noch recht zögernd.

Die wichtigsten Organe, die wir heute schon lagern können, sind, vom Blut abgesehen, Haut, Knochen und die Hornhaut der Augen. Die Lagerung von Haut war besonders erfolgreich: das neue Lösungsmittel DMSO (Dimethylsulfoxyd), seit einiger Zeit in der Industrie verwendet, ermöglichte das Wunder. 1965 berichteten Dr. Ronald Berggren und Hemdon B. Lehr von der Medizinischen Fakultät der Universität von Pennsylvania, daß es ihnen gelungen sei, Haut zu transplantieren, die seit 2 Jahren in diesem Lösungsmittel gelagert worden war. Zuvor erschien es undurchführbar, Haut zu lagern: Tiefkühlung zerstört ihre Fähigkeit zu überleben; lediglich im Kühlschrank aufbewahrt, verdirbt sie rasch.

Wenn jemand Haut verliert—meist nach schweren Verbrennungen —, versucht man, wenn irgend möglich, Haut von einer anderen Körperstelle zur Transplantation zu verwenden, um das Risiko einer Abstoßung zu vermeiden. (Haut ist in dieser Hinsicht besonders heikel.) Die Größe des Hautstücks, das man nehmen kann, ist aber beschränkt, denn große, hautlose Bezirke regenerieren keine neue Haut, sondern nur Narbengewebe. Man muß daher mehrfach operieren.


2-70

Dies trifft natürlich auch zu, wenn neue Haut von einem Spender übertragen wird; auch dann muß der Empfänger jedesmal operiert werden, wenn ein neues Hautstück dem Spender abgenommen wird. Könnte man nun aber Haut lagern, dann ließen sich einzelne Hautstücke des Spenders sammeln und in einer einzigen Operation auf den Empfänger übertragen; seine Genesung würde beschleunigt und das Risiko verringert.

Die Lagerungstechnik wird ständig verbessert. So fand man beispielsweise kürzlich, daß Kobaltbestrahlung die Haltbarkeit eingefrorener Knochen erhöht. Die erste Gewebebank in den USA wurde schon 1949 im Marinekrankenhaus in Bethesda/ Maryland eingerichtet, um Kriegsverletzten zu helfen. Gefriergetrocknete rote Blutkörperchen wurden jahrelang gelagert. (Bei der Gefriertrocknung wird das Wasser durch Sublimation entfernt.) Auch Knochen wurden noch nach 11 Jahren erfolgreich übertragen. 1961 lieferte die Bank etwa 2 qm Haut an brasilianische Krankenhäuser, nachdem zahlreiche Menschen bei einem Großbrand schwere Verbrennungen erlitten hatten. Schon in den nächsten Jahren wird es mehr solcher Organbanken geben.

Bereits jetzt sollte man Methoden entwickeln, um Organe rasch in Katastrophengebiete befördern zu können. Die Lagerung von Organen wird für die nächsten 50 Jahre wahrscheinlich die wichtigste Organquelle für »Ersatzteil«-Operationen sein. Daneben zeichnen sich heute schon radikal neue Wege ab: die Züchtung von Organen aus Embryonalgewebe in beliebiger Stückzahl. Zell- und auch Gewebekulturen sind heute technisch durchgereift. Ein Amerikaner, Ross Harrison, hatte dazu schon vor mehr als 100 Jahren die Grundlagen erarbeitet, als er isolierte Nervenzellen am Leben erhielt. Nach dem letzten Weltkrieg begann man vor allem am Strange-ways-Laboratorium in England mit der Kultur ganzer Organe. Zunächst ließ man kleine Schenkelknöchelchen aus einem Embryo auf ihre mehrfache Größe anwachsen. In jüngerer Zeit hat Etienne Wolf am College de France in Paris embryonale Haut und auch embryonale Hoden gezüchtet. Er konnte sogar das Geschlecht der Keimdrüsen durch Zugabe von Hormonen umändern. Er arbeitet zur Zeit an der Züchtung von Augen.

Je komplizierter das Organ, um so schwerer wird die Aufgabe, es zu züchten. Allein mit zunehmender Größe wird es immer komplizierter, die Stoffwechselprodukte abzuführen und auch eine zureichende Versorgung mit Nährstoffen zu garantieren. Bei einem bestimmten Stadium der Entwicklung muß man für eine besondere Zufuhr von Blut sorgen, analog den natürlichen Bedingungen in einem Embryo. Dieses Blut muß dann alle Nährstoffe herantransportieren und vielleicht auch Kontrollsubstanzen, die sonst im mütterlichen Blut enthalten sind. Dieses Problem ist aber nur ein technisches: seine Lösung mag diffizil sein, doch daß es grundsätzlich lösbar ist, darüber besteht kein Zweifel.


 2-71

Vielleicht ist man später nicht einmal mehr auf Embryos angewiesen, um brauchbares Ausgangsmaterial zu bekommen. Es könnte gelingen, durch geeignete Maßnahmen ein geschädigtes Organ aus eigenem Antrieb zur Regeneration zu bringen. Die Transplantation würde dann durch eine Autotransplantation ersetzt werden. Man weiß, daß in jeder Körperzelle, gleichgültig wo sie im Organismus sitzt, die gesamte genetische Information steckt, die zum Bau von Organen und sogar des ganzen Organismus benötigt wird. Wir haben das bei der Diskussion der Arbeiten von Prof. Steward schon erörtert. Wenn die Genetiker herausfinden, wie man diese Informationen kontrolliert aktivieren könnte, brauchten wir nur einige wenige Zellen aus irgendeinem Organ eines Patienten herauszunehmen und daraus Duplikate der kranken Organe auswachsen zu lassen. Transplantationen würden überflüssig.

Eines Tages werden wir daher mit »Organfabriken« rechnen können, aus deren Katalogen ein Chirurg ein Herz, eine Bauchspeicheldrüse oder eine Leber in beliebiger Größe und Kapazität auswählen kann, mit der Garantie, stets mit frischem und hervorragendem Material versorgt zu werden. Die heute noch notwendigen Kannibalenmethoden werden dann entbehrlich.

Die juristischen und moralischen Probleme, die durch die Transplantationschirurgie auftauchten, sind zahlreicher und verwickelter, als man gemeinhin annimmt. Es lohnt sich, sie etwas genauer zu analysieren, denn wir bekommen dadurch eine bessere Vorstellung von den Verwirrungen, in die uns die moderne Biologie stürzen kann und die wir später in diesem Buch noch genauer erörtern werden.

 

  3  Juristische Probleme   

 

Die Geschichte der Transplantationschirurgie ist noch sehr kurz, aber der Fortschritt in den letzten 15 Jahren ist beträchtlich. Zusätzlich zu den Erfolgen bei eineiigen Zwillingen gab es mehrere erfolgreiche Transplantationen zwischen Brüdern und in einem Fall zwischen Mutter und Sohn. Vor kurzem stellte Dr. Joseph E. Murray eine Übersicht über 374 derartige Operationen zusammen, die in den letzten beiden Jahren auf der ganzen Welt ausgeführt worden waren. Wenn man die Operationen beiseite läßt, die nicht mit den neuesten Methoden der Chirurgie durchgeführt wurden, bleiben noch 262 Fälle. Davon haben 110 Patienten diese beiden Jahre überlebt. Dies ist zwar weniger als die Hälfte und äußerst unbefriedigend, aber es zeigt deutlich, daß die ethischen und juristischen Probleme keineswegs mehr rein akademisch sind.


3-72

Im englischen Recht und damit auch im amerikanischen ist jede Tat ungesetzlich, die eine Person außerstande setzt, ihrem Lande zu dienen; auch die Zustimmung zu einer solchen Tat, die an einem selbst oder einem anderen ausgeführt werden soll, ist strafbar. Das Gesetz stammt aus dem Mittelalter, und den Sachverhalt, den es kennzeichnet, würden wir als Verstümmelung bezeichnen. Beispielsweise verbot es, einen Vorderzahn zu entfernen, während die Extraktion eines Backenzahns zulässig war; wahrscheinlich, weil man den Wunsch verspüren könnte, einen Landesfeind zu beißen. Besonders schwere Einwände hatte man gegen eine Kastration, weil man dachte, daß dadurch Mut und Angriffslust Schaden nehmen würden. Dieses Gesetz gilt aber auch für Transplantationen.

Heute wird dieses Gesetz gewöhnlich sehr großzügig ausgelegt. Chirurgische Operationen im Dienste der Gesundheit wurden schon lange als Ausnahmefälle betrachtet. Aber es ist keineswegs klar, daß ein Chirurg deswegen nun berechtigt wäre, einer gesunden Person eine Niere herauszunehmen, genausowenig wie es klar ist, ob eine solche Person überhaupt ihre Zustimmung zu der Operation geben darf. Der bedeutende Jurist Lord Riddel kommentierte daher einmal die Situation mit den Worten: »Ein Mensch mag Herr über seine Seele sein, aber sicher nicht über seinen Körper.«

Trotz dieser Lage haben die Chirurgen immer peinlichst darauf geachtet, das Einverständnis von Organspendern einzuholen, und sie haben auch manchmal richterlichen Rat gesucht. Die Gerichte bestehen immer mehr darauf, daß das Einverständnis nur gegeben werden sollte, wenn die Probleme, um die es geht, auch wirklich verstanden wurden. Die Ärzte haben meist Schwierigkeiten, wenn die potentiellen Spender wenig intelligent, seelisch unausgeglichen sind oder unter einem besonderen Zwang leben, wie beispielsweise Zuchthausinsassen.

Das Problem wird besonders schwierig, wenn minderjährige Spender in Frage kommen. Ein solcher Fall — wahrscheinlich zum ersten Male in der Geschichte — wurde 1956 vor einem amerikanischen Gericht verhandelt. Einer von zwei eineiigen Zwillingen, die noch unter 21 Jahren waren, kam wegen einer schon weit fortgeschrittenen Nierenerkrankung in die Klinik; sein Bruder war völlig gesund. Mit Zustimmung des Spenderzwillings und der Eltern wurde ein psychologisches Gutachten erstellt. Der Psychiater meinte darin, daß man aufgrund der engen Beziehungen zwischen den Zwillingen annehmen müßte, daß der gesunde Zwilling sich sehr schwere Vorwürfe machen würde, wenn er seinem Bruder nicht geholfen hätte und daher seelische Schäden erleiden könnte. Das Oberste Gericht von Massachusetts entschied daraufhin, daß die Chirurgen operieren dürften, das Einverständnis der Eltern und des Zwillings vorausgesetzt.


  3-73

Irgendwelche Haftungen, weder nach dem bürgerlichen noch nach dem Strafgesetzbuch, würden entfallen. Das gleiche Gericht gestattete in der Folgezeit auch die Operation an 14-jährigen Zwillingen. Später folgten andere Gerichte mit ähnlichen Entscheidungen.

In einem Falle jedoch, als es um die Operation eines Zwillings unter 12 Jahren ging, lehnte das Krankenhaus die Verantwortung ab mit der Begründung, daß der Spender einfach noch nicht alt genug sei, um die mögliche Beeinträchtigung seiner Person zu überblicken, und daß er daher kein gültiges Einverständnis geben könne. Auf der anderen Seite nahm man an, daß er zu jung sei, um eventuell darüber Reue zu empfinden, daß man ihm nicht gestattet hatte, seinem Bruder zu helfen.

Die juristischen Experten nehmen zwar an, daß es gestattet ist, ein Organ einem Individuum zu entnehmen — wenn eine entsprechende Genehmigung vorliegt —, daß es aber durchaus illegal sein kann, eine solche Operation durchzuführen, wenn das öffentliche Interesse gefährdet ist. Dies stand zur Debatte, als vor einem britischen Gericht ein Fall verhandelt wurde, in dem ein Mann sich hatte sterilisieren lassen und der daraufhin von seiner Frau wegen Grausamkeit angezeigt worden war. Bei der Berufung erklärte einer der drei Richter, Lord Denning, daß dieser Mann kein Recht auf Sterilisierung hatte, da sie nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgt war; die beiden anderen Richter waren anderer Meinung, und die Angelegenheit blieb bis heute unentschieden.

 

Auch der Fall einer Frau, die Sterilisierung erbittet, liegt kompliziert. Da heute Frauen auch in der Armee dienen, wäre es zu diskutieren, ob die Sterilisation ihre Kampfeignung einschränkt. Realistischer ausgedrückt, für einen Staat, der darauf aus ist, seine Bevölkerung zu vermehren, wird es illegal sein, für einen anderen, der seine Bevölkerungszahl einschränken möchte, könnte es durchaus im Sinne seiner Gesetze liegen. 

In Italien tauchte dieses Problem in ganz anderem Zusammenhang auf. Im Jahre 1932 veranlaßte ein wohlhabender Mann einen Neapolitanerjungen, ihm einen seiner Hoden zwecks Implantation zu verkaufen. Die öffentliche Meinung war schockiert. 1940 wurde dann sogar ein Gesetz erlassen dem zufolge es nicht zulässig ist, in einer solchen Weise über seine Organe zu verfügen. In jüngster Zeit merkte man, daß dieses neue Gesetz es jedermann unmöglich machte, eine Niere zu spenden. Ein neues Gesetz mußte eilig erlassen werden, um die mißliche Situation zu korrigieren. Wenn es nun aber legal ist, ein Organ zu spenden, so kann eine Bezahlung oder sonstige Vergütung kaum vermieden werden.


3-74

Eine solche juristisch »gefährliche« Vergütung wäre beispielsweise das Angebot eines guten Jobs. Der Empfänger eines Organs wird sicherlich dem Spender gegenüber Dankbarkeit empfinden, und man wird ihn kaum daran hindern können, seiner Dankbarkeit Ausdruck zu verleihen. Das Gesetz könnte lediglich verbieten, daß ein formaler Vertrag aufgesetzt wird.

Während sich Italien dafür entschieden hat, den Verkauf von Organen zu verbieten, mag es in den Vereinigten Staaten anders gehandhabt werden. In den USA gibt es nämlich eine lange Tradition, freiwillige Helfer zu bezahlen. Blutspender werden oft entschädigt mit der Begründung, daß es sich um eine Bezahlung für eine Dienstleistung und nicht um einen echten Verkauf handelt. Trotzdem ist es sicher, daß Blut von Agenten auf unmißverständlich kommerzieller Basis eingekauft wird. Dr. R.Calne, ein führender Transplantationschirurg, enthüllte, daß es auch in England mehrere diskrete Versuche gegeben hat, eine Niere zu kaufen.

Wenn ein Mensch das Recht hat, über seinen Körper nach dem Tode zu verfügen, ist es in hohem Maße inkonsequent, ihm dieses Recht zu Lebzeiten abzusprechen. Die Angelegenheit wird wohl nicht überall so rasch entschieden werden wie in Italien.

Auch die Gefahren eines Schwarzmarktes sind gegeben. Vor zwei Jahren berichtete die >Times<, daß in Syrien Banden von Wegelagerern eine regelrechte Jagd auf Reisende veranstalteten, sie töteten und dann Blut und Hornhäute verkauften. Diese »Händler« verfügten offensichtlich noch nicht über geeignete Möglichkeiten, Nieren und andere Organe zu entfernen und in guter Verfassung zu lagern.

Der Spender einer Niere nimmt ein zwar kleines, aber doch eindeutiges Risiko auf sich, denn eines Tages könnte er selber in die Lage kommen, auf eine zweite Niere infolge einer Nierenerkrankung angewiesen zu sein. In die Akten ist bereits ein Spender eingegangen, der fragte, ob man ihm freie Behandlung garantieren wolle, wenn er einmal selbst in die mißliche Lage käme, eine Niere zu brauchen. In Ländern mit einer staatlichen Gesundheitsfürsorge, zum Beispiel in England, gibt es hierin keine Probleme, in den USA jedoch, wo ärztliche Leistungen sehr teuer sind, liegen die Verhältnisse anders. Heute sind die Spender gewöhnlich noch Verwandte des Patienten, die fest entschlossen sind, einem Sohn oder Zwilling zu helfen, ohne an eine Entlohnung zu denken. Wenn aber geeignete Methoden zur Immunosuppression zur Verfügung stehen und dadurch jedermann zum Spender werden kann — wie es heute schon beim Blutspenden der Fall ist —, werden sich die Voraussetzungen verändern.


3-75

Allerdings wird dann der Anspruch auf eine eventuelle spätere medizinische Betreuung weniger wichtig sein als die Frage einer angemessenen Entschädigung. Eine Reihe völlig andersartiger Probleme taucht auf, wenn ein Chirurg ein Organ aus einer Leiche entnehmen will. Als Professor Woodruff, einer der führenden Chirurgen Englands auf diesem Gebiet und Direktor des >Wilkey Laboratoriums für Chirurgieforschung< in Edinburgh, damit anfing, eine Hautbank einzurichten, stellte er fest, daß er sich gegen ein Gesetz verging, das in der >Anatomy Act< aus dem Jahre 1832 niedergelegt war. Dieses Gesetz war ursprünglich erlassen worden, um die Grabräuber Burke und Hare an der Ausübung ihres Gewerbes zu hindern. Diese beiden hatten sich darauf spezialisiert, anatomischen Instituten die Leichen für die Sektionsübungen der Studenten zu liefern.

Es ist keineswegs klar, wie rechtskräftig eine Erklärung ist, in der jemand seinen Körper für wissenschaftliche Forschung zur Verfügung stellt. Die englische Rechtsprechung hat gerade einen Schritt rückwärts getan. In der >Human Tissue Act< vom Jahre 1961 wird festgelegt, daß der nächste Verwandte den schriftlichen Entschluß eines Verstorbenen rückgängig machen kann, seinen Körper und seine Organe der Wissenschaft zur Verfügung zu stellen.

In den Vereinigten Staaten ist die Situation noch unbefriedigender. Sie wird gewöhnlich durch die >Local Coroner's Act< (etwa >örtliches Leichenbeschauergesetz<) oder, wie sie auch oft heißt, >Medical Examiner's Act< geregelt. Diese Bestimmungen gestatten dem Chirurgen nur dann eine Sektion, wenn die nächsten Verwandten ihr Einverständnis gegeben haben, mit Ausnahme solcher Spezialfälle, in denen es erforderlich ist, die Todesursache festzustellen, wie Mord, Selbstmord oder Seuchen.

Darüber hinaus ist es in den meisten Staaten ungesetzlich, die Erlaubnis für eine Autopsie einzuholen, bevor die betreffende Person gestorben ist. Noch nicht einmal der Patient selbst kann unwiderruflich seiner Sektion zustimmen, denn zusätzlich muß das Einverständnis der nächsten Verwandten eingeholt werden. Wie wir schon gesehen haben, hat der Chirurg wenig Zeit — höchstens einige Minuten —, um die Familienangehörigen zu fragen. Und sicherlich ist die Zeit unmittelbar nach dem Tod kaum der geeignete Moment, eine solche Frage auf zuwerfen. Dr. Francis D. Moore von der >Harvard University School of Medicine< hat das Problem klar gekennzeichnet: »Während man sich bemüht, die Erlaubnis zur Entnahme einer Lunge, einer Leber, eines Herzens, eines Auges oder einer Niere von einer gerade verstorbenen Person zu erhalten, beginnt die Temperaturkurve unerbittlich zu sinken, kaum hat der Kreislauf aufgehört. Jede Minute, die man damit verbringt, die Operationserlaubnis zu bekommen, jede Minute, die man mit Telefonieren quer durch das Land verbringt, bedeutet den Tod einer weiteren Million Zellen.«


3-76

Und er fügte hinzu: »Auf diesem Gebiet brauchen wir dringend die Hilfe der Gesetzgeber und der Juristen. Die ursprüngliche Zusage des Patienten, seiner Familie und seiner nächsten Verwandten sollte auch nach dem Tode verbindlich bleiben.«

Nach seiner Erfahrung geben die Familienangehörigen recht großzügig ihr Einverständnis. Die Verzögerung, die durch das Einholen der Erlaubnis entsteht, verschlechtert daher im allgemeinen die Aussichten des Empfängers völlig unnötig. Englische Chirurgen bestätigen dies.

Religiöse Gruppen erheben gelegentlich Einwände gegen lebensrettende Techniken. So widersetzen sich vor allem Jehova's Zeugen einer Bluttransfusion infolge einer wörtlichen, strenggläubigen Interpretation einer Stelle im zweiten Buch Mose, nach der »das Blut das Leben des Menschen ist«. Auch gegenüber Organtransplantationen könnten religiöse Bedenken angemeldet werden, obwohl mir bisher noch kein derartiger Fall bekannt geworden ist. Normalerweise respektieren Chirurgen solche Skrupel, jedoch nicht, wenn Eltern einen lebensrettenden Eingriff bei ihrem Kind ablehnen.

Würden beispielsweise Eltern ihr Kind aus religiösen Motiven auf einem Altar opfern (wie seinerzeit Abraham willens war, seinen Sohn Isaak zu opfern), dann würde sicher der Staat einschreiten. Aufgrund solcher Überlegungen bemüht man sich heute, eventuelle Einsprüche von Eltern für ungültig zu erklären. Gewöhnlich versucht ein Gericht — wenn es die Zeit erlaubt —, die Vormundschaft für ein solches Kind zu übernehmen. Das Gericht gestattet dann die notwendige Transfusion oder den erforderlichen Eingriff. In den Vereinigten Staaten allerdings wurden widersprüchliche Entscheidungen gefällt.

Aber das Problem des Einverständnisses ist nicht das einzige juristische Problem, das im Zusammenhang mit Transplantationsoperationen auftaucht.

Ein besonders interessanter Fall ereignete sich in England im Jahre 1963 in Newcastle. Ein Mann war bei einem Handgemenge auf den Boden geschleudert worden, rückwärts auf den Kopf gefallen und hatte sich dabei schwere Gehirnblutungen zugezogen. 14 Stunden nach seiner Einlieferung in ein Krankenhaus setzte seine Atmung aus, und man schloß ihn an ein Atmungsgerät an. 24 Stunden später wurde mit Zustimmung seiner Frau eine Niere entfernt, um sie einem anderen Patienten einzupflanzen. Er wurde von der Maschine abgehängt, und seine Atmung und sein Kreislauf hörten auf. Das Gericht mußte sich nun mit der Frage beschäftigen, ob die Entfernung der Niere den Tod des Verletzten verursacht hatte. Der Chirurg gab zu Protokoll, daß der Tod unvermeidlich war und daß man den Mann nur an das Atemgerät angeschlossen habe, um seine Niere entfernen zu können.


3-77

Daraufhin klagte der Staatsanwalt den Raufkumpanen, der den Verletzten zu Boden geschleudert hatte, wegen Totschlags an. Hier lagen die Verhältnisse klar auf der Hand. Aber es könnte in der Zukunft sicher Fälle geben, in denen das Gericht nicht überzeugt sein wird, daß der Tod unvermeidlich war. Das Leben eines Menschen hängt dann von der richterlichen Entscheidung ab.

Neben den rein juristischen Problemen haben sich neuerdings auch die Chirurgen selbst um die Klärung ihres ethischen Standpunkts bemüht. Einige Chirurgen weigerten sich beispielsweise, Organe lebender Personen zu entnehmen, und beschränkten sich ausschließlich auf Leichen. Ihrer Meinung nach verbietet der hippokratische Eid grundsätzlich, irgend jemandem Schaden zuzufügen.

Gleichzeitig belastet sie ein viel trivialeres Problem, nämlich die Gefahr der Erpressung, der ein möglicher Spender ausgesetzt sein könnte. Ein Arzt berichtet, daß ein zur Operation vorgesehener Spender nach der Untersuchung, in der es sich herausstellte, daß er nicht für die Transplantation geeignet war, erleichtert gemurmelt habe: »Jetzt kann die Familie nicht mehr sagen, ich hätte es nicht probiert.« Wenn ein Spender offensichtlich nur ungern bereit ist, schützen ihn die Mediziner meist mit einem Gutachten, das seine Untauglichkeit bescheinigt. Gelegentlich handeln spendenwillige Personen unter einem neurotischen Zwang zur Selbstaufopferung; daher bestehen die Chirurgen zumeist auf einer psychiatrischen Begutachtung des Spenders.

Abgesehen von der gesetzlichen Regelung gibt es schwierige ethische Probleme in solchen Fällen, wo sich Leute in einer besonderen Zwangslage befinden. Dr. Alex Comfort meint, daß man Häftlinge bitten könnte, eine halbe Leber abzugeben, um dafür eine Haftverkürzung einzuhandeln. 1963 erlaubte man einem zu lebenslänglicher Haft verurteilten Mörder, sich als Empfänger für die erste jemals versuchte Lungentransplantation zur Verfügung zu stellen (University of Mississippi, Medical Center). Der Gouverneur schlug vor, sein Urteil zu revidieren und ihm völlige Amnestie zu gewähren — obwohl man ihn diese Begründung nicht wissen ließ —, aber er starb nach 18 Tagen. Allerdings ist dies eigentlich kein Analogiefall, denn er hatte sich ja dem medizinischen Experiment zur Verfügung gestellt, ohne daß man ihm eine Belohnung angeboten hätte. Andere Autoritäten haben nachdrücklich den Standpunkt vertreten, Häftlinge dürften überhaupt nicht als Organspender aufgerufen werden, da sie sich, auch wenn keine Belohnung ausgesetzt ist, unter einem Zwang fühlen und im Fall der Absage nachteilige Folgen befürchten müßten.


3-78

Selbst wenn in fortschrittlichen und zivilisierten Ländern ein solches Verfahren — selbstverständlich mit der gewissenhaftesten Sorgfalt — durchführbar wäre, bestände in anderen Ländern oder unter gewissenlosen Regimen die Gefahr eines Mißbrauchs, der schwere Ungerechtigkeiten im Gefolge hätte.

Manche mögen auch in der Entnahme von Organen aus Tieren ein moralisches Problem sehen. Allerdings werden ihnen hier die Mediziner und Chirurgen kaum folgen, da heute schon ganze Herden von Tieren, vor allem Affen und besonders Schimpansen, geopfert werden, um beispielsweise Impfstoffe herzustellen. Die öffentliche Meinung allerdings neigt dazu, weniger logisch zu denken. Es ist gefühlsmäßig sicher ein Unterschied, ob man eine Affenniere mit sich herumschleppt oder sich eine Injektion Affenpolioimpfstoff geben läßt. Tierschutzvereine könnten gerade hier einen neuen Versuch unternehmen, ganz allgemein Tierexperimente einzuschränken oder zumindest nur die Experimente zuzulassen, die sich mittlerweile ohnedies eingebürgert haben.

Zusätzlich zu den echten ethischen Problemen gibt es Scheinprobleme, die auf irrationalen Vorurteilen beruhen, wie beispielsweise rassische Voreingenommenheit. In sechs Südstaaten der USA ebenso wie in Südafrika halten die Blutbanken ihre Vorräte an »weißem« und »schwarzem« Blut voneinander getrennt, und es gibt dort zahlreiche Weiße, die es ablehnen würden, »schwarzes« Blut bei einer Transfusion zu erhalten. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß solche Leute noch stärkere Bedenken gegen eine schwarze Niere oder gar gegen ein schwarzes Herz hätten. Es wird die Aufgaben künftiger Organbanken sicher nicht erleichtern, wenn sie getrennte Vorräte an »weißen« und »farbigen« Organen anlegen müßten.

Die Chirurgen selbst empfinden die unnötigen Belastungen mehr, als dieser Bericht vielleicht erkennen läßt. »Wir können das Gesetz nicht verstehen«, beklagt sich Dr. Calne, und Dr. Hamburger, der führende französische Transplantationschirurg, meinte: »Je einfacher die technischen Entscheidungen werden, um so schwieriger fallen uns die moralischen.« Dr. Murray äußerte etwas emphatisch: »Dies ist eine neue Ära mit einem ganzen Schwung neuer Probleme.« Eines ist aber klar: die neuen technischen Fähigkeiten stellen die Mediziner durchweg mehr vor menschliche als chirurgische Probleme. Übermenschliche Weisheit und Geduld, Einsicht und Einfühlungsvermögen müßten mit den übermenschlichen neuen Methoden Hand in Hand gehen.

Auch die Religionen werden herausgefordert, und die Kirche sollte nicht mehr so lange mit ihrer Meinungsbildung zögern, wie sie es im Falle der Geburtenregelung getan hat.


3-79

Unentschiedenheit wird einen weiteren Verlust an Autorität bedeuten; Achtung und Anerkennung können nur durch entschlossene und angemessene Richtungsweise gewonnen werden. Dies gilt für das sehr spezielle Feld der Transplantationschirurgie, aber wir können sicher sein, daß es ebenso zutrifft für andere kommende Probleme wie beispielsweise die neuen Methoden, das Altern zu verhindern oder das Bewußtsein zu kontrollieren. Wir werden in den späteren Kapiteln noch genauer darauf zu sprechen kommen.

Bisher haben wir nur die offensichtlichsten medizinischen Anwendungen diskutiert, Anwendungen, die eigentlich schon zu unserem Alltag gehören. Aber in nicht allzu weiter Zukunft zeigen sich weit aufregendere Möglichkeiten.

 

  4  Zukunftsvision  

 

Die Entdeckung wirkungsvoller Methoden, die Immunabwehrreaktion zu unterdrücken, würde sofort zu einem entscheidenden Durchbruch an der Transplantations­front führen. Die Nachfrage nach geeigneten Organen würde derart ins Ungeheure steigen, wie man es sich kaum vorstellen kann. Und trotzdem werden bisher keine Vorbereitungen getroffen, den Schock aufzufangen.

Mögliche Kandidaten für Transplantationsoperationen kommen in erster Linie aus dem Riesenheer der Verletzten nach Auto- oder Flugzeugunfällen, Betriebsunfällen in Industrie und Haushalt, ganz zu schweigen von Kriegsverletzungen. Wenn wir uns daran erinnern, daß allein in den Vereinigten Staaten in jedem Jahr 10 Millionen Verletzungen mit zeitweiliger totaler Arbeitsunfähigkeit registriert werden, zusätzlich zu den 400.000 lebenslänglichen Krüppeln, dann können wir uns eine Vorstellung davon machen, wie phantastisch die Nachfrage einmal sein wird. Zu diesen ohnedies schon großen Zahlen können wir zweifellos die 100.000 Verletzten hinzurechnen, die heute »noch« ihren Verletzungen erliegen.

In zweiter Linie kämen dann die »medizinischen« Fälle. Die wichtigsten Krankheiten des Herzens, des Kreislaufes und der Nieren töten allein eine Million Menschen pro Jahr. Würden sich auch nur 10 Prozent davon zu Transplantationsoperationen eignen, wäre der Bedarf astronomisch, und keine existierenden, aber auch keine in der Planung befindlichen Organisationen könnten ihn auch nur einigermaßen decken. Möglicherweise sind diese Schätzungen immer noch zu niedrig. Professor Woodruff äußert daher vage, daß die Nachfrage nach Lungen und Lebern hoch sein werde, »nach Herzen jedoch sehr hoch«. Ein Mann mit einem Herzinfarkt wäre gut beraten, wenn er sich sein schwer angeschlagenes Herz ersetzen ließe, bevor es endgültig den Pumpverkehr einstellt, da sonst eine nicht wiedergutzumachende Schädigung des Gehirns eintreten kann.


4-80

Ich glaube, wir werden damit rechnen müssen, daß Transplantationen auch prophylaktisch durchgeführt werden, um eine Erkrankung zu verhindern, genau wie wir ja auch Autoreifen ersetzen, bevor sie abgefahren sind.

Die Transplantationschirurgie könnte daher eine wirkungsvolle Waffe im Kampf gegen das Altern werden. Organe würden routinemäßig entfernt, wenn sie eine bestimmte Laufzeit im Organismus hinter sich haben. Für diese Zwecke könnten auch künstliche Organe implantiert werden. 

Nicht verschwiegen sei allerdings, daß ein führender britischer Gerontologe, Dr. Alex Comfort, keineswegs dieser Meinung ist. Nach seiner Überzeugung werden die Möglichkeiten, mit solchen Ersatzteiloperationen Altersschäden zu beheben, wesentlich überschätzt, denn »Altern ist gewöhnlich ein allgemeiner Verlust der Kräfte, in dem einzelne Organe vorangehen«

Wir können einfach nicht den ganzen Organismus von Grund auf überholen, und außerdem wäre es denkbar, daß neue Organe andere gealterte Originalorgane schädigen, wie es jeder Radiobastler erfährt, der in ein altes Gerät neue Kondensatoren einbaut. Trotzdem wird ein herzkranker Mann nicht deswegen vor einer lebensrettenden Operation zurückschrecken, weil er im nächsten Jahr mit einem anderen Organ Ärger bekommen kann. Es lohnt sich für die meisten Menschen, auch nur ein einziges Jahr einzuhandeln. Die Transplantationschirurgie hat demnach die weitere Konsequenz, daß wir mehr Altersheime oder ähnliche Einrichtungen als heute brauchen werden.

Neben diese medizinisch lohnenden Operationen lassen sich eine ganze Reihe weniger dringlicher Fälle stellen, die aber eine wichtige Rolle spielen könnten, wenn entsprechende Einrichtungen einmal zur Verfügung stehen. Ganz offensichtlich wird man Verpflanzungen von Eierstöcken und Hoden wünschen, vorausgesetzt, es würde damit eine dauernde Wiederherstellung sexueller Funktionen erzielt. Sehr wahrscheinlich werden auch die kosmetischen Operationen zunehmen, die heute noch wesentlich dadurch eingeschränkt sind, daß man Gewebe vom gleichen Körper übertragen muß. Zum Beispiel ist es immer noch schwierig, neue Ohrmuscheln zu formen. In der Zukunft könnte man vielleicht in einer Gewebebank — einer Art medizinischem Supermarkt — genau das Paar aussuchen, das man gerne hätte. Heute schon meinen einige Frauen, daß es sich lohne, für eine kosmetische Operation der Brüste Geld auszugeben, wobei allerdings in Ermangelung geeigneter Ersatzgewebe synthetisches Silikon in die Brüste einoperiert wird.


4-81

Man hörte kürzlich, daß eine Nachtklubsängerin ihr Einkommen beträchtlich erhöhte, nachdem sie sich einer Operation unterzogen hatte, bei der ihre Oberweite auf 112 cm aufgepumpt wurde. Bei der Einpflanzung von Kunststoffen treten aber leicht ungünstige Körperreaktionen auf, die künstlichen Stützgewebe können zerstört oder vom Organismus aufgenommen werden. Die Einpflanzung natürlicher Brüste könnte daher eines Tages die bevorzugte Methode sein.

Andere Anwendungsmöglichkeiten lassen sich denken, zum Beispiel die geschlechtsverändernde Chirurgie. Zusätzlich jedoch zu den drei großen Hauptgruppen von Transplantationsoperationen — bei Krankheit, Unfall und zur Verschönerung — gibt es noch andere, recht bizarre Möglichkeiten. Der offenkundige Endpunkt einer solchen Entwicklung ist die totale Rekonstruktion des menschlichen Körpers. Ausgehend von einem Rumpf könnte man die Arme von einer Leiche, die Füße von einer anderen, die Leber von einer dritten, Nieren von einer vierten entnehmen und diesem Rumpf ansetzen. In Kriegszeiten wäre so etwas schon denkbar. Eine Militärmacht könnte es für wert befinden, Soldaten auf diese Weise zu »kannibalisieren«, so wie man im Zweiten Weltkrieg vor allem in Nordafrika Panzer und Lastkraftwagen kannibalisiert hatte. Die Kosten würden normalerweise eine solche Operation verhindern, aber wenn der Nachschub an Soldaten ausbleibt, könnten sich derartige Anstrengungen lohnen; vielleicht weniger für »gemeine« Soldaten als für Spezialisten mit besonderer Intelligenz, besonderen Geschicklichkeiten und Kenntnissen. Wenn man einen Blick in die ferne Zukunft wagt, mag man sich durchaus vorstellen, daß auf einem entfernten Planeten eine Kolonie von Menschen in Nachschubschwierigkeiten geraten ist und daher unbedingt einen Spezialisten am Leben erhalten will.

Ein oder zwei »Normalmenschen« werden geopfert, um die Operation zu ermöglichen, ganz nach Art einer von Wölfen bedrohten Reisegesellschaft. Auch hier wurde wohl manchmal gelost, wer den Wölfen geopfert werden soll, um die Überlebenschancen für die anderen zu erhöhen.

Kannibalisierung mit Menschen wird wahrscheinlich nur selten vorkommen, aus naheliegenden ethischen Gründen, aber solche Schranken würden kaum bestehen, wenn es sich um Tiere handelt. 

Das Experiment, einem Tier menschliche Glieder anzuhängen, wird wohl sicherlich probiert werden. Wenn man später dann — wie ich noch beschreiben werde — Mittel und Wege finden wird, um die Intelligenz von Affen und anderen Tieren zu erhöhen, könnte eine große Nachfrage nach Tieren einsetzen, um sie als Sklaven zu irgendwelchen einfachen Arbeiten heranzuziehen. Im Grunde wäre dies nur eine Erweiterung der alten Übung, Pferde zum Reiten oder zu schweren Arbeiten einzusetzen.


4-82

Die Aufgaben einer technologischen Zivilisation erfordern Hände mit Fingern, die einen Knopf drücken können, und für viele Handgriffe ist ein gegen­ständiger Daumen Bedingung. Es erscheint daher logisch, Affen mit menschlichen »Abfallhänden« auszurüsten. Wenn dann vielleicht auch weniger hochstehende Tiere — wie Hunde — sich für solche Aufgaben als geeignet erweisen sollten, könnte man diese Tiere mit menschlichen Armen oder sogar Füßen versehen. 

Bisher haben es Chirurgen vermieden, menschliche Organe auf Tiere zu übertragen, zweifellos aus Furcht vor der öffentlichen Meinung, doch dürfte es auch schwer sein, die Erlaubnis für solche Experimente zu bekommen. Trotzdem könnte man aus solchen Operationen viel über die Immunabwehrmechanismen lernen, besonders deshalb, weil niedrigere Tiere offensichtlich ein weniger kompliziertes und weniger trennscharfes Immunsystem besitzen als der Mensch. Würde es irgendwelche wirtschaftlichen oder technischen Vorteile bringen, einen menschenhändigen Affen zur Hand zu haben, würde man sicherlich solche Affen »herstellen«. Es wäre wissenschaftlich interessant, zu erfahren, wie das Gehirn eines Affen mit einer menschlichen Hand zurechtkommt. Vielleicht werden einmal intelligente Affen in Industriebetrieben und bei Raumfahrtprojekten eingesetzt werden. Vielleicht trainiert man dann Affen, um sie im Katastrophenfall in radioaktiv verseuchte Gebiete zu schicken, wo sie beispielsweise Apparaturen auszuschalten haben. In einem solchen Fall könnte die menschliche Hand dem Affen wesentliche Vorteile bringen.

In der Endphase wird es Kannibalisierung quer durch alle Tierarten geben. Ein Affenarm an einem Känguruh mit einem Hundekopf könnte zu einem »Tier« führen, das rasch große Entfernungen zurückzulegen vermag, um irgendeine Spezialarbeit zu erledigen. Und wenn es stimmt, daß Delphine eine beinahe menschliche Intelligenz haben, dann könnten sie Hände als eine willkommene Bereicherung empfinden. Man braucht sich nicht damit zu bescheiden, die konventionellen Bein- und Armpaare anzumontieren. Entsprechend der menschlichen Determination sind verschiedene Mischkörper vorstellbar. Ein Athlet wäre möglicherweise für ein zweites zusätzliches Herz dankbar, und jeder, der einmal versucht hat, zwei Drahtstücke aneinanderzulöten, wird entdeckt haben, welche Vorteile zwei Handpaare bieten. Sogar Hausfrauen wünschen sich oft mehr als zwei Hände, aber wohl kaum im Ernst.

Der Fachausdruck für solche aus verschiedenen Tierarten zusammengesetzten Tiere ist Chimäre, ein Wort, das die Griechen für eine Synthese aus Ziege, Löwe und Schlange prägten — ein Produkt ihrer Phantasie, wie auch Kentaur und Sirene. In den nächsten Jahren könnten wir diese Mischwesen vielleicht leibhaftig sehen.


 4-83

Die Phantasie scheut vor der Vorstellung eines Affen mit menschlichen Händen zurück; alle Abweichungen von der natürlichen Norm bewirken zunächst einen solchen Effekt. Europa war zuerst über das Rhinozeros (Nashorn) oder Känguruh schockiert. Heute sind diese Tiere für uns ganz »normal«, und die Einwände gegenüber künstlichen Chimären werden wahrscheinlich auch langsam verschwinden, sobald diese Mischwesen zu unserer täglichen Umgebung gehören werden.* 

Es wird der Menschheit wahrscheinlich schwerer fallen, eine noch extremere Möglichkeit zu akzeptieren, nämlich die Erzeugung künstlicher Symbionten. Es ist heute durchaus möglich, das Kreislaufsystem zweier Säugetiere und auch zweier Menschen miteinander zu koppeln. Heute sind die Motive zur Herstellung solcher Doppelbildungen allein wissenschaftlicher Natur. Doch mögen in ferner Zukunft durchaus praktische Gründe existieren, um mehrere Einzeltiere in ein einziges System zusammenzuschweißen, nach Art der miteinander verwachsenen Zwillinge und Mehrlinge. Wahrscheinlich wird das Zusammenkoppeln von mehreren Gehirnen zu einem Supergehirn eher praktische Bedeutung erhalten als die bloße Verknüpfung ganzer Körper. In Kapitel 5 kommen wir noch einmal darauf zurück.

Völlig klar ist jedoch, daß die Transplantationschirurgie eine Riesenindustrie werden kann, begrenzt lediglich durch den Mangel an geübten Chirurgen. Dieses biomedizinische Gebiet ist eines der großen Wachstumsbereiche der Zukunft. Eine biomedizinische Industrie wird sich bilden, deren Aktien die gewinnbringenden Geldanlagen der Zukunft sein werden, wie heutzutage die Aktien der elektronischen oder pharmazeutischen Industrie. Das öffentliche Interesse an solchen Institutionen wird die Mediziner enorm belasten, und natürlich auch die staatlichen Gesundheitsorganisationen in den Ländern, in denen sie existieren. All dies wird drastische Änderungen in der Ausbildung der Ärzte erforderlich machen. Wenn wir versagen und diese Änderungen nicht schnell genug herbeiführen, könnte die Biomedizin zu einem entscheidenden politischen Faktor der Zukunft werden.

* Anmerkung des Übersetzers: Es sei nicht verschwiegen, daß es heute schon sogenannte Strahlungs-Chimären gibt. Das sind Tiere, deren eigenes Immunsystem durch Bestrahlung ausgeschaltet wurde und denen man Immunzellen von einem Tier eines anderen Stammes übertragen hatte. Die Körperzellen einer solchen Maus gehören daher zu einem anderen Tierstamm als die Immunzellen. Äußerlich allerdings sehen die Mäuse völlig normal aus.


5-84

  5  Künstliche Organe  

 

Parallel zu den Bemühungen, natürliche Organe zu verpflanzen, entwickelt man auch künstliche Organe. Gegenwärtig muß man sich allerdings auf Knochen, Zähne und Arterien beschränken; mit künstlichen Herzen wird allenfalls experimentiert. Aber man braucht seine Phantasie nicht zu überanstrengen, um zu erkennen, daß dies alles nur der Anfang einer längeren Entwicklung ist, die schließlich zur routinemäßigen Verpflanzung künstlicher Organe aller Arten führen mag.

Bis heute allerdings wurde eine rasche Entwicklung auf diesem Gebiet verzögert, weil der Körper nicht ohne weiteres Implantate aus anorganischem Material oder Kunststoffen toleriert. Oft finden lokale Reaktionen statt, und der Körper versucht, das Implantat mit einer Bindegewebshülle einzukapseln. Dies ist durchaus eine »vernünftige« Verteidigungsmaßnahme, wenn der Fremdkörper ein Granatsplitter oder ähnliches ist, aber sie ist ungemein lästig, wenn es sich um ein implantiertes Organ handelt. In einigen Fällen kommt es zur Blutgerinnung: Blut ist ein sehr empfindlicher Saft, der schon bei der Berührung mit ganz gewöhnlichem Glas anfängt zu gerinnen. Daher muß zum Beispiel auch das durch Herz-Lungen-Maschinen gepumpte Blut durch Zusätze am Gerinnen gehindert werden.

Die Erfindung der Silikon-Kunststoffe mit ihrer merkwürdig schlüpfrigen Oberfläche und der Tetrafluoräthylene — bekannter unter dem Namen Teflon — bedeutete einen entscheidenden Durchbruch. Diese Materialien werden vom Körper gut vertragen, und ohne Zweifel werden im Laufe der Zeit immer bessere Kunststoffvarianten gefunden werden. Nur durch Kunststoffe sind künstliche Arterien und dann auch einmal künstliche Herzen möglich. Rostfreier Stahl und Keramikmaterialien bleiben für die Fälle reserviert, in denen es auf Stärke und Starrheit ankommt, beispielsweise bei Gelenken und bei Kieferknochen. Es ist schwer vorherzusagen, ob die künstlichen Organe mit den natürlichen in Konkurrenz treten werden, und wenn ja, wann. Die Antwort hängt davon ab, ob der Nachschub an natürlichen Organen ausreicht und die Lagerungsprobleme gelöst werden. Auch vernünftige juristische Regelungen für die Entnahme von Leichenmaterial müßten zuvor getroffen werden. Schließlich könnte auch die öffentliche Meinung ein gewichtiges Wort mitreden, ob nicht lieber tierische Organe verwendet werden sollten. .

Etliche Jahre werden vergehen, bevor man weiß, welches Material am dauerhaftesten ist. Die mechanischen Organe können zwar nicht »krank« werden, aber sie werfen spezifische Probleme auf und werden, wie jede Maschine, ihren Wartungsdienst brauchen.


  5-85

Trotzdem könnten einige dieser Ersatzorgane so weit fortentwickelt werden, daß sie den natürlichen Organen in mancher Hinsicht überlegen wären. Ein Metallherz wird wahrscheinlich eine größere Pumpleistung haben als ein normales Herz, was beim Leben in großer Höhe oder bei dauernder Schwerarbeit von Vorteil wäre. Eines schönen Tages ist ein Sportler mit einem Metallherzen, vielleicht zusätzlich zu dem alten echten, seinem nicht aufgewerteten Opponenten absolut überlegen, womit sich ganz neue Perspektiven für den Sport ergeben. Ein solches Herz könnte auch Menschen helfen, unter extremen Bedingungen, beispielsweise im Weltraum, irgendwelche technischen Arbeiten durchzuführen. Ebenso wären bessere Lungen von Vorteil. In den >General Electric's Schenectady<-Forschungs-laboratorien wird gegenwärtig eine Lunge entwickelt, die auch unter Wasser arbeitet, was etwa die Besatzung von Atom-U-Booten interessieren mag.

Es wäre jedoch phantasielos anzunehmen, daß die Konstrukteure künstlicher Organe es dabei bewenden ließen, die natürlichen Organe zu imitieren. Sie werden sicher versuchen, einige Verbesserungen einzuführen und vielleicht sogar völlig neue zu erfinden. Benötigt man etwa eine künstliche Hand, so könnte es durchaus sein, daß man mit sieben Fingern oder auch mit zwei Daumen aus dem Krankenhaus kommt, vorausgesetzt, daß es vorteilhaft ist. Auch könnte man daran interessiert sein, austauschbare Hände herzustellen, die man einfach an- und absteckt; zum Schwimmen würde man ein Paar mit Schwimmhäuten anlegen, und um Kohlen aus dem Feuer zu holen, die Nichtbrennbaren.

Heute schon arbeitet man an einem Muskelsystem, das menschliche Muskeln bei weitem übertrifft. Im <Cornell Aeronautischen Laboratorium> in Buffalo in den Vereinigten Staaten wird für die US-Marine und für die Luftwaffe ein »Menschen-Verstärker« entwickelt. Wie ein Krebs, der sein Skelett außerhalb seines Körpers trägt und nicht wie wir tief innen, so trägt auch ein »verstärkter« Mensch ein Stahlaußenskelett, das von hydraulischen Motoren anstelle von Muskeln angetrieben wird. Innerhalb des Stahlskeletts befindet sich ein leichter Rahmen, mit Fühlern ausgestattet, die seine Bewegungen abtasten und sie auf das äußere Stahlskelett übertragen, das dann den Bewegungen des Armes unmittelbar folgt. Die vorläufigen Konstruktionen erlauben einem Menschenverstärker, eine halbe Tonne mit jeder Hand aufzuheben. Schließlich aber werden diese starken Männer mit noch schwereren Lasten fertig werden: ein Auto mit einer Hand aufzuheben, ist dann ein Kinderspiel.


5-86

Die meisten Kraftmaschinen beruhen heute auf schnellen Drehbewegungen (gleichgültig ob es sich um Gasdruckmaschinen oder elektrische Motoren handelt), die bei niedrigen Tourenzahlen eine sehr geringe Leistung entwickeln. Muskeln arbeiten dagegen auch bei langsamen Geschwindigkeiten mit beträchtlichem Nutzeffekt und geradlinig statt kreisförmig. Die hydraulischen Einheiten, die heute für den Prototyp des Verstärker-Mannes verwendet werden, sind noch äußerst primitiv. Aber am >Weizmann-Institut für Wissenschaftliche Forschung< in Israel werden schon künstliche Muskeln erprobt, die sich kontrahieren wie richtige Muskeln. Weitere Forschungen in dieser Richtung werden ohne Zweifel zu einem geeigneten Material für den Antrieb der Außenskelette führen, und so ganz nebenbei wird man es auch für Armprothesen bei Amputierten benützen können.

 

Entwicklungen dieser Art haben einige Propheten veranlaßt, von ganz neuen Beziehungen zwischen Mensch und Maschine zu sprechen — Beziehungen, in denen die beiden so miteinander gekoppelt sind, daß sie ununterscheidbar werden. Das Wort »Cyborg« — Kybernetischer Organismus — wurde für solche Bastarde geprägt. Der entscheidende Unterschied zwischen einem Cyborg und einem klassischen Werkzeug liegt darin, daß hier zum erstenmal die »Verständigung« zwischen Mensch und Maschine in beiden Richtungen läuft. Die Maschine empfängt nicht nur die Richtlinien vom Menschen, sondern sie informiert den Menschen auch darüber, welche Bedingungen sie gerade antrifft, genauso wie es echte Füße und Hände tun.

Ralph S. Mosher von >General Electric< bevorzugt den Ausdruck CAM-Konzept, eine Abkürzung für kybernetische anthropomorphe Maschinen. Für seine Firma baute er den »Handyman«, eine Maschine, die, mit zwei Armen und Händen versehen, in einem größeren Maßstab alles das tut, was die Arme und Hände ihres Meisters gerade tun. Jede Hand verfügt über ein Programm von 10 voneinander unabhängigen Bewegungen, aber das entscheidende Konstruktionsmerkmal liegt darin, daß die mechanischen Muskeln dem Techniker alle Widerstände melden, auf die sie stoßen.

Ein Roboter ohne eine solche Rückmeldung würde wahrscheinlich bei dem Versuch, eine Tür zu öffnen, den Türgriff abreißen. Um eine Tür zu öffnen, muß nämlich die Hand dem Bogen des Türgriffs folgen. Der Roboter einer anderen Firma, der nicht über einen solchen Meldemechanismus verfügte, stieß bei dem Versuch, einen Knopf zu drücken, die ganze Wand um. »Handyman« kann ein Springseil schwingen, obwohl man bei dieser »Kunst« aus dem sich ändernden Seilzug herauszufinden hat, wann wieder mehr Energie in das Seil hineingesteckt werden muß, was ein Roboter ohne Rückkopplung sicher nicht zuwege brächte. Als ich Dr. Mosher besuchte, sah ich, wie »Handyman« ein kleines Mädchen aufhob und es wieder absetzte. Ein Roboter ohne Rückmeldung hätte es wohl zerdrückt oder durch die Decke gestoßen.


  5-87

Vom Erfolg des »Handyman« angefeuert, baute >General Electric< jetzt für die US-Armee einen »Pedipulator«*, eine Fußmaschine, die es ihrem Träger ermöglichen soll, Riesenschritte über Land zu machen, nach Art eines gigantischen Stelzenlaufes. Im Gegensatz aber zu Stelzen werden die neuen Metallfüße über Knie und Knöchel verfügen und melden dem Läufer, wie es jeweils um die Balance steht. Für die Zukunft denkt man schon an kombinierte Geh- und Greifmaschinen, mit denen ein Mensch durch Flüsse schwimmen und sich von Ast zu Ast schwingen kann. Aber eigentlich sind dies alles keine Maschinen mehr, denn sie funktionieren nur, wenn ein Mensch die entsprechenden Bewegungen macht, sie sind »Mensch-Verstärker«.

Unter gewöhnlichen Bedingungen wird wohl ein Mensch kaum das Bedürfnis verspüren, länger in diesen Arbeitskorsetten zu stecken als notwendig. Aber auf einem fremden Planeten hätte ein Astronaut schon über einige Wochen mit ihnen zu leben. Statt einen Menschen in eine plumpe und schwere Raumfahrer-montur zu stecken und ihn dann in ein Fahrzeug klettern zu lassen, könnte es sehr viel vernünftiger sein, seinen Raumanzug gleichzeitig als Werkzeug und Fahrzeug auszurüsten. Auf dem Mond ist das Gewichtsproblem nicht vordringlich — er hat ja eine wesentlich kleinere Gravitationskraft als die Erde —, aber auf einem großen Planeten wären gewöhnliche Raummonturen zusammen mit der Sauerstoffausrüstung so schwer, daß sich der Astronaut nicht mehr bewegen könnte. Mit gewohnter Präzision hat H. G. Wells diese Entwicklung vorausgesehen: in <The War of the Worlds> sind die Marsbewohner spinnenähnliche Wesen, die fast ihre ganze Zeit in dreibeinigen »Pedipulatoren« verbringen.

Die zweite Entwicklungslinie, die für das Konzept der »Cyborge« wichtig wurde, ist der zunehmende Einsatz mechanischer Prothesen. Die riesigen künstlichen Nieren und auch die massigen Herz-Lungen-Maschinen unserer Tage müssen zwar noch außerhalb des Körpers bleiben, aber man könnte sie in »Verstärker-Maschinen« einbauen und dadurch dem Träger seine verlorene Beweglichkeit wieder zurückgeben. Dem teilgelähmten Patienten würde man so wieder zum Gehen und anderen Aktivitäten verhelfen.

Ebenso wurden in den letzten paar Jahren die ersten künstlichen Arme konstruiert, die durch Muskelströme ihres Trägers gesteuert werden. Der Träger denkt einfach daran, den Arm zu heben, und schon geht der künstliche Arm in die Höhe. Wenn das ursprüngliche Glied sehr weit oben amputiert wurde, so daß man auch die bewegenden Muskeln mit entfernen mußte, so können die Signale von anderen Muskeln übernommen werden.

* pes lat. Fuß


5-88

Ein Patient müßte dann beispielsweise daran denken, mit den Schultern zu zucken, wenn er seinen Arm heben will, aber das menschliche Gehirn gewöhnt sich sehr leicht an zunächst ungewohnte Situationen. Genau wie bei den »Muskel-Verstärkern« ist der begrenzende Faktor bei diesen muskelelektrischen Prothesen das Fehlen einer wirklich brauchbaren Energiequelle. Hauptsächlich werden heute Gasflaschen mit komprimierten Gasen verwendet, aber sie sind natürlich recht schwer und halten nicht lange vor. Doch wird die Energiespeicherung ständig verbessert, so daß diese Probleme wahrscheinlich in absehbarer Zeit gelöst sind.

Wenn man die beiden Konzepte zusammennimmt — den CAM und die muskelelektrische Steuerung —, so entsteht ein Mensch, der in einer solchen Maschine steckt, die all das tut, was er gerade denkt, ohne daß er einen einzigen Muskel krümmen müßte. Die Maschine wird in einem viel wörtlicheren Sinne als bisher zu einer Erweiterung des Menschen. Darüber hinaus zeigt sich hier eine Hoffnung für gelähmte Patienten, und Menschen, die nach einem Schlaganfall nicht zu heilen sind, werden vielleicht auf längere Zeit eine Art von Metallkörper beziehen können. Weit extremere Zukunftsvisionen tauchen auf. Selbst das Gehirn ließe sich in einen derartigen Metallkörper einsetzen (Kapitel 6 zeigt, daß es heute schon gelingt, Gehirne außerhalb des Körpers am Leben zu erhalten).

Mit den nötigen Versorgungsleitungen für Blut und Lymphe versehen, wäre es unbegrenzt lebensfähig, bis es schließlich die eigene Senilität übermannt. Man könnte es die »Totale Prothese« nennen. Solche Entwicklungen liegen sicher noch über ein Jahrhundert entfernt, doch lassen sie sich kaum als reine Hirngespinste abtun. Sicherlich werden dadurch neue ethische und vor allem soziale Probleme auftauchen. Wäre es Mord, einem Bittenden eine Gehirnoperation zu verweigern? Und Selbstmord, sie nicht selber zu verlangen? Auf unsere Gesellschaft kommen ungeheuer kostspielige Verpflichtungen zu, dabei sterben wir heute im Zeitalter der künstlichen Niere und anderer lebenserhaltender Maschinen schon nicht gerade billig.

Eine Variante dieser Konstruktionsmöglichkeiten wird gegenwärtig innerhalb des Raumfahrtprogramms untersucht: die sogenannten »Sklaven oder Roboter-Doubles«. Sie beruhen auf der Idee, die eben beschriebenen Robotermaschinen mit einem Radio auszustatten. Die Radioverbindung kann Ton- und Lichtsignale übermitteln, dem Sklaven Instruktionen senden und dem Astronauten zugleich Rückmeldungen erstatten. Ein Techniker könnte dann in seinem Raumfahrzeug sitzen bleiben, während der Sklave draußen irgendeiner Arbeit nachgeht, eine Reparatur durchführt oder Bauteile zusammensetzt.


  5-89

Die Vorteile sind beträchtlich: das Roboter-Double braucht keinen Sauerstoff, muß nicht klimatisiert sein und ist gegen Weltraumstrahlung weitgehend unempfindlich; die Gefahren für den Astronauten selbst verringern sich beträchtlich. Man könnte die Sklaven auch auf die Mondoberfläche schicken; sollte einer in eine Felsspalte fallen, so ließe er sich durch einen anderen ersetzen. William E. Bradley vom Institut für Verteidigungsanalysen in Washington, der Vater dieser Roboter-Doubles, hat ihnen den Namen »Telefaktor« gegeben.

Da Radioimpulse doch eine gewisse Zeit brauchen, um vom Mond zur Erde zurückzukommen, wäre die Steuerung der Mondsklaven von der Erde aus zu schwerfällig. Aber Satelliten oder Fluggeräte ließen sich ohne weiteres von der Erde aus kontrollieren, die wiederum den Mondroboter steuern könnten. Sogar auf der Erde selbst wären solche Roboter sehr nützlich, vor allem bei Arbeiten unter starker Strahlenbelastung, die für den Menschen schädlich oder gar tödlich ist. Ein Teil der Entwicklungsarbeiten wurde aus eben diesen Gründen finanziert.

Kehren wir vom Weltraum zur Erde und von der Technik zur Medizin zurück.

Wahrscheinlich ist es eher möglich, dem Gehirn einen Sklaven an die Seite zu stellen, als ein Ersatzgehifn in einen funktionsfähigen menschlichen Restkörper zu transplantieren. Das Gehirn — das heißt das, was von dem Patienten übrigblieb — könnte dann in einer vollsterilen Umgebung ausruhen; es würde von möglicherweise immer noch klobigen Apparaturen versorgt und von medizinischem Personal ständig überwacht werden. Währenddessen ginge sein Roboter-Double zu Konferenzen, spielte Schach oder dinierte mit Freunden, wobei dauernd die entsprechenden Informationen dem Gehirn zurückgemeldet würden und der Sklave dessen Kommandos unmittelbar befolgte. Hoffentlich stehen bis dahin störungsfreie Radiofrequenzen zur Verfügung.

Wahrscheinlich werden die ungeheuren technischen Anstrengungen, die zur Durchführung einer solchen Aufgabe erforderlich wären, nicht mehr zu Lebzeiten irgendeines unserer Zeitgenossen unternommen werden. Doch ist es nicht ganz ausgeschlossen, daß ein wahnsinniger Diktator, der sich von einer schleichenden Krankheit befallen sieht — Krebs oder auch einfach Alter —, versuchen mag, mit solchen Methoden seine Diktatur zu verlängern. Ich glaube nicht, daß es schon heute gelingen könnte, denn die Entwicklung aller erforderlichen Apparaturen ist noch lange nicht abgeschlossen. Aber vielleicht sind in fünfzig Jahren die einzelnen Techniken bereits voll entwickelt, das heißt, perfektionierte Roboter-Doubles verrichten im Weltraum ihre Arbeit, und die Erhaltung lebender Gehirne außerhalb des Körpers ist zu einem Gemeinplatz geworden. Dann dauert es wohl nicht mehr lange, bis alle diese Techniken miteinander kombiniert werden.


5-90

Die früher aufgeworfene Frage nach dem Recht zu sterben, stellt sich von neuem. Das »ektopische« Gehirn (um ein Wort für eine Situation zu prägen, die wir heute noch nicht kennen: griech. ek = aus und topos = Ort: außerhalb seines natürlichen Platzes) eines paranoiden Diktators könnte sein Leben plötzlich unerträglich finden und seine Entscheidung bereuen. Aber seine Anhänger hielten seine fortdauernde Existenz politisch für unerläßlich — beispielsweise in Kriegszeiten — und lehnten es ab, ihm den »Hahn abzudrehen«, der seine Existenz erhält — eine Situation von klassischer Ironie.

Das »Cyborg-Konzept« enthält eine dritte Komponente: den Computer. Mensch und Maschine entwickeln hier eine Art intellektueller Beziehung, die man sich am besten mit einer Lernmaschine veranschaulichen kann. So hat man Computer eingesetzt, um Medizinstudenten die Kunst der Diagnose beizubringen. Computer legen den Studenten die Symptome vor, kommentieren ihre Antworten und stellen weitere Fragen, genauso wie ein richtiger Lehrer es tun würde. Zur Zeit werden solche Dialoge etwas mühsam über eine Schreibmaschine geführt; die Studenten schreiben ihre mutmaßliche Diagnose in die Maschine, und der Computer druckt seinen Kommentar aus. Doch schon in einem Vierteljahrhundert werden wir Computer haben, die gesprochene Fragen verstehen und die Antworten aussprechen können.

Diese Aspekte sind mit den bereits diskutierten im Zusammenhang zu sehen. Dem Computer lassen sich im Prinzip Roboter-Doubles an die Seite stellen, oder man kann sie direkt in »Metall-Pedipulatoren« stecken. Wenn dies wirklich einmal gemacht wird, dann haben wir den Roboter, den sich Capek ausgedacht hat. Der Sklaven-haltende Computer wird allerdings lange vor diesem voll beweglichen Computer auf den Markt kommen. Computergesteuerte Manipulatoren gibt es schon heute in Versuchsausführungen.

Am Schluß dieses Ausflugs in die Zukunft wollen wir uns noch eine umgekehrte Entwicklungsreihe ansehen: nicht das Einsetzen künstlicher Teile in einen lebenden Organismus, sondern das lebender Organe in einen mechanischen Apparat. Der Vorschlag, ein lebendes Gehirn in einen CAM einzusetzen, ist ein Beispiel in dieser Richtung. Auch ist es durchaus nicht undenkbar, daß eine Menschen- oder Affenhand an einen Computer gekoppelt wird, bei Ohren und Augen mag es größere Schwierigkeiten geben.

Kurz, eine sehr weitgehende Verbindung scheint sich zwischen Mensch und Maschine anzubahnen. Der Science-fiction-Autor Isaac Asimov hat die Entstehung einer neuen Rasse von Mensch-Maschinen-Bastarden vorhergesagt. 

Eines Tages wird es vielleicht unmöglich sein zu entscheiden, ob man zu einem mechanisierten Menschen oder zu einer humanisierten Maschine spricht. Und man wird nur mit Schwierigkeiten wissen, wer man selber ist.


6-91

  6  Wer bin ich?  

 

Diese Entwicklungen alarmieren und beunruhigen viele Menschen zutiefst, denn sie führen zu der Frage nach der persönlichen Identität. Die Frage »Wer bin ich?« stellt sich wohl jeder einmal zu irgendeiner Zeit seines Lebens, meist wenn er noch recht jung ist. Man könnte sagen, daß diese Frage die Entstehung der Persönlichkeit kennzeichnet.

Philosophen wie Martin Buber, Edmund Husserl, ganz zu schweigen von dem Existentialisten Jean-Paul Sartre, haben dieser im Grunde unbeantwortbaren Frage sehr viel Aufmerksamkeit gewidmet. Wenn man überhaupt eine Antwort gibt, lautet sie gewöhnlich folgendermaßen: »Du bist ein einmaliges Individuum, ungleich allen anderen im ganzen Universum, und dein Name X bezeichnet gerade diese einmalige Anordnung von Qualitäten, die du besitzt und kein anderer.«

Konsequenterweise müßten wir uns, wenn wir die gleichen Prothesen tragen wie andere Leute, weniger einzigartig, weniger uns selbst fühlen. Es wurde sogar behauptet, daß wir so etwas wie eine Verdünnung unseres Selbst spürten, wenn wir das Organ eines fremden Spenders in uns haben. Wahrscheinlich wird diese Reaktion mit zunehmender Vertrautheit immer mehr verschwinden.

Der Mensch scheint eine erstaunliche Fähigkeit zu besitzen, Maschinen zu assimilieren. Man hat oft beobachtet, wie Leute ihre Autos als Erweiterungen ihres Ichs betrachten und daß sogar das Auto in ihre körperlichen Entscheidungen miteinbezogen wird: ein Mensch, der längere Zeit einen Wagen fährt, fühlt die Grenzen seines Fahrzeugs und kann es dann durch eine enge Gasse so gut steuern, wie er seinen eigenen Körper durch einen Engpaß manövrieren würde. Fährt er dann einen neuen Wagen, ist er ihm für einige Tage fremd; der Fahrer hat für kurze Zeit nicht mehr das Gefühl für Möglichkeiten und Grenzen seines Autos.

In gewissem Sinn ist auch unser eigener Körper eigentlich nur eine Maschine, die wir »fahren«. Die Grenzen unserer Identität sind die Grenzen unseres Gehirns. Ein Amputierter wird, so sehr er auch den Verlust eines Körperteils bedauert, sich nie als weniger menschlich fühlen. Seine Mitmenschen könnten es allerdings, aber das ist eine andere Frage. Viele Leute scheuen sich davor, mit Amputierten zusammenzukommen, und sie haben die ungerechtfertigte Vorstellung, daß diese Menschen irgendwie weniger Mensch sind.


6-92

»Cyborgs« werden daher diese Befürchtungen des Unbewußten neu beleben. Dr. Comfort fragt zwar: »Kann ein vom Körper abgetrenntes Gehirn >grausiger< sein als ein Kopf, der zu einem gelähmten Patienten in einer Eisernen Lunge gehört?«, aber die Antwort mag durchaus »ja« lauten. Die Frage »Wer bin ich?« ist fast so wichtig wie die Frage »Wer bist du?«. Einige Psychologen haben erst kürzlich wieder betont, daß wir alle tief beunruhigt sind, wenn wir anderen menschlichen Wesen begegnen und es dabei zu irgendeiner zwischenmenschlichen Beziehung kommt. Wir fragen uns, ob sie uns bedrohen, physisch, emotional, sozial oder in sonst irgendeiner Weise. Werde ich ihre Anforderungen erfüllen können? Wenn nicht, werde ich vor meinem Selbstbewußtsein ebenso wie in ihren Augen versagen? Fordern sie mich heraus, und werde ich damit fertig werden können?

Wegen dieser Grundeinstellungen, die tief in uns liegen, fürchten viele Menschen das Götterbild eines Schlangengottes, einen Roboter, einen Computer. Sie haben keinerlei Erfahrung, wie sie mit deren Forderungen fertig werden können, die ja definitionsgemäß wirklich verschieden sind von echt menschlichen Forderungen. Aber was noch schlimmer ist, man weiß einfach nicht, um welche Forderungen es geht. Jeder, der es mit Geisteskranken oder auch nur mit hochgradig neurotischen Menschen zu tun hat, kennt das Gefühl der Furcht und Hilflosigkeit, das einen überkommt, wenn man feststellen muß, daß die üblichen menschlichen Techniken, andere Leute zu beeinflussen, zu überzeugen, einzuschüchtern, zu bedrohen, zu bestrafen, daß alle diese Techniken versagen oder sogar den umgekehrten Effekt zeigen.

Das gleiche Gefühl haben wir, wenn wir zum ersten Male mit einer ungewohnten Maschine umgehen und sie dabei unerwartet reagiert. Wenn wir aber eine intelligente Maschine fürchten, dann werden wir noch mehr Angst haben vor einem Ding, das wie ein Mensch aussieht, aber keiner ist. Daher stammt, glaube ich, auch die Scheu vieler Menschen, sich ein Leben mit Mensch-Maschinen-Bastarden vorzustellen. Die Vorstellung von einem Computer, der in Tränen ausbricht und nach Zärtlichkeiten verlangt, ist ein bißchen peinlich, denn wir wüßten nicht so recht, wie wir ihn trösten sollten; doch könnte uns beruhigen, daß er nur eine Maschine ist. Viel schwerer wird es sein, mit einem Androiden fertig zu werden, den wir mit aller Umsicht und Zuvorkommenheit behandeln wie einen Menschen und von dem wir seinerseits ein ähnliches Maß an Umsicht erwarten. Wir würden aber feststellen müssen, daß er keinerlei menschliche Gefühle hat, gefühllos dem von ihm verursachten Schmerz gegenübersteht und seine Aktionen streng logisch nach seinem materiellen Vorteil plant und ausführt.


  6-93

Sollten Roboter einmal mit einem »gewissen Gefühlsreservoir« ausgestattet sein — diesbezügliche Experimente sind bereits im Gange —, wäre die Situation zumindest dem ersten Anschein nach verbessert, denn es wird weniger wahrscheinlich, daß die Roboter unmenschlich handeln. Die psychologische Situation hat sich aber eher verschlechtert, denn es bleibt die Furcht, daß sich irgendwann das Programm des Automaten als unzureichend erweist. Der Schaden, der dann angerichtet wird, wäre um so größer, als wir nicht mehr damit gerechnet und unsere Verteidigungsmaßnahmen vernachlässigt haben.

Der Umgangston ähnelt dem mit einem unzuverlässigen Hund: normalerweise ist man freundlich zueinander, aber gelegentlich wird er ganz unberechenbar sogar seinen Herrn beißen. Nur wenn es sich nach jahrelanger Erfahrung herausstellen sollte, daß unvorhersehbare Reaktionen bei Robotern selten sind, wird man sie voll akzeptieren. Eine Zeitlang werden wir wohl Schlagzeilen in den Zeitungen lesen müssen wie:

<Irrender Roboter legt Feuer> oder <Amoklaufender Android erschlägt Familie> oder sogar <Hochzeit findet nicht statt, Braut nicht 100% menschlich>.

Wenn jedoch Mensch und Roboter sich immer weniger unterscheiden, dann werden wir auf weniger logische Befürchtungen und Ängste zurückkommen. Die Frage »Wer bist du?« könnte für diesen Fall nicht beantwortet werden, genausowenig wie wir sie beantworten könnten, würden wir einem Wesen von einem fremden Stern begegnen. Sollte sich der andere als stärker und intelligenter erweisen, mit einem besseren System von Fühlern und Manipulatoren ausgerüstet als wir, dann wird sich unsere Angst sicherlich vermehren.

Zusammenfassend, glaube ich, muß man die wirkliche Gefahr erkennen, daß die menschliche Rasse eines Tages in zwei Klassen zerfallen wird: die Besitzenden (die die Vorteile der modernen Biotechnik genießen) und die Habenichtse (die sich mit dem abplagen müssen, was ihnen die Natur gab).

Fanatische Anstrengungen werden die Habenichtse unternehmen, um die Besitzscheide zu überschreiten, aber es liegt in der Natur der Dinge, daß sie nur selten Erfolg haben werden und daß der Abgrund immer tiefer wird. Kriminelle Methoden werden oft die einzige Lösung sein. Vielleicht werden widerstrebende Chirurgen erpreßt oder durch Drogen ihres eigenen Willens beraubt, um dann die ersehnten Wunderprothesen den Besitzenden wegzunehmen und sie unterprivilegierten Habenichtsen einzupflanzen.

In einigen Ländern wird der Staat entscheiden, wer zur privilegierten Klasse gehört, und es mag Abstufungen der Privilegierung geben. Arbeiter werden Außenskelette tragen, Athleten zusätzliche Herzen und Computerprogrammierer zusätzliche Gehirne. Nur das Staatsoberhaupt wird alle Vorteile gleichzeitig genießen. Hervorragende Arbeiter könnten mit einer Lizenz belohnt werden, die ihnen eine zusätzliche Prothese ermöglicht. Faulenzern wird ihre Prothese wieder entzogen. In einigen Ländern könnte man auf den Gedanken kommen, kostspielige Hilfsvorrichtungen zu vermieten, damit man sich wenigstens für kurze Zeit der erweiterten Möglichkeit erfreuen mag. Das Vermieten von Unterwasserausrüstungen heutzutage liefert eine genaue Analogie. Alle diese Spekulationen sollten nicht als bloße Hirngespinste abgetan werden.

 

  7  Nachtrag  

 

Seit ich 1967 dieses Kapitel abschloß, erlebte die Transplantationschirurgie triumphale Erfolge: 1968 war das Jahr der ersten erfolgreichen Herzverpflanzung: Philip Blaiberg verließ das Kapstädter Krankenhaus im März 1968.

 wikipedia  Philip_Blaiberg  1909-1969

Sir Peter Medawar, Direktor des britischen Nationalinstituts für Medizinische Forschung, sagte voraus, daß nicht nur Herztransplantationen, sondern auch Leber- und Lungenverpflanzungen innerhalb der nächsten fünf Jahre zur allgemeinen Praxis gehören könnten. Auch Donald Douglas, Professor für Chirurgie an der Universität von Dundee, meinte, daß es noch fünf Jahre dauern würde, bis Herzverpflanzungen zur Routineoperation geworden sind. Er fügte hinzu, daß nach der letzten Übersicht 70% der Nierenempfänger noch zwei Jahre nach der Operation wohlauf seien.

Da Herzkrankheiten die wichtigste Todesursache in entwickelten Ländern sind, stellt sich jetzt die Frage nach einer ausreichenden Organzulieferung besonders dringlich.

Dr. Marcelino Candau, Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), forderte im März 1968 eine internationale Ärztekonferenz, um die »angesprochenen ethischen und praktischen Fragen« zu klären, bevor die Regierungen entsprechende Gesetzesentwürfe einbringen. In der Zwischenzeit begann man in England, die Transplantationsgesetze zu ändern.

Solche Entwicklungen wurden in der <Biologischen Zeitbombe> vorhergesagt. Ich hatte jedoch kaum erwartet, daß sie schon bei der Drucklegung der englischen Originalausgabe eintreffen würden. Eine andere Voraussage traf bisher allerdings noch nicht ein: die Forderung der Öffentlichkeit nach wesentlich erweiterten Möglichkeiten für Transplantationsoperationen. Sicherlich wird sie bald gestellt werden.

In der Zwischenzeit entdeckte ein russischer Wissenschaftler, L. Polezhaev, wie man die Knochen der Schädeldecke zur Regeneration nach einer Verletzung veranlassen kann. Es gelang ihm auch, amputierte Gliedmaßen nachwachsen zu lassen, und er glaubt, daß eine Herzregeneration ebenfalls möglich ist. Dadurch könnten Herztransplantationen von fremden Spendern unnötig werden.

94

#

 

 

 

   www.detopia.de     ^^^^ 

 Taylor  1968   Revolution der modernen Biologie