8 Der fünfte Faktor (Radioaktivität)
1 Wohin mit dem Abfall? — 2 Krypton und Tritium — 3 Gibt es überhaupt eine ungefährliche Dosis? —
4 Biologische Anreicherung — Wieviel Radioaktivität verträgt der Mensch? — Krebs und zulässige Strahlendosis —
Risiken durch Unfälle — Sand in die Augen gestreut — Schlußfolgerungen
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Als Madame Curie zu Beginn dieses Jahrhunderts in mühevoller Arbeit eine Tonne Uranerz aufarbeitete, das sie von den Joachimsthaler Pechblendegruben geschenkt bekommen hatte, erhielt sie zum Schluß einen Fingerhut voll einer merkwürdigen Substanz, die Photopapier durch eine lichtdichte Verpackung hindurch schwärzte, Glasgegenstände zum Fluoreszieren brachte und die elektrische Leitfähigkeit von Gasen erhöhte. Außerdem strahlte sie Energie ab, und zwar in solchen Mengen, daß diese Substanz dauernd etwas wärmer war als ihre Umgebung.
Es handelte sich, wie Sie sicher schon vermutet haben, um Radium! Wie andere radioaktive Elemente emittiert es Energie, die während der Explosion einzelner Atome entsteht, oder, um die wissenschaftliche Nomenklatur zu verwenden, es zerfällt in leichtere Atome, wobei die dabei auftretende Gewichtsdifferenz der abgestrahlten Energiemenge entspricht. Auch hier wurde Einsteins Behauptung bestätigt, daß Materie nichts anderes als eine besondere Form von Energie ist.
In radioaktiven Substanzen wird diese Energie von selbst freigesetzt. Wie das im einzelnen geschieht, ist unbekannt.
Nach einer gewissen Zeit — im Falle von Radium sind es 1620 Jahre — sind die Hälfte der Atome zerfallen. Nach weiteren 1620 Jahren zerfällt wiederum die Hälfte der noch nicht zersetzten Atome und so weiter. Erst wenn das letzte Atom zerfallen ist, kann Radioaktivität nicht mehr nachgewiesen werden.
Die Zerfallsrate wird deshalb in Halbwertszeiten ausgedrückt. Die Halbwertszeit von Radium ist demnach 1620 Jahre.
Dieser Punkt ist außerordentlich wichtig, denn er zeigt, daß radioaktive Substanzen erst, nachdem sehr viele solcher Halbwertszeiten verstrichen sind, an Gefährlichkeit verlieren. Die Halbwertszeiten von radioaktiven Substanzen variieren zwischen Bruchteilen von Sekunden und Milliarden von Jahren,- auch dafür hat man keine Erklärung. Unbekannt ist weiter, wie die einzelnen Atome eigentlich wissen, wann sie mit dem Zerfallen an der Reihe sind. Warum halten sie sich an eine so strenge Gesetzmäßigkeit?
Radium zerfällt in eine andere radioaktive Substanz, nämlich in Radon (ein Gas), das wiederum zerfällt. Nach einer längeren Zerfallsreihe gelangt man schließlich zu einer nicht mehr radioaktiven Substanz, dem Blei. Jeder Zerfall innerhalb dieser Zerfallsreihe ist durch eine ganz bestimmte Halbwertszeit charakterisiert. Andere radioaktive Stoffe wie etwa Thorium und Uran haben andere, gleichfalls sehr charakteristische Zerfallsreihen. Schließlich haben diese radioaktiven Substanzen noch die Eigenschaft, inaktive Stoffe, die mit ihnen in Berührung kommen, zu aktivieren. Dabei hält die Radioaktivität an, auch wenn man das radioaktive Präparat entfernt hat.
Die dabei emittierte Energie ist stark genug, um lebende Zellen zu schädigen oder gar zu zerstören. Aus diesem Grunde behandelt man bösartige Tumoren mit Radium. Unglücklicherweise ist diese Energie nicht nur stark genug, Tumoren zu zerstören, sie ist auch in der Lage, neue Tumoren zu induzieren. Leute, die ohne besondere Schutzmaßnahmen mit radioaktiven Stoffen umgehen, haben eine sichere Chance, später an Krebs zu erkranken. Diese Eigenschaft wurde erstmals bei Mädchen erkannt, die die Zifferblätter von Uhren mit radioaktivem Fluoreszenzfarbstoff bemalten. Man stellte bei ihnen vor allem Lippentumoren fest, da sie den Pinsel gewöhnlich mit dem Mund anfeuchteten.
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Eine weitere Tatsache muß erwähnt werden: Radioaktive Stoffe können drei verschiedene Arten von Strahlung emittieren, nämlich Alpha-, Beta- und Gammastrahlen. Dabei ist die Gammastrahlung die durchdringendste; sie geht durch Blei bis zu einer Tiefe von mehreren Zentimetern. Aus praktischen Gründen wollen wir uns daher bei den folgenden Betrachtungen auf Gammastrahlen beschränken, denn wenn diese ausreichend abgeschirmt sind, genügt es in jedem Falle für die Alpha- und Betastrahlung.
Diese Tatsachen, die heute fast jeder weiß, waren vor nicht allzu langer Zeit gänzlich unbekannt. Zu den bekannten Elementen Erde, Luft, Feuer und Wasser möchte ich ein fünftes hinzufügen: die ionisierende Strahlung. Diesen Namen verdankt sie einer Eigenschaft, die bei anderen Arten von Strahlen wie Licht und Wärme nicht beobachtet wird, nämlich die Eigenschaft, Elektronen aus dem Atom herauszuschlagen.
Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, daß es keine Möglichkeit gibt, diese Strahlung abzuschalten. Man kann die Substanz auf chemischem Wege verändern, man kann sie vom flüssigen in den festen Zustand überführen — die Radioaktivität verliert sie nicht. Man kann sie höchstens an Orten lagern, wo sie nur wenig Schaden anrichtet, und abwarten, bis die Radioaktivität abgeklungen ist. In einigen Fällen muß man allerdings Milliarden Jahre warten.
1 Wohin mit dem Abfall?
Die einfachste Methode, um Radioaktivität quantitativ zu messen, ist, sie mit einem Gramm Radium zu vergleichen. Die Anzahl der Zerfälle, die in einer bestimmten Zeit registriert werden, nennt man ein Curie. (Nach einer internationalen Festlegung entsprechen einem Curie 3,7 x 10 hoch 10 Zerfälle pro Sekunde.) Vor dem Zweiten Weltkrieg betrug die gesamte Radioaktivität auf der Erde etwa 10 Curie, und wenn eine Radiumnadel verlorenging, die nur wenige Mikrocurie (ein Millionstel eines Curie) enthielt, so war dieser Vorfall eine Schlagzeile wert. Heute pflegen wir in Einheiten von Megacurie zu denken, was einer Million Curie entspricht.
Wieviel Radioaktivität werden wir am Ende dieses Jahrhunderts angehäuft haben?
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Auch der Bedarf der Industrie an radioaktiven Verbindungen nimmt laufend zu. Die Auskleidung von Hochöfen enthält heute bereits geringe Mengen an Radioaktivität. Durch die Messung der Radioaktivität kann man leicht feststellen, wie dick diese Schicht zum jeweiligen Zeitpunkt noch ist. Radioaktive Verbindungen werden durch unterirdische Rohrsysteme geschickt, um mögliche Verstopfungen durch die ausgesandte Gammastrahlung messen zu können. In Krankenhäusern und in Forschungslaboratorien wird eine große Anzahl radioaktiv markierter Verbindungen verwendet. Mit radioaktiv markierten Medikamenten kann der Weg dieser Verbindung mit speziellen Meßgeräten im Körper verfolgt werden. Ohne Zweifel werden wir auch den Einsatz von Kernsprengsätzen zur Erdbewegung großen Stils erleben. Überlegungen dieser Art werden heute bereits für den Panama-Kanal und für andere Projekte angestellt.
Es ist sehr wohl möglich, daß die industrielle Anwendung die größte Gefahr für den einzelnen wird. Rückblickend kann man jedenfalls am Beispiel der Radiumnadeln feststellen, daß Menschen unglaublich leichtsinnig mit diesen Dingen umgehen. (In den fünfziger Jahren wurde in Mexiko eine große Zahl von Menschen damit verseucht. In den sechziger Jahren erlitten einige Leute an der Stelle Verbrennungen, wo sie ihre goldene Armbanduhr trugen. Man hatte zur Herstellung radioaktives Gold von solchen Radiumnadeln verwendet.) Zur Funktionsprüfung einer Rohrleitung verwendet man jedesmal die stolze Menge von 50 Curie. Mitglieder einer Familie, die eine solche <heiße> Probe fanden, kann man bereits auf das Todeskonto von Radioaktivität verbuchen.
Doch scheinen alle diese Quellen möglichen Unheils unbedeutend im Vergleich mit den Kraftwerken selbst.
Das Wachsen dieses Industriezweiges hängt vor allem vom Bedarf an elektrischer Energie ab, und die diesbezüglichen Schätzungen zeigen durchweg steigende Tendenz. Für das Jahr 1967 wurde von der AEC die auf der ganzen Welt produzierte Elektrizität auf 1.556.000 Megawatt geschätzt, wobei ungefähr 734.000 Megawatt auf Kernkraftwerke entfallen. Das bedeutet eine Steigerung der Anteile dieser Energiequelle an der Gesamtstromerzeugung um den Faktor 100.
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In nicht allzu ferner Zukunft rechnet man mit 8000 Milliarden Kilowattstunden, wobei es auf 25 Prozent mehr oder weniger nicht ankommen soll. Im Jahre 1952 hatte die AEC für 1970 den Anteil an elektrischer Energie aus Atomkraftwerken auf 5000 Megawatt geschätzt. Tatsächlich haben wir jetzt bereits fast 7000 Megawatt aus Atomkraftwerken. Für das Jahr 1975 rechnet man immerhin mit 140000 Megawatt. Einige Experten halten diese Schätzungen für viel zu niedrig. Der Amerikaner Dr. William Webster schätzt für das Jahr 2000 den Anteil des durch Kernenergie erzeugten Stroms auf der ganzen Welt auf 3-4 Millionen Megawatt, was beinahe dem halben Energiebedarf der ganzen Welt entspricht.
Was das für das Problem des radioaktiven Abfalls bedeutet, hängt davon ab, in welchem Ausmaß dieser Bedarf von Leichtwasserreaktoren (auf diesen Typ hat sich vor allem Amerika konzentriert), von Reaktoren, die mit schwerem Wasser moderiert werden (dieser Reaktortyp wird vor allem in England und einigen anderen Ländern entwickelt; der Hauptvorteil ist seine etwas höhere Effizienz), oder durch andere thermonukleare Prozesse gedeckt wird. Der radioaktive Abfall ist beim Reaktor, der mit schwerem Wasser moderiert wird, größer als beim Leichtwassertyp. Am meisten Abfall wird jedoch bei den Kernfusionsreaktoren erzeugt. Zur Zeit ist dieser Reaktortyp zwar noch im Versuchsstadium, aber aus Rußland wurde kürzlich berichtet, daß dort zumindest im Labormaßstab erste Erfolge errungen wurden. Gestützt wird diese Behauptung durch Berichte eines englischen Teams, das der Sache ebenfalls nachging. Kernfusionsreaktoren werden sicherlich bis zum Ende dieses Jahrhunderts in der Phase der praktischen Erprobung stehen.
Basierend auf der Annahme, daß nur Leichtwasserreaktoren verwendet werden, hat man den Bedarf an Kernbrennstoff, der heute etwa 300 Tonnen ausmacht, für das Jahr 2000 auf 21.000 Tonnen geschätzt. Der flüssige radioaktive Abfall von etwa 1.000.000 Liter wird bereits auf 300 Millionen Liter angewachsen sein. Auch wenn man diese Mengen in feste Form überführt, macht das noch 50 Kubikmeter für 1970 und 15.000 Kubikmeter für das Jahr 2000 aus. Die gesamte Menge an Radioaktivität wird im gleichen Zeitraum von 1000 auf 155.000 Megacurie steigen.
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Diese Daten stammen aus einem Bericht des <Oak Ridge National Laboratory> des Jahres 1967. Die Zahlen wurden nur dem höheren Bedarf an elektrischer Energie angeglichen, wie er sich heute bereits abzeichnet. Aber auch diese Schätzungen von Herrn Dr. Webster zeigen keinen Weg, wie die Welt mit den wachsenden Mengen an radioaktivem Material fertig werden soll.
Alle Schätzungen sind nichts mehr als Vermutungen, da heute niemand weiß, welcher Reaktortyp sich bis zum Ende dieses Jahrhunderts durchsetzen wird und welchen Anteil des Atommülls man in feste Form überführt. Merril Eisenbud, ein weiterer Experte auf diesem Gebiet, prophezeit uns Millionen Megacurie an Atommüll, der als Lösung in vielen Litern Flüssigkeit gespeichert wird. Das Risiko für den Menschen hängt vor allem davon ab, wie sicher dieser Abfall gelagert und kontrolliert wird. Die Maßnahmen, die hier zu ergreifen sind, müssen sich je nach Art der Radioaktivität richten. Dr. Eisenbud weist darauf hin, daß unter Umständen schon außerordentlich kleine Mengen riesige Probleme darstellen können. In Amerika wird der größte Teil des hochaktiven Atommülls in sogenannten Tankfarmen gelagert. Man rechnet damit, daß der Atommüll nach 10 bis 20 Jahren weitgehend ungefährlich ist. In Oak Ridge werden pro Jahr 2 Hektar zu diesem Zweck gebraucht. In Hanford ist die benötigte Fläche noch weit größer. Zur gesamten Anlage gehören immerhin 1500 Quadratkilometer Land.
Aus naheliegenden Gründen kann das aber nicht unbegrenzt weitergehen. Große Anstrengungen werden darauf verwendet, neue Verfahren der Müllbeseitigung zu finden. Vor allem drei Möglichkeiten werden heute ernsthaft in Erwägung gezogen: man lagert den Atommüll in verlassenen Bergwerken, man deponiert den Abfall in Felsspalten und Höhlen oder man überführt ihn in eine glasige Masse, die man gefahrlos vergraben kann. Als Grundlage für derartige Berechnungen nimmt man an, daß die radioaktiven Strahlen nach 600 Jahren weitgehend abgeklungen sein werden. Während dieser Zeit darf dieser Atommüll nicht auslaufen oder durchsickern und auf keinen Fall die Trinkwasserversorgung gefährden.
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Seit 1959 werden solche Abfälle in bis zu 10 Tonnen schwere Betonbehälter mit 45 Zentimeter starken Wänden einzementiert. Es ist bekannt, daß im April 1963 ein Spezialzug 240 dieser Behälter nach Oak Ridge zur Beerdigung brachte. Im Jahre 2000 werden solche Transporte ein gewohnter Anblick sein.
Besonders beunruhigend sind die Verhältnisse in Hanford. Dort wird der größte Teil des Atommülls in einer 60 Meter tiefen Schlammschicht gelagert, die jedoch über dem Grundwasserspiegel liegt. Einige frühere Versuche, mit dem Abfallproblem fertig zu werden, waren auch nicht außerordentlich erfolgreich. Im Jahre 1959 hat man 280 Megacurie Abfall in drei Höhlen deponiert. Noch im gleichen Jahr und ein zweites Mal im Jahre 1961 stürzten diese Höhlen ein, und die Folge war, daß Radioaktivität in das benachbarte Flüßchen, den White Oak, gelangte.
Die Sicherheit für die Lagerung des Tanks auf lange Sicht zu garantieren, ist nach Meinung von Belter von der AEC vor allem deshalb schwierig, weil man keine genauen Unterlagen hat. Die meisten der heute verwendeten Behälter haben einen Durchmesser von 15 bis 26 Meter; das Fassungsvermögen beträgt bis zu 5000 Kubikmeter. In den USA gibt es oder gab es zumindest 200 solcher Behälter, die ein Fassungsvermögen von insgesamt mehr als 280.000 Kubikmeter aufweisen, wobei in einem Liter Abfall bis zu 2000 Curie enthalten sein können. Sheldon Novick meint dazu nur, daß diese Menge bei weitem ausreicht, um das Trinkwasser der ganzen Welt zu verseuchen. Diese gefährlichen Flüssigkeiten in den Behältern werden durch die eigene abgestrahlte Energie so hoch erhitzt, daß sie schrecklich zu sieden beginnen, und nur durch dauernde Kühlung kann die Sache unter Kontrolle gehalten werden. Ein Fehler in der Kühleinrichtung würde zu einer Katastrophe führen. Die Behälter müssen außerdem dauernd auf ihre absolute Dichtigkeit geprüft werden, da ihr Inhalt zudem stark korrodierend wirkt. In einigen Fällen konnte das Durchsickern an einer Schweißnaht erst nach Monaten festgestellt werden.
Wegen all diesen Schwierigkeiten gibt man heute der Methode, Abfälle in feste Form umzuwandeln, den Vorzug. Man schätzt, daß bis 1967 bereits 1 Milliarde Mark ausgegeben wurde, um den Atommüll zu beseitigen. Von dieser Summe entfielen allein 70 Prozent auf die Herstellung von Tanks. Für die Unterhaltskosten müssen weiter 25 Millionen aufgewendet werden.
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Belter nimmt an, daß in den USA die Kosten für Lagerung und Verarbeitung von radioaktivem Abfall im Jahre 2000 die Summe von 1 Milliarde Mark pro Jahr nicht überschreiten werden.
Alle diese Zahlen gelten allein für Amerika. Andere Länder veröffentlichen ihre Daten nicht so großzügig. Als Faustregel mag gelten, daß man die Zahlen von Amerika nur zu verdoppeln braucht, um die Daten der ganzen Welt zu erhalten.
Dabei wurden bis jetzt die gasförmigen Abfallprodukte noch nicht erwähnt. Sie werden oft außer acht gelassen, doch möglicherweise sind gerade sie die gefährlichsten aller Umweltgifte.
2 Krypton und Tritium
Es gibt Hinweise, daß in den kommenden Jahren nicht die bekannten radioaktiven Abfallprodukte wie Strontium oder Jod die große Gefahr darstellen, sondern zwei ziemlich unbekannte Gase, nämlich Krypton und Tritium.
Beide Gase entstehen in großen Mengen bei der Herstellung von Kernbrennstoff und beim Betrieb von Leistungsreaktoren. Sie werden zum größten Teil in die Luft geblasen und verseuchen auf diese Weise die Atmosphäre auf der ganzen Welt.
Bei diesen Nukliden wäre es außerordentlich wichtig, eine internationale Kontrolle einzuführen, denn es ist wesentlich billiger, sie in die Luft zu blasen, als das radioaktive Gas zu eliminieren. Aus der Atmosphäre gelangen sie zusammen mit den Niederschlägen ins Wasser. Sie erscheinen in unserem Trinkwasser, und durch ihre Löslichkeit in den Körperflüssigkeiten werden sie zu einer Gefahr für alle Lebewesen. Krypton ist ein außerordentlich stabiles Gas mit einer Halbwertszeit von 9 Jahren; Tritium, mit einer Halbwertszeit von 12 Jahren, ist das radioaktive Isotop des Wasserstoffs, dessen Molekulargewicht dreimal so hoch ist.
Innerhalb von zwei bis drei Jahren wird die Konzentration an Krypton höher sein als die des natürlich vorkommenden radioaktiven Edelgases Radon. Im Jahre 2000 werden sich möglicherweise eine Million Megacurie angesammelt haben, was immerhin 1000 Tonnen Radium entspricht.
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Die Gesamtbelastung eines Menschen wird dann 1,8 Millirem* pro Jahr betragen. Professor Otto Haxel aus Heidelberg hat diese Gefahr bereits 1963 erkannt. Er forderte schon damals: (1) Die Errichtung eines weltweiten Überwachungs-systems, mit dessen Hilfe die Quellen der Verseuchung geortet werden können; (2) eine weitgehende Einschränkung von Kernspaltungsprozessen für rein militärische Zwecke; (3) die Entwicklung von Speichermethoden; (4) die Festlegung einer maximal zuverlässigen Konzentration an solchen Isotopen. In den vergangenen sieben Jahren ist keine der hier geforderten Maßnahmen durchgeführt worden, jedenfalls soweit ich es feststellen konnte.
Professor Haxel nimmt an, daß 10 Prozent der feststellbaren Radioaktivität von Bombentests stammen und 20 Prozent von Reaktoren, die zivilen Zwecken dienen. Er schließt daraus, daß der Rest, also der überwiegende Teil, von Reaktoranlagen zu rein militärischen Zwecken produziert wird.
In Anbetracht der schwerwiegenden Folgen, vor allem wenn man längere Zeiträume berücksichtigt, hat man eine Vorausschau bis in das Jahr 2060 angefertigt. Wenn keinerlei Maßnahmen ergriffen werden, so wird man eine Konzentration von 50 Mikrocurie in einem Kubikmeter Luft erreichen. Sir John Cockcroft hat als tolerablen Standardwert 0,6 Mikrocurie pro Kubikmeter vorgeschlagen. Das würde bedeuten, daß im Jahre 2060 die Kryptonkonzentration in der Luft etwa hundertmal höher ist als die von Fachleuten akzeptierte Höchstkonzentration. Nach meiner Schätzung wird der von Cockcroft genannte Richtwert bereits im Jahre 2000 überschritten sein.
Darüber hinaus löst sich Krypton in den Körperflüssigkeiten. In der nördlichen Hemisphäre würde die Strahlenbelastung allein aus dieser Strahlenquelle 25 — 100 Millirad betragen; das ist bereits die Hälfte dessen, was man als Strahlenbelastung von allen Strahlenquellen zusammen als vertretbar ansieht. Krypton kann man aus flüssigen Medien ohne allzu große Mühe entfernen. Die Entfernung aus strömenden Abgasen und schließlich die Lagerung dieses Gases macht dagegen ganz erhebliche Schwierigkeiten.
* Millirem und Millirad sind Dosiseinheiten für radioaktive Strahlung. Nähere Erläuterungen siehe Seite 207.
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Bei Tritium sind diese Schwierigkeiten noch weit größer als bei Krypton, da dieses Molekül so klein ist, daß es kaum unter Kontrolle gehalten werden kann. Es entweicht ganz langsam aus Tanks aus Aluminium oder rostfreiem Stahl, indem es durch das Metall hindurch diffundiert.
Außerdem sind Ventile und Absperrhähne für diese Gase nicht absolut dicht. Man nimmt an, daß bereits im Jahre 1975 auf der Erde ebensoviel künstlich hergestelltes Tritiumgas vorhanden sein wird wie die auf natürlichem Wege entstandene Menge (69 Megacurie) und daß im Jahre 1995 sogar die durch Kernwaffentests entstandene Menge (7000 Megacurie) übertroffen sein wird.
Diese Berechnungen gehen allerdings von der Voraussetzung aus, daß nur Leichtwasserreaktoren verwendet werden. Beim Betrieb der mit schwerem Wasser moderierten Reaktoren entsteht weit mehr Tritiumgas. Wenn nur jeder zehnte Reaktor dieses Typs eingesetzt wird, verdoppelt sich bereits die Menge des anfallenden Tritiums und so weiter. Noch weit schlechter sieht die Sache aus, wenn einmal Fusionsreaktoren praktische Bedeutung erlangen. Man nimmt an, daß sie pro Megawatt Leistung 100.000mal mehr Tritium produzieren. Allein an diesem Sachverhalt könnte die Einführung dieses Reaktortyps scheitern. Man weiß, daß die Hälfte der bei Atombombentests freigesetzten Tritiummenge im Gebiet zwischen 30 und 50 Grad nördlicher Breite niederging. Das bedeutet, daß sich der größte Teil des auf der ganzen Welt erzeugten Tritiums auf nur 10 Prozent der Erdoberfläche niederschlägt; am meisten betroffen sind Europa und die USA.
Bei dem heutigen Stand der Technik werden 20 Prozent des freigesetzten Tritiums in die Luft geblasen, und 80 Prozent gelangen ins Kühlwasser. Da man täglich etwa 10.000 Kubikmeter Wasser benötigt, um die von einer Tonne Kernbrennstoff produzierte Menge ausreichend zu verdünnen, ist diese Methode nur von <begrenzter Anwendbarkeit> wie sich Blomeke, ein Fachmann auf dem Gebiet des radioaktiven Abfalls, ausdrückte. Auch der größte See kann auf die Dauer nur zur Kühlung begrenzter Anzahl Reaktoren herangezogen werden.
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Man nimmt an, daß sich im Michigan-See bis zum Jahre 2000 7 Megacurie angesammelt haben, da bis dahin voraussichtlich Reaktoranlagen mit einer Jahresleistung von 180.000 Megawatt gebaut sein werden. Jeder der größeren Reaktoren wird pro Jahr 2000-3000 Megacurie abgeben. Wie lange das Wasser im See bleibt, kann heute nur abgeschätzt werden. Berechnungen ergaben allerdings, daß der Genuß dieses Wassers während eines Zeitraums von 25 Jahren für den Körper eine Strahlenbelastung darstellt, die nach den heutigen Standards der gesamten zulässigen Dosis entspricht. Trotz der Versicherungen, daß die Konzentrationen im See tausendmal geringer seien, als die AEC zuläßt, sind die Aussichten für die Zukunft düster, und die einzige Schlußfolgerung, die man aus diesen Fakten ziehen kann, lautet: Die von der AEC festgelegten Bestimmungen sind für die Reinhaltung des Wassers gänzlich unrealistisch.
Daneben wird Tritium noch in großem Umfang bei der Herstellung lumineszierender Anstriche und zur Markierung verschiedener Substanzen benötigt, wie sie vor allem für wissenschaftliche Untersuchungen und für viele andere Zwecke gebraucht werden. Das alles erhöht unsere Strahlenbelastung.
Bis zum heutigen Tag wurden von der <International Commission for Radiological Protection> (ICRP) keine Empfehlungen herausgegeben, die sich mit den Problemen der Auswirkung niedriger Tritiumkonzentrationen auf weite Bevölkerungsschichten befassen. A. Kenny vom britischen Innenministerium sagte dazu in einem Vortrag, den er im Jahre 1969 bei der Internationalen Atomenergiekommission in Wien hielt: »Man kann nur hoffen, daß eine umfassende, für alle Länder annehmbare Empfehlung herauskommt, bevor die weltweite radioaktive Verseuchung noch größer wird.«
Das größte Risiko besteht zweifellos in der Nähe von Reaktoren. Dr. Jacobs meint in einer Studie der AEC über Probleme im Zusammenhang mit Tritium, daß die Größe der Reaktoren aus Sicherheitsgründen beschränkt werden sollte.
K. E. Cowser und einige seiner Kollegen haben die voraussehbaren Krypton- und Tritiumdosen bis zum Jahre 1990 kalkuliert, mit der Leute, die in der Nähe von Oak Ridge wohnen, rechnen müssen. Dabei wurde ein täglicher Umsatz von 6 Tonnen Kernbrennstoff angenommen. Man kommt auf diese Weise zu einer Strahlen-
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belastung von 160 Millirem pro Jahr.* Wenn die gerade noch zulässige Belastung im Durchschnitt bei 170 Millirem liegt, dann ist eine so hohe Dosis von einer einzigen Strahlenquelle einfach nicht zu tolerieren. Cowser nimmt weiter an, daß bis zum Jahre 2000 die Freisetzung dieser beiden Gase Größenordnungen angenommen haben wird, die für den Menschen und seine Umgebung nicht mehr tragbar sind.
3 Gibt es überhaupt eine ungefährliche Dosis?
Vergegenwärtigt man sich die Mengen an radioaktivem Material, die uns umgeben, so erhebt sich natürlich die Frage nach der gefährlichen Konzentration. Das hängt wiederum von einer anderen Frage ab: Welche Dosis an radioaktiver Strahlung ist für den Menschen, für Tiere und für die gesamte Vegetation unschädlich?
Soweit wir diese Frage beute beantworten können, muß man kurz und bündig sagen, daß schon die geringste Strahlungsmenge Schäden verursachen kann und daß wirklich ungefährlich nur die Strahlungsmenge Null ist. Die Argumente, mit denen die Behörden oftmals ihre ungefährlichen Dosen< begründet haben, sind mehr als abwegig. Ich bezweifle stark, daß die Öffentlichkeit diese <Ungefährlichkeit> hinnehmen würde, wenn sie über die gesamte Problematik informiert wäre, und es wird auffällig wenig getan, um die breite Öffentlichkeit über diese Gefahren zu informieren. Man müßte große erzieherische Anstrengungen unternehmen, um die Problematik in allen Details zu schildern — eigentlich sollte das Teil des Lehrplans in der Schule sein. Wegen der großen Bedeutung möchte ich trotz der Kompliziertheit des Themas eine kurze Zusammenfassung geben.
* Diese Vorausschau bezieht sich auf einen jährlichen Anfall von 219 Megacurie, wodurch die Gesamtaktivität auf 1540 Megacurie anwächst Die Energieproduktion soll dabei 675 Gigawatt betragen. Cowser schätzt diese Werte noch höher. Seiner Meinung nach fallen jedes Jahr 520 Megacurie an, womit die gesamte Radioaktivität 3150 Megacurie beträgt. (Die Energieproduktion schätzt er auf 700 Gigawatt.)
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Radioaktive Strahlung unterscheidet sich von den übrigen Umweltgiften vor allem in drei Punkten.
Erstens kann sie nicht aufgebraucht oder zerstört werden. Sie zersetzt sich nur nach ihren eigenen Zeitgesetzen. Bis man keine Strahlung mehr feststellt, kann sehr viel Zeit verstreichen. Die Strahlung wird auch nicht schwächer, denn obwohl immer weniger dieser >Miniexplosionen< stattfinden, ist doch eine so stark wie die andere und damit ebenso in der Lage, in ihrer Umgebung Schädigungen hervorzurufen.
Zweitens wirkt radioaktive Strahlung auch auf lebendes Gewebe im Mikrobereich. Ein einziges Molekül eines noch so aggressiven Gifts würde einer Fliege nicht schaden, aber die Explosion eines Kohlenstoffatoms in der richtigen Position, wie etwa in der DNS einer Samen- oder Eizelle, kann eine Mutation verursachen, die von einem Nachkommen zum anderen weitervererbt wird. Es hängt alles davon ab, an welcher Stelle das Kohlenstoffatom zerfällt.
Als Drittes kommt noch das eigenartige Phänomen des statistischen Zufalls hinzu. Es ist, als wenn man mit einem Maschinengewehr in eine große Menschenmenge hineinschießt. Man kann mit Sicherheit vorhersagen, daß einige Menschen getötet werden, aber man weiß nicht, wer das im einzelnen sein wird. Ähnlich ist der Sachverhalt, wenn man in der ganzen Umgebung Minizeitbomben in Form von radioaktiven Isotopen verstreut; man kann sicher sein, daß einige Leute Schaden leiden, es ist nur eine Frage des Zufalls, wer unter den Geschädigten ist und wer verschont bleibt.
Es verhält sich hier wie bei anderen Beziehungen zwischen Ursache und Wirkung, die von den meisten Menschen nur schwer verstanden werden.
Wenn wir sagen, daß Zigarettenraucher eine größere Chance haben, an Lungenkrebs zu sterben, so wird es immer jemanden geben, der dagegen protestiert und die Geschichte eines alten Mannes ausgräbt, der sein ganzes Leben lang ein starker Raucher war und trotzdem 90 Jahre alt wurde. Während unseres ganzen Lebens haben wir naturgemäß viele solcher Risiken zu tragen,- die Frage ist aber, ob wir noch vermeidbare Risiken hinzufügen. Wenn Sie von Maschinengewehren unter Feuer genommen werden, ist es besser, wenn Sie mit einem Schützen anstatt mit fünf oder sechs rechnen müssen.
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Abgesehen von diesen grundsätzlichen Unterschieden gibt es noch Unterschiede zwischen den einzelnen Radionukliden, und zwar bezüglich ihrer Halbwertszeit und bezüglich ihrer Wirkung auf den Körper. Radioaktivität ist nicht ein einziges Umweltgift, sondern eine ganze Gruppe, und die noch tolerierbaren Strahlungsmengen unterscheiden sich bei den einzelnen Isotopen. Schon allein deshalb sind die von den Behörden festgelegten Bestimmungen nur Leitwerte. Sie müssen den radioaktiven Isotopen, die bei einem bestimmten Prozeß freigesetzt werden, entsprechend neu interpretiert werden. Das ist leider nur möglich, wenn man die Art der Isotope kennt. Zusätzlich müssen wir auch noch Alpha-, Beta- und Gammastrahlen unterscheiden.
Wenn wir die Wirkung radioaktiver Strahlung auf lebendes Gewebe untersuchen, so interessiert uns primär die absorbierte Energie, die davon abhängt, wie weit das Gewebe von der Strahlungsquelle entfernt ist und ob noch irgend etwas (Luft, Kleider, Mauern) dazwischen liegt. Aus diesem Grunde ist die Curiemenge kein guter Maßstab für die Strahlenbelastung; man hat sich deshalb auf die Doseneinheit md geeinigt. Sie gibt an, welche Strahlungsmenge zur Übertragung der Energie von ioo erg in ein Gramm des betreffenden Gewebes nötig ist. Aber auch das reicht nicht aus, um das Ausmaß einer möglichen Schädigung befriedigend zu beschreiben, da zum Beispiel Alphastrahlen zehnmal so wirksam sind wie Beta- und Gammastrahlen. Man hat daher die Einheit rem definiert, wobei einem lern ein md Alpha- beziehungsweise zehn rad Beta- und zehn lad Gammastrahlung entspricht. Doch auch mit dieser Maßzahl sind noch keine eindeutigen Verhältnisse geschaffen, da verschiedene Gewebe radioaktive Strahlung unterschiedlich stark absorbieren.
Bevor ich nochmals auf die Frage der höchstzulässigen Dosis zurückkomme, möchte ich kurz auf die Unterschiede zwischen den wichtigsten radioaktiven Nukliden eingehen. Vier davon haben besondere Bedeutung erlangt. Sie werden im Körper in ganz bestimmte Gewebe und Strukturen eingebaut, da der Organismus zwischen der inaktiven und der radioaktiven Form (Isotop) eines Atoms nicht unterscheiden kann. Diese Atome werden in den entsprechenden Geweben festgehalten, bis sie schließlich unter Aussendung von Strahlung zerfallen.
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Andere Isotope werden dagegen schnell wieder ausgeschieden, so daß das Risiko wegen der kürzeren Verweildauer im Körper wesentlich geringer ist.
Dieses Isotop wird in der Schilddrüse gespeichert, wo Jod in größerem Maße benötigt wird. Da dieses Organ sehr klein ist, wird das radioaktive Jod außerordentlich stark konzentriert, was möglicherweise zu Schilddrüsentumoren führt. Die Halbwertszeit ist mit 14 Tagen ziemlich kurz.Jod-131:
Jod-129, das in wesentlich kleineren, aber durchaus nicht vernachlässigbaren Mengen entsteht, hat eine Halbwertszeit von 17.250.000 Jahren.
Strontium-90: Der Körper verwechselt dieses Isotop mit dem eng verwandten Kalzium, an dessen Stelle es in die Knochen eingebaut wird. Beim Zerfall entsteht das ebenfalls radioaktive Yttrium-90 als Folgeprodukt. Es lagert sich bevorzugt in den Keimdrüsen (Eierstöcke und Hoden) ab, wo es Mutationen an Ei- und Samenzellen bewirken kann. Die Halbwertszeit beträgt 28 Jahre.
Kohlenstoff-14: Dieses Isotop kann in alle Gewebearten eingebaut werden, da organisches Material Kohlenstoff enthält. Besonders hoch ist jedoch das Risiko, wenn Kohlenstoff-14 in das genetische Material (DNS) von sich rasch teilenden Zellen eingebaut wird, wie das etwa beim Embryo oder Kind der Fall ist. Am stärksten gefährdet es jedoch Ei- und Samenzellen, wenn es in die DNS gelangt, da die hier erzeugten Mutationen auf alle nachfolgenden Generationen weitervererbt werden. Die Wahrscheinlichkeit mag gering sein, aber andererseits hat dieses Isotop eine Halbwertszeit von 6000 Jahren, wodurch bei Weiterführung der Kernwaffentests die Kohlenstoff-14-Konzentration laufend ansteigt.
Wenn die Halbwertszeit eines Nuklids sehr kurz ist, also in der Größenordnung von Minuten oder Tagen liegt, dann können wir ziemlich große Mengen produzieren, ohne die Konzentration wesentlich zu erhöhen. Bei langen Halbwertszeiten, wie etwa im Falle von Kohlenstoff-14, sind dagegen noch große Mengen des unzerfallenen Nuklids vorhanden, während bereits neue produziert werden, so daß sich der gesamte Vorrat in unserer Umwelt laufend erhöht.
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Dieser Akkumulationsprozeß ist hier noch weit stärker als im Falle von DDT. Wenn innerhalb von Jahrtausenden kontinuierlich auch nur ganz geringe Mengen hinzukommen, so können sich auf diese Weise doch gefährliche Mengen ansammeln. Da radioaktiver Kohlenstoff aber das genetische Material verändern kann, bedeutet schon die geringste Erhöhung eine Gefahr.
Cäsium-137: Mit einer Halbwertszeit von 33 Jahren wird es, ähnlich dem Strontium, ebenfalls in lebendem Gewebe konzentriert. In diesem Falle ist aber weniger das Knochenmaterial als vielmehr das ganze übrige Gewebe betroffen. Nach zwanzigjähriger Lagerung besteht der Abfall aus Kernreaktoren zu über 99 Prozent aus Strontium und Cäsium; alle übrigen Nuklide sind zu dieser Zeit bereits zerfallen.
Unsere wesentlichen Informationen über die Wirkung von radioaktiver Strahlung auf Lebewesen haben wir von den Atombombenexplosionen in Hiroshima und Nagasaki sowie von Reaktorunfällen in Forschungszentren. Hier handelte es sich um kurze, aber sehr hohe Strahlenbelastungen. Diese Kenntnisse beziehen sich nur darauf, was im Falle eines schweren Reaktorunfalls passieren würde. Wir befassen uns hier jedoch vor allem mit den Folgen einer langjährigen Einwirkung von geringen Dosen. Man kennt keine Fälle, wo Menschen lange Zeit unter geringen, aber signifikanten Strahlendosen standen und gleichzeitig ärztlich überwacht wurden.
Die Tatsache, daß bei einer Ganzkörperbestrahlung des Menschen mit 300 rad 50 Prozent der Probanden starben, während bei einer Verteilung dieser Dosen auf 70 Jahre keine sichtbaren Schäden festgestellt werden (so sagt man jedenfalls), bedeutet möglicherweise, daß diese Schäden wieder repariert werden. Aber hier könnte eine verzögerte Reaktion dahinterstecken. So etwas wurde bereits vor längerer Zeit bei den Arbeitern in Uranminen beobachtet. Überdurchschnittlich viele erkrankten Jahre später, nachdem sie längst aufgehört hatten zu arbeiten, an Krebs. Die Latenzzeit ist in solchen Fällen 20 Jahre und mehr. Während dieser Zeit werden offenbar die Reserven aufgebraucht, mit deren Hilfe sich der Körper gegen derartige Schäden zur Wehr setzt. Man nimmt an, daß beim Altern ein ganz ähnlicher Prozeß abläuft.
Fest steht jedenfalls, daß sich mit steigenden Strahlendosen die Lebenserwartung verringert. Krebserzeugende Substanzen, wie etwa die Inhaltsstoffe aus Tabakrauch, zeigen manchmal ebenfalls eine solche Latenzzeit.
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Die krebserzeugende Wirkung radioaktiver Strahlung steht heute außerhalb jeder Diskussion. Bei der medizinischen Anwendung niedriger Strahlendosen werden vermehrt Leukämie (bei einer Dosis von 300 rem treten zusätzlich 500 Fälle pro einer Million Menschen auf; bei Erhöhung der Dosis entsprechend mehr), Trübung der Augenlinse sowie Haut- und Knochentumoren beobachtet. Leukämie wird vor allem durch Bestrahlung des Knochenmarks, dem Ort der Regeneration der Blutzellen, verursacht. Bei Bestrahlung der Schilddrüse kommt es in diesem Organ zu vermehrter Tumorbildung.
4 Biologische Anreicherung
Ausgehend von der Tatsache, daß radioaktive Isotope in bestimmte Gewebe eingebaut werden, ist anzunehmen, daß auch hier eine biologische Anreicherung stattfindet. Jod-131, das zusammen mit den Niederschlägen auf das Weideland fällt, wird auf diesem Wege von Kühen aufgenommen. Der größte Teil des radioaktiven Isotops wird in der Schilddrüse angereichert; ein gewisser Prozentsatz gelangt auch in die Milch. Zusammen mit der Milch gelangt es in den Menschen, wo eine erneute Anreicherung stattfindet. (Ursprünglich hielt man diesen Prozeß für ziemlich unwahrscheinlich.)
Algen zum Beispiel sind Organismen, die radioaktive Isotope anreichern; in Wales stellt man aus diesen Algen ein Nahrungsmittel mit dem Namen levei-biead her. Man müßte deshalb auf jeden Fall dafür sorgen, daß in den Abwässern die Radioaktivität nicht so weit ansteigt, daß die begeisterten lever-bread-Esser mehr als die als ungefährlich angesehene Dosis abbekommen. Auch Austern und Schellfische speichern radioaktive Isotope. Besonders problematisch werden die Verhältnisse, wenn radioaktive Isotope nicht durch ausreichende Mengen an inaktiven Isotopen des gleichen Elements verdünnt sind. Algen sind in der Lage, Phosphor auf das Hunderttausendfache zu konzentrieren. Ebenso wird es in den Gräten von Fischen angereichert. Es handelt sich hier jedoch um außerordentlich selektive Prozesse.
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Bei Fischen im Columbia River hat man eine hundertdreißigfache Anreicherung des Natriumisotops-24 gefunden; alle anderen Verunreinigungen wurden jedoch in ganz normaler Menge aufgenommen. Fische, die in Flüssen mit einem gerade noch tolerierbaren Gehalt an Phosphor-32 leben, können auf diese Weise ungenießbar werden.
Ein anderes bekanntes Beispiel für solche Vorgänge ist die Anreicherung von radioaktivem fallout in Moosen. Diese werden von Rentieren gefressen, von denen sich wiederum die Eskimos ernähren. Auf diese Weise nehmen sie möglicherweise beträchtliche Strahlendosen zu sich.
Einiges von dem, was wir über dieses Phänomen der biologischen Anreicherung wissen, stammt aus einem riesigen Experiment der AEC in Oak Ridge. Hier hatte man einen kleinen Fluß gestaut, wodurch ein 22 Hektar großer See, der White Oak Lake, entstand. In diesen See wurde nun radioaktiver Abfall hineingepumpt, der dann in den White Oak, ein kleines Flüßchen, hineinsickerte. Auf die gleiche Weise war der Par-Pond-See entstanden.
Obwohl die Konzentration an radioaktivem Cäsium nur 0,00033 Mikrocurie betrug, fand man im dort gefangenen Seebarsch eine 3 5 mal höhere Konzentration. Bei Blaukehlchen fand man in den Knochen eine aooomal höhere Konzentration an Phosphor-32, und 872omal mehr radioaktives Zink als im See. Schneckenlarven am Columbia River, wo die Abwässer des Reaktors von Hanford hineinfließen, enthielten 35oooomal höhere Konzentrationen an Radioaktivität als das Wasser.
Auch Vögel reichern Radioaktivität an. Bei Schwalben etwa findet man diese Isotope auf das 75 ooofache konzentriert, denn sie ernähren sich von Insekten, die ihrerseits aus Algen eine erhöhte Konzentration aufgenommen haben; Algen reichern die Radioaktivität des Wassers um das aooofache an. Einige der Vögel sind Zugvögel. Was passiert, beschreibtNovickfolgendermaßen: »Radioaktivität, die man ursprünglich in hochverdünnter Form in das Wasser des White Oak Lakes pumpte, wurde nun wieder konzentriert und gut verpackt ins ganze Land verschickt.« Dabei reicht das Verbreitungsgebiet noch viel weiter als der Kontinent selbst, da viele Vögel auch in die Arktis, in die Antarktis oder gar über den Atlantik fliegen.
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In kleinerem Maßstab findet dieses Verfahren auch bei Insekten statt. Ein russisches Forschungsteam hat festgestellt, daß rund um einen See ebensoviel radioaktiver fallout in Form von toten radioaktiven Insekten niedergeht, wie man von zwei Wasserstoffbomben-explosionen erwarten würde. Dabei muß man annehmen, daß 80 Prozent der Insekten von Vögeln gefressen werden,- der größte Teil der Radioaktivität wird dadurch in andere Gebiete weiterverschleppt.
5 Wieviel Radioaktivität verträgt der Mensch?
Da man bis heute keine ungefährliche Strahlungsdosis festlegen kann, haben sich die mit Kernspaltungsprozessen befaßten Behörden eine Art Standardwert in Form der natürlichen Radioaktivität zurechtgelegt. Einige Gesteine, wie etwa der Granit, weisen tatsächlich Spuren von radioaktivem Material auf. Radium ist in einigen Wasserquellen nachweisbar. Kosmische Strahlung, die wohl zum größten Teil bereits in der Atmosphäre absorbiert wird, erreicht unsere Erde in geringem Ausmaß.
Wie alle Strahlung kann auch diese <natürliche> Strahlung Schäden hervorrufen. So zeigte eine Statistik im Staate New York, daß Familien, die auf Felsen vulkanischen Ursprungs leben oder die Wasser mit einem ziemlich hohen Radiumgehalt zu sich nehmen, eher mißgebildete Kinder zur Welt bringen. Während im Durchschnitt auf 1000 Geburten 13,2 Mißbildungen beobachtet werden, liegt der Durchschnitt bei jenen Familien bei 17,5. In 186 der 942 untersuchten Gegenden liegt die Zahl sogar über 20, wobei Fehler, die aus einer unterschiedlichen Befragungstechnik resultieren, sorgfältig eliminiert wurden. Ähnliche Unterschiede kann man bei den Erkrankungen an Leukämie beobachten. Dieser Background an natürlicher Radioaktivität wird mit 150 bis 200 Millirem pro Jahr angegeben. Aus dieser Zahl leiten die Verantwortlichen eine tolerable Dosis an künstlicher Radioaktivität ab, die etwa genau so hoch ist, nämlich 0,17 rad.
Für manche Leute ist das Wort <natürlich> gleichbedeutend mit <ungefährlich>; einigen bedeutet es sogar <wünschenswert>. Sie plädieren für <natürliche> Heilmethoden und für <natürliche> Befruch tung.
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Diese Umstände erlauben es den Behörden, eine Strahlenbelastung, die der >natürlichen< vergleichbar ist, als unerheblich anzusehen. Konkret bedeutet das aber nichts anderes als eine Verdoppelung des Risikos. Wenn eine Behörde heute vorschlagen würde, die Anzahl der Verkehrsunfälle zu verdoppeln, würden wir sie für Ungeheuer oder Wahnsinnige halten; genau das aber wird von dei Strahlenschutzbehörden der ganzen Welt vertreten. Da sie selbs nicht wagen, von einer sicheren Dosis zu sprechen, führten sie dei Begriff der vertretbaren Dosis< ein. Tatsächlich wurde eine solch Dosis nie im demokratischen Sinne als vertretbar akzeptiert. Dl einzigen, die das für vertretbar halten, sind die Experten selbst Doch müssen wir die Frage stellen, welchen Preis in Form voi Krankheit, Mutationen und Soziallasten wir für die Segnungen de Elektrizität aus Atommeilern zu zahlen bereit sind.
Ich habe hier ganz allgemein von den >Verantwortlichen< gespro chen, denn die Verhältnisse in Amerika sind durchaus mit denei in Westeuropa vergleichbar. Die meisten Länder folgen den Emp fehlungen der Internationalen Strahlenschutzkommission (Interna tional Commission on Radiological Protection). Die amerikanischer >Richtlinien< wurden vom Fedeial Radiation Council (FRC) fest gesetzt, wobei als Uberwachungsbehörde die staatliche Strahlen Schutzbehörde (National Council on Radiation Protection) ein geschaltet ist. In England verläßt sich das Gesundheitsministeriun bei der Festlegung der Strahlenschutzbestimmungen auf die Emp fehlungen des Medical Research Council. Die einzelnen Atomener giebehörden haben wiederum eigene Richtlinien für das bei ihner arbeitende Personal. Zum Verständnis der ganzen Problematik is es nicht nötig, auf alle Einzelheiten einzugehen, die heute in de: Diskussion sind. Bedauerlicherweise ist aber gerade das Verteidi gungsministerium überhaupt nicht an die Richtlinien des FRC gebunden.
In England und den USA wurde die tolerierbare Dosis für eint Ganzkörperbestrahlung auf 0,17 rad (170 millirad) festgesetzt. W« ich im folgenden ausführen werde, ist diese Dosis in jedem Falle zv hoch. Andererseits ist sie viel zu niedrig, als daß sie bei den Leuten
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die in der Atomindustrie arbeiten, eingehalten würde, »denn hier ist es unmöglich, Strahlung völlig auszuschließen«. Betrachten wir die Zahlen der in der Luft enthaltenen Aktivität. Die Behörden geben zu, daß Leute, die >beruflich< mit diesen Dingen zu tun haben, das Hundeitfache der vertretbaren Strahlendosis abbekommen. Auch die in der Nähe von Atomreaktoren arbeitenden Menschen müssen sich damit abfinden, zehnmal mehr radioaktiver Strahlung ausgesetzt zu sein, als es die offiziellen Bestimmungen vorsehen. Wenn wir die vertretbare Strahlendosis< tatsächlich als vertretbar akzeptieren wollen, so ist es zumindest eindeutig, daß die Behörden nicht mehr vertretbare Strahlendosen einem Teil der Bevölkerung zumuten, nämlich den Menschen, die in der Umgebung von Reaktoren wohnen. Dieser Anteil der Gesamtbevölkerung wird in dem Maße zunehmen, wie neue Atomkraftwerke gebaut werden. Die Strahlenbelastung in der Atomindustrie müßte in jedem Fall gleichmäßiger über das ganze Jahr verteilt werden, um derartige Schäden zu reduzieren. Es gibt viele Möglichkeiten, das zu kontrollieren und zu steuern.
Von den Behörden wurden auch für verschiedene Organe wie Augen, Knochenmark und Keimdrüsen (Eierstöcke beziehungsweise Hoden) zumutbare Strahlenbelastungen festgelegt. Bei den Keimdrüsen ist vor allem eine Gefährdung des genetischen Materials zu befürchten; man führt deshalb eine neue sehr theoretische Größe ein, nämlich das mittlere Fortpflanzungsalter, das mit 30 Jahren angegeben wird. Industriearbeitern in diesem Alter wird eine Strahlenbelastung von 50 rem zugemutet. Tatsächlich ist es aber durchaus nicht ungewöhnlich, daß jemand mit 40, 50 oder noch später Kinder zeugt. Diese Kinder tragen im Vergleich zu Kindern von jüngeren Eltern ein unverhältnismäßig hohes Risiko, an Leukämie, Mißbildungen oder anderen genetischen Schäden zu leiden. Diese Art der Kalkulation ist charakteristisch für eine rein bürokratische Betrachtungsweise, wo der einzelne nur in eine große Statistik eingeht.
Tatsächlich treibt diese Form der Haarspalterei noch ganz andere Blüten. Man argumentiert, daß Leute mit geschädigten Keimdrüsen sich durch Heirat mit der übrigen Bevölkerung wieder mischen, so daß derartige Schäden gleichmäßig verteilt werden. Es ist daher auch
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gar nicht so schlimm, wenn ein kleiner Teil der Bevölkerung ein derart hohes Strahlenrisiko trägt. Hauptsache, die Strahlenbelastung für die übrige Bevölkerung des Landes wird so niedrig gehalten, daß der genetische Schaden der Gesamtbevölkerung einen vertretbaren Rahmen nicht überschreitet. Ich möchte die Art von Berechnungen kurz anführen, die eine Behördenseele befriedigt:
0,1 Prozent der Bevölkerung erhält 5 millirem pro Jahr, und
zwar im Alter zwischen 18 und 30 Jahren.
2,0 Prozent der Bevölkerung bekommt bis zum 30. Lebensjahr
0,5 millirem pro Jahr ab;
die ganze übrige Bevölkerung muß mit einer Strahlenbelastung
von 2 millirem pro Jahr rechnen. Aus dieser Rechnung folgt eine durchschnittliche Strahlenbelastung von 2,6 millirem pro Jahr. Das entspricht etwa der Hälfte der erlaubten Dosis von 5 millirem pro Jahr, und damit ist alles in bester Ordnung. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das aber nichts anderes, als daß in den USA 200 000 und in England 110 000 Menschen einer zu hohen Strahlendosis ausgesetzt sind.
Ganz abgesehen von der ethischen Seite des Problems wissen wir gar nicht, inwieweit sich Arbeiter aus der Atomindustrie tatsächlich mit der Gesamtbevölkerung mischen,- noch wissen wir, in welchem Zeitraum sich derartige genetische Schäden streuen. Über all diese Probleme existieren keinerlei Untersuchungen.
Hat man sich erst einmal mit vertretbaren Strahlendosen einverstanden erklärt, dann ist der nächste Schritt nicht weit, auch eine vertretbare Menge an Atommüll zu tolerieren und sich mit vertretbaren Strahlenbelastungen in Kernforschungsanlagen abzufinden. Der Berechnung von Schutzmaßnahmen werden genau die einem sogenannten Standardmenschen noch zumutbaren Strahlendosen zugrunde gelegt. Dieser fiktive Standardmensch trinkt dann soundso viel Wasser, atmet soundso viel Luft ein, und seine inneren Organe haben Standardgröße. Er ißt ferner bestimmte Mengen bestimmter Eßwaren und wird soundso oft geröntgt. So kann man aus der Standardmenge an Radioaktivität, die unser Standardmensch ißt, trinkt und einatmet, jene berühmte Standarddosis errechnen.
Sollte dagegen die Bevölkerung hohe Strahlendosen infolge eines
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Unfalls abbekommen, so ist es <höchst unbefriedigend>, sich vorzustellen, daß auch unser Standardmensch davon betroffen sein könnte.
Unglücklicherweise gibt es eine ganze Menge Männer und noch mehr Frauen, die diesem Standard durchaus nicht entsprechen. Dazu gehören Leute, die eine Radiotherapie über sich ergehen lassen mußten, oder Leute, die öfters geröntgt werden, Armbanduhrenträger mit Leuchtzifferblatt, dessen Luminiszenz von Radium verursacht wird, Personen, die oft mit dem Flugzeug fliegen, Dauerfernseher und Austernesser.
Problematischer wird die Sache schon bei Schwangeren, denn das ungeborene Kind ist außerordentlich empfindlich gegen ionisierende Strahlen. Radioaktive Isotope können über die mütterliche Plazenta in den Embryo gelangen. Sorgfältige Untersuchungen von Dr. Alice Stewart von der Universität Oxford haben ergeben, daß eine diagnostische Durchleuchtung der Mutter mit Röntgenstrahlen das Risiko des Kindes, an Leukämie zu erkranken, um 50 Prozent erhöht. Die Studien von MacMahon in den Vereinigten Staaten brachten das gleiche Ergebnis. Daraus folgt, daß die Angabe einer vertretbaren Dosis für die gesamte Bevölkerung barer Unsinn ist, um nicht noch härtere Worte zu gebrauchen. Natürlich haben die Behörden den Sonderfall der Schwangeren berücksichtigt, und sie machen für diesen Fall auch einige Empfehlungen, aber diese Ausnahmen sind sofort vergessen, wenn es darum geht, eine Voraussage über das Strahlenrisiko durch radioaktiven Abfall oder bei einem Reaktorunfall zu machen.
Wie unsicher die gesamte Konzeption ist, dürfte klar sein. Wenn man etwa radioaktive Gase durch einen hohen Schornstein in die Luft bläst, so können sie schnell in große Höhen gelangen oder unverdünnt sofort auf den Boden heruntergedrückt werden. Genau so gut können sie auf das Meer hinausgetragen werden oder bei Inversionswetterlage mit geringer Luftbewegung in der Luft stehen bleiben, Die Radioaktivität kann eine biologische Konzentrierung erfahren, sie kann aber auch in eine Nichtstandardfrau gelangen. Der Fötus hat dann allerdings die Chance, unter dem Standard zu liegen.
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Ein Zufall rettete das Image der Atomenergiebehörden bei einem Reaktorunfall in Windscale vor einer Katastrophe ganz großen Stils. Der Wind wehte damals den größten Teil des radioaktiven fallout in die Irische See oder nach Irland, wo es kaum auffiel. Hätte der Wind vom Meer her geblasen, so hätte sich die Geschichte der englischen Atomenergie möglicherweise anders entwickelt. Doch es war auch so schlimm genug. Die gesamte Milch mußte vernichtet werden, die Kühe durften auf einer Fläche von 1000 Quadratkilometern nicht mehr weiden. In großen Teilen von Nordeuropa wurde ein Anstieg der Radioaktivität festgestellt.
Wir wollen uns nun der Frage zuwenden, was die Strahlendosis von 0,17 rad für den bedeutet, der sie tatsächlich abbekommt. Nach den Aussagen von Dr. John W. Gofman und Arthur R. Tamplin vom Lawrence-Strahlenlabor in Livermore, Kalifornien, heißt diese Dosis bei gleichmäßiger Bestrahlung aller Menschen eine Zunahme der Krebs- und Leukämiekranken um 16.000 in den USA und um 4400 in England; in allen anderen Ländern liegen die Zahlen entsprechend der Bevölkerungszahl.
Tatsache ist, wie Gofman und Tamplin bemerken, daß es bis heute keine wissenschaftliche Rechtfertigung für diese Strahlendosis gibt. Uns fehlen die Informationen, auf Grund derer wir eine begründete Maximaldosis festlegen könnten.
6 Krebs und zulässige Strahlendosis
Gofman und Tamplin haben nun eine solche Berechnung durchgeführt, und zwar auf Grund von Daten, die nach der Einführung von Strahlenschutzrichtlinien bei einer Bevölkerungszahl von etwa 1 Million Menschen erhoben wurden. Aus diesen Zahlen geht hervor, daß sich bei einer Dosis von 100 rad die Anzahl der Krebskranken verdoppelt. Bei Lungenkrebs mag eine etwas höhere Dosis nötig sein. In Japan liegen die entsprechenden Dosen bei 100 rad, während die Zahlen in Amerika zwischen 125 und 250 rad schwanken. Gofman und Tamplin schätzen, daß sich bei Zunahme der Strahlenbelastung um 175 rad die Anzahl der Lungentumoren verdoppelt. Wenn 100 rad die Anzahl der Tumorpatienten verdoppeln,
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dann macht i rad immerhin eine Steigerung von i Prozent aus. Für viele andere nicht so häufig vorkommende Krebsarten schwankt die Zunahme pro rad zwischen 0,4 und 2,5 Prozent.
Dabei scheinen jüngere Menschen empfindlicher zu reagieren; die Dosis, die zu einer Verdoppelung der Tumorpatienten führt, liegt hier bei nur 5 bis 10 rad (das bedeutet eine Steigerung um 10 bis 20 Prozent pro rad). Für Schilddrüsentumoren mag diese Zahl eher noch höher liegen.
Dabei muß man berücksichtigen, daß diese Zahlen naturgemäß zu niedrig errechnet werden, da Tumoren immer mit einer gewissen Verzögerung erscheinen.
Kinder im Mutterleib scheinen ganz besonders empfindlich zu sein. Nach den Ergebnissen von Alice Stewart muß man auf eine Verdoppelung der Tumorerkrankungen bei einer Erhöhung der Strahlendosis um 4 bis 6 rad schließen, was auch von amerikanischen Wissenschaftlern bestätigt wurde. Da sich diese Befunde alle auf einmalige Strahlendosen von 2 bis 3 rad beziehen, während es sich hier um die Dosis von 0,17 rad in einem Zeitraum von neun Monaten handelt, klammern Tamplin und Gofman pränatale Schäden bei ihren Betrachtungen aus.
Im Alter von 30 Jahren und bei einer jährlichen Strahlenbelastung von 0,17 rad sollten sich immerhin 5 rad auf summiert haben, was die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, um 5 Prozent erhöhen würde. Da normalerweise von einer Million Menschen etwa 2800 an Krebs erkranken und da es in Amerika etwa 100 Millionen Menschen über 30 Jahre gibt, würde das für diese Altersgruppe 14 000 zusätzliche krebskranke Menschen bedeuten.
Außerdem muß man auch in der Altersgruppe unter 30 Jahren mit einigen Fällen, vor allem mit Erkrankungen an Leukämie, rechnen. Gofman und Tamplin nehmen als untere Grenze 2000 Fälle an, was insgesamt 16000 zusätzliche Krebserkrankungen pro Jahr ausmacht. Das entspricht ungefähr den Gefallenen des Jahres 1969 in Vietnam. Für England, Schottland und Wales mit etwa 30 Millionen Menschen über dreißig Jahre hieße das 4400 zusätzliche Krebserkrankungen. Dabei werden weder tödliche Schädigungen an Kindern im Mutterleib oder bei Kindern, die kurz nach der Geburt sterben, noch genetische Schäden, die zu einer Verkürzung des Lebens führen, berücksichtigt.
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Zwei wesentliche Argumente gegen die Festlegung einer zulässigen Strahlendosis existieren:
Erstens gehen die Behörden bei der Festsetzung einer Höchstgrenze natürlich nicht davon aus, daß man tatsächlich diese Dosis abbekommt. Man muß dann allerdings fragen, aus welchem Grunde solche Grenzen überhaupt festgelegt werden. Sicher ist, daß einige Leute Schäden davontragen, auch wenn die Zahlen nicht so hoch wie die hier errechneten sein mögen. Der zweite Einwand ist ernster. Die Festlegung einer solchen ungefährlichen Dosis setzt voraus, daß es eine Grenze gibt, unterhalb derer radioaktive Strahlung harmlos ist. Es ist richtig, daß sich unsere früheren Kenntnisse ausschließlich auf die Bestrahlung mit hohen Dosen beziehen, jedoch wurden nun auch bei Tieren Experimente mit niedrigen Dosen durchgeführt. Bei den Untersuchungen von Alice Stewart etwa wurden Strahlendosen von i bis 3 rad angewandt. Einer der maßgeblichsten Verfechter für die Festsetzung einer oberen Strahlendosis war Dr. Robley D. Evans vom Massachusetts Institute of Technology, aber bereits im Jahre 1967 konnte Dr. Walter zeigen, daß sich die Daten von Dr. Evans nicht mit seinen Schlußfolgerungen vereinbaren ließen. Gofman und Tamplin fügten 1969 ihrem Bericht für den amerikanischen Senat weiteres ausführliches Zahlenmaterial bei, das Dr. Walters Thesen stützte. Tatsächlich muß man zugeben, daß wir keinen Beweis für oder gegen die Existenz eines Schwellenwertes bei geringer, aber fortdauernder Strahlenbelastung haben. Ja, wir haben keine Ahnung, wo dieser Schwellenwert liegen könnte. Solange das nicht der Fall ist, ist es mehr als voreilig, darauf zu bauen, denn sollte sich diese Annahme als falsch erweisen, wäre der Preis für viele Menschen unheilbare Schäden. In der naturwissenschaftlichen Zeitschrift Science diskutierte Robert W. Holcomb die hier angeschnittenen Fragen. Zum Schluß meinte er: »In Kürze wird man wohl den Begriff vertretbares Risiko<, wie er in den Strahlenschutzbestimmungen definiert ist, als allgegenwärtige Gefahr bezeichnen, deren Existenz jedoch nicht exakt bewiesen werden kann.«
6 Krebs und 220
Aus offiziellen Quellen hört man noch ein drittes Argument. In Amerika sieht das etwa so aus: Wenn man vom Mittleren Westen nach Denver geht, setzt man sich doppelt so vieler Strahlung aus als normal. Wenn die Strahlungsdosis in unserer Umgebung zunimmt, entspricht das also dem Weg nach Denver. In England wird Aberdeen statt Denver strapaziert, da der Granit, aus dem die meisten Häuser gebaut sind, mehr Radioaktivität enthält als etwa Ziegelsteine,- außerdem sind diese Häuser auf Granitfelsen gebaut. Amtliche Zyniker könnten also vorschlagen, daß Leute, die sich bis jetzt mit der doppelten Strahlendosis abfinden mußten, auch die dreifache Menge vertragen werden. Und schließlich steht es jedem frei, der etwas gegen Leukämie etc. hat, von Denver oder Aberdeen in eine weniger gefährliche Umgebung zu ziehen — aber niemand ist so frei, sich der vom Menschen geschaffenen Umweltvergiftung gänzlich zu entziehen.
Gofman und Tamplin schlagen vor, die heute noch erlaubte Strahlendosis auf ein Zehntel zu reduzieren, ein Vorschlag, der bei den Behörden großes Entsetzen verursacht.
Paul C. Tompkins, der geschäftsführende Direktor des Fedeial Radiation Council, meint: »Solche Vorschläge können nur von Leuten angepriesen werden, die von dem ganzen Geschäft keine Ahnung haben. Die Strahlenbelastung auf ein Zehntel zu reduzieren würde Milliarden kosten,- möglicherweise würde es mehr als der Vietnamkrieg kosten.« Dr. Gofman bezweifelt das zwar, ihm kommt es jedoch vor allem darauf an, daß Projekte wie das Ausheben von Kanälen und Häfen durch Atomexplosionen oder das Forschungsprogramm zur Untersuchung der unterirdischen radioaktiven Gase aufgegeben werden.
Die bis heute bekannten Tatsachen faßten Gofman und Tamplin zusammen: »Die Richtlinien stellen Zahlen dar, die einen so großen Einfluß auf die Zukunft der menschlichen Rasse haben wie nie zuvor. Die Gesellschaft muß sich deshalb fragen, und zwar mit großer Eindringlichkeit, ob diese Richtlinien gegen jeden Einwand erhaben sind, da die Folgen eines Irrtums die völlige Auslöschung der menschlichen Rasse bedeuten können.«
Verständlicherweise haben Gofman und Tamplin ihre Forderungen sehr hoch geschraubt. Auf der anderen Seite drängt sich einem die Überzeugung auf, daß die bestehenden Vorschriften mehr auf Optimismus als auf Vernunft bauen. Der Preis in Form von leidenden Menschen fordert ein erneutes Überdenken und Erforschen dieses Problems.
7 Risiken durch 221
7 Risiken durch Unfälle
Schließlich soll man die Augen nicht vor der Möglichkeit eines Reaktorunfalls verschließen. Während man die unmittelbare Freisetzung von Strahlung und Hitze bei einer solchen Explosion kaum noch als Umweltverschmutzung* bezeichnen kann, so bleibt doch ein großer Teil des strahlenden Materials in der Umgebung bestehen, und zwar vor allem die langlebigen Isotope.
Die Geschichte der Kernspaltung ist mit Unfällen gepflastert, die sowohl auf mechanisches Versagen von Sicherheitsvorrichtungen als auch auf menschliches Versagen oder auf beides zurückzuführen sind. Bei dem Unfall in Denver, der erst kürzlich passierte, mußten immerhin 45 Millionen Dollar zur Behebung der Schäden aufgewendet werden. Die Freisetzung kleinerer Mengen an Radioaktivität ist durchaus keine Seltenheit. Man kann heute schon mit einer gewissen statistischen Wahrscheinlichkeit die Reaktorunfälle der künftigen Kernkraftwerke vorhersagen. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Industrieunfällen sind diese kleinen Reaktorunfälle durchaus nicht zu vernachlässigen, denn tausendmal 1 Curie freigesetzt, ist genausoviel wie einmal 1000 Curie, jedenfalls dann, wenn die Halbwertszeit der Isotope groß ist. Unter Einwirkung von radioaktiver Strahlung wird Metall spröde. Die tieferen Ursachen für dieses Verhalten sind heute noch nicht vollständig verstanden. Außerdem sind unsere Erfahrungen mit den außerordentlich korrosiven Kühlflüssigkeiten nicht sehr groß, vor allem bei den hier auftretenden Temperaturen von etwa 500°C.
Edward Teller, der <Vater der Wasserstoffbombe>, erklärte bereits im Jahre 1967:
»Etwa 2 Tonnen Kernbrennstoff enthält heute ein Reaktor. Mit einem Tausendstel dieser Menge erreicht man aber bereits die sogenannte kritische Masse. Schon ein kleiner Teil des Reaktorbrennstoffs ist eine große Gefahr.«
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Teller, der für seine positive Einstellung gegenüber der Atomenergie bekannt ist, hat trotzdem festgestellt:
»Grundsätzlich sind Kernreaktoren gefährlich; meiner Meinung nach gehören Atomreaktoren einfach nicht auf unsere Erdoberfläche.«
Tatsächlich hat man die Planung für einen Reaktor in Kalifornien in der Nähe von San Andreas gestoppt, da man in diesem Gebiet mit Erdbeben rechnen muß. Wird ein Reaktor durch ein Erdbeben ernsthaft beschädigt, so muß man auch mit dem Ausfall der Sicherheitsvorkehrungen rechnen, was die Zerstörung der eigentlichen Brennelemente zur Folge haben kann. Ein einziger Reaktor von 1000 Megawatt Leistung enthält nach einem Jahr Betrieb mehr radioaktives Cäsium, Strontium und Jod, als durch alle vorhergegangenen Kernwaffentests freigesetzt worden ist.
Für einen Reaktor, halb so groß wie das Projekt an der Bodega Bay, 70 Kilometer von San Francisco entfernt, wurde eine Studie für den Fall eines Unfalls erstellt. Dabei ging man von der Voraussetzung aus, daß nur die Hälfte des Kernbrennstoffes freigesetzt wird. Man rechnet in diesem Fall mit 3400 Toten, 43.000 Verwundeten und einem Sachschaden bis zu 28 Millionen Mark. Die gleiche Berechnung für den Fall, daß nur geringe Luftbewegung herrscht, ergab für den 300-Megawatt-Reaktor in der Nähe von Lagoona Beach in Michigan 133.000 Tote und 181.000 Verletzte. Dazu kommen noch 245.000 Menschen, bei denen die Schädigungen erst später erkennbar werden (Krebs oder Verkürzung der Lebenserwartung); auf Berechnung der Sachschäden hat man verzichtet. Große Reaktoren kann man nicht einfach sich selbst überlassen, damit sie auskühlen. Man muß damit rechnen, daß sie explodieren.
Neben den Reaktoren selbst stellt jedoch auch der Transport der verbrauchten Brennelemente zu den Aufbereitungsfabriken ein nicht zu unterschätzendes Risiko dar. Zur Zeit transportiert man sie in 70-Tonnen-Containern. Man hat sie als die gefährlichsten Objekte bezeichnet, die der Mensch kennt; ihre Gefährlichkeit steht der Atombombe nur um weniges nach.
Sie enthalten genug Radioaktivität, um ganze Städte zu vergiften. Radioaktives Material wird jedoch auch als Luftfracht verschickt, wobei tatsächlich schon kleinere Unfälle passierten; Hunderte von Menschen wurden bereits auf diese Weise der Strahlung ausgesetzt. Man rechnet, daß im Mittel alle 160 Millionen Transportkilometer ein schwerer Unfall passiert. Drei Millionen Kilometer waren es bereits im Jahre 1962. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts können wir mit einigen dieser Unfälle rechnen.
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Schließlich müssen wir uns mit dem Problem der wachsenden Abraumhalden der Uranminen auseinandersetzen.
In Amerika liegen im Tal des Colorado River mehr als 12 Millionen Tonnen von radioaktivem Sand auf ungeschützten Halden. Sie lagern dort seit mehr als zwanzig Jahren, wobei durch das Regenwasser ein Teil in die Nebenflüsse des Colorado River und möglicherweise auch direkt in den Lake Mead geschwemmt wurde. Dabei handelt es sich hier um ein Wasserreservoir, das zur Trinkwasserversorgung großer Teile von Kalifornien, Nevada, Utah, Wyoming, Colorado, New Mexico und Arizona dient.
Die Gefahr wurde jedoch erst bemerkt, als man Ende der fünfziger Jahre im Wasser des San-Miguel-Flusses Radioaktivitätsmengen feststellte, die um den Faktor 30 über der zulässigen Grenze lagen, während Algen und Klee noch weit höhere Konzentrationen zeigten. Als die AEC in den sechziger Jahren ihren Bedarf an Uran drosselte, schlossen viele Minen. Drei Millionen Tonnen Abfallmaterial, das noch 2 Kilogramm Radium-226 mit einer Halbwertszeit von 1620 Jahren enthielt, wurden manchmal direkt an Flußufern einfach sich selbst überlassen. Auf Anweisung der Behörden zur Reinhaltung des Wassers hat man versucht, die Haufen mit Kies zu bedecken und dann zu bepflanzen; es wuchs jedoch rein gar nichts darauf. Zur Zeit gibt es in den USA immerhin 30 Millionen Tonnen von diesem Zeug, und die Mengen nehmen täglich zu.
8 Sand in die Augen gestreut
Was dem Mann auf der Straße verborgen bleibt, ist der Grad an Unverfrorenheit und Falschheit, und zwar nicht nur von seiten der Privatindustrie (von der man ohnehin nichts erwartet), sondern auch von Seiten der Behörden, insbesondere der AEC. Ich möchte hier nur einige Beispiele anführen:
224/225
Was ursprünglich <Risikoanalyse> hieß, wurde nun in <Sicherheitsanalyse> umgetauft, einfach weil das besser klingt. Ähnlich verhält es sich bei den <Strahlenschutzbestimmungen>. Die ganze Sache hat mit Schutz überhaupt nichts zu tun; es wird nur festgestellt, welches zusätzliche Risiko der Staat seinen Bürgern zumuten will. Und es kann nicht länger bezweifelt werden, daß es sich hier um ein zusätzliches Risiko handelt, dem die Menschheit nie zuvor ausgesetzt war und dem sie sich, würde man sie danach fragen, auch nie aussetzen würde. Dieser Sachverhalt zeigt, was man unter <Schutz> versteht. Solche Tricks haben bei manchen Leuten offenbar die Vorstellung fixiert, daß derartige Angaben, ähnlich wie bei Nahrungsmitteln, irgend etwas mit Sicherheit zu tun haben.
Ein ähnlicher Humbug ist die Feststellung, daß jede industrielle Tätigkeit mit einem gewissen Risiko verbunden ist, so daß eigentlich nichts dagegen einzuwenden sei, wenn Arbeiter in Atomreaktoren und Waffenfabriken gewissen Gefahren ausgesetzt sind. Drei Dinge werden dabei vor allem übersehen:
Erstens handelt es sich hier um eine ganz besondere Art von Risiko. Risiken, die man normalerweise in der Industrie zu tragen hat, beeinflussen in keiner Weise das genetische Potential einer ganzen Rasse. Sobald dieses Risiko Krebs oder ähnlich schreckliche Krankheiten beinhaltet, erwartet man, daß der Schutz vollständig ist. Nur ein Unglück oder menschlicher Irrtum bei Beachtung aller Vorsichtsmaßregeln kann als Risiko toleriert werden. Wenn das nicht garantiert werden kann, muß man einfach auf diese spezielle Technologie verzichten.
Zweitens mutet man der Gesamtbevölkerung eine Strahlenbelastung zu, die immerhin ein Hundertstel der eines Arbeiters in der Atomindustrie ausmacht. Schließlich muß auch nicht für jeweils hundert verunglückte Bergleute ein Mitglied der übrigen Gesellschaft sterben. Unter diesen Umständen wären die Sicherheitsbestimmungen in der Kohlenindustrie sicherlich wesentlich strenger!
Schließlich behauptet man auch noch, daß dieses Risiko durch den Fortschritt gerechtfertigt würde. Wer bestimmt eigentlich, welches Maß an menschlichem Leid einer bestimmten Reduktion der Strompreise entspricht?
8 225
Ein weiterer Einwand ist, daß dieser Punkt für die Verkürzung der Lebenserwartung nur eine untergeordnete Rolle spiele. Mit diesem Argument kann man allerdings fast alles rechtfertigen. Nur ein kleiner Prozentsatz der Bevölkerung nimmt Drogen, warum gibt man die Drogen nicht frei? Warum verbietet man Spuren an karzinogenen Substanzen in der Nahrung? Nur wenige werden sterben, wenn Margarine — wie schon einmal — mit Buttergelb gefärbt werden darf! DDT ist nicht annähernd so gefährlich wie Radioaktivität — warum also Beschränkungen in der Verwendung festlegen?
Die Haltung, die wir radioaktiver Strahlung gegenüber einnehmen, ist, führt man sich die Folgen vor Augen, völlig unverständlich und ganz anders als gegenüber irgendwelchen anderen Gefahren. Ich kann mir nur vorstellen, daß wir hier Ignoranz in Reinkultur vor uns haben, und dazu rührendes Vertrauen in das Wohlwollen der Experten.
Das Ziel der AEC, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, erkennt man bereits an den schwülstigen Formulierungen ihrer Berichte und Verordnungen. Wenn sie einfach sagen wollen, daß der Reaktor außer Kontrolle gerät und der ganze Laden möglicherweise in die Luft fliegt, benutzen sie natürlich nicht so harte Worte; man spricht davon, daß der Reaktor kritisch wird, was zur Zerstörung der Anlage führt.
Das Empörendste ist allerdings die Spitzfindigkeit, mit der man die natürliche Strahlendosis als Parameter für erlaubte Strahlenbelastung festlegt.
Wir sollten uns darüber im klaren sein, daß wir uns zu allen bereits bestehenden Risiken zusätzlich ein gleich großes künstliches Risiko aufbürden, das heißt, daß wir unser Existenzrisiko verdoppeln. Warum man sich an diesen Standard der natürlichen Radioaktivität hält, ist sehr durchsichtig; durch die beschriebene Wirkungsweise von Strahlen kann niemand beim Auftreten von Krebs oder anderen Schäden feststellen, ob dieses Unglück zu Lasten der natürlichen oder der künstlichen Radioaktivität geht. Auf jeden Fall stehen die Chancen 50 zu 50. Vielleicht wird die Atomenergiebehörde schon in Kürze eine neue tolerable Dosis festlegen, um so allen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen.
Dieses Ausmaß an Unbarmherzigkeit kann man nicht anders als obszön bezeichnen.
8 Sand 226
Wie Sheldon Novick in seinem Buch <The Careless Atom> (Atom-Spielzeug) schreibt, war es die Politik der AEC, lieber jedem den Umgang mit geringen Mengen an Radioaktivität zu erlauben, als wenigen größere Mengen anzuvertrauen. Dabei wurden die Grenzen nicht danach festgesetzt, wieviel Radioaktivität insgesamt außer Kontrolle geraten kann, sondern vielmehr, wieviel der einzelne gerade haben will.
Die AEC macht gar keine Anstrengungen, die allgemeine Kontaminierung zu begrenzen; ganz offensichtlich ist sie sogar gewillt, das gesamte Ökosystem zu vergiften, und zwar bis in den letzten Winkel dieser Erde; sie ist nur darauf bedacht, daß der einzelne sie nie verklagen kann und daß niemand aufsteht und sagt: »Schaut mich an, das habt ihr mir angetan.«
Die Feststellung, die wir bereits im Falle des DDTs getroffen haben, muß hier ohne Einschränkung wiederholt werden:
Jeder Mensch auf dieser Erde — wir wollen dabei Tiere und Pflanzen außer acht lassen — ist heute einer Strahlenbelastung ausgesetzt, die das Ergebnis genau dieser Politik ist. Niemand kann mehr etwas dagegen unternehmen. Ob wir überhaupt noch eine Überlebenschance haben, hängt davon ab, ob wir weiterhin beständig unsere eigene Situation schlimmer und schlimmer werden lassen.
Ich möchte noch einmal Sheldon Novick zitieren: »Wir haben offenbar bereits vergessen, daß im Falle der Radioaktivität <nicht meßbare Schäden> möglicherweise nichts anderes bedeuten, als daß sie nicht gerade tödlich für uns alle sind. Die überstürzte Eile, mit der heute kommerzielle Reaktoren installiert werden, macht ein erneutes Überdenken unserer Situation unmöglich.«
Die verantwortungslose Haltung der AEC wurde bereits von Mitgliedern des Obersten Gerichtshofs der USA angeprangert, leider jedoch ohne sichtbare Wirkung. Im Zusammenhang mit der Entscheidung der AEC, die Konstruktion eines neuen Reaktortyps in Lagoona Beach, Michigan, voranzutreiben, obwohl das eigene Beratungsgremium für Sicherheitsfragen dazu einen wenig enthusiastischen Bericht geliefert hatte, waren sich die Richter Douglas und Black einig, daß man hier durch geschickte Interpretation der einschlägigen Gesetze »in unverantwortlicher Weise eine der schrecklichsten und gefährlichsten Entwicklungen in Gang gesetzt hatte, die je vom Menschen ersonnen wurde«.
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In der Geschichte der AEC ist solche Leichtfertigkeit jedoch keine Seltenheit.
So behauptet sie, daß der fallout von Kernwaffentests in der Wüste nachträglich nicht weiter verschleppt wird und daß damit die Bewohner der umliegenden Gebiete nicht gefährdet seien. In krassem Gegensatz dazu standen die Beobachtungen von Professor Robert Pendleton von Utah, der eine stetige Zunahme der Cäsium-137- und Strontium-90-Konzentration im Boden und in allen Lebewesen feststellte. Er wies weiter nach, daß Erdreich von höher gelegenen Regionen in die tieferliegenden Täler geschwemmt wird. Dort fand er Stellen mit außerordentlich hohen Konzentrationen an radioaktiven Stoffen, die durchaus eine Gefahr für das weidende Vieh darstellen. In den Gebieten mit hohen Niederschlagsmengen fand man 5- bis 20mal höhere Mengen an Radioaktivität als in den Hochtälern. In diesen Gebieten konnte man bereits Knötchen in der Schilddrüse von Kindern feststellen.
Im Jahre 1969 entschloß sich die AEC plötzlich, einen gigantischen Betrag für ein entsprechendes Forschungsvorhaben an Pendleton zu vergeben. Es handelte sich um eine Million Mark, die in drei Jahren ausgegeben werden sollten, um die Auswirkungen des radioaktiven fallout zu studieren. Über den ganzen Staat Utah wurden Luftüberwachungsstationen verteilt. Außerdem will Pendleton die Verteilung der Radioaktivität in den Gebirgsflüssen überprüfen und die Anreicherung von Radioaktivität in Tieren, Pflanzen und im Boden untersuchen.
Die Geschichte der Atomenergiekommission ist eine Geschichte des Zweckoptimismus.
So vermutete die AEC ursprünglich, daß radioaktives Strontium kein ernsthaftes Problem darstelle. Im Jahre 1953 stellte die AEC fest, daß eine Gefährdung des Menschen durch Strontium-90 allenfalls von Knochensplittern herrühren könne, die beim Zerhacken von Fleisch entstehen und zusammen mit dem Fleisch gegessen werden. Nicht erwähnt wurde die Verseuchung der Milch solcher Tiere mit Strontium-90.
Ab 1956 wurde die Milch als die Hauptquelle für Strontium-90 in unserer Nahrung bekannt. Die AEC nahm auch an, daß Jod wegen seiner kurzen Halbwertszeit ungefährlich sei. Außerdem vertrat man die Ansicht, daß die Gefährdung des Menschen durch radioaktives Jod nur von den Kernwaffentests herrühre; da nur noch unterirdische Atombombentests durchgeführt würden, sei diese Gefahr gebannt.
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Professor Pendleton konnte dagegen auch im Jahre 1962 zeigen, daß sich in der Schilddrüse von Rindern steigende Mengen von radioaktivem Jod ansammelten. Da zu jener Zeit jedoch keine Kernwaffentests durchgeführt wurden, kann es nur von den Kernreaktoren und von den Aufbereitungsfabriken für Kernbrennstoff stammen. Im Jahre 1968 veröffentlichte die amerikanische Gesundheitsbehörde Zahlen, die noch weit alarmierender sind. Es handelt sich um den Gehalt an Radioaktivität in der Schilddrüse von Rindern aus Georgia, Iowa, Kansas, Louisiana, N. Carolina, Oklahoma, S. Dakota, Tennessee und Texas.
Sie können sicher sein, daß sich in dieser Hinsicht der Mensch vom Rind nicht unterscheidet.
Sollte die jetzige Situation noch weitere fünfzig Jahre anhalten, so wird sich nach Berechnungen von Professor Barry Commoner mehr radioaktives Jod in der menschlichen Schilddrüse ansammeln, als heute für ungefährlich gehalten wird. Die AEC jedoch beabsichtigt die Reaktorkapazität bis zum Jahre 2000 zu vertausendfachen, so daß wir diese obere Grenze schon weit früher erreichen werden; Fälle von Schilddrüsentumoren werden in diesen Staaten bereits sehr bald zunehmen.
Die obere Grenze der Strahlenbelastung für die Schilddrüse wurde vom <Federal Radiation Council> mit 10 rad angegeben. Einer Berechnung zufolge soll bei dieser Dosis das Risiko, an Schilddrüsentumor zu erkranken, um 50 Prozent steigen; nach einer anderen Berechnung schätzt man den Anstieg auf das Zwanzigfache.
Noch im Jahre 1957 konnte man im offiziellen Handbuch <The Effect of Nuclear Weapons> (Die Wirkung von Kernwaffen) der Abteilung für Verteidigung der AEC nachlesen, daß die entstandene Radioaktivität so langsam auf die Erde herabsinken würde, daß die Hälfte unsere Erde erst nach sieben Jahren erreicht. In der Neuauflage dieses Handbuchs aus dem Jahre 1962 wurde immerhin die Unrichtigkeit dieser Behauptung zugegeben.
Im AEC-Report von 1953 wurde noch festgestellt, daß die Menge an Radioaktivität unterhalb der Grenze liege, die eine feststellbare Zunahme von vererbbaren Veränderungen verursacht. Ganz abgesehen von der Zweideutigkeit des Wortes <feststellbar> sprach der Beirat der AEC für biologische und medizinische Fragen im Jahre 1957 die Vermutung aus, daß die bei den Kernwaffentests entstehende Radioaktivität auf der ganzen Erde pro Jahr wahrscheinlich 2500-13000 zusätzliche Fälle von ernsten genetischen Schäden verursacht hat.
Barry Commoner, dessen Buch <Science and Survival> ich die oben zitierten Fakten entnommen habe, meint dazu: »Klar ist, daß sich die für diese Kern Waffenentwicklung verantwortlichen Stellen in ein riesiges Programm eingelassen haben, bevor sie die biologischen Folgen absehen konnten.«
Als einer der 3,5 Milliarden Betroffenen dieser Erde kann ich nur fragen: Warum sind die Verantwortlichen dieser AEC-Politik noch in Amt und Würden?
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9 Schlußfolgerungen
Im vorangehenden Kapitel habe ich nur die Gefahren der radioaktiven Strahlung für die menschliche Gesundheit behandelt. Natürlich sind davon Pflanzen und Tiere gleichermaßen betroffen. Ein großer Teil der zu Lande produzierten Radioaktivität wird in die Meere geschwemmt, und auch Krypton und Tritium lösen sich in erheblichem Umfang im Meerwasser. Dazu kommen noch radioaktive Abfälle von Schiffen und Unterseebooten mit Atomantrieb.
Der russische Wissenschaftler G. Poljikarpow konnte zeigen, daß sich aus Eiern verschiedener Fische des Schwarzen Meeres, die in Wasser mit nur 0,2 Millicurie Radioaktivität kultiviert wurden, Fische entwickelten, die eine signifikant höhere Anzahl von Rückenmarkdefekten aufwiesen. Bis jetzt gibt es allerdings nur sehr wenig derartige Untersuchungen.
Plankton, das <Gras des Meeres>, Ernährungsgrundlage zahlreicher Meerestiere, wird ebenfalls von radioaktiver Strahlung beeinflußt; die möglichen Konsequenzen aus einer solchen Veränderung des Planktons habe ich in einem der vorangehenden Kapitel diskutiert.
Um es noch einmal ganz klar zu sagen, die Moral von der Geschichte heißt nicht: Radioaktivität ist für uns von Übel; sondern eine informierte Bevölkerung sollte abschätzen lernen, welches Risiko sie zu tragen bereit ist, und zwar sollte dieses Risiko gegen Informationen über andere Energiequellen (und es gibt davon eine Vielzahl) und deren mögliche Risiken abgewogen werden.
Die Internationale Kommission für Strahlenschutz stellt in ihrem Bericht fest, daß die zulässige Strahlenbelastung zusammen mit medizinischen Strahlungsdosen zwar »eine beträchtlidie Belastung der Gesellschaft darstellen, daß aber die daraus resultierenden genetischen Schäden im Hinblick auf die Segnungen der Atomenergie für den Menschen gerechtfertigt scheinen«.
Wenn ich das lese, kann ich nur mit William Whyte fragen: »Wer sieht es als gerechtfertigt an? Wieviel Menschen haben sie nach ihrer Meinung gefragt? Mich jedenfalls nicht.«
Anstelle eines Schlußwortes möchte ich als Beispiel der Skrupellosigkeit, mit der die Atomenergie vorangetrieben wurde, Dr. Alvin Weinberg, Direktor des <Oak Ridge National Laboratory> zitieren:
»Es besteht ein verständliches Vorwärtsdrängen von Seiten der Männer guten Willens, die positiven Aspekte der Atomenergie aufzubauen, ganz einfach, weil die negativen Resultate (Atombombe) so deprimierend sind.«
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Wenn ich also im wesentlichen die Auswirkung der Kernenergie auf den Menschen beschrieben habe, so weil diese Fakten besonders ins Auge springen: Wir nehmen nur selten Notiz von einer Sache, solange wir nicht direkt betroffen sind.
Doch möchte ich wieder betonen, daß auch hier — mehr und mehr — die gesamte Ökosphäre einbezogen wird.
Die natürliche Balance tendiert dazu, an bestimmten Punkten nachzugeben. Wir kennen das Wo oder Wann dieser Punkte nicht, ebensowenig wie wir wissen, wo und wann das nächste Erdbeben die Westküste Amerikas treffen wird. Aber wir können sicher sein, daß es passiert.
Von den ablesbaren Entwicklungen, die die natürlichen Balancen stören werden, ist die Bevölkerungsexplosion die größte und offensichtlichste.
Es ist der Mensch, der nicht mehr in Harmonie mit seiner Umgebung lebt.
Alle die bislang charakterisierten Gefahren resultieren aus der ungeheuren Masse der Gesamtbevölkerung dieser Erde.
Wie groß wird sie werden? Wann wird Hunger ein weiteres Anwachsen unterbinden?
Wenden wir uns nun diesen weiterreichenden Fragen zu.
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Das Selbstmordprogramm (1970) The Doomsdaybook - Von Gordon Ratray Taylor