I. Kaskaden
Wallace-Wells-2019
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Es ist schlimmer, viel schlimmer, als Sie denken. Das langsame Voranschreiten des Klimawandels ist ein Märchen, das vielleicht ebenso viel Schaden anrichtet wie die Behauptung, es gäbe ihn gar nicht. Und gemeinsam mit einigen anderen fügt sich dieses Märchen zu einer Anthologie tröstlichen Irrglaubens:
dass die Erderwärmung eine arktische Sage sei, die sich weit von uns entfernt abspielt;
dass es ausschließlich um die Höhe des Meeresspiegels und den Verlauf der Küsten ginge, nicht um eine umfassende Krise, die keinen Ort unberührt und kein Leben unverändert lässt;
dass es sich um eine Krise der »Natur« handle und mit den Menschen nichts zu tun habe; dass sich diese beiden Bereiche trennen ließen und wir heute außerhalb, abseits oder zumindest vor der Natur geschützt lebten statt unentrinnbar und buchstäblich in ihrer Mitte;
dass Wohlstand ein Schutzschild gegen die Verheerungen der Erwärmung bilde; dass das Verbrennen fossiler Energieträger der Preis des beständigen Wirtschaftswachstums sei;
dass uns das Wachstum und die Technologien, die es hervorbringt, zwangsläufig einen Weg aus der Umweltkatastrophe bahnen wird;
dass es in der langen Geschichte der Menschheit irgendetwas gegeben hätte, dessen Ausmaß und Tragweite mit dieser Bedrohung vergleichbar gewesen wären, und dass wir deshalb zuversichtlich davon ausgehen könnten, es sei möglich, sie mit dem Blick zu bannen.
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Leseprobe-2
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Nichts davon stimmt. Aber fangen wir damit an, wie schnell die Veränderungen ablaufen. Die Erde hat vor dem Massenaussterben, das wir gerade durchmachen, bereits fünf andere erlebt, von denen jedes einzelne den Bestand der Lebewesen so umfassend reduzierte, dass es einem Drücken des Reset-Knopfs gleichkam.(1) Der phylogenetische Baum der Erde dehnte sich immer wieder aus und zog sich zusammen, wie eine Lunge:
Vor 450 Millionen Jahren waren 86 Prozent aller Arten ausgestorben,
70 Millionen Jahre später dann 75 Prozent,
wiederum 100 Millionen Jahre später 96 Prozent,
noch einmal 50 Millionen Jahre später 80 Prozent
und 150 Millionen Jahre danach erneut 75 Prozent.(2)
Wenn Sie dem Teenageralter entwachsen sind, haben Sie in der Schule wahrscheinlich gelernt, dass diese Massenaussterben auf Asteroideneinschläge zurückzuführen seien. Doch in Wahrheit hingen alle - bis auf die Katastrophe, die die Dinosaurier auslöschte - mit einem Klimawandel durch Treibhausgase zusammen.3 Das berüchtigtste Ereignis spielte sich vor 252 Millionen Jahren ab: Es begann damit, dass die Temperatur auf der Erde durch Kohlendioxid um fünf Grad anstieg; dann nahm es an Fahrt auf, als durch diese Erhitzung Methan freigesetzt wurde - ein anderes Treibhausgas -, und endete damit, dass bis auf einen kleinen Bruchteil alles Leben auf unserem Planeten tot war.4
Heute setzen wir der Atmosphäre deutlich schneller Kohlendioxid zu - den meisten Schätzungen zufolge etwa zehnmal so schnell.(5) Das ist hundertmal so schnell wie zu jedem anderen Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit vor dem Beginn der Industrialisierung.(6) Und schon jetzt befindet sich ein Drittel mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre als je zuvor in den letzten 800.000 Jahren(7) - vielleicht sogar in den letzten 15 Millionen Jahren.(8) Damals gab es keine Menschen. Der Meeresspiegel lag mehr als 30 Meter höher.(9)
Viele Menschen verstehen den Klimawandel im Grunde als moralische und wirtschaftliche Schulden, die sich seit dem Beginn der industriellen Revolution angehäuft haben und jetzt nach mehreren Jahrhunderten zurückgezahlt werden müssen. Dabei ist mehr als die Hälfte des durch das Verbrennen fossiler Energieträger in die Atmosphäre beförderten Kohlendioxids in den letzten drei Jahrzehnten dorthin gelangt.10
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Das heißt, dass wir dem Planeten und seiner Fähigkeit, Menschen und ihrer Zivilisation ein Zuhause zu bieten, in der Zeit, die verstrichen ist, seit Al Gore sein erstes Buch über den Klimawandel veröffentlicht hat, mehr Schaden zugefügt haben als in allen Jahrhunderten - allen Jahrtausenden - zuvor. Die Vereinten Nationen gaben 1992 die Klimarahmenkonvention heraus, in der sie der Welt unmissverständliche Forschungsergebnisse präsentierten; demnach haben wir also mittlerweile genauso viel Schaden wissentlich angerichtet wie unwissentlich.
Die Erderwärmung mag uns wie ein aufgeblähtes Moralstück vorkommen, das sich während mehrerer Jahrhunderte abspielt und eine Art alttestamentarische Strafe über die Urururenkel derer bringt, die dafür verantwortlich sind, da es die im 18. Jahrhundert in England einsetzende Kohleverbrennung war, die alles, was später kam, auslöste; doch diese Erzählweise weist die Schuld historischen Schurken zu und spricht uns, die wir heute leben, davon frei - unberechtigterweise.
Der Großteil des Kohlendioxids gelangte erst in die Atmosphäre, als die erste Folge der amerikanischen Sitcom Seinfeld schon ausgestrahlt worden war.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind es etwa 85 Prozent.11 Die Geschichte dieses Kamikazeflugs der industrialisierten Welt umfasst nur eine einzige Lebensspanne - wir haben die Erde innerhalb der Zeit, die zwischen einer Taufe oder einer Bar-Mizwa und einer Beerdigung vergeht, aus einem robust wirkenden Zustand an den Rand der Katastrophe gebracht. Diese Lebensspanne ist uns allen vertraut.
Als mein Vater 1938 geboren wurde - zu seinen ersten Erinnerungen zählten die Nachricht des Angriffs auf Pearl Harbor und die Bilder der sagenumwobenen Air Force in den darauffolgenden Propagandafilmen -, erschien das Klimasystem den meisten Menschen stabil.
Zwar hatten die Wissenschaftler den Treibhauseffekt da bereits seit einem dreiviertel Jahrhundert verstanden und wussten, dass das Kohlendioxid, das beim Verbrennen von Holz, Kohle und Öl entstand, die Erde aufheizen und alles durcheinanderbringen konnte, aber beobachtet hatten sie den Effekt bisher nicht - nicht so richtig, noch nicht -, wodurch er weniger wie eine Tatsache als mehr wie eine dunkle Prophezeiung wirkte, die sich erst in einer weit entfernten Zukunft bewahrheiten sollte, oder vielleicht nie.(12)
Als mein Vater 2016 starb, nur wenige Wochen nachdem Politiker aus aller Welt verzweifelt das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet hatten, war das Klimasystem dabei, in Richtung Katastrophe zu kippen, da die Grenze, die die Umweltwissenschaftler der modernen Industrie beim CO2 jahrelang als leuchtend rote Linie mit der Aufschrift Kein Durchlass vor die Nase gesetzt hatten - 400 ppm (Parts per Million) in der Erdatmosphäre, wie es in der unheimlich banalen Sprache der Klimatologen heißt -, gerade überschritten worden war.(13)
Und damit war das Ende natürlich noch nicht erreicht: Zwei Jahre später betrug der Monatsdurchschnitt 411, und mittlerweile ist die Luft genauso mit Schuldgefühlen durchsetzt wie mit Kohlendioxid, obwohl wir gern glauben wollen, unsere Atemluft sei frei davon.14
Die Lebensspanne lässt sich auch am Beispiel meiner Mutter darstellen: Sie kam 1945 als Kind einer jüdisch-deutschen Familie zur Welt, die vor den Schornsteinen floh, durch die die Asche ihrer Verwandten aufstieg, und genießt heute ihr 73. Lebensjahr im amerikanischen Konsumgüterparadies - ein Paradies, das durch Fabriken in Schwellenländern aufrechterhalten wird, die sich ebenfalls innerhalb einer Lebensspanne ihren Weg in die globale Mittelschicht erarbeitet haben, mit all den Verlockungen und durch fossile Brennstoffe verfügbaren Privilegien, die mit einem solchen Aufstieg einhergehen: Elektrizität, Autos, Flugreisen, rotes Fleisch.
Meine Mutter hat 58 dieser Jahre als Raucherin verbracht, ihre filterlosen Zigaretten bestellt sie heute stangenweise aus China. Es ist auch die Lebensspanne vieler der Wissenschaftler, die als Erste auf das Problem des Klimawandels aufmerksam machten, und einige von ihnen sind, so unglaublich es auch klingt, bis in die heutige Zeit aktiv - so schnell sind wir an dieser Klippe angelangt.
Einige dieser Wissenschaftler forschten sogar mit Mitteln von Exxon, einem Unternehmen, das sich mittlerweile einer Reihe von Klagen ausgesetzt sieht, in denen es um die Verantwortung für die auf uns zurollende Klimaentwicklung geht, die Teile der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts - vorbehaltlich eines Kurswechsels in Bezug auf die fossilen Brennstoffe - für Menschen mehr oder weniger unbewohnbar zu machen droht. Denn das ist der Pfad, den wir heute so unbekümmert beschreiten - hin zu einer Erwärmung um mehr als vier Grad bis 2100. (15)
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Laut einigen Schätzungen würde das bedeuten, dass große Gebiete in Afrika, Australien und den Vereinigten Staaten, die Teile von Südamerika, die nördlich von Patagonien liegen, und ganz Asien südlich von Sibirien durch Hitze, Verwüstung und Überschwemmungen unbewohnbar wären.16 Ganz sicher wären sie und viele weitere Regionen unwirtlich. So sieht unser Fahrplan für die Zukunft aus, zumindest sind das die Eckpunkte.
Und wenn unser Planet innerhalb der Lebensspanne einer Generation bis an den Rand einer Klimakatastrophe gebracht wurde, bedeutet das, dass die Verantwortung dafür, das abzuwenden, ebenfalls einer einzigen Generation zufällt. Wir wissen auch, wem - uns.
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Ich bin kein Umweltschützer und sehe mich nicht einmal als Naturliebhaber. Ich habe mein gesamtes Leben in Städten verbracht und erfreue mich an Apparaten, die in industriellen Lieferketten entstehen, auf die ich kaum einen Gedanken verschwende. Ich war noch nie campen, zumindest nicht freiwillig, und obwohl ich es immer als eine gute Idee angesehen habe, die Flüsse und unsere Luft sauber zu halten, fand ich es auch schlüssig, dass man zwischen Wirtschaftswachstum und dem Preis, den die Natur dafür zahlt, abwägen müsse - und kam zu dem Schluss, dass in den meisten Fällen wohl das Wachstum vorging.
Ich würde nicht mit meinen eigenen Händen eine Kuh schlachten, um einen Hamburger zu essen, habe aber auch nicht vor, Veganer zu werden. Ich neige zu der Ansicht, dass man es ruhig genießen kann, an der Spitze der Nahrungskette zu stehen, weil ich keine großen Schwierigkeiten damit habe, eine moralische Grenze zwischen uns und anderen Tieren zu ziehen, und es sogar herabsetzend gegenüber Frauen und Nichtweißen finde, dass plötzlich die Rede davon ist, Menschenaffen und Tintenfischen einen an die Menschenrechte angelehnten Rechtsschutz einzuräumen, nur ein oder zwei Generationen, nachdem wir endlich das Monopol der weißen Männer in dieser Hinsicht aufgebrochen haben. In diesen Aspekten - zumindest in vielen von ihnen - bin ich ein typischer Amerikaner, der sein Leben, was den Klimawandel angeht, verhängnisvoll selbstgefällig und vorsätzlich verblendet verbracht hat.
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Dabei ist dieser Klimawandel nicht nur die massivste Gefahr, der das menschliche Leben auf der Erde je ausgesetzt war, sondern schlicht eine Bedrohung von einer ganz neuen Größe und Reichweite. Denn sie betrifft das menschliche Leben in seinem gesamten Umfang.
Vor einigen Jahren begann ich, Geschichten über den Klimawandel zu sammeln, viele von ihnen so furchterregend, mitreißend oder unheimlich, dass selbst die kleinsten Anekdoten wie Fabeln wirkten: eine Gruppe von Arktisforschern, die vom schmelzenden Eis in ihrer Forschungsstation eingeschlossen wurde, auf einer Insel, auf der auch mehrere Eisbären lebten;17 ein russischer Junge, der sich an einem aufgetauten Rentierkadaver, der viele Jahrzehnte lang im Permafrostboden eingefroren gewesen war, mit Milzbrand ansteckte und daran starb.18 Anfangs schien es, als bildeten diese Nachrichten eine neue Form der Allegorie. Aber natürlich ist der Klimawandel keine Allegorie.
Ab 2011 strömten ungefähr eine Million syrische Flüchtlinge nach Europa, die ein durch den Klimawandel und Dürren befeuerter Bürgerkrieg aus ihrer Heimat vertrieben hatte - und ein großer Teil des »populistischen Moments«, das der gesamte Westen gerade erlebt, ist eine Folge der Panik, die diese Massenmigration ausgelöst hat.19 Die bevorstehende Überflutung von Bangladesch droht, die Anzahl der Flüchtlinge mindestens zu verzehnfachen und sie in eine Welt zu entsenden, die noch stärker durch das Klimachaos destabilisiert und - so muss man befürchten - umso weniger aufgeschlossen ist, je brauner die Haut der Menschen in Not ist.20 Hinzu kommen die Flüchtlinge aus weiteren Regionen Südasiens, den Ländern Afrikas, die südlich der Sahara liegen, und aus Lateinamerika - 140 Millionen bis 2050, schätzt die Weltbank,21 also mehr als hundertmal so viele wie im Verlauf der europäischen Syrien-»Krise«.22
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Die Vorhersagen der Vereinten Nationen sind noch erschreckender.23 200 Millionen Klimaflüchtlinge bis 2050.24 Das entspricht der gesamten Weltbevölkerung in der Blütezeit des Römischen Reiches, falls man sich vorstellen kann, dass jeder Mensch, der damals irgendwo auf der Erde lebte, sein Zuhause verlor und sich auf den Weg durch unwirtliche Gegenden machte, um ein neues zu finden.
Und das obere Ende dessen, was in den nächsten 30 Jahren denkbar ist, sieht - laut den Vereinten Nationen - deutlich schlimmer aus: »eine Milliarde oder mehr Gefährdete, die kaum eine andere Wahl haben, als zu kämpfen oder zu fliehen«.25
Eine Milliarde oder mehr. Das sind mehr Menschen, als heute in Nord- und Südamerika zusammen leben, und so viele, wie es noch 1820, als die industrielle Revolution im vollen Gange war, auf der ganzen Welt gab.26 Das legt nahe, dass wir die Geschichte nicht als eine Abfolge von Jahren auf einem Zeitstrahl betrachten sollten, sondern eher als einen sich immer weiter aufblähenden Ballon des Bevölkerungswachstums, das dafür sorgt, dass sich die Menschheit immer weiter über den ganzen Globus ausbreitet, bis der Ballon eine pralle Kugelform erreicht.
Einer der Gründe, warum der Kohlendioxidausstoß in der letzten Generation so stark angestiegen ist, bietet gleichzeitig eine Erklärung dafür, warum die Geschichte so viel schneller abzulaufen scheint und überall jedes Jahr so viel mehr passiert: So ist es eben, wenn es derart viel mehr Menschen gibt. Schätzungen zufolge sind 15 Prozent aller menschlichen Erfahrungen im Verlauf der Geschichte Menschen zuzuordnen, die heute noch am Leben sind und ihren ökologischen Fußabdruck auf der Erde hinterlassen.27
Diese Flüchtlingszahlen sind hoch gegriffen; sie wurden vor Jahren von Forschungsgruppen ausgegeben, die damit Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Zweck oder ein bestimmtes Ziel lenken wollten. Die realen Zahlen werden mit großer Sicherheit geringer ausfallen, und Wissenschaftler schenken heute eher Projektionen Glauben, in denen von Dutzenden Millionen statt von Hunderten Millionen Menschen die Rede ist.
Aber die Tatsache, dass die großen Zahlen nur das obere Ende der Skala des Möglichen darstellen, sollte uns nicht in Selbstzufriedenheit wiegen: Wenn wir das Worst-Case-Szenario außen vor lassen, verfälscht das unsere Sicht auf wahrscheinlichere Entwicklungen, weil wir diese dann als Schreckensszenarien betrachten, auf die wir uns nicht gewissenhaft einstellen müssen. Grenzwerte zeigen, was denkbar ist, damit wir aus dem, was dazwischen liegt, besser ablesen können, was wahrscheinlich ist.
Und vielleicht stellen sie sich sogar doch als die besseren Richtwerte heraus, führt man sich vor Augen, dass die Optimisten in dem halben Jahrhundert der Klimafurcht, das wir bereits hinter uns haben, niemals richtig gelegen haben.
Meine Geschichtensammlung wuchs täglich, aber kaum etwas davon schaffte es in die Berichterstattung über den Klimawandel im Fernsehen oder in der Zeitung, selbst wenn es dabei um die neuesten Forschungsergebnisse ging, die in den renommiertesten Fachzeitschriften erschienen waren. Natürlich war der Klimawandel ein Thema in den Medien, und er wurde auch mit Sorge beobachtet. Aber die Diskussion möglicher Auswirkungen blieb auf einen täuschend engen Bereich begrenzt, fast ausschließlich auf den Anstieg des Meeresspiegels. Ebenso besorgniserregend war, wie optimistisch die Berichterstattung alles in allem klang. Schon 1997, als das grundlegende Kyoto-Protokoll unterzeichnet wurde, galt eine Erwärmung um zwei Grad als Grenzwert zur Katastrophe: überflutete Städte, dramatische Dürren und Hitzewellen, eine Erde, die täglich von Wirbelstürmen und Monsunregengüssen heimgesucht wurde, die wir bisher unter dem Begriff »Naturkatastrophen« kannten, aber bald wohl einfach »schlechtes Wetter« nennen werden.
Vor Kurzem hat der Außenminister der Marshallinseln eine weitere Bezeichnung für einen derartigen Temperaturanstieg in den Raum geworfen: »Völkermord«.28 Es besteht kaum eine Chance, dieses Szenario abzuwenden. Das Kyoto-Protokoll hat praktisch nichts bewirkt; in den 20 Jahren, die seit der Unterzeichnung vergangen sind, haben sich unsere Emissionen trotz aller Bemühungen, Gesetze und Fortschritte im Bereich der erneuerbaren Energien im Vergleich zu den 20 Jahren davor erhöht.
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2019 von David Wallace-Wells