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1  Das Ende bricht über den Geist herein

Wells-1945

 

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Der Verfasser hat sehr beachtliche Gründe für die Vermutung, daß innerhalb einer Zeitspanne, die eher in Wochen und Monaten als in Äonen zu messen ist, eine fundamentale Änderung der Bedingungen stattgefunden hat, unter denen das Leben, nicht bloß das menschliche Leben, sondern alles bewußte Dasein, seit seinen Anfängen vor sich gegangen ist.

Es ist sehr erschreckend, feststellen zu müssen, daß eine solche Überzeugung von einem Besitz ergreift, und er bietet seine Schlußfolgerungen in der Gewißheit dar, daß sie für den gewöhnlichen rationalen Menschen völlig unannehmbar sein werden. Wenn er folgerichtig gedacht hat, dann ist diese Welt am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt. Das Ende alles dessen, was wir Leben nennen, steht ganz nahe bevor und ist nicht zu vermeiden. 

Er teilt die Schlußfolgerungen mit, zu welchen ihn die Realität gezwungen hat, und meint, man könnte interessiert genug sein, sie in Erwägung zu ziehen, hat aber nicht das Bestreben, sie dem Leser aufzudrängen. Er wird - so gut er kann - klarzumachen versuchen, weshalb er sich einem so ungeheuerlichen Urteil gebeugt hat.

Seine Darlegung wird Stückchen um Stückchen erfolgen müssen und erfordert genaueste Lektüre. 

Er bemüht sich nicht darum, Zustimmung zu dem zu finden, was er zu sagen hat. Er schreibt unter dem Zwang einer wissenschaftlichen Schulung, welche es ihm zur Pflicht gemacht hat, seinen Geist und seine Welt bis zu den äußersten Grenzen seiner Fähigkeit zu klären.

Jenes Buch, <'42 to '44>, dünkt ihn jetzt etwas rein Zufälliges und Nebensächliches. Es gleicht den nur in der Erinnerung lebenden Ausrufen zorniger Menschen in einem Eisenbahnzug, der vorübergefahren und für immer verschwunden ist. Sein wieder auflebendes Erkenntnisvermögen konstatiert nunmehr, daß wir uns befremdlichen überzeugenden Realitäten gegenübersehen, die so überwältigend sind, daß er, wäre er in der Tat eines jener logischen, konsequenten Wesen, welche zu sein wir so gern behaupten, Tag und Nacht voll leidenschaftlicher Konzentration in Bekümmernis und geistiger Pein über die abschließende Katastrophe nachdenken würde, die unsere Species erwartet.

Wir sind durchaus nicht solche logische, konsequente Wesen. Was immer an betrüblichen Realitäten unser beschränktes Denken uns auch vor Augen führt, unser normales Leben besteht glücklicherweise aus persönlichen Begierden, Zuneigungen und großmütigen Regungen, es ist in nahezu jedem Individuum ein Amalgam von engherzigen Vorurteilen, Haß, Neid und Eifersucht mit Regungen selbstlosester, liebenswertester Art, edelsten Wohlwollens, freiwilliger Hilfsbereitschaft; und dies, der alltägliche Vordergrund unserer Gedanken, wird immer lebendig genug sein, jede begründete verstandesmäßige Überzeugung von einer stets größere Dimensionen annehmenden Katastrophe für die ganze Art in den Schatten zu rücken. Wir leben, indem wir uns auf die Erfahrung der Vergangenheit beziehen, nicht auf künftige Ereignisse, wie unausbleiblich diese auch sein mögen.

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Es bedarf für einen normalen Verstand einer gewaltigen, konzentrierten, ständige Erinnerungen und Auffrischungen erfordernden Anstrengung des Denkens und der Einsicht, um wahrzunehmen, daß der kosmische Ablauf der Ereignisse in wachsendem Maße der geistigen Struktur unseres Alltagslebens entgegengesetzt ist. Das ist eine Einsicht, bei der zu bleiben der Verfasser außerordentlich schwer findet. Doch während er an ihr festhält, verblaßt die Bedeutung des Geistes. Der säkulare Prozeß hört auf, den an ihm gewohnten Anblick einer geistigen Ordnung zu gewähren.

Das Wort "säkular" ist hier im Sinne der Wendung in saecula saeculorum, das heißt Ewigkeit, gebraucht. Der Verfasser ist zu der Überzeugung gekommen, daß die Übereinstimmung mit dem Geist, welche der Mensch dem säkularen Prozeß zugeschrieben hat, in Wirklichkeit gar nicht da ist. Der säkulare Prozeß, wie er ihn jetzt sieht, ist ganz und gar in Einklang mit solchen nichtgeistigen Abläufen wie der Ansammlung kristallinischer Materie in einer Mineralader oder dem Flug eines Meteorhaufens. Die beiden Prozesse sind eine Zeit hindurch, die wir Ewigkeit nennen, parallel verlaufen und rücken jetzt jäh tangential von einander ab - ganz so, wie ein Komet in seinem Perihel eine ziemliche Weile unheilschwanger am Himmel hängt und dann auf lange Zeit oder auf immer in die Ferne braust. Der Geist des Menschen nahm den säkularen Prozeß als etwas Rationales hin und konnte gar nicht anders, weil er sich als einer seiner Bestandteile entwickelte.

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Viele dieser Gedanken hat der Verfasser übrigens in einem kleinen Büchlein mit dem großartigen Titel The Conquest of Time (Die Überwindung der Zeit) auseinandergesetzt, welches C. A. Watts and Co. 1942 für ihn publizierte. Soweit dieses Buch einräumt, daß von einem Überwinden gesprochen werden kann, ist eher die Zeit Subjekt als der Mensch. Tempus edax rerum.

"Time like an ever rolling stream bears all its sons away, 
They fly forgotten as a dream dies at the opening day."

Bisher aber sind andere Söhne erschienen, und erst jetzt geht das Leben deutlich in eine Phase vollständiger Endgültigkeit über, so daß man sein Ende voraussehen und erwarten kann.

Allen und jedem von denen, die ihren Geist von dem tröstlich-trügerischen Blendwerk der Normalität losreißen und der erbarmungslosen Frage, die den Verfasser niedergeschmettert hat, ins Gesicht sehen können, starrt kalt und streng die Realität entgegen. Sie machen die Entdeckung, daß eine furchtbare Fragwürdigkeit in das Leben gekommen ist. Selbst an recht unachtsamen Menschen sind jetzt Anfälle einer gewissen Verwunderung zu beobachten, Anfälle eines zurückschaudernden, flüchtigen Empfindens, es geschehe etwas solcher Art, daß das Leben nie wieder ganz das gleiche sein wird.

Das erste, worauf man bei dieser Musterung stößt, ist die unvermittelte Entdeckung einer bisher ungeahnten oberen Grenze der quantitativen materiellen Anpaßbarkeit.

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Man nehme sich den Plan der Ereignisse vor und untersuche ihn: man wird sich einem neuen Entwurf des Seins gegenüber sehen, der bis jetzt für den Menschengeist unvorstellbar war.

Dieses neue kalte Licht spottet des Menschenverstandes und blendet ihn, und dennoch, die hartnäckige Kraft des Triebs zum Philosophieren in Geistern, welche diese unersättliche Eigenschaft haben, ist von solcher Gewalt, daß sie noch immer, unter diesem gefühllosen Drängen, einen Weg aus der Sackgasse oder um sie herum oder durch sie hindurch suchen können.

Der Verfasser ist der Überzeugung, daß es keinen Weg gibt, der aus dieser Sackgasse heraus, um sie herum oder durch sie hindurch führt. Es ist das Ende.

Sein zur Gewohnheit gewordenes Lebensinteresse ist kritische Vorauserwägung. Bei allem fragt er: "Wozu wird dies führen?" Und es war natürlich für ihn anzunehmen, daß der Änderung eine Grenze gesetzt sei, daß neue Dinge und Ereignisse wohl in Erscheinung treten würden, jedoch konsequent, unter Wahrung der natürlichen Reihenfolge des Lebens. Und so gab es in der gegenwärtigen ungeheuren Verwirrung unserer Welt stets die Annahme einer endgültigen Wiederherstellung der Rationalität, einer Anpassung und einer Wiederaufnahme. Es ging lediglich um die Frage, in welche Formen sich die neue rationale Phase kleiden würde, was für ein Übermensch, was für ein Erewhon oder was sonst das vergängliche Gewölk und Wirrsal durchstoßen würde. Darauf konzentrierte sich der Verfasser.

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Er tat sein Äußerstes, die Strömungen zu verfolgen, der nach aufwärts führenden Spirale bis zu ihrem Konvergenzpunkt in einer neuen Phase der Geschichte des Lebens nachzugehen, und je gründlicher er die Realitäten vor sich abwog, desto weniger war er imstande, überhaupt eine Konvergenz zu entdecken.

Die Änderungen hatten aufgehört systematisch zu sein, und in je weitere Ferne er dem Verlauf, den sie nahmen, abschätzend nachblickte, desto größer wurde ihre Divergenz. Bis nun waren die Ereignisse von einer gewissen logischen Konsequenz zusammengehalten worden, so wie die Himmelskörper, wie wir sie kennen, durch den Zug, die goldene Schnur der Gravitation zusammengehalten worden sind. Nun ist es so, als wäre diese Schnur verschwunden, und als triebe alles irgendwie mit ständig wachsender Geschwindigkeit einem Irgendwo zu.

Es hatte so ausgesehen, als sei die Grenze der ordentlichen säkularen Entwicklung des Lebens eine endgültig fixierte, so daß es möglich war, den Plan künftiger Dinge zu skizzieren. Doch diese Grenze wurde erreicht und überschritten, hinaus in ein bisher unglaubliches Chaos. Je gründlicher er die Realitäten rings um uns musterte, desto schwieriger wurde es, irgend einen Plan künftiger Dinge zu skizzieren. Die Distanz war aufgehoben worden, die Ereignisse hatten auf dem ganzen Planeten praktisch Gleichzeitigkeit erlangt, das Leben mußte sich daran anpassen oder zu Grunde gehen, und mit der Überreichung dieses Ultimatums schwand der Plan künftiger Dinge dahin.

Die Ereignisse lösen einander nunmehr in einer völlig unzuverlässigen Reihenfolge ab. Niemand weiß, was das Morgen bringen wird, doch einzig und allein ein moderner naturwissenschaftlicher Philosoph kann diese Unzuverlässigkeit voll akzeptieren.

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Und selbst in seinem Falle spielt sie keine Rolle in seinem alltäglichen Verhalten. Da ist er ganz und gar im Einklang mit der normalen Menge. Der einzige Unterschied ist, daß er diese harte, unbarmherzige Überzeugung vom nahen, abschließenden Ende alles Lebens mit sich herumträgt.

Diese Überzeugung liefert nichts an Stoff oder Rüstzeug für das tägliche Leben. Sie verhindert nicht, daß er seine alltäglichen Zuneigungen und Interessen hat, seine Verdrießlichkeiten und so fort. Er ist aus einem Ton gemacht, der das Leben liebt, der durchaus bereit ist, es lieber zu riskieren als den antagonistischen Kräften nachzugeben, welche es zu Zusammenbruch und Selbstmord führen möchten. Er wurde von dem Willen zum Leben gezeugt, und er wird um das Leben kämpfend sterben. 

Er spricht Henley nach:

"Out of the night that Covers me 
Black as the Pit from pole to pole, 
I thank whatever gods may be 
For my unconquerable soul.... 
Beyond this place of wrath and tears 
Looms but the Horror of the shade, 
And jet the menace of the years 
Finds, and shall find, me unafraid."

Hier unterscheidet er sich trotz all seiner philosophischen Klarheit, mit seinem unerschütterlichen Festhalten am Leben und seinem Willen zum Leben, nicht von der normalen Menge, die in diesem unablässig schrumpfenden jetzt unseres täglichen Lebens weitermachen wird — ohne auch nur zu ahnen,

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was das eigentlich ist, was unser Dasein zu einem so großen Teil mit Leid und Trug erfüllt und unser Bedürfnis nach gegenseitigem Beistand und erlösenden Akten der Güte vertieft. Er weiß dies, aber die Menge möchte es nicht wissen und wird es darum auch nie wissen.

Der philosophische Geist ist nicht, was die Welt einen gesunden, wohlgemuten Geist nennen würde. Dieser "gesunde Geist" nimmt das Leben hin, wie er es vorfindet, und macht sich keine Sorgen mehr darüber.

Keiner von uns beginnt das Leben als Philosoph. Wir werden früher oder später Philosophen, oder wir sterben, ehe wir philosophisch geworden sind. 

Die Erkenntnis, daß allem Schranken gezogen sind und alles zu Schanden wird, ist der Anfang der bitteren Weisheit der Philosophie, und davon weiß dieser "gesunde Geist" dank dem ihm angeborenen Talent für Inkonsequenz, stets erneuertes Ausweichen und Leichtgläubigkeit niemals etwas.

Er nimmt die Versicherung eines Priesters hin, die zuversichtliche Behauptung eines Führers, eine mißdeutete Stelle aus der Schrift — die Bibel, Gott segne sie!, wird alles und jedes sagen, was man von ihr zu hören wünscht, wenn man nur heraussucht, was man braucht, oder, noch besser, wenn man seine Seelsorger die passenden Texte heraussuchen läßt — so daß man sie nie als Ganzes sieht. 

In dieser unüberwindlichen Unwissenheit der stumpfen Masse liegt ihre Immunität gegenüber allem hartnäckigen Zweifeln und Fragen des aufgebrachten Geistes.

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Sie braucht nichts zu wissen. Das Verhalten der Herde, innerhalb deren sie lebt, sich bewegt und ihr Dasein hat, wird noch für eine kurze Zeitspanne das gewohnte Material liefern für jene anerkennende, frohlockende, tragische, mitleidige oder verächtliche Interpretation, die Kunst und Literatur zu Grunde liegt. Der Geist mag dem Ende seiner Möglichkeiten nahe sein, und dennoch wird dieses Alltagsdrama weitergehen, weil es die normale Struktur des Lebens bildet und es nichts anderes gibt, was an seine Stelle treten könnte.

Für einen Beobachter in irgend einem fernen, völlig fremden Kosmos, wenn wir eine solche Unmöglichkeit annehmen dürfen, könnte es sehr wohl so aussehen, als käme der Untergang zum Menschen mit der Plötzlichkeit eines rohen, donnernden Halt!

Es kommt niemals wie ein Donnerschlag. Dieses Halt! ertönt für diesen heute, für jenen nächste Woche. Für den Rest bleibt stets die Frage: "Und dann?" Wir mögen rascher und rascher in den Strudel des Untergangs hineingedreht werden, aber wir nehmen es gar nicht wahr.

Für die unter uns, die nicht sterben, gibt es stets ein Morgen in dieser unserer Welt, die wir, so sehr sie sich auch ändert, als normales Sein hinzunehmen gewohnt sind.

Eine krasse Fragwürdigkeit überkommt die Dinge und rast hinweg über das, was wir bisher für die festen, genauen Grenzen der unumstößlichen Richtigkeit zu halten pflegten. Die unumstößliche Richtigkeit läuft vor der Analyse davon und kommt nicht wieder. Eine beispiellose Wunderlichkeit in den quantitativen Proportionen von Größe und Substanz macht sich bereits der modernen philosophischen Untersuchung bemerkbar.

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Die Grenze von Umfang und Raum schrumpft und schrumpft unerbittlich weiter. Die rasche tägliche Wiederkehr dieses unbarmherzigen Pendels, der neuen Bezugsnorm, macht es unserem Geist klar, daß die unumstößliche Richtigkeit jede bis heute akzeptierte Norm hinter sich zurückläßt.

Wir treten in das grelle Licht bis nun unglaubhafter Neuheit. Es verurteilt die forschende Phantasie zur Ohnmacht. Je mehr sie sich abmüht, desto weniger erfaßt sie. Je angestrengter die Analyse, umso unausweichlicher das Gefühl geistiger Niederlage. Die Kinoleinwand starrt uns ins Gesicht. Diese Leinwand ist das wirkliche Gewebe unseres Seins. Unsere Liebe, unser Haß, unsere Kriege und Schlachten sind nicht mehr als eine auf diesem Gewebe tanzende Phantasmagorie, sind selbst so substanzlos wie ein Traum. Wir mögen in unserem Traum wüten. Wir mögen vor Empörung tobend erwachen, ergrimmt über diesen oder jenen unfähigen, nicht zu entfernenden General, Diplomaten, Kriegsminister oder rücksichtslosen Ausbeuter unserer Mitmenschen, und wir mögen anprangern und anklagen, wie es gerechter Zorn von uns verlangt. 

'42 to '44 war ein Ausbruch solcher Art. Doch jeden Tag treten, entschlossen, die freundlicheren Bestrebungen des Menschen zu vereiteln, Tausende von niedrigen, perversen, bösartigen, gleichgültigen und grausamen Individuen ins helle Licht des Tages. In Crux Ansata hat der Schreibende seinem Ingrimm rückhaltlos und mit Heftigkeit freien Lauf gelassen. Dessenungeachtet gehört das ins Traumland.

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"Das Morgen und das Morgen und das Morgen schleicht so im winzigen Schritt von Tag zu Tag .... All unsere Gestern leuchten Narren heim zu Staub und Tod .... Das Leben ... stelzt und knirscht sein Stündchen auf der Bühne und wird nicht mehr gehört ... eine Mär, die ein Verrückter bringt, voll Schall und Wut, doch sie bedeutet nichts ...."

Es geht vorüber, und bald ist es schwankend, verworren, verzerrt und schließlich auf immer vergessen.

In den Anfängen der Mär, die unser Verrückter erzählt, entdecken wir das Leben als einen so mächtigen Drang zum Dasein, daß jede Gestalt, die es annimmt, dazu neigt, an Größe und Anzahl zuzunehmen, bis seine Versorgung mit Ernährungsenergie nicht mehr ausreichend ist.

Gruppen oder Vereinigungen von Individuen nehmen nicht nur an Anzahl, sondern auch an Größe zu. Es kommt zu einem mörderischen Kampf ums Dasein. Die größeren Gemeinschaften oder Individuen rotten die kleineren aus und verzehren mehr und mehr. Die besondere Nahrung des Art-Typus wird knapp, es entstehen neue Formen, die imstande sind, Stoffe zu verwerten, für deren Assimilierung die primitiveren nicht ausgerüstet waren.

Damit wird eine neue Phase in der Entwicklungsgeschichte des Seins eingeleitet. Die Mär des Verrückten ist nicht eine Märe von gestern, wie wir, kurze Zwischenfälle in der Geschichte des Lebens, das Gestern aufzufassen gewohnt sind. Es begreift die gesamten dreitausend Millionen Jahre der Organischen Entwicklung in sich. Ununterbrochen bietet sich uns das gleiche Schauspiel von Wesen, die über ihre Daseinsmöglichkeiten hinauswachsen und ihre Mitgeschöpfe aus der gewohnten Art des Lebens hinausdrängen in fremde Gebiete, mit denen sie sich niemals abgefunden hätten, wäre nicht dieser Trieb in ihnen, lieber irgendwie und um jeden Preis zu leben als zu sterben.

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Während langer Perioden innerhalb unseres Raum-Zeit-Systems existierte eine Art Gleichgewicht des Lebens zwischen verschiedenen Arten, und ihre überflüssigen Variationen wurden ausgetilgt. Im Falle einer beträchtlichen Anzahl dominierender Arten und Genera jedoch führte deren Hypertrophie nicht nur dazu, daß das Wachstum die Grenzen der Ernährungsmöglichkeiten überschritt; bei jenen weniger archaischen Formen, mit denen wir vertrauter sind, kam es dadurch, daß die Größe relativ wichtiger wurde als die Veränderung, zu einem Verlust der Anpassungsfähigkeit. Je mehr sie dominierten, umso mehr blieben sie weiter, was sie waren.

Die unablässigen Schwankungen des normalen Seins in der Zeit und seine unaufhörlich erfolgenden Variationen stellten jede dieser gefährdeten hypertrophierten, unbeständigen dominierenden Gruppen vor die Alternative, entweder ihren Lebensbereich anpassend auszudehnen oder von Gruppen und Arten verdrängt zu werden, die für den wechselnden Aspekt des Daseins besser ausgerüstet waren. Astronomische und innerplanetarische Schrumpfungen in diesem unserem Universum (welche sämtlich ein Teil des Zeitprozesses sind) haben zum Beispiel wiederkehrende Phasen feuchten Schlamms auf der ganzen Erde herbeigeführt, worauf dann, über die Ausdehnung der Vergletscherung, wiederum der Abfluß großer Wassermengen aus einer vertrockneten Welt der Tundren und Steppen gefolgt ist. Die Sonne ist ein veränderlicher Stern, aber wir können keinen exakten Ausdruck für ihre Variationen finden. Die Äquinoktial-Präzession ist ein Hin- und Herschaukeln in der Aufeinanderfolge unserer Jahreszeiten.

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Der gleiche zunehmende Widerspruch zu dem Universum, welches wir als wirkliches Sein betrachten, wird mehr und mehr manifest. Sich anpassen oder zu Grunde gehen war das unerbittliche Gesetz des Lebens im Verlauf all dieser stets heftiger werdenden Schwankungen, und nun wird es immer mehr Spott und Hohn, während die Diskrepanz wächst zwischen dem, was unsere Väter die Ordnung der Natur zu nennen pflegten, und dieser neuen, harten, unversöhnlichen Feindseligkeit gegenüber unserem Universum, unserem All.

Unser Universum ist die äußerste Sphäre für unseren Geist. Es ist ein geschlossenes System, das in sich selbst zurückkehrt. Es ist ein geschlossenes Raum-Zeit-Kontinuum, welches nun, da die unbekannte Macht, die es hervorrief, sich endlich gegen es gewandt hat, mit dem nämlichen Trieb zu existieren endet, mit dem es begann.

Der Verfasser hat "Macht" geschrieben, weil es schwer ist, dieses Unwißbare auszudrücken, das sich, sozusagen, gegen uns gewendet hat. Aber wir können diese Drohung der Finsternis nicht in Abrede stellen.

"Macht" ist unbefriedigend. Wir stehen vor der Notwendigkeit, etwas auszudrücken, das gänzlich außerhalb unseres "Universums" ist, und "Macht" läßt an etwas denken, das innerhalb dieses Universums ist und gegen uns kämpft. 

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Der Verfasser hat mit einer Anzahl von Worten und Wendungen Versuche gemacht und alle nacheinander verworfen, "x" ist verlockend, bis man die Überlegung anstellt, daß dies eine Gleichung impliziert, die einer Lösung in Ausdrücken des endlichen Seins zugänglich ist.

"Kosmischer Prozeß", "das Jenseits", "das Unbekannte", "das Unwißbare" - sie bringen sämtlich unhaltbare Implikationen mit sich. "Der Antagonismus" an sich legt einen zu starken Akzent auf die Vorstellung von positiver Feindseligkeit. 

Wenn wir jedoch auf das Gefüge des tragischen Dramas der Griechen zurückgreifen und uns das Leben als den Protagonisten denken, zu welchem die Anwesenheit eines nicht interessierten Chors und die Möglichkeit eines Auf und Ab in seiner Rolle gehört, erhalten wir etwas, das unserem Bedürfnis entspricht. "Der Antagonist" also, in diesem eingeschränkten Sinne, ist der Ausdruck, dessen sich der Verfasser bedienen wird, um das unbekannte Unversöhnliche auszudrücken, welches das Leben unserer Zeitrechnung nach so lange geduldet, und sich jetzt so erbarmungslos gegen es gewendet hat, um es auszutilgen.

Während unser Geist mit wachsender Wißbegierde forschend in das Raum-Zeit-Kontinuum eingedrungen ist, in welches das Drama der Evolution eingefügt worden ist, hat er hinter dem trügerischen Antlitz des "normalen" Seins einen der Vernunft Hohn sprechenden Aspekt nach dem anderen entdeckt. Das Uranium-Blei-Rätsel, welches uns noch beschäftigen wird, ist lediglich eines unter den letzten dieser abstrusen, so schwer zu lösenden Probleme.

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Wir haben zum Beispiel in der jüngsten Zeit begriffen, daß der Geschwindigkeit eine Grenze gesetzt ist. Die größte Geschwindigkeit, mit der sich etwas bewegen kann, ist die Lichtgeschwindigkeit. Es ist eine geistvolle Idee, unsere normale Welt mit einem dreidimensionalen System zu vergleichen, das mit dieser Geschwindigkeit eine vierte Dimension entlang fällt. Aber diese vierte Dimension, durch welche es fällt, enthält noch ein Residuum des Raum-Zeit-Kontinuums, in welches unser "Universum" eingespannt ist. Dieses ganze Raum-Zeit-Kontinuum ist unser "Universum". Wir stehen noch immer vor seinem evolutionären Prozeß und allem Übrigen innerhalb der Grenzen unseres Systems.

Der forschende Skeptizismus der philosophischen Analyse des Verfassers hat diesen Antagonisten als eine unüberwindliche Realität für ihn eingeführt, aber auf der ganzen Erde und seit undenklichen Zeiten haben in sich gekehrte Geister, Geister von der Art des besinnlichen Shakespeare, einen Ekel vor den Plagen, Kümmernissen und jämmerlichen Mißhelligkeiten des Lebens empfunden und sich, um dessen Furcht vor einem allerletzten Ende der Dinge zu entgehen, in mystischer Abgeschiedenheit eine Zuflucht gesucht. 

Alles in allem hat sich die Menschheit gegenüber solcher Weltflucht tolerant, mitfühlend und achtungsvoll gezeigt. Dies ist das spezielle menschliche Element in dieser Angelegenheit: die sich immer wieder erneuernde Weigerung, sich mit der normalen realen Welt zufriedenzugeben. Die Frage "Ist das alles ?" hat im Lauf der Jahrhunderte zahllose unbefriedigte Geister beunruhigt, und auch nun, da wir am Ende unserer Möglichkeiten angelangt sind, steht sie, wie es scheint, vor uns, noch immer trügend, doch hartnäckig.

24/25


Für solche bestürzte Geister ist die Welt unserer alltäglichen Realität nicht mehr als eine mehr oder minder unterhaltsame oder betrübliche Geschichte, die auf eine Kinoleinwand geworfen wird. Die Fabel hat Zusammenhang; sie bewegt sie tief, und dennoch fühlen sie, daß sie verfälscht ist. Die weitaus meisten unter den Zuschauern akzeptieren alle Konventionen der Fabel, sind ganz und gar Teil der Fabel, leben und leiden und freuen sich und sterben in ihr und mit ihr. Aber der skeptische Geist sagt unerschüttert: "Das ist Blendwerk."

"Goldne Jugend wird des Todes Raub,
 wird wie alles andre auch zu Staub."

"Nein", ruft dieser in Fleisch und Blut übergegangene Protest aus, "es gibt noch etwas jenseits des Staubes."

Gibt es wirklich etwas?

Kein Grund spricht dafür, zu sagen, es gebe so etwas. Der skeptische Geist mag die Gründlichkeit seines Skeptizismus überschätzt haben. Wie wir jetzt entdecken, gab es noch einen Spielraum für Zweifel.

Je strenger unser Denken, umso offensichtlicher ist es, daß die Abfuhrwagen der Zeit diesen Staub zum Einäscherungsofen fortschaffen und dort mit ihm ein Ende machen.

Bisher schien die Wiederkehr ein Hauptgesetz des Lebens zu sein. Die Nacht folgte auf den Tag, und der Tag auf die Nacht. In dieser befremdlichen neuen Phase des Daseins aber, in die unser Universum gelangt, wird es evident, daß Ereignisse nicht mehr wiederkehren. Sie setzen sich fort, immer weiter fort bis in ein undurchdringliches Mysterium, in ein stimmloses, grenzenloses Dunkel, gegen welches dieses hartnäckige Eifern unserer unbefriedigten Geister ankämpfen mag, aber nur so lange ankämpfen wird, bis es ganz und gar überwältigt ist.

Unsere Welt der Selbsttäuschung will nichts von alledem einräumen. Sie wird inmitten ihrer Ausflüchte und eitlen Torheiten untergehen. 

Sie gleicht einem im Dunkel vor einer unbekannten felsigen Küste in die Irre gefahrenen Convoy, im Kartenraum sitzen streitende Piraten, und Wilde klettern die Bordwände des Schiffes herauf, um nach Lust und Laune zu plündern und Unheil anzurichten. Das ist in ungefähren Umrissen der immer mehr in Verwirrung geratene Film auf der Leinwand vor uns. 

Noch kurz vor seiner Erschöpfung macht der Geist seine letzten müßigen Schritte in Richtung auf jenen "Weg, der aus der Sackgasse heraus oder um sie herum oder durch sie hindurch führt".

Das ist jetzt das Äußerste, was der Geist tun kann. Und dies, sein letzter matter Stoß, soll zeigen, daß die Tür auf immer vor uns ins Schloß fällt.

Es gibt keinen Weg, der heraus oder darum herum oder hindurch führt.

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