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Einführung

 

 

 

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Nichts kann lange von Gott getrennt sein und bleiben, noch vom Urgrund allen Seins, außerhalb dessen nichts existiert. Und Geschichte — nicht als Aufzeichnung individueller und nationaler Taten, sondern als Bewegung des menschlichen Bewußtseins — ist die Erzählung der Liebesaffaire zwischen dem Menschen und dem Göttlichen. Da gibt es ein ewiges Hin und Her, ein Lieben und Verfluchen, ein gegenseitiges Aufeinanderzu- und Voneinanderweg-Bewegen.

In der Tradition der Betrachtung von Geschichte aus theologischer Sicht findet sich Verwirrung nicht darüber, was die Geschichte ist, sondern was Gott sein könnte. Wenn wir annehmen, daß Geschichte einen Sinn hat, dann müssen wir auch annehmen, daß sie auf etwas anderes als auf sich selbst hinweist — womit ich sagen will, daß sie auf etwas anderes als auf einzelne Menschen hinweist.422* Dieses große Andere in seinem umfassendsten Sinn wurde oft als Gott, geist** oder das Absolute bezeichnet.4 Da man aus abendländischer Sicht annimmt, daß Gott verschieden vom Menschen ist, getrennt von ihm und gänzlich jenseits aller menschlichen Wesen, sah man die Geschichte als die Ausgestaltung eines Paktes, eines Bundes zwischen Gott und seinen Völkern.

*  Die hochgestellten Zahlen verweisen auf die in der Bibliographie S. 391 ff. angeführten Quellen.
**  Die englischen Begriffe mind und spirit werden im Deutschen oft gleichlautend mit «Geist» übersetzt. Da mind für die «mentalen» Fähigkeiten des Menschen steht, also «Geist» im Sinne von Denken, Verstand, Intellekt, Wahrnehmung etc., während spirit den «beseelenden» oder transzendentalen «Geist» meint, werden die beiden Begriffe in dieser Übersetzung folgendermaßen unterschieden: «Geist» steht für mind, «geist» für spirit. (Anm. d. Übers.)

Wir dürfen nicht vergessen, daß Gott und die Geschichte für das Abendland untrennbar sind. Jesus ist für den Christen nicht deshalb von größter Bedeutung, weil er der Sohn Gottes ist, sondern weil er ein historisches Ereignis war, ein Hinweis auf Gottes Eingreifen in den historischen Prozeß, den Pakt zwischen Gott und dem Menschen. Moses brachte den Menschen nicht nur ethische Gebote, sondern einen Bund zwischen Gott und seinem Volk, einen Bund, der im Laufe der Geschichte verwirklicht werden sollte. Für die jüdisch-christliche Welt — also das abendländische Verständnis — ist die Geschichte die Entfaltung eines Paktes zwischen Gott und dem Menschen, eine Bewegung mit dem Endziel, die Menschen mit Gott zusammenzuführen.

Wie sehr diese Geschichtsauffassung auch den nüchternen, wissenschaftlichen und empirischen Geist belustigen mag — es ist eine Anschauung, die im Hintergrund unserer abendländischen Psyche großes Gewicht hat und deren Einfluß sich niemand von uns entziehen kann. In früheren Zeiten wurde Geschichte als eine Bewegung vom Heidentum zum Christentum angesehen, die ihren Höhepunkt am Tage des Jüngsten Gerichts finden würde, jenem noch fernen göttlichen Ereignis, auf das sich die ganze Schöpfung hinbewegt. Heute ist Geschichte für uns ein Prozeß wissenschaftlicher Evolution, eine Bewegung von der Amöbe über das Reptil zum Affen und zum Menschen.

Diese beiden Anschauungen unterscheiden sich gar nicht so sehr: Für beide gibt es eine Bewegung vom Niederen zum Höheren, vom Schlechten zum Besseren. Beide werden auf religiöse Weise geglaubt. Beide versprechen ein Morgen, das besser (oder «entwickelter») ist als das Heute. Für beide gibt es eine hierarchische Bewegung von der Sünde (weniger entwickelt) zum Heil (höher entwickelt). Bei ganz gewiß unterschiedlichem Inhalt ist die Form im Grunde die gleiche. Sie ist historisch. «Die Biologie ähnelt mehr der Geschichte als der Physik», sagt Carl Sagan.360 Noch zutreffender ist der von Wissenschaftlern selten richtig erfaßte Hinweis von Whitehead, daß «wissenschaftliche Gesetze eine unbewußte Ableitung aus mittelalterlicher Theologie sind».424 Genaugenommen sehen beide Anschauungen Geschichte nicht nur als eine Fortbewegung, sondern als eine Fortbewegung in eine bestimmte Richtung.

Die wissenschaftliche Betrachtungsweise — Geschichte als bloße Evolution — leidet jedoch an einem entscheidenden Mangel oder, besser gesagt, einer Beschränkung: Sie kann nicht erklären oder auch nur vermuten, welchen Sinn diese Zielrichtung hat.375 Warum gibt es überhaupt eine Evolution? Wozu dient die Geschichte? Was bedeutet dieses Irgendwohingehen?375

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Für das Wort Sinn gibt es keine wissenschaftliche Bedeutung; ebensowenig gibt es einen wissenschaftlichen Test für Wert.433 Daher würden uns die Positivisten, Wissenschaftler in philosophischer Verkleidung, über­haupt nicht gestatten, diese Fragen zu stellen. Sie behaupten, man dürfe so nicht fragen, weil es darauf keine wissen­schaftliche, Antwort gebe. Ihre Antwort auf die Frage «Was ist der Sinn der Geschichte?» lautet demnach «Fragen Sie nicht». Wenngleich man viel Gutes über den logischen Positivismus sagen kann, so reicht doch diese Art rein linguistischer Analyse nicht aus, die Seele von diesen staunenden Fragen zu heilen.

Die Wissenschaft kann sich nicht über Sinn und Zweck irgendeines der Phänomene äußern, mit denen sie sich beschäftigt.177 Das ist nicht ihre Aufgabe, dazu wird sie nicht betrieben, und wir sollten das der Wissenschaft auch nicht vorwerfen, wie viele Romantiker es tun. Die Tragödie besteht darin, daß Wissenschaft zum Szientismus wird, wenn sie sagt: «Es gibt keinen Sinn, weil die Wissenschaft ihn nicht messen kann.» Es gibt nämlich auch keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, daß nur wissenschaftliche Beweise real sind. 

Wir dürfen uns daher nicht vorzeitig von so wichtigen Fragestellungen wie der nach dem «Sinn» abkoppeln, nur weil ein Mikroskop ihn nicht entdecken kann. Ein Mediziner kann die verschlungenen biochemischen Prozesse beschreiben, die ein lebendes Wesen aktivieren. Er kann dieses Wesen auch noch innerhalb gewisser Grenzen reparieren, es von Krankheiten heilen und mangelhaft funktionierende Teile operativ entfernen. Aber den Sinn des Lebens erklären kann er nicht, obwohl er dessen Arbeits­mechanismus begreift. Ich bezweifle jedoch, daß er deswegen den Schluß ziehen würde: «Mein Leben ist aus diesem Grunde sinnlos.» Gerade das ist es ja: Als Wissenschaftler kann er nichts über den Sinn des Lebens, der Kultur oder der Geschichte aussagen.

Die Fragestellung «Was ist der Sinn der Geschichte?» führt uns also zurück zu der einzigen uns bisher angebotenen Antwort: der theologischen. Und diese lautet: Geschichte ist die Entfaltung eines Paktes zwischen Gott und der Menschheit. Selbst wenn man anderer Ansicht ist, so besteht doch allgemeiner Konsens darüber, daß diese Antwort das Warum, das Woher und den Sinn des Irgendwohingehens, das wir Geschichte nennen, erklären kann: Seine Bewegung ist göttlich und sein Sinn transzendent.

Die Theologie kann wirksam mit dem Sinn der Geschichte arbeiten, weil sie bereit ist, ein Höchstes Anderes zu postulieren (oder, was Theologen vorziehen würden, durch Offenbarung zu erfahren).213  

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Da Gott anders ist als die Menschen und die Geschichte, kann Gott der Geschichte einen Sinn verleihen — etwas, was die Geschichte niemals für sich selbst tun könnte. Eine einfache Analogie soll das erläutern. Fragt jemand «Welchen Sinn hat das Wort <Baum>?» dann besteht die einfachste Antwort darin, auf einen wirklichen Baum zu zeigen. Der Baum selbst hat keinen Sinn, aber das Wort «Baum» hat ihn, einfach deswegen, weil es auf etwas anderes als sich selbst hinweist. Gäbe es keinen wirklichen Baum, würde auch das Wort Baum keinen Sinn haben, weil es auf nichts anderes als auf sich selbst hinweisen könnte. Ebenso hätte Geschichte ohne das Andere keinen Sinn.

Leider ist Gott für den orthodoxen abendländischen Gottesbegriff nicht einfach ein psychologisches Anderes (das von uns durch unsere Unbewußtheit getrennt ist), auch nicht ein temporales Anderes (das von uns durch die Zeit getrennt ist) oder ein von uns durch unsere Unwissenheit getrenntes epistemologisches Anderes. Vielmehr ist Jehova — der Gott Abrahams und Vater von Jesus — ein ontologisches Anderes, das seinem Wesen nach für immer von uns getrennt ist.71  

Aus dieser Sicht sind Mensch und Gott nicht nur durch eine zeitliche Linie, sondern durch eine unüberwindliche Grenze und Schranke getrennt. Gott und der Mensch sind für ewig geschieden; beide sind nicht — wie im Hinduismus und Buddhismus — im letzten Sinne eins und identisch. Der einzige Kontakt zwischen Gott und dem Menschen erfolgt demnach «per Luftpost» — durch den Alten und Neuen Bund, durch einen Pakt, durch gegenseitige Versprechungen. Gott verspricht, über sein auserwähltes Volk zu wachen, das ihm dafür verspricht, «keine anderen Götter vor ihm zu haben». Gott verspricht seinem Volk seinen Eingeborenen Sohn, und das Volk verspricht, Gottes Wort zu befolgen. 

Der Kontakt mit Gott ist durch Vertrag geregelt. Über diesen klaffenden Abgrund hinweg haben Gott und Mensch nur durch Hörensagen Fühlung, nicht durch absolute Vereinigung (Samadhi). Daher gilt die Geschichte als Entfaltung dieses Vertrages oder Bundes in der Zeit.

Es gibt jedoch eine stark verfeinerte Sicht der Beziehungen zwischen der Menschheit und dem Göttlichen, eine Anschauung, die von der großen Mehrheit der wirklich begabten Theologen, Philosophen, Weisen und sogar von Wissenschaftlern zu den verschiedensten Zeiten vertreten wurde und vertreten wird. Leibniz hat für sie den Ausdruck Philosophia perennis (Ewige Philosophie) geprägt. Sie bildet den esoterischen Kern von Hinduismus, Buddhismus, Taoismus, Sufismus und der christlichen Mystik. 

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Sie wird aber auch ganz oder teilweise von individuellen Geistesgrößen — von Spinoza bis Albert Einstein, Schopenhauer bis C.G. Jung, William James bis Plato — verkündet.210, 375, 429 Außerdem ist sie in ihrer reinsten Form keineswegs antiwissenschaftlich, sondern in gewissem Sinne transwissenschaftlich oder sogar vorwissenschaftlich, so daß sie problemlos mit den harten Daten der reinen Wissenschaft koexistieren, sie auf jeden Fall ergänzen kann.433 Aus diesem Grunde haben meines Erachtens viele brillante Natur­wissen­schaftler mit der Ewigen Philosophie geliebäugelt oder sie sogar völlig in sich aufgenommen. Hierfür sind Einstein, Schrödinger, Eddington, David Bohm, Sir James Jeans und sogar Isaac Newton hervorragende Beispiele. Albert Einstein hat das folgendermaßen ausgedrückt:

Das tiefste und erhabenste Gefühl, dessen wir fähig sind, ist das Erlebnis des Mystischen. Aus ihm keimt alle wahre Wissenschaft. Wem dieses Gefühl fremd ist, wer sich nicht mehr wundern und in Ehrfurcht verlieren kann, der ist bereits tot. Das Wissen darum, daß das Unerforschliche wirklich existiert und daß es sich als höchste Wahrheit und strahlendste Schönheit offenbart, wovon wir nur eine dumpfe Ahnung haben können — dieses Wissen und diese Ahnung sind der Kern aller wahren Religiosität. In diesem Sinne, und in diesem allein, zähle ich mich zu den echt religiösen Menschen.433

Louis Pasteur, der Welt erster großer Mikrobiologe, schrieb: «Glücklich ist der, der Gott in sich trägt und ihm gehorcht. Die Ideale von Kunst und Wissenschaft werden durch Reflexionen aus dem Unendlichen erhellt.»

Das Wesentliche der Ewigen Philosophie läßt sich wie folgt zusammenfassen: Es ist wahr, daß es irgendeine Art von Unendlichem, irgendeine Form von Absoluter Gottheit gibt. Man darf sie sich aber nicht als kolossales Wesen, als liebenden Vater oder einen außerhalb seiner Schöpfung, den Dingen, Ereignissen und den Menschen stehenden großen Schöpfer vorstellen. Am besten stellt man sie sich metaphorisch als den Urgrund, das Sosein oder die Voraussetzung aller Dinge und Geschehnisse vor. Die Gottheit ist nicht ein von allen endlichen Dingen getrenntes Großes Ding, sondern eher die Realität, das Sosein oder der Urgrund aller Dinge.

Ein Wissenschaftler, der sich laut über die Annahme der Existenz eines «Unendlichen» mokiert, anderer­seits aber ungeniert und lautstark die «Naturgesetze» preist, gibt damit, ohne es zu merken, religiösen und erhabenen Gefühlen Ausdruck.

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 Nach der Ewigen Philosophie wäre es akzeptabel, vom Absoluten symbolisch als der Natur* aller Naturen zu sprechen, der Vorbedingung aller Vorbedingungen (sagte nicht schon der heilige Thomas, Gott sei Natura naturans?). Dabei sollte aber beachtet werden, daß Natur nicht etwas anderes ist als alle Lebensformen. Natur ist nicht etwas außerhalb der Berge, Adler, Flüsse oder Menschen, sondern etwas, das durch die Fasern von allem und jedem fließt.

In derselben Weise ist das Absolute — als die natur aller Naturen — nicht etwas von allen Dingen und Ereignissen Getrenntes. Das Absolute ist nicht das Andere, sondern durchdringt gewissermaßen das Gewebe von allem, was ist.

In diesem Sinne erklärt die «Ewige Philosophie» das Absolute als das Eine, Ganze, Ungeteilte — sehr ähnlich dem, was Whitehead «das nahtlose Gewand des Universums» genannt hat. «Nahtlos» darf man aber nicht als «formlos, gestaltlos» auffassen. Realität als das Eine zu bezeichnen, soll nicht besagen, daß separate Dinge und Ereignisse nicht existieren. Sagt ein Wissenschaftler «Alle Dinge gehorchen den Naturgesetzen», dann meint er nicht «Daher existieren keine Dinge». Er will damit sagen, daß alle Dinge innerhalb einer ausgewogenen Ganzheit existieren, die er Natur nennt und deren Gesetze er zu beschreiben versucht. Als eine erste Annäherung beschreibt die Ewige Philosophie das Absolute als nahtloses Ganzes, als integrales Einssein, das aller Vielfalt zugrundeliegt und alle Vielfalt umschließt. Das Absolute war schon vor dieser Welt da, so wie der Ozean vor seinen Wellen und nicht getrennt von ihnen da ist.

Diese Vorstellung ist nicht, wie der logische Positivist behaupten würde, eine Vorstellung ohne Sinn und Bedeutung. Sie ist jedenfalls nicht sinnloser als die wissenschaftliche Bezugnahme auf Natur, Kosmos, Energie oder Materie. Wenn das Absolute, das integrale Ganze, nicht als separate und wahrnehmbare Einheit existiert, bedeutet das nicht, daß es nicht existent ist. Niemand hat jemals die «Natur» gesehen. Wir sehen Vögel, Bäume, Gras und Wolken, aber nicht ein spezifisches Ding, das wir isolieren und «Natur» nennen können. Desgleichen hat noch kein Naturwissenschaftler, Laie oder Mathematiker jemals «Materie» gesehen. 

 

* Werden Begriffe in diesem Buch in einem auf höhere, transzendente (Bewußtseins-)Bereiche verweisenden Sinn gebraucht, so sind sie in Kapitälchen geschrieben, um hervorzuheben, daß sie (auch, aber) nicht nur im umgangssprachlichen Sinn zu verstehen sind. (Anm. d. Übers.)

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Er sieht «Formen von Materie», Holz, Aluminium, Zink oder Plastik, jedoch niemals reine Materie. Und doch wird kein Wissenschaftler deshalb behaupten: «Aus diesem Grunde existiert Materie nicht.» Vielerlei intuitive und nichtwissenschaftliche Gewißheiten veranlassen den Natur­wissen­schaftler festzustellen, daß Materie real existiert. Und tatsächlich ist Materie für die große Mehrheit aller Natur­wissenschaftler das einzig Reale, obwohl sie sie noch nie gesehen, angefaßt oder geschmeckt haben.

Das gleiche gilt natürlich für Energie, da Masse und Energie austauschbar sind. Kein Wissenschaftler hat je Energie gesehen, obwohl er von «Formen der Energie» spricht, etwa der thermodynamischen, der Kernenergie und so weiter. Und obgleich er noch nie reine Energie gesehen hat, behauptet er nicht: «Also ist Energie nichts Reales.» Schon vor langer Zeit hat der Geologe und Philosoph Ananda Coomaraswamy das schwierige Problem dieser «wissenschaftlichen Annahme» genau erkannt: «Es ist die mißliche Lage des Positivisten, daß er, wenn er nur dem Realität zuerkennt, was er anfassen kann, Dingen <Wirklichkeit> zuspricht, die gar nicht erfaßt werden können, weil sie niemals stillstehen, und er wird gegen seine Überzeugung dazu getrieben, die Realität einer so abstrakten Wesenheit wie <Energie> zu postulieren — ein Wort, das nichts als einer der vielen Namen Gottes ist.»97

Beachtet man, daß die Ewige Philosophie Gott nicht als Große Person definiert, sondern als Wesen alles dessen, was ist, dann hat Coomaraswamy offensichtlich recht, und es kommt nicht im geringsten darauf an, ob wir sagen, alle Dinge der Natur seien Formen der Natur, Formen von Energie oder Formen von Gott. Hiermit will ich natürlich nicht versuchen, die Existenz des Absoluten zu beweisen. Ich will nur sagen, sie sei nicht unwahrscheinlicher als die Existenz der Materie, der Energie, der Natur oder des Kosmos.

Wer glaubt, das Absolute sei eine Art Großer Vater, der über alle seine Nachfahren wacht wie ein Schäfer über seine Herde, der praktiziert Religion wie ein Bittsteller. Ziel seiner Religion ist einfach, den Schutz und Segen jenes Gottes zu erhalten und ihn als Gegenleistung zu verehren und ihm zu danken. Er lebt in Übereinstimmung mit dem, was er für Gottes Gesetze hält, und hofft ganz allgemein, als Lohn dafür in irgendeinem Himmel ein ewiges Leben zu führen. Diese Art von Religion verfolgt nur das Ziel, erlöst zu werden — erlöst von Schmerzen, von Leiden, erlöst vom Übel, letzten Endes sogar vom Tod.

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Über diese Anschauung will ich gar nicht streiten, da sie in keine Ewige Philosophie paßt, weshalb ich hier auch nicht weiter auf sie einzugehen gedenke. Die Religion der Ewigen Philosophie ist nämlich etwas völlig anderes als das Verlangen nach Erlösung. Da sie das Absolute als integrale Ganzheit beschreibt, ist es nicht das Ziel dieser Religion, erlöst zu werden, sondern jene Ganzheit zu entdecken und sie dadurch als Ganzes zu erfahren.

Albert Einstein bezeichnete dies als Beseitigung der optischen Täuschung, wir seien separate, vom Ganzen getrennte Individuen: Ein menschliches Wesen ist ein Teil des Ganzen, das wir «Universum» nennen, ein in Raum und Zeit begrenzter Teil. Es erfährt sich selbst, seine Gedanken und Gefühle als etwas von allem anderen Getrenntes — eine Art optische Täuschung seines Bewußtseins. Diese Täuschung ist für uns eine Art Gefängnis, das uns auf unser persönliches Verlangen und unsere Zuneigung für einige wenige uns nahestehende Personen beschränkt. Unsere Aufgabe muß es sein, uns aus diesem Gefängnis zu befreien.168

 

Nach der Ewigen Philosophie ist diese «Entdeckung der Ganzheit», die Beseitigung der optischen Täuschung des Getrenntseins, kein bloßer Glaube und auch kein Dogma, das man akzeptiert, weil man daran glaubt. Denn wenn das Absolute wirklich eine integrale Ganzheit ist, wenn es zugleich Teil und Gesamtheit von allem ist, was existiert, dann ist es auch in allen Menschen vollständig vorhanden.208  

Und im Gegensatz zu Felsen, Pflanzen oder Tieren haben menschliche Wesen — weil sie bewußt leben — die Fähigkeit, diese Ganzheit zu entdecken. Sie können das Absolute erfahren. Sie glauben nicht daran, sie entdecken es. Es ist so, als werde sich eine Meereswelle plötzlich ihrer selbst bewußt und entdecke dadurch, daß sie eins ist mit dem Ozean und auch eins mit allen anderen Wellen, da sie alle aus Wasser bestehen. Das ist das Phänomen der Transzendenz — oder Erleuchtung oder Befreiung oder Moksha oder Wu oder Satori. Das meinte Plato, wenn er davon sprach, man steige aus der Höhle der Schatten nach oben und finde das Licht des Seins; oder wenn Einstein die Hoffnung äußerte, der Täuschung des Getrenntseins zu entkommen. Das auch ist das Ziel der buddhistischen Meditation, des hinduistischen Yoga und der christlichen mystischen Kontemplation. In dieser gradlinigen Anschauung gibt es nichts Spukhaftes, Okkultes oder Fremdartiges.

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Kehren wir zum Begriff der Geschichte zurück und nähern wir uns dem Sinn der Geschichte aus unserer neuen Sicht der «Ewigen Religion», dann läßt Geschichte sich nur mit dem Gottesbegriff erklären. Gott ist dann nicht eine Große Person, sondern die Ganzheit und das Sosein alles dessen, was ist. Dann ist die Geschichte nicht die Erzählung von der Entfaltung eines Paktes zwischen dem Menschen und Gott, sondern der Entfaltung der Beziehungen zwischen dem Menschen und der Höchsten Ganzheit. Da diese Ganzheit mit dem Bewußtsein in Übereinstimmung ist, können wir auch sagen: Geschichte ist die Entfaltung des menschlichen Bewußtseins (oder verschiedener Strukturen des Bewußtseins, wie ich in diesem Buch darzustellen versuche).

In dieser Anschauung gibt es keineswegs mehr «versteckte Metaphysik» oder «unbeweisbare Annahmen» als in der normalen wissenschaftlichen Evolutionstheorie, da beide auf derselben Art «unsichtbarer» Postulate beruhen. Mit dem gleichen Betrag an versteckter Metaphysik können wir jedoch viel mehr Sinn, Zusammenhang und Ausgewogenheit für unsere Anschauung erreichen. Wir können die Geschichte in einen Zusammenhang stellen, der zugleich wissenschaftlich und spirituell, immanent und transzendent, empirisch und sinnvoll ist. Denn diese Anschauung sagt uns, daß die Geschichte tatsächlich auf ein Ziel zustrebt. Sie bewegt sich nicht auf den Tag des Jüngsten Gerichts zu, sondern in Richtung auf jene Höchste Ganzheit. Diese ist nicht nur die natur aller Naturen, sondern auch das vollendete und höchste Potential des menschlichen Bewußtseins selbst. In diesem Sinne ist Geschichte ein langsamer und mühsamer Pfad zur Transzendenz.

 

Die Große Kette des Seins 

 

Im Sinne der Ewigen Philosophie folgt dieser Pfad der Transzendenz der sogenannten «Großen Kette des Seins», einer universalen Aufeinanderfolge hierarchischer Ebenen wachsenden Bewußtseins.198, 224, 367, 375, 429, 436 Große Kette des Seins bewegt sich, um abendländische Begriffe zu benutzen, von der Materie zum Körper, zum Verstand (Geist), zur Seele, zum Geist. Aus dieser Sicht ist Geschichte im wesentlichen die Entfaltung jener Reihenfolge immer höherer Strukturen, beginnend mit der untersten (Materie und Körper) und endend mit der höchsten (geist, Höchste Ganzheit).

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Evolution / Geschichte — jener Pfad der Transzendenz und zur Transzendenz — beginnt also beim untersten Glied der Kette und erkämpft sich von dort aus mühsam ihren Weg nach oben. In einem sehr speziellen Sinn gilt dies auch für die aufsteigende Kurve der menschlichen Evolution/Geschichte. So wie die Ontologie, die Seinslehre, die Phylogenie, die Lehre von der Stammes­entwicklung, rekapituliert, so begann auch die Entwicklungs­geschichte des Menschen auf den unteren Stufen der Großen Kette des Seins, weil sie alle früheren und vormenschlichen Stufen der Evolution in menschlicher Form rekapitulieren mußte. Das erste Auftreten des Menschen war tatsächlich ein außergewöhnlicher Fortschritt, aber einer, der seine Vorläufer assimilieren, einbeziehen und dann transzendieren mußte.

So waren also die frühesten Stufen der Evolution der Menschheit von subhumanen und unbewußten Impulsen dominiert, wenn auch nicht definiert. Und dieser von der physischen Natur und dem tierischen Körper beherrschte Zustand war es, aus dem der Mensch schließlich eine selbstreflexive und einzigartige menschliche Form des Bewußtseins entwickelte, die wir heute unter dem Begriff «mentales Ego» kennen.

Dieses historische Herauswachsen des Ego aus dem Unbewußten ist eines der Phänomene, die wir in den folgenden Kapiteln studieren wollen. Als kurzes einführendes Beispiel möchte ich folgende Zusammenfassung der Studien Ernst Cassirers durch O. Barfield zitieren:

«Ernst Cassirer ... hat die Geschichte des menschlichen Bewußtseins aufgezeigt ... das schrittweise Heraustreten eines kleinen, aberwachsenden und zunehmend klarer und unabhängiger werdenden Kerns innerer Erfahrung aus einem traumhaften Zustand faktischer Identität mit dem Leben des Körpers und seiner physischen Umwelt (dem Bereich des Unbewußten).»21 

Mit anderen Worten: Durch Differenzierung und Lösung aus der Bindung an die primitive Natur des tierischen Körpers entstand das Ego, das über sich selbst nachdenkt. Dies bewirkte sowohl das Erwachen einer höchst individuellen Bewußtheit als auch einen «Verlust» des primitiven Schlummers, jenes beinahe «paradiesischen» Zustandes träumerischen Verweilens auf den unteren Ebenen der Großen Kette. Cassirer sagt ferner: 

«Diese Tatsache ist es, die der weltweiten Tradition des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies zugrunde liegt und in dem naturverbundenen Bewußtsein der Mythen, älteren Sprachformen, im Totem-Denken und in den Ritualen primitiver Stämme ihren Widerhall findet. Aus solchen Ursprüngen (d.h. aus der Sphäre des Unbewußten) haben wir das heutige individuelle, geschärfte und räumlich bestimmte Bewußtsein entwickelt.» 

Diesem Verlust an primitiver Einbettung, dem langsamen Herauswachsen des Ego und dem «Sündenfall» der Menschheit wollen wir nachspüren.

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Dabei wollen wir jedoch nicht in romantischer Sentimentalität das Entstehen des Ego und den Verlust archaischer Unschuld beklagen, obwohl einige der Folgeerscheinungen durchaus dazu angetan wären, uns in Angst und Schrecken zu versetzen. Denn trotz aller Mängel stellt das mentale Ego aus der Sicht der Ewigen Philosophie doch so etwas wie die Markierung der halben Strecke auf dem Pfad der Transzendenz dar. Das soll heißen: Das ichhafte Selbstbewußtsein befindet sich auf halbem Wege zwischen dem Unbewußten der Natur und dem Überbewußten des geistes. Das Unbewußte von Materie und Körper weicht dem seiner selbst Bewußten des Verstandes (Geist) und des Ego, das seinerseits dem Überbewußten der Seele und des geistes Platz macht. Das ist das «große Bild» von Evolution und Geschichte, und in diesem Kontext ist auch die Geschichte des Menschen zu sehen. Der ganze Zyklus, die Große Kette des Seins, läßt sich wie in Abbildung 1 darstellen (s. S. 24).

Abbildung 1 hat die Form eines Kreises, vor allem weil dies eine kompakte Darstellung erlaubt; doch wie jedes Diagramm weist sie einige Mängel auf. Ich möchte vor allem darauf aufmerksam machen, daß diese Graphik nicht aussagen soll, die niedrigste Stufe (1) und die höchste (8) gingen ineinander über; das tun sie nicht. Darauf werden die letzten Kapitel ausführlicher eingehen. Im Augenblick stellt man sich am besten vor, daß die Stufen 1 bis 8 nacheinander höher aufsteigen, so daß jede Stufe im Verhältnis zur vorhergehenden eher der Sprosse einer Leiter als der Speiche eines Rades gleicht. Die verschiedenen Ebenen sind «vertikal» hierarchisch, und obwohl sie letztlich alle aus dem Absoluten hervorgehen, sind sie zwischenzeitlich Stufen auf dem Wege zurück zum Absoluten.64 Die Weise darzustellen, auf die diese Ebenen tatsächlich zyklisch sind, muß den letzten Kapiteln vorbehalten bleiben. In der Zwischenzeit müssen uns «Sprossen einer Leiter», von der niedersten (1) bis zur höchsten (8) Stufe, als leitende räumliche Metapher dienen.*

 

*  In The Atman Project vermittle ich eine stärker auf Einzelheiten eingehende Version der Großen Kette mit siebzehn Ebenen. Da diese Genauigkeit im Rahmen des hier erörterten Überblicks über die historische Evolution nicht notwendig (und wahrscheinlich auch nicht möglich) ist, verwende ich in diesem Buch nur acht grundlegende Ebenen. Es erübrigt sich die Feststellung, daß es sich bei ihnen deshalb um recht allgemeine Strukturen handelt, die aber für den hier .angestrebten Zweck präzise genug sind.

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Abb.   Die Große Kette des Seins

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Diese umfassende Bewegung von der Materie zum Körper, zum Geist (Verstand), zur Seele und zum geist macht das gesamte abstrakte Skelett der Geschichte aus, vom Anfang bis zum Ende. Wir wollen uns hier jedoch vor allem mit der Bewegung von der Natur zum Körper, von da zum frühen und schließlich zum entwickelten Geist befassen (Ebenen 1 bis 4), weil letzterer die höchste Stufe ist, bis zu der sich das durchschnittliche menschliche Bewußtsein in der Geschichte bisher entwickelt hat. Wie Plotin sagte: Wir sind erst halb entwickelt — und dieses Buch ist vor allem ein Überblick über die erste Hälfte der Entwicklung.

Dennoch werden wir auch die höheren Stufen der Evolution des öfteren erwähnen, die zu den Bereichen der Seele, des geistes und der Höchsten Ganzheit führen (Ebenen 5 bis 8). Wir werden das tun, weil einzelne hochentwickelte Individuen es während aller Stufen der bisherigen Menschheitsgeschichte geschafft haben, sich erheblich über ihre Zeitgenossen hinaus zu entwickeln, bis zu den überbewußten Bereichen: Propheten, Heilige, Erleuchtete, Schamanen - also Seelen, die als wachsende äußerste Spitzen des menschlichen Bewußtseins die höheren Ebenen des Seins durch Ausweitung und frühreife Evolution ihres eigenen Bewußtseins entdeckten. Eine Aufzeichnung der Geschichte, die den Einfluß der höherentwickelten äußersten Spitzen der Menschheit ausläßt, jener Einzelnen, die den schmalen Gipfelgrat der Größe der Menschheit repräsentieren, ist überhaupt keine Geschichtsschreibung, sondern die bloße Aufzeichnung des zeitlichen Ablaufs aufeinanderfolgender Mittelmäßigkeiten.

Ich werde also zwei parallele Stränge der Evolution aufzeigen, wie sie historisch in Erscheinung traten: den der durchschnitt­lichen und den der fortgeschrittensten Ebene des Bewußtseins. Beim ersten handelt es sich um die Evolution durchschnittlicher Erfahrung und Bewußtwerdung, die von Ebene 1 bis Ebene 4 aufsteigt. Beim zweiten geht es um die korrelative Evolution fortgeschrittener, die wachsende Spitze repräsentierender oder «religiöser» Erfahrung, die sich von Ebene 5 bis zur Ebene 8 bewegt. Unser Bericht endet mehr oder weniger in der gegenwärtigen Periode, in der der erste Strang in den zweiten überzugehen beginnt (Ebene 4 in Abbildung 1).

Auch die höheren Stufen der Evolution in Richtung auf integrale Ganzheit und geist werden zur Sprache kommen, weil der geist nicht nur die letzte Stufe der Evolution darstellt, sondern zugleich der immerwährende Urgrund der Evolution ist. Wie erwähnt, ist diese Höchste Ganzheit die natur aller Naturen, die Vorbedingung aller Vorbedingungen.

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Das soll heißen: Wir bewegen uns nicht nur auf jene Ganzheit zu, sondern sind auch aus ihr entstanden und werden stets von ihr umfangen sein — paradoxerweise. Die höchste spirituelle Ganzheit ist die Höchste Ganzheit des menschlichen Bewußtseins und war an keinem Punkt der Geschichte oder Evolution nicht vorhanden.

Als Urgrund, Quelle und Sosein aller Manifestationen ist dieser Höchste Geist der letzte Bezugspunkt aller Geschichte, der menschlichen wie der sonstigen. Und aus diesem Grunde kann keine Darstellung der Evolution — selbst wenn sie sich grund­sätzlich nur mit deren «erster Hälfte» befaßt — eine wirklich ausreichende Erklärung bieten, wenn sie nicht auf das verweist, was Hegel die «Phänomenologie des Geistes» genannt hat.193 Denn, um es nochmals zu wiederholen: Geschichte erzählt von der Entfaltung des Bewußtseins (geistes), einer Entfaltung, die die Höchste Ganzheit zum Ausgangspunkt hat und auch wieder zu ihr zurückkehrt. Geschichte ist der Bericht von den Beziehungen der Menschheit zu ihrem tiefsten Wesen, das sich in der Zeit entfaltet, aber in der Ewigkeit gründet.

Die Höchste Ganzheit ist also der Urgrund des menschlichen Bewußtseins. Aber — und hier liegt das eigentliche Problem — die überwiegende Mehrheit aller Menschen ist dessen nicht gewahr. Daher ist sie für die meisten Seelen ein Anderes. Sie ist nicht, wie Jehova, ein ontologisches Anderes, ist nicht von den Menschen abgetrennt, geschieden. Es handelt sich vielmehr um ein psychologisches Anderes, das allgegenwärtig, aber nicht wirklich erfahren ist. Diese Höchste Ganzheit ist ständig gegeben, wird aber selten entdeckt. Sie ist das Wesen aller Menschen, schläft jedoch in den Tiefen der Seele.

Da die Höchste Ganzheit in praktischer Hinsicht ein Anderes ist, genügt sie unserem Kriterium, der Geschichte Sinn zu verleihen. Es wurde bereits darauf verwiesen, daß große Theologen mit Recht darauf bestanden haben, Geschichte müsse auf etwas anderes als auf sich selbst hinweisen, wenn sie einen Sinn haben soll. Und wenn sie einen erhabenen Sinn haben soll, muß sie auf ein Erhabenes Anderes hinweisen, nämlich auf Gott.

Für die Ewige Philosophie ist das Große Andere jedoch nicht ein außenstehender Gott, sondern das Wesen und Sosein des eigenen Seins, womit Geschichte also auf jedermanns eigenes wahres Wesen und dessen Entfaltung hinweist. Die aus der Ganzheit hervortretende Geschichte strebt wieder auf diese Ganzheit zu, auf die bewußte Auferstehung des Überbewußtseins in allen Menschen. Geschichte hat einen Sinn, weil sie auf dieses ganze hinweist. Und Geschichte kann sich erfüllen, weil dieses ganze voll und ganz wiederentdeckt werden kann.

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Das Atman-Projekt  

 

Das grundlegende Wesen aller Menschen ist also die Höchste Ganzheit (Ebene 7/8). Dies ist ewig und zeitlos so — das heißt, wahr von Anfang an, wahr bis zum Ende und, was besonders wichtig ist, wahr im jetzigen Augenblick, von Augenblick zu Augenblick. Diese immerwährende Höchste Ganzheit, die sich in jedem Menschen manifestiert, nennen wir Atman (wie die Hindus es tun) oder Buddha-Wesen (wie die Buddhisten es tun) oder Tao oder geist oder bewusstsein (Überbewußtsein) oder aber Gott — letzteres allerdings seltener, da sich so viele irreführende Assoziationen mit diesem Begriff verbinden.

Da Atman ein integrales ganzes ist, außerhalb dessen nichts existiert, umfaßt es allen Raum und alle Zeit und ist damit selbst raumlos, zeitlos, unendlich und ewig.411, 429  Das «Unendliche» meint in der Ewigen Philosophie nicht etwas außerordentlich Großes, sondern jenen raumlosen Urgrund, der allen Raum einschließt und ihm zugrundeliegt, so wie ein Spiegel allen von ihm reflektierten Objekten zugrundeliegt und sie umfaßt. Gleichermaßen bedeutet «Ewigkeit» nicht eine sehr lange Zeit — sie ist der zeitlose Urgrund, der jeder Zeit zugrundeliegt und sie umfängt.

Gemäß der Ewigen Philosophie ist das Wahre Selbst oder das Buddha-Wesen nicht immerwährend und dem Tode trotzend; es ist vielmehr zeitlos und transzendent. Befreiung bedeutet nicht immerwährendes Fortbestehen in irgendeiner Art von goldverbrämtem Himmel, sondern unmittelbares Gewahrsein des zeit- und raumlosen Urgrunds allen Seins.367  

Dieses Gewahrsein zeigt dem einzelnen nicht, daß er unsterblich ist - was er eindeutig nicht ist. Es zeigt ihm vielmehr, daß er dort, wo seine Psyche mit dem zeitlosen Urgrund in Berührung kommt und sich mit ihm überschneidet, mit dem Universum eins wird — so sehr sogar, daß er auf dieser Ebene das Universum ist.387 Die Entdeckung, daß das eigene tiefste Wesen mit dem All eins ist, befreit den Menschen von der Last der Zeit, der Ängste und Sorgen. Er wird von den Ketten der Entfremdung und der Isoliertheit der Existenz befreit.193 Die Erkenntnis, daß das Selbst und das Andere eins sind, befreit von der Lebensangst. Die Einsicht, daß Sein und Nichtsein eins sind, befreit von der Todesangst.

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Mit der Wiederentdeckung der Höchsten Ganzheit transzendiert der Mensch jede denkbare Form von Begrenzung — die er damit aber nicht verwischt — und überschreitet alle Arten von kämpferischer Auseinander­setzung. Dieser Zustand besteht in einem konfliktfreien, ganzheitlichen, glückseligen Gewahrsein. Das bedeutet jedoch nicht den Verlust jeden Selbstbewußtseins oder jeder zeitlichen Wahrnehmung und auch nicht, daß man in einen leeren Trancezustand verfällt, daß alle kritischen Fähigkeiten aussetzen und man sich in einem ozeanischen Brei suhlt. Vielmehr wird der Hintergrund des Selbstbewußtseins wiederentdeckt. Man ist der integralen Ganzheit und des expliziten Ich gewahr.

Ganzheit ist nicht das Gegenteil von ichhafter Individualität; sie ist einfach deren Urgrund, dessen Entdeckung die Gestalt des Ich nicht auslöscht. Im Gegenteil: Sie stellt nur die Verbindung mit der übrigen Natur, dem Kosmos und der Gottheit wieder her. Nicht ein «ewiges Leben» in der Zeit gewinnt man mit dieser Erkenntnis, sondern man entdeckt, was vor der Zeit besteht.

Die Ewige Philosophie versteht die Wiederentdeckung dieser unendlichen und ewigen Ganzheit als das größte Bedürfnis und Verlangen des Menschen.44 Denn Atman ist nicht nur das grundlegende Wesen aller Seelen, sondern jeder Mensch weiß oder erfaßt intuitiv, daß dies so ist.29 Jedes Individuum spürt ständig, daß seine Vor-Natur unendlich und ewig. Alles und Ganzheit ist — es besitzt also eine wahre Atman-Intuition. Gleichzeitig jedoch empfindet es Furcht vor der tatsächlichen Transzendenz, denn Transzendenz erfordert den «Tod» seines isolierten und separaten Ichempfindens.239 Das Individuum will von seinem separaten Ich nicht lassen und will es nicht sterben lassen. Daher kann es die große Erfüllung in der integralen Ganzheit nicht finden. Es klammert sich an sein Ich und hält damit Atman fern; es verleugnet das übrige Universum durch Festhalten am eigenen Ich.

Alle Menschen stehen vor diesem fundamentalen Dilemma: Jeder sehnt sich zutiefst nach wahrer Transzendenz, nach Atman-Bewußtsein, nach der Höchsten Ganzheit, fürchtet jedoch zugleich mehr als alles andere den Verlust seines separaten Ich, dessen «Tod». Weil der Mensch mehr als alles andere reale Transzendenz wünscht, den notwendigen Tod seines separaten Ichempfindens jedoch nicht akzeptieren will, sucht er Transzendenz auf eine Weise zu erlangen, die sie in Wahrheit verhindert und symbolische Ersatzlösungen erzwingt.463 Dieser Ersatz nimmt die verschiedensten Formen an: Sex, Essen, Geld, Ruhm, Wissen, Macht. Alles das sind letzten Endes Ersatzbefriedigungen, primitiver Ersatz für die wahre Befreiung in der Ganzheit.29  

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Daher ist das menschliche Verlangen so unersättlich, daher sehnt sich der Mensch nach nie endenden Freuden: Alles, was der Mensch will, ist Atman; aber alles, was er findet, sind symbolische Ersatz­befriedigungen.

Auch das Gefühl des einzelnen, ein separates, isoliertes und individuelles Ich zu sein, ist nur Ersatz für das eigene Wahre Wesen, Ersatz für das transzendente Selbst der Höchsten Ganzheit. Die Ahnung eines jeden Individuums, eines Wesens mit dem Atman zu sein, ist absolut richtig. Der einzelne entstellt diese Intuition jedoch, indem er sie auf sein separates Ich bezieht. Er meint, sein Ich sei unsterblich, nehme eine zentrale Stelle im Kosmos ein und sei allbedeutsam. Das heißt, der Mensch setzt sein Ego an die Stelle von Atman. Statt die zeitlose Ganzheit zu finden, substituiert er sie durch den Wunsch nach immerwährendem Leben. Statt mit dem Kosmos eins zu sein, hat er den Wunsch, den Kosmos zu beherrschen. Statt mit Gott eins zu sein, versucht er, selbst Gott zu spielen.

Diesen Versuch, Atman-Bewußtsein auf eine Weise zu gewinnen, die dieses verhindert und nur zu symbolischen Ersatzbefriedigungen führt, nenne ich das Atman-Projekt.436 Es ist das unmögliche Verlangen, das individuelle Ich möge unsterblich, kosmozentrisch und allbedeutend sein. Es beruht allerdings auf der richtigen Intuition, daß das eigene Wahre Wesen tatsächlich unendlich und ewig ist. Ungeachtet dessen, daß mein Wahres Wesen schon immer Gott ist, zu wollen, daß mein Ego Gott sein möge — und damit unsterblich, kosmozentrisch, todesverneinend und allmächtig —, das ist das Atman-Projekt. Und es gibt nur entweder Atman oder das Atman-Projekt.

Das Atman-Projekt ist also sowohl eine Kompensation für das scheinbare (also letzthin illusorische) Fehlen von Atman als auch das Bemühen, Atman wiederzuerlangen, das heißt, seiner gewahrzuwerden. Diese beiden Punkte sollten wir im Gedächtnis behalten: Das Atman-Projekt ist ein Ersatz für Atman, enthält jedoch auch den Antrieb, Atman wiederzuerlangen. Ich will versuchen aufzuzeigen, daß es letzten Endes das Atman-Projekt ist, das die Geschichte, die Evolution und die individuelle Psyche in Gang hält. Und erst wenn das Atman-Projekt sein Ende gefunden hat, wird das wahre Atman-Bewußtsein hervortreten. Das ist dann auch das Ende der Geschichte, das Ende der Entfremdung und die Auferstehung des überbewußten Alls/Universums.

 

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Das Wesen der Kultur
und die Leugnung des Todes 

 

Wir haben gesehen, daß das Wahre Wesen jedes einzelnen Atman ist (geist, Ebene 7/8); ferner daß jedermann, sei es auch nur verschwommen, dieses Atman-Wesen intuitiv erfaßt. Solange er jedoch den Tod (Thanatos) nicht akzeptieren kann oder will, kann er auch des Einsseins oder Atman-Bewußtseins nicht inne werden, denn das würde die Aufgabe und den «Tod» des isolierten Ichempfindens voraus­setzen. Da er den Tod (noch) nicht akzeptieren und damit sein Wahres Selbst oder seine letzte Ganzheit nicht finden kann, wird der Mensch gezwungen, eine Reihe symbolischer Ersatzbefriedigungen für das selbst (Atman) zu schaffen. Weil er sein Wahres Selbst, das weder subjektiv noch objektiv, sondern nur ganzes ist, nicht verwirklichen kann, kompensiert er dies durch die Behauptung eines symbolischen, subjektiven inwendigen Ego, welches vorgibt, kosmozentrisch, unabhängig und unsterblich zu sein. Das ist ein Teil, der subjektive Teil, des Atman-Projekts.

Bis zur endgültigen Auferstehung des selbst im Überbewußtsein wird das falsche, individuelle und getrennte Ich von zwei Haupttriebkräften bewegt: die eigene Existenz zu verewigen (Eros) und alles zu vermeiden, was zu seiner Auflösung (Thanatos) führen könnte. Dieses inwendige und isolierte Pseudo-Selbst wehrt sich einerseits hartnäckig gegen Tod, Auflösung und Transzendenz, strebt andererseits zugleich nach Kosmozentrizität, Allmacht und Unsterblichkeit. Das sind die positiven und die negativen Seiten des Atman-Projekts — Eros und Thanatos, Leben und Tod, Vishnu und Shiva. Dieser Kampf zwischen Leben und Tod, Eros und Thanatos, ist jedem Ich inhärent und bewirkt seine Ängste, ein urtümliches Angstgefühl, das nur durch Transzendenz in die Ganzheit beseitigt wird.

Damit sind wir beim letzten bedeutenden Aspekt des Atman-Projekts: Auch wenn es nach Unsterblichkeit und Kosmozentrizität strebt, verfehlt das separate Ich sein Ziel zwangsläufig. Es kann die Illusion, stabil, dauerhaft, beständig und unsterblich zu sein, letztlich nicht aufrechterhalten. William James sagt, der furchterregende Hintergrund des Todes bleibe weiterhin präsent und der Mensch komme nicht von der Vorstellung los, «der Sensenmann werde an die Tür des Festsaales klopfen».213 Solange das separate Ich nicht seine Ganzheit wiederentdeckt, bleibt die nebelhafte Atmosphäre des Todes sein ständiger Begleiter. Dieser Hintergrund des Todes kann durch keinerlei Kompensationen, Verteidigungen oder Verdrängungen endgültig und total ausgeblendet werden.

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Nichts, was das inwendige Ich zu tun imstande ist, wird diese schrecken­erregende Vision jemals ersticken. Daher werden «äußere» oder «objektive» Stützpfeiler ins Spiel gebracht, um das Atman-Projekt zu unterstützen, die Todesfurcht zu lindern und das Ich als unsterblich auszugeben. Ein Individuum wird sich eine Vielzahl externer oder objektiver Bedürfnisse, Wünsche, Eigenschaften und materielle Besitztümer schaffen und sich daran klammern: Es strebt nach Reichtum, Ruhm, Macht und Wissen — alles Dinge, die es mit entweder unendlichem Wert oder unendlicher Wünschbarkeit auszustatten neigt. Da es aber gerade diese Unendlichkeit ist, die alle Menschen wahrhaft ersehnen, sind alle äußeren, objektiven und endlichen Objekte wiederum nur Ersatzbefriedigungen. Sie sind Ersatzobjekte, genauso wie das separate Ich ein Ersatzsubjekt ist. Später werde ich aufzeigen, daß dies die äußeren und inneren Verzweigungen des Atman-Projekts sind — objektive und subjektive, «da draußen» und «hier drinnen».

Ich will auf folgendes hinaus: Die Welt objektiver Ersatzbefriedigungen ist nichts anderes als die Welt der Kultur.*  Kultur aber — äußere materielle oder ideelle Ersatzobjekte — dient denselben beiden, eng verbundenen Funktionen wie das inwendige Ersatzsubjekt:  Sie liefert eine Quelle, ein Versprechen und ein Fließen von Eros (Leben, Macht, Stabilität, Vergnügen, Mana) und vermeidet, widersteht oder verteidigt sich gegen Thanatos (Tod, Verfall, Tabu). Aus diesem Grund «entdeckte die Anthropologie, daß [selbst in archaischen Gesellschaften] die grundlegenden Kategorien des Denkens Ideen von Mana und Tabu sind ... Je mehr Mana (Eros) man sich verschaffen, je mehr Tabus (Thanatos) man vermeiden konnte, um so besser.» Denn das ganze kulturelle Projekt ist «doppelseitig: Es zielt in einem Aufwallen von Lebensbejahung auf ein absolutes <Jenseits>;  doch trägt es in sich den verfaulten Kern der Leugnung des Todes».26

Die Leugnung des Todes, dieses panische Davonlaufen vor Thanatos, ist der springende Punkt der «negativen» Seite des Atman-Projekts; seine Rolle bei der Gestaltung der Kultur war überragend und allumfassend. Im Grunde ist Kultur die Art und Weise, wie sich das separate Ich zum Tod verhält — jenes Ich, das dazu verdammt ist zu sterben, dies auch weiß und sein Leben lang bewußt oder unbewußt versucht, es zu leugnen. 

 

* Kultur ist nicht die einzige objektive Ersatzbefriedigung. Letzten Endes ist das jeder beliebige objektive Bereich. Doch ist Kultur der größte menschliche Bereich objektiver Kompensationsaktivitäten.

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Zu diesem Zweck konstruiert es sich ein subjektives Leben, manipuliert es und schafft «dauerhafte» und «zeitlose» kulturelle Objekte als äußere und sichtbare Zeichen einer erhofften Unsterblichkeit. Daher konnte Rank alle Gesellschaften auf der einfachen Grundlage ihrer «Unsterblichkeitssymbole» klassifizieren, konnte Becker darauf hinweisen, daß «Gesellschaften genormte Systeme der Todesleugnung sind», da «jede Kultur eine Lüge hinsichtlich der Möglichkeiten des Sieges über den Tod» sei.

Der Mensch will, was alle Organismen wollen: das Fortdauern der Erfahrung, Selbst-Verewigung als lebendes Wesen (Eros). Andererseits ist der Mensch sich stets dessen bewußt, daß sein Leben einmal zu Ende geht ... Er mußte also einen anderen Weg ersinnen, das Fortdauern seiner Existenz zu sichern, einen Weg, die Welt aus Reisch und Blut [vorgeblich zu transzendieren] ... die ja eine vergängliche ist. Er tat dies, indem er sich auf eine unvergängliche Welt fixierte, ein «unsichtbares Projekt» erfand, das seine Unsterblichkeit garantieren sollte ...

Diese Betrachtung menschlichen Tuns liefert einen Schlüssel zum Verständnis der Geschichte. In jeder Epoche hatten die Menschen den Wunsch, ihr körperliches Schicksal zu transzendieren, suchten sie nach einer Garantie für eine Form unendlichen Fortbestehens. Die Kultur lieferte ihnen dazu die notwendigen Unsterblichkeitssymbole oder Ideologien. Gesellschaften lassen sich als Strukturen von Unsterblichkeitsmacht begreifen.26

«Da er nichts weniger als ewiges Wohlleben wünschte», schließt Becker, «konnte der Mensch von Anfang an nicht mit der Gewißheit des Todes leben... Er schuf kulturelle Symbole, die nicht altern oder verfallen, um seine Furcht vor dem unaus­weichlichen Ende zu besänftigen.»26 Kurz gesagt: Kultur ist das große äußere Gegenmittel gegen die Todesangst. Sie ist das Versprechen, der Wunsch, die glühende Hoffnung, daß der Sensenmann doch nicht an die Tür des Festsaals klopfen wird.

 

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Drei Fragen

 

Wie nun haben sich die verschiedenen Bewußtseinsstrukturen oder Formen des Ich aus dem Unbewußten entwickelt, das die Morgendämmerung der Menschheit charakterisierte? Ich werde im folgenden schrittweise aufzeigen, wie sich das Ich aus seinem ursprünglichen Eingebettetsein in Natur und Körper (Ebenen 1 und 2) löste, sich von beiden differenzierte und schließlich in der modernen Ära zu einem hochindividualisierten und «unabhängigen» Ego entwickelte. Darüber hinaus werde ich die Ansicht vertreten, daß eine bestimmte Form des Ichbewußtseins auch einen besonderen Typ oder Stil von Kultur begünstigt (die ihrerseits zur Ausprägung dieser Form des Ich beiträgt), da beide Projekte im großen und ganzen korrelativ sind. Die Form des Ich und der Stil der Kultur, die beiden tragenden Säulen des Atman-Projekts, stützen einander.

Dabei ergeben sich fundamentale Probleme. Welche Form der Verteidigung mußte der Mensch sich schaffen, als er sich aus der Sphäre des Unbewußten löste und den Schutz der Unwissenheit verlor, als er sich stärker seiner Trennung, Verwundbarkeit und Sterblichkeit bewußt wurde? Wie wirkte sich diese Verteidigung auf seine Mitmenschen aus? Wichtiger noch: Hatten die Menschen auf jeder Stufe ihrer Evolution aus dem Unbewußten irgendeinen Zugang zu den Bereichen des Überbewußten? Hatten sie Einblick in irgendeinen Bereich der höheren Stufen der Evolution und spirituellen Befreiung?

Die angesprochenen Probleme lassen sich zu drei einfachen Fragen zusammenfassen, die für jede beliebige Gemeinschaft und jede Stufe der Evolution gelten:

  1. Welche Hauptformen wirklicher Transzendenz stehen dem Menschen zur Verfügung? Das soll heißen: Sind ihm echte Wege zum Atman, zum Überbewußten, zugänglich?

  2. Wenn nicht: Welche Ersatzformen für Transzendenz werden geschaffen? Welche Formen nimmt das Atman-Projekt an, und zwar subjektive als Ichbewußtsein und objektive als Kultur?

  3. Welchen Preis müssen die Mitmenschen für diese Ersatzbefriedigungen zahlen? Womit wird das Atman-Projekt erkauft?

Es wird sich herausstellen, daß die Geschichte der Bericht über Menschen ist, die einander in ihre Atman-Projekte verwickeln — im negativen (Thanatos) wie im positiven (Eros) Sinne. Dabei schaffen sie sich einerseits Könige, Götter und Helden, während sie andererseits für die Leichenberge von Auschwitz, die Gulags und Wounded Knee die Verantwortung tragen.

Ebenso wird sich herausstellen, daß die Geschichte tatsächlich einen Sinn hat, sowohl auf umfassender Ebene — als Bewegung vom Unbewußten zum Überbewußten — als auch auf individueller Ebene, das heißt für jede einzelne Seele, die sich, wann auch immer, der unmittelbaren Transzendenz zum überbewußten all öffnet.

Das ist «Tod» und Transzendenz des separaten Ich zugleich und — für den Betreffenden — das Ende der Geschichte, das Ende der Tyrannei der Zeit, das Ende der optischen Täuschung des Getrenntseins, die Auferstehung des All und die Rückkehr zur Ganzheit.

Natürlich ist die Zahl der Individuen, die zu irgendeiner Zeit wirklichen Zugang zum All fanden, sehr klein; und es wird wahrscheinlich noch Tausende oder gar Millionen von Jahren dauern, bis die Menschheit als Ganzes sich in den Bereich des Überbewußtseins hinein entwickelt hat.

Ausgenommen die Wenigen, die jeweils für sich alleine den Weg zur Transzendenz wählten, trifft es zu, daß Geschichte eine Chronik über Menschen ist und bleiben wird, die zu früh geboren wurden.

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