Das Manifest von Erice in Italien 1996
Diese Erklärung wurde am 30. Mai 1996 veröffentlicht,
als Ergebnis einer Tagung im italienischen Erice,
von einer internationalen Gruppe von Wissenschaftlern und Ärzten.
Quelle: <Endstation Gehirn> von Christopher Williams (S. 367)
detopia-2013: hier gekürzt.
0. Der Hintergrund:
Hormone sind chemische Botenstoffe, die sich im Blutkreislauf bewegen und lebenswichtige Körperfunktionen an- und abschalten, um Gesundheit und Wohlergehen eines Menschen zu erhalten.
Insgesamt genommen nennt man die Gewebe und Organe, die Hormone erzeugen und auf sie reagieren, das System der inneren Sekretion.
Die <Erklärung von Erice> lenkt die Aufmerksamkeit auf Industriechemikalien, welche die Entwicklung des Gehirns und anderer Teile des zentralen Nervensystems stören und schädigen können.
Die Ergebnisse der seit 1991 erfolgten Forschung haben die Sorgen über den Umfang der Probleme, die der menschlichen Gesundheit und den ökologischen Systemen durch Chemikalien drohen, welche die innere Sekretion stören oder behindern, zunehmend verstärkt.
Neuere Forschungsergebnisse sind besonders besorgniserregend, weil sie die unerhörte Empfindlichkeit des sich entwickelnden Nervensystems gegenüber chemischen Störungen unterstreichen.
Überdies sind die Konsequenzen dieser Störungen vom Entwicklungsstadium abhängig, in dem ein Mensch der Chemikalie ausgesetzt ist, und findet zu verschiedenen Zeiten im Leben jeweils anderen Ausdruck, angefangen bei der Geburt bis hin zum vorgerückten Alter.
1. Wir sind von folgendem überzeugt:
Chemikalien, welche die Funktion der inneren Sekretion stören oder behindern, können die neurologische und verhaltensmäßige Entwicklung der Menschen untergraben, die diesen Chemikalien im Mutterleib ausgesetzt sind, oder wenn bei Fischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln die Eier mit diesen Chemikalien in Berührung kommen. Dieser Verlust von Potential bei Menschen und wildlebenden Tieren zeigt sich in körperlichen wie in verhaltensmäßigen Anomalien. Er kann sich in verringerter geistiger Kapazität und sozialer Anpassungsfähigkeit zeigen, als beeinträchtigtes Reaktionsvermögen auf Anforderungen der Umwelt oder in einer Vielzahl anderer Funktionsstörungen auftreten.
Ein weitverbreiteter Verlust dieser Art in der Natur kann den Charakter menschlicher Gesellschaften verändern oder wildlebende Tierpopulationen destabilisieren. Weil spürbare ökonomische und soziale Konsequenzen die Folge selbst kleiner Veränderungen im Funktionspotential auf der Ebene ganzer Populationen sind, ist es unerläßlich, die Werte der Verseuchungsstoffe bei Menschen, Tieren und in der Umwelt zu überwachen.
Weil das endokrine System für Störungen so empfindlich ist, wird es leicht zum Ziel von Störungen. Im Gegensatz zu natürlichen Hormonen, die man in Tieren und Pflanzen findet, sind einige der Komponenten und Nebenprodukte vieler industriell hergestellter organischer Verbindungen, die das endokrine System stören, langlebig und breiten sich in der Nahrungskette aus.
Solche vom Menschen hergestellte Chemikalien finden sich auf allen Kontinenten und in allen Weltmeeren. Man findet sie bei einheimischen Populationen von der Arktis bis in die Tropen, und weil sie sich im Körper lange halten, können sie von Generation zu Generation weitergegeben werden. Die Schwere des Problems wird noch durch die extrem geringen Hormonwerte gesteigert, die das endokrine System auf natürliche Weise erzeugt und die nötig sind, um angemessene Reaktionen zu modulieren und auszulösen. Im Gegensatz dazu zeigen sich viele solcher Verseuchungsstoffe, die das endokrine System stören, in lebendem Gewebe in Konzentrationen, die millionenmal höher sind als die natürlichen Hormone, selbst wenn sie in ihrer Wirkung weniger stark sind als die natürlichen Produkte.
Wildlebende Tiere, Labortiere und Menschen weisen Gesundheitsschädigungen auf, wenn sie synthetischen Chemikalien ausgesetzt sind, die das endokrine System stören, wie sie gegenwärtig in den vorhandenen Konzentrationen in der Umwelt zu finden sind. Neue Techniken haben enthüllt, daß einige künstlich hergestellte Chemikalien gegenwärtig im Körpergewebe in Konzentrationen vorhanden sind, die man früher mit konventionellen Analysemethoden nicht messen konnte, die aber gleichwohl biologisch aktiv sind.
Die Berührung während der Schwangerschaft mit langlebigen künstlichen Chemikalien erinnert daran, daß Frauen lebenslang diesen Chemikalien ausgesetzt sind, bevor sie schwanger werden. Somit ist die Übertragung von Verseuchungsstoffen auf den sich entwickelnden Embryo und den Fetus während der Schwangerschaft und auf das Neugeborene in der Zeit des Stillens nicht einfach eine Funktion der Tatsache, daß die Mutter erst kurze Zeit diesen Schadstoffen ausgesetzt gewesen ist. Im Tierreich ist bei einigen eierlegenden Arten die körperliche Belastung der Weibchen kurz vor der Ovulation die kritischste Periode. Bei Säugetieren sind die Mütter während der gesamten pränatalen und frühen postnatalen Entwicklung solchen Schadstoffen, welche die innere Sekretion stören, ausgesetzt, weil sie in der Mutter gespeichert sind.
Das sich entwickelnde Gehirn weist spezifische und oft schmale zeitliche Fenster auf, in denen die Berührung mit solchen Schadstoffen, welche die innere Sekretion stören, dauerhafte Veränderungen in Struktur und Funktion des Gehirns auslösen können. Der Zeitpunkt des Kontakts ist in den frühen Entwicklungsstadien ausschlaggebend, besonders in der Zeit der Entwicklung des Fetus, in der es zu einer festgelegten Sequenz struktureller Veränderungen kommt, bevor sich Schutzmechanismen entwickelt haben.
Eine Vielzahl chemischer Herausforderungen in der Frühzeit des Lebens können bei Menschen und Tieren zu tiefgreifenden und unumkehrbaren Anomalien der Gehirnentwicklung führen, und das bei Kontakten mit den Schadstoffen, die bei Erwachsenen keine dauerhaften Wirkungen hervorrufen.
Schilddrüsenhormone sind während des ganzen Lebens für normale Gehirnfunktionen unerläßlich. Störungen der Schilddrüsenfunktion in der Zeit der Entwicklung führen zu Anomalien des Gehirns und bei der Entwicklung des Verhaltens. Die späteren Ergebnisse in Form mäßiger bis schwerer Veränderungen der Schilddrüsenhormon-Konzentrationen, besonders in der Zeit der fetalen Entwicklung, sind motorische Störungen unterschiedlicher Schwere, darunter Gehirnlähmung, geistige Zurückgebliebenheit, Lernbehinderungen, Aufmerksamkeitsdefizite kombiniert mit Hyperaktivität, Hydrocephalus, epileptische Anfälle und andere dauerhafte neurologische Anomalien.
Ähnlich kann die Berührung mit industriell hergestellten Chemikalien in der Frühen Entwicklung die motorischen Funktionen beeinträchtigen, die räumliche Wahrnehmung, die Lernfähigkeit, die Gedächtnisleistung, die Entwicklung des Gehörs, die Koordination der Feinmotorik, das Gleichgewichtsgefühl und verschiedene Lernprozesse; in schweren Fällen kann geistige Zurückgebliebenheit das Ergebnis sein.
Die sexuelle Entwicklung des Gehirns erfolgt unter dem Einfluß von Östrogenen bei der Frau und Testosteronen beim Mann. Nicht alle Substanzen, welche die innere Sekretion beeinträchtigen, wirken sich jedoch Östrogen-fördernd oder Östrogen-schädlich aus. So haben beispielsweise neue Daten enthüllt, daß DDE, ein Zerfallsprodukt von DDT, das sich in fast allem lebendem Gewebe findet, bei Säugetieren Testosteron-schädlich wirkt.
Künstlich hergestellte Chemikalien, welche die Geschlechtshormone beeinträchtigen, werden das Potential besitzen, die normale sexuelle Entwicklung des Gehirns zu stören. Studien wildlebender Tiere, etwa von Möwen, Seeschwalben, Fischen, Walen, Delphinen, Alligatoren und Meeresschildkröten bringen Giftstoffe in der Umwelt mit Störungen bei der Produktion von Geschlechtshormonen und/oder deren Funktion in Verbindung. Diese Wirkungen hat man durch den Kontakt mit Abwasser und Industrieabwässern, Pestiziden, umlaufender Verseuchung in den Weltmeeren und in Süßwasser sowie der Nahrungskette im Wasser in Verbindung gebracht.
Artenübergreifende Gemeinsamkeiten bei den hormonalen Mechanismen, welche Gehirnentwicklung und - funktion steuern, bedeuten, daß bei wildlebenden Tieren und Labortieren beobachtete schädliche Wirkungen auch bei Menschen möglich sind, obwohl spezifische Wirkungen von Art zu Art verschieden sein können. Am bedeutsamsten aber ist, daß die gleichen synthetischen Chemikalien, die bei Studien über Labortiere diese Wirkungen gezeigt haben, auch bei Menschen ein hohes Kontaktpotential besitzen.
Die ganze Bandbreite von Substanzen, die in die natürlichen endokrinen Modulationen der neuralen und verhaltensmäßigen Entwicklung eingreifen, kann gegenwärtig noch nicht umfassend bestimmt werden. Zu den Verbindungen jedoch, bei denen Auswirkungen auf die innere Sekretion nachgewiesen worden sind, gehören Dioxine, PCB's, Phenole, Phthalate und viele Pestizide. Alle Verbindungen, welche die Tätigkeit von Neurotransmittern, Hormonen und Wachstumsfaktoren im sich entwickelnden Gehirn nachahmen oder ihr entgegenwirken oder die entsprechenden Werte verändern, gehören potentiell zu dieser Gruppe.
2. Wir schätzen folgendes mit einiger Gewißheit:
Jede schwangere Frau in der Welt hat Substanzen im Körper, welche die innere Sekretion stören und auf den Fetus übertragen werden. Sie hat auch meßbare Konzentrationen solcher Substanzen in der Muttermilch, die auf den Säugling übertragen werden. Es kann sein, daß es für Reaktionen auf solche Stoffe, die die innere Sekretion stören, keine definierbaren Schwellenwerte gibt. Hinzu kommt, daß bei natürlich vorkommenden Hormonen eine zu große Menge ein ebenso schweres Problem sein kann wie eine zu geringe. Infolgedessen sind einfache (monotone) Reaktionskurven für Toxizität bestimmter Dosen nicht unbedingt auf die Auswirkungen von Schadstoffen anwendbar, welche die innere Sekretion schädigen.
Weil von bestimmten PCB's und Dioxinen bekannt ist, daß sie die normale Funktion der Schilddrüse beeinträchtigen, haben wir den Verdacht, daß sie zu Lernbehinderungen beitragen, darunter auch zum Syndrom von Aufmerksamkeitsdefiziten und Hyperaktivität und vielleicht auch zu anderen neurologischen Anomalien. Hinzu kommt, daß viele Pestizide die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen und aus diesem Grund vielleicht ähnliche Konsequenzen haben.
Manche Substanzen, die sich auf die innere Sekretion auswirken, oder deren Zerfallsprodukt sind fast genauso stark wie natürliche Hormone. Selbst schwache Substanzen dieser Art können starke Wirkungen auslösen, weil sie den natürlichen Schutz blutbindender Proteine für die natürlichen Hormone umgehen können. Manche dieser Substanzen haben auch eine erheblich längere biologische Halbwertzeit als natürlich erzeugte Hormone, weil sie nicht ohne weiteres vom Stoffwechsel verarbeitet und infolgedessen im Körper eingelagert werden und sich zu besorgniserregenden Konzentrationen ansammeln. Einige industriell hergestellte Chemikalien, die nichttoxisch zu sein scheinen, werden von der Leber in toxische Verbindungen umgewandelt. Überdies können sich Verbindungen, die bei der Mutter nicht toxisch sind, bei dem sich entwickelnden Embryo, Fetus oder Säugling durchaus als toxisch erweisen. Die besondere Anfälligkeit des fetalen Gehirns gegenüber Methylquecksilber und Blei sind anschauliche Beispiele dieses Prinzips.
Funktionsdefizite sind nicht so leicht meßbar wie körperliche Anomalien oder klinische Erkrankungen, was zum Teil daran liegt, daß sie typischerweise in Form eines Kontinuums gemessen werden - wie etwa der IQ - statt nach der Zahl der Fälle in einer Population. Folglich kann es passieren, daß konventionelle Populationsuntersuchungen das Ausmaß solcher Defizite übersehen. Weil solche Untersuchungen überdies dazu neigen, ihre Erkenntnisse als Veränderungen von Durchschnittswerten darzustellen, selbst wenn sie auf angemessenen Maßnahmen basieren, neigen sie dazu, Einflüsse auf die empfänglicheren Mitglieder der Population zu verdunkeln.
Große Mengen industriell hergestellter Chemikalien, die in der Lage sind, das endokrine und das Nervensystem zu schädigen, werden an Länder der Dritten Welt verkauft oder dort produziert und benutzt - an Länder, denen die Ressourcen oder die Technologie fehlen, genau zu überwachen und zu kontrollieren, inwieweit die Bevölkerung den jeweiligen Substanzen ausgesetzt wird. Ungenügende und unangemessene Ausbildung beim Umgang mit Chemikalien sowie Unwissenheit in Fragen der Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und in bezug auf Überwachungsstrategien führen zu der Wahrscheinlichkeit sehr hoher Kontaktwerte.
3. Einige Gründe für die Ungewißheiten unseres Wissens:
Niemand bleibt ohne jeden Kontakt zu solchen schädlichen Chemikalien, womit Studien zur Feststellung dessen, was normal ist, ungenau werden. Jeder Mensch ist in jedem Moment und lebenslang einer großen Zahl industriell hergestellter Chemikalien ausgesetzt. Nur relativ wenige dieser Chemikalien, die man in menschlichem Gewebe findet, sind inzwischen erkannt und bestimmt worden. Geldmangel hat Tests dieser Chemikalien auf ihr Potential zur Schädigung natürlicher Systeme bislang ernsthaft behindert.
Empfindliche Parameter, darunter neurologische Anomalien, Verhaltensstörungen und neuropsychiatrische Störungen sowie neuroanatomische, neurochemische und neurophysiologische Endpunkte müssen erforscht werden. Am wichtigsten ist aber, daß Kriterien auf Populationsebene die sozialen und ökonomischen Kosten von Beeinträchtigungen einschließen müssen, weil die wirklichen Kosten für die Gesellschaft, die infolge solcher Probleme entstehen, erheblich sein können, beispielsweise ein IQ-Verlust von fünf Punkten bei der Gesamtbevölkerung.
Untersuchungen potentieller Toxizität schließen typischerweise Labor-, Population- und Feldstudien ein, klinische Berichte und Unfallberichte. Neurotoxine, die sich schädigend auf die Entwicklung auswirken, lösen ein ganzes Spektrum von Wirkungen aus, die typischerweise nicht bewertet werden, etwa das Fortschreiten und die Latenz von Veränderungen im Verhalten sowie neurologische Veränderungen.
Hinzu kommt, daß eine Veränderung anderer Systeme anschließend zu kognitiven, verhaltensmäßigen und neurologischen Fehlfunktionen führen kann: das heißt zu Krankheiten anderer Organsysteme, die das Gehirn beeinflussen; ebenso Medikamente, die nicht auf das Zentralnervensystem einwirken, sowie andere fremde Substanzen, etwa luftverschmutzende Substanzen, sowie Mitwirkungen des Immunsystems, die das Verhalten verändern.
Gesetze über den Geheimhaltungsschutz in der Wirtschaft bieten der Industrie Vertraulichkeit, berauben den Verbraucher und die Gesundheitsbehörden aber des Rechts zu wissen, welche Bestandteile Handelsprodukte enthalten, so daß diese getestet werden können.
4. Somit kommen wir zu folgender Einschätzung:
Die Vorteile geringerer Kosten könnten erheblich sein, wenn es gelingt, den Kontakt der Menschen mit Chemikalien zu verringern, die zu Beeinträchtigungen der inneren Sekretion führen. Ein sehr geringer Anteil der Mittel der öffentlichen Hand wird für die Überwachung von Umweltchemikalien und deren Auswirkungen auf die Gesundheit verwendet.
Die Öffentlichkeit ist sich dessen nicht bewußt und glaubt, angemessen geschützt zu sein. Die Botschaft, daß Chemikalien, die sich schädlich auf das endokrine System auswirken, in der Umwelt vorhanden sind und das Potential besitzen, viele Menschen im Lauf ihres Lebens zu schädigen, ist noch nicht wirksam ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt, aber auch bei Wissenschaftlern, Entscheidungsträgern in der Verwaltung oder Politikern nicht wirksam verankert.
Obwohl diese Botschaft sich nur mit Mühe auf einfache Erklärungen reduzieren ließe, ohne daß das Problem über- oder unterschätzt wird, sind die potentiellen Gefahren für die Gesundheit der Menschen so weit verbreitet und weitreichend, daß jede Politik, die weiterhin auf Unwissenheit um die Tatsachen beruht, nur als skrupellos bezeichnet werden kann.
Das Ergebnis der Berührung mit solchen Chemikalien wird nicht angemessen bekämpft, wenn die Maßnahmen nur auf Populations-durchschnitten basieren. Statt dessen sollte das Risiko auf der Bandbreite von Reaktionen in einer Population beruhen — das heißt auf der gesamten Verbreitung. Das Ausmaß des Problems läßt sich besser bestimmen, wenn man die Verteilung der Reaktionen auf solche Chemikalien von Individuen innerhalb von Untergruppen der gefährdetsten Population kennt, etwa bei schwangeren Frauen, Embryonen, Feten und Neugeborenen, bei Jugendlichen und Heranwachsenden, Alten, Kranken oder Personen mit schon vorhandenen Störungen der inneren Sekretion.
Die Größenordnung der Risiken hängt überdies vom fraglichen Endpunkt, das heißt der gesundheitlichen Auswirkung, ab. So muß man beispielsweise bei der Einschätzung einer neurologischen Funktion eine Vielfalt motorischer, sensorischer, verhaltensmäßiger und kognitiver Funktionen berücksichtigen, Endpunkte, die empfindlicher sind als Krebs. Dies gilt nicht nur bei menschlichen Populationen, sondern auch bei Tieren, ob wildlebend oder domestiziert.
Wildlebende Tiere sind für das Verständnis endokriner Störungen auf molekularer, zellularer, individueller, populationsmäßiger und Öko-Systemebene wirkungsvolle Modelle gewesen. Künftige Forschungsarbeiten zur Untersuchung verschiedener wildlebender Tierarten auf allen Ebenen der biologischen Organisation müssen erweitert und angemessen unterstützt werden.
Wer für die Herstellung industriell produzierter Chemikalien verantwortlich ist, muß die Produktsicherheit über jeden begründeten Zweifel hinaus sicherstellen. Von den Herstellern sollte verlangt werden, daß sie die Namen aller Chemikalien bekannt geben, die in ihren Produkten verwendet werden, und überdies glaubwürdig belegen, daß die Produkte kein gesundheitliches Entwicklungsrisiko darstellen.
Heutige Wissenschaftlergremien, die über die Verteilung öffentlicher Forschungsgelder entscheiden, verfügen oft nur über einen engen Rahmen von Fachwissen und sind somit schlecht dafür gerüstet, die Art interdisziplinärer Forschung zu überwachen, die auf diesem Gebiet notwendig ist. Institutionen, die Forschungsgelder bereitstellen, sollten dazu ermuntert werden, bei Prüfungsgremien den Umfang der Darstellung zu erweitern und angemessenere Verfahren für interdisziplinäre Prüfungen zu entwickeln. Regierungsbehörden sollten überdies die Geldmittel für nicht-universitätsgebundene interdisziplinäre Vorhaben zur Überwachung wildlebender Tiere und menschlicher Populationen stärker fördern, wo neurologische Schäden befürchtet werden, sowie Hinweisen mit Laborversuchen nachgehen. Zusätzlich sollten Tierpopulationen, welche kontaminierte Nahrung aufnehmen, die auch von Menschen gegessen wird, auf gesundheitliche Entwicklungsschäden hin untersucht werden. Es ist von großer Bedeutung, daß eine Vielzahl von Wirbeltierarten mit Hilfe von generationsübergreifenden Studien beobachtet werden.
Strategien zur Steigerung der interdisziplinären Kommunikation sowie Zusammenarbeit zur Optimierung der Ressourcen und künftiger Forschungsarbeit sind notwendig. Studien sollten ökonomischer darauf angelegt sein, daß möglichst viele Forscher sich die vorhandenen Materialien teilen. Interdisziplinäre Teams sollten neurologische und andere Arten von Schädigungen auf allen Ebenen biologischer Organisation erforschen, angefangen bei molekularen Schädigungen über biochemische und physiologische bis hin zu verhaltensmäßigen.
Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um diese Erklärung in der Öffentlichkeit bekanntzumachen.
Zusätzlich sollten, etwa für Hausärzte und andere, die für die allgemeine Gesundheitsvorsorge verantwortlich sind, besonders aufbereitete Materialien erarbeitet werden, da dieser Personenkreis oft nicht darüber informiert ist, welche denkbare Rolle chemische Schadstoffe, die sich in Umwelt oder Berufsleben auswirken, als Auslöser "primärer" Krankheiten beim Menschen Risikofaktoren darstellen können. Angehende Ärzte müssen auf der Universität über die oft latenten Auswirkungen von Schadstoffen auf Entwicklung und Gesundheit des Menschen ausgebildet werden. Dieser Teil der ärztlichen Ausbildung ist gegenwärtig noch ungenügend. Ferner sollten ein zentrales Informationsbüro und Online-Systeme im Internet eingerichtet werden, um Informationen über Chemikalien bereitzuhalten, die sich schädlich auf das endokrine System auswirken.
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