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Die weitgehend verdrängte Bedrohung der menschlichen Intelligenz durch die Vergiftung der Umwelt 

 

https://www.telepolis.de/features/Die-Verbloedung-schreitet-voran-3431361.html 

2003 Von Berger-Stein-Telepolis

Leicht gekürzt von detopia.

 

Dieses Horrorszenario ist das Ergebnis einer detailreichen Studie von Christopher Williams <Endstation Gehirn: Die Bedrohung der menschlichen Intelligenz durch die Vergiftung der Umwelt>. Den ökologischen und medizinischen Sachverhalt hat 1996 eine internationale Tagung von Wissenschaftlern und Ärzten im "Manifest von Erice" festgehalten. Die Palette der Stoffe, die schon in winzigsten Dosen das Gehirn schädigen, ist breit:

Zu den Verbindungen jedoch, bei denen Auswirkungen auf die innere Sekretion nachgewiesen worden sind, gehören Dioxine, PCBs, Phenole, Phthalate und viele Pestizide. Alle Verbindungen, welche die Tätigkeit von Neurotransmittern, Hormonen und Wachstumsfaktoren im sich entwickelnden Gehirn nachahmen oder ihr entgegenwirken oder die entsprechenden Werte verändern, gehören potentiell zu dieser Gruppe.  (Manifest von Erice)

Weitere Stoffe, bei denen neurotoxische Wirkungen nachgewiesen werden konnten, sind Blei und andere Schwermetallen, bzw. Schwermetall­verbindungen wie Methylquecksilber und Munition aus abgereicherten Uran. Auch radioaktive Strahlung in jeder Form und Elektrosmog stehen unter dem begründetem Verdacht das Nervensystem zu schädigen. Und diese Substanzen sind allgegenwärtig:

Solche vom Menschen hergestellte Chemikalien (die das endokrine System und damit die Entwicklung des Gehirns und anderer Teile des zentralen Nervensystems stören) finden sich auf allen Kontinenten und in allen Weltmeeren. Man findet sie bei einheimischen Populationen von der Arktis bis in die Tropen, und weil sie sich im Körper lange halten, können sie von Generation zu Generation weitergegeben werden.  (Manifest von Erice)

Mit anderen Worten: Schon 1996 gab es kein Lebewesen mehr auf der Erde, das nicht von Nervengiften verseucht war. Aber nicht nur die Verseuchung mit neurotoxischen Stoffen bedroht die Intelligenz. Ebenso wesentlich ist Mangelernährung. Nicht nur Spurenelementmangel aufgrund natürlicher Ursachen, wie z.B. Jodmangel, ist hier zu nennen, auch die moderne industrielle Landwirtschaft führt zu Mangelerscheinungen:

Probleme entstehen durch die sogenannte Grüne Revolution. Neue Getreidesorten haben zu einem Mangel an Eisen, Zink, anderen Mikro-Nährstoffen und zu einem Vitamin-A-Mangel geführt.  (Williams)

Andere Ursachen sind u.a. Bodenerosion durch exzessive Bewirtschaftung. Spurenelementemangel und Vergiftung bilden eine tödliche Mixtur. Bei Mangelernährung nimmt der Körper verstärkt Giftstoffe auf, da er das Fehlen der lebensnotwendigen Spurenelemente durch die Aufnahme ähnlicher, aber toxischer Substanzen auszugleichen sucht. Dass Verseuchung und Mangelernährung die geistigen Entwicklung bedrohen, ist seit Jahren bekannt, und dennoch geschah und geschieht umweltpolitisch wenig. Andere umwelt- und gesundheitspolitische Themen, wie das Ozonloch, der Klimawandel, die Bedrohung der Wale, die Krebsgefahr z.B. durch das Rauchen werden breit debattiert und mit großer medialer Resonanz ergreift die Politik Maßnahmen. Die Zerstörung des Gehirns durch Umweltverseuchung dagegen ist kein Thema.

 

Ist die Bedrohung der Intelligenz ein Tabu?

 

Eine Internetrecherche zu den Themen "PCB-Belastung an Schulen" sowie der im letzten Jahr breit debattierten Pisa-Studie bringt ein bemerkenswertes Resultat: Tausende von Schulen sind in Deutschland PCB-belastet.

PCB ist neurotoxisch. Dennoch findet sich auf den Webseiten der einschlägigen Organisationen, etwa der GEW, kein Text, der einen möglichen Zusammenhang zwischen dem schlechten Abschneiden deutscher Schüler bei der Pisa-Studie und der PCB-Belastung der Schulen diskutiert. Eine Ausnahme bildet die Homepage einer "Selbsthilfegruppe für Chemikaliengeschädigte", die vorsichtig einen möglichen Zusammenhang  andeutet [3]: "Die Frage sei erlaubt: Wie groß ist der Einfluß von Schadstoffen an Schulen in Deutschland auf das negative Ergebnis der Pisa-Studie?"

In der Öffentlichkeit verhallte diese Frage ebenso ungehört wie vor 5 Jahren das Manifest von Erice. Williams sucht in seinem Buch eine Antwort auf die Frage. Warum war und ist der geistige Verfall auf Grund von Umwelteinflüssen kein Thema der Umweltdebatte?

 

Das Versagen der Wissenschaften

 

Medizinische Erkenntnisse über die toxische Wirkung einer Vielzahl von Substanzen liegen bereits vor. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse über die demografische Dimension chemisch verursachter Gehirnschäden sind jedoch rar. Was wir wissen, wissen wir zumeist von einzelnen spektakulärer Industrieunfällen, bei denen die zuständigen Behörden an einer Untersuchung nicht vorbei kamen und auf der Grundlage von Tierstudien.

Bei Industrieunfällen kennt man in der Regel die Dosis der chemischen Verseuchung nicht und Tierstudien sind nur sehr bedingt auf den Menschen übertragbar.

Eine winzige Dosis Dioxin kann ein Meerschweinchen töten, während ein Hamster eine 5000 mal größere Dosis überleben wird.  -Williams

Auch methodisch lauern eine Reihe von Unwägbarkeiten.

Zur Extrapolation von Daten, die bei Tieren gewonnen worden sind, gehört es, daß man von einer gesunden, richtig ernährten und genetisch homogenen Tierpopulation auf eine menschliche Population Rückschlüsse zieht, zu der Gruppen gehören, die sich in Alter, Gesundheit und Ernährungszustand voneinander unterscheiden und die überdies allgemein heterogen sind. In ähnlicher Weise werden menschliche Daten, sofern sie zur Verfügung stehen, oft von einer arbeitenden Population gesunder Erwachsener abgeleitet, meist Männern.  Williams

Die Folge ist, dass das gesundheitliche Risiko potentieller Nervengifte systematisch unterschätzt wird. Industriell werden ca. 70.000 chemische Substanzen genutzt und nur für vergleichsweise wenige Substanzen, meist Medikamente, gibt es eine Risikoabschätzung und jedes Jahr kommen Tausende neuer Substanzen hinzu. Eine umfassende Risikoabschätzung ist jedoch teuer, zeitaufwendig und im Ergebnis auch noch fragwürdig.

Im Netz finden sich leicht weitere Informationen zum Thema: Die EU-Bürokratie etwa hat in einem "langsamen", "ressourcenintensiven" "ineffizienten" und "nur beschränkt wirksamem" Verfahren in 10 Jahren für 56 Substanzen eine Risikobewertung abgeschlossen ( <Stimmt die Chemie in Europa> [4] ).

Aber das sind noch nicht alle Schwierigkeiten, vor denen eine wissenschaftliche Untersuchung des umweltbedingten geistigen Verfalls steht.

Das Phänomen selbst entgleitet dem messenden Zugriff.

Ist eine nur gering ausgeprägte geistige Schwäche eines Kindes, etwa Konzentrationsmangel, das Resultat chemischer Vergiftung, schlechter schulischer Förderung, Stress im Elternhaus, Fehlernährung oder von allen genannten Faktoren? Gibt es noch weitere Ursachen? Wie stellt man überhaupt fest, das ein Kind unter seinen geistigen Möglichkeiten bleibt?

Wissenschaftliche Untersuchungen konzentrieren sich angesichts dieser Unwägbarkeiten auf offenkundigere Phänomene, wie dem Down-Syndrom. Beim Versuch aber etwa zwischen radioaktiver Verseuchung und einem gehäuften Auftreten des Down-Syndroms mit den Methoden der Epidemiologie Kausalzusammenhänge aufzuzeigen, geraten sie schnell in neue methodische Unwägbarkeiten: War die Radioaktivität die einzige mögliche Ursache? Gibt es im Umkreis einer radioaktiven Verseuchung eine im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen kaum erhöhte Zahl von Geburtsschäden, weil die schwangeren Frauen eine sorgfältigere Voruntersuchung vornehmen lassen und möglicherweise geschädigte Feten abtreiben?

Nach der Katastrophe von Tschernobyl entschieden sich viele Mütter für eine Abtreibung, womit sie die Geburtsschäden infolge von Strahlung statistisch reduzierten.  Williams

Es kann auch sein, dass die Spätfolgen einer radioaktiven Verseuchung sich erst nach Jahre zeigen, möglicherweise erst eine Generation später, der Versuch dann jedoch noch Kausalketten aufzuzeigen wird mit der Zahl der Jahre immer schwieriger.

Weitere Probleme entstehen aus der flächendeckenden Verseuchung der ganzen Erde.

Epidemiologische Studien benötigen nicht belastete Kontrollgruppen. Wenn aber bestimmte Toxine weltweit und relativ gleichmäßig Mensch und Umwelt vergiften, gibt es keine Kontrollgruppen mehr, und damit keine Möglichkeit die Auswirkungen dieser Verseuchung zu analysieren.

Es gibt nur wenige Orte in den reichen Industriestaaten, die den Östrogen-ähnlichen Chemikalien wie den Phthalaten nicht total ausgesetzt sind, so dass epidemiologische Forschungen, welche die Schädigung von Spermien mit diesen Wirkstoffen in Verbindung zu bringen suchen, immer schwieriger werden. Williams

Gibt es in den Industriestaaten noch genügend Kinder, die kein Phenylanalin (Süßstoff z.B. in Getränken) zu sich genommen haben, damit man die Wirkung dieser Chemikalie auf die geistige Entwicklung überhaupt noch epidemiologisch untersuchen kann?

Aber nicht nur die Menschen sind weltweit verseucht, auch Laboratorien können kontaminiert sein. In kontaminierten Laboren aber sind keine präzisen Messungen möglich. Ein Problem, dem, wenn überhaupt, nur mit sehr aufwendigen Schutz und Filteranlagen begegnet werden kann, was aber zuverlässige Messungen exponentiell verteuert. Folge ist, dass ärmere Staaten kaum noch aussagekräftige Routineuntersuchungen durchführen können. In diesen Ländern ist die Verseuchung aber am höchsten, u.a. auf Grund schlechterer Umweltstandards.

In einer Welt, die multipel und ubiquitär verseucht ist und die gleichzeitig unter Mangelernährung leidet, gelingt es kaum noch die auslösenden Ursachen des geistigen Verfalls eindeutig einzugrenzen.

Wie soll man in einem Ort, in dem 20 Prozent der Einwohner schon wegen Jodmangels geistig behindert sind, die Auswirkungen einer die Umwelt stark verschmutzenden Bleischmelze auf die geistigen Fähigkeiten einschätzen?  (Williams)

Ein wesentlicher Grund für diese Schwierigkeiten der Wissenschaften ist die Methodologie der analytischen Naturwissenschaften selbst. Die analytischen Naturwissenschaften wurden im 19ten und 20ten Jahrhundert entwickelt, um im großen Stil die Natur industriellen Zwecken nutzbar zu machen. Die Wirkung der Industrie auf Natur und Mensch war dagegen kein Gegenstand wissenschaftlichen Erkenntnisinteresses. Dieser Fokus des Forschungsinteresses formt die Wissenschaften bis heute, ungeachtet aller Umweltdebatten. Grundlegende Paradigmenwechsel stehen noch aus.

Naturwissenschaft ist Modellwissenschaft. Modelle benötigen aber abgeschlossene Bezugssysteme, mit einer überschaubaren Zahl an Faktoren. Im Labor lassen sich die Wirkungen bestimmter Substanzen auf neurologische Prozesse biochemisch überschaubar untersuchen und es gelingt neurotoxische Kausalketten aufzuzeigen. In einer multipel verseuchten Welt außerhalb des Labors lassen sich vergleichbare Kausalketten nicht nachweisen. Man fordert von der traditionellen Naturwissenschaft Unmögliches, wenn man ihr Aussagen über Vorgänge außerhalb einer analytisch definierten Laborsituation abverlangt. Bei einer unendlichen Anzahl möglicher Faktoren und Wechselwirkungen gibt es keine eindeutige Kausalität mehr.

Die Verursacher der Verseuchung der Welt nutzen die methodologischen und Resourcen-Probleme der Wissenschaften gerne für ihre Zwecke aus. Mit dem Hinweis "Es muß noch weiter geforscht werden, die Resultate sind nicht eindeutig" verhindern sie schadenminimierende aber für sie kostspielige Konsequenzen.

 

Das Versagen von Politik und Recht

Wenn man einem Kind mit einem Hammer auf den Kopf schlägt und so eine Behinderung der geistigen Fähigkeiten verursacht, gilt diese Tat als brutal, der Täter als gewalttätig, so dass dem Betroffenen der Rechtsweg offensteht, auf dem er Schadenersatzansprüche und Schmerzensgeld geltend machen kann. Wenn man einen Wagen mit verbleiten Benzin fährt und so bei unzähligen Kindern geistige Behinderung auslöst, gilt dies nicht als gewalttätig, und die Opfer haben keinerlei Möglichkeit, an Schadenersatzzahlungen oder Schmerzensgeld zu kommen.  (Williams)

Die Logik des Rechtes ist mit der Logik der Wissenschaften nicht kompatibel. Ein Richter benötigt eindeutige Schuldbeweise, ein Wissenschaftler kann aber nur relativ plausible Modelle und Wahrscheinlichkeiten liefern. In Schadensfall führt die unterschiedliche Logik von Wissenschaft und Recht dazu, dass das Urteil für die giftige Chemikalie und ihre Verbreiter in der Regel heißt: "Im Zweifel für den Angeklagten - Freispruch." Zusätzlich wird die Situation durch eine unsystematische, halbherzige und interessengeleitete Gesetzgebung weiter erschwert.

Das Bewusstsein für umweltbedingte Schädigungen der Menschen hat sich erst relativ spät entwickelt. Die Umweltgesetzgebung hatte in erster Linie den Umwelt- und Naturschutz zum Ziel, nicht den Schutz der Menschen in dieser Umwelt. Williams bietet hierzu umfangreiches Material aus der angelsächsischen Welt. Es finden sich aber auch in der Geschichte der deutschen Umweltpolitik prominente Beispiele: So wurde in Deutschland das Blei zum Schutze des Waldes aus dem Benzin verbannt, nicht um die Menschen vor einer Bleivergiftung zu bewahren.

Der Stop der allgemeinen Bleivergiftung der Bevölkerung war ein Nebeneffekt. Erst spät rückte die direkte Bedrohung des Menschen in das Zentrum der Aufmerksamkeit. Dementsprechend wurde versucht die allgemeinen Umweltgesetze, Haftungsrecht und Verbraucherschutz auf die Verseuchung des Menschen anzuwenden, bzw. den Geltungsbereich der Arbeitsschutzbestimmungen auszudehnen. Mit mäßigem Erfolg. Es gibt keine systematische Gesetzgebung, die die Vergiftung der Menschen umfassend erfassen würde. Erschwerend kommt hinzu, dass die Politik normalerweise hysterisch funktioniert. Das Resultat sind eine Reihe einzelfallbezogener Sondergesetze, die häufig mehr Schaden anrichten als Nutzen.

Aber auch allgemeine Gesetze bieten nur bedingt Schutz. Das geltende Chemikalienrecht unterscheidet zwischen "chemischen Altstoffen" und "neuen Stoffen". Strenge Zulassungsbestimmungen gibt es nur für "neue Substanzen". "Altstoffe" bleiben ungetestet im Gebrauch bis zum nächsten Skandal. Auch für "neue Substanzen" gelten zumeist politisch festgelegte sogenannte "sichere Grenzwerte", obwohl bei vielen Substanzen kein "Dosis-Wirkungszusammenhang" wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, d.h. jeder Kontakt mit solchen Substanzen stellt eine Bedrohung dar.

Selbst wenn ein "Dosis-Wirkungszusammenhang" wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, werden die Grenzwerte im besten Fall auf Grund von Untersuchungen festgelegt, die von einem theoretischen "Durchschnittsmenschen" ausgehen, d.h. die erhöhte Gefährdung von schwächeren und anfälligeren Menschen wird aus dem politischen Bewusstsein ausgeblendet.

 

Das Versagen der menschlichen Intelligenz

 

Williams fasst den Vorgang in folgende Formel: Die menschliche Intelligenz bedroht sich selbst, sie weiß darum und dennoch beharrt sie auf der Selbstzerstörung. Diese verstörende Beobachtung verleitet Williams zu weitreichenden Spekulationen.

Vielleicht ist es eine im gesamten Ökosystem einzigartige Eigenschaft der menschlichen Intelligenz, die den Siegeszug des Menschen auf der Erde ermöglichte, die ihm heute jedoch zur Bedrohung wird: die Beharrlichkeit. Das beharrliche Verfolgen von großen kulturellen Plänen, die ganze Gemeinwesen umfassen und über Generationen hinweg verfolgt werden, ist etwas dem Menschen spezifisches.

Die Geschichte lehrt uns, dass wir so beharrliche Jäger gewesen sind, dass wir manche Arten bis zur Ausrottung gejagt haben, so hartnäckige Sammler, dass nichts mehr zum Sammeln da ist, so hartnäckige Förster, dass die Wälder verschwinden, so hartnäckige Landkultivierer, dass der Erdboden nicht mehr zu bebauen ist. Hartnäckig sture und beharrliche Verhaltensweisen, wie etwa übermäßiger Pestizideinsatz, "Automobilsucht" und unnötiges Konsumdenken sind vielleicht mit einem "Kulturplan" vereinbar, sie scheinen mit dem ökologischen Gleichgewicht jedoch unvereinbar zu sein.  Williams

Williams kommt so zu einer erstaunlichen Schlusskette: Die menschliche Intelligenz zeichnet sich durch die einzigartige Fähigkeit zur Beharrlichkeit aus, diese Beharrlichkeit ist mit den Prinzipien eines ökologischen Gleichgewichtes unvereinbar und führt heute zu einer Zerstörung der menschlichen Intelligenz, damit aber auch zu einer Zerstörung der "Beharrlichkeit".

Diesen Sachverhalt kann man als einen Vorgang der Selbstzerstörung beschreiben: Ein ökologischer Fremdkörper zerstört sich selbst. Man könnte ihn aber auch aus der Perspektive des Ökosystems beschreiben: Das Ökosystem passt einen unökologischen Fremdkörper an. Eine Menschheit, die unter geistigen Verfall leidet, verliert ihre Hartnäckigkeit und damit ihre Fähigkeit zur Zerstörung der Natur.  

Könnte das Ökosystem sein Gleichgewicht dadurch aufrechterhalten, dass es sich durch GVU (geistiger Verfall aufgrund von Umwelteinflüssen) negativ auf die "Modernität" auswirkt? Wie stark die Anzeichen dafür auch sein mögen, diese Möglichkeit ist schwer zu akzeptieren - vor allem, weil sie die Existenz eines Bewusstseins im nicht-menschlichen Ökosystem impliziert. Anders ausgedrückt: Die Annahme, dass das Ökosystem schlauer sein könnte als wir, würde uns nicht gefallen. Es könnte aber klüger sein als wir, ohne sich dessen bewußt zu sein. Immerhin war das unbewusste Ökosystem schlau genug, unseren Geist zu erschaffen. Warum sollte es nicht auch klug genug sein, ihn zu kontrollieren oder zu zerstören?  Williams

Uns kommt diese Überlegung sehr angelsächsisch vor, offenbar ein Resultat des vom US-Kongress 1989 ausgerufenen "Jahrzehnt des Gehirns" und der Mode der Gehirnspekulationen in der Folge.

 

Wer ist betroffen?

 

Mittelbar jeder, unmittelbar die Einwohner der ärmeren Länder stärker als die der reichen Länder und hier die ärmeren Bevölkerungsschichten stärker als die Reicheren, jedoch demografisch betrachtet ist das ganze Gemeinwesen existentiell getroffen. Denn ein allgemeiner geistiger Verfall trifft die eher seltenen Exemplare intelligenter Mitmenschen stärker als die Vertreter durchschnittlicher Intelligenz. Ein Blick auf die übliche IQ-Glockenkurve offenbart das Problem.

GRAFIK: Normalverteilung

Die Grafik zeigt schwarz die übliche IQ-Kurve, grün eine zweite Kurve, um 5 Punkte im IQ-Wert nach unten verschoben. Rot gekennzeichnet sind die Intelligenzverluste der ersten Kurve gegenüber der um 5 Punkte verschobenen Kurve. Wie man leicht erkennen kann, sind die Verluste im oberen Intelligenzbereich signifikant höher als im durchschnittlichen Intelligenzbereich.

In einer Population von 100 Millionen würde man normalerweise davon ausgehen, dass 2,3 Millionen einen IQ über 130 haben. Ein Rückgang um 5 Punkte reduziert diese Zahl auf nur 990.000 Menschen.  Williams

Der gelbe Rand an der linken Seite der Kurve zeigt die entsprechende Zunahme der Debilität. Die Anzahl der Menschen mit einem IQ von 70 (Debilitätsgrenze) verdoppelt sich in etwa.

Angesichts dieser Kurve kommt man ins Grübeln. 5 IQ Punkte im Durchschnitt weniger bedeutet eine Halbierung der Anzahl der intelligenten Mitbürger und eine Verdoppelung der Zahl der Debilen. Für unsere Gesundheitssysteme wäre dies eine Katastrophe und für die ständig beschworene Wissensgesellschaft das Ende. Und dennoch gibt es keine breite Debatte über die Gefahren, die der Intelligenz von Umwelteinflüssen drohen. Offenkundig ist Intelligenz in der neoliberalen Risikogesellschaft kein bedeutsamer Wert mehr.

Denkt man an die Schrödersche Agenda 2010 und ihre Auswirkungen auf die bundesdeutschen Intellektuellen, verstärkt sich dieser Eindruck: Die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe spart lächerliche 2 Milliarden im Haushalt, trifft aber arbeitslose Wissenschaftler und Künstler ins Mark: Intellektuelle Berufe sind, wenn sie nicht verbeamtet sind, prekäre Berufe, häufiger Jobwechsel und auch länger andauernde Zeiten der Arbeitslosigkeit sind durchaus üblich. Der Absturz auf das Niveau der Sozialhilfe bedeutet für Intellektuelle den gesellschaftlichen Ruin: Von Sozialhilfe kann man sich weder einen Internetanschluss leisten noch Bücher oder Zeitschriften. Die Agenda 2010 ist ein sozialpolitischer Frontalangriff auf die deutsche Intelligenz, soweit sie nicht verbeamtet ist. Dieser Aspekt der Agenda 2010 wird ebensowenig diskutiert wie die Umwelteinflüsse, die das geistige Niveau der Gesellschaft bedrohen.

Ein erneuter Blick auf die IQ-Kurve gibt Hinweise auf möglichen Gründe für diese Tabus: Von einem Rückgang des IQ um 5 Punkte ist die durchschnittliche Intelligenz am wenigsten betroffen. Vermutlich wird die neoliberale Risikogesellschaft von einem geistigen Mittelmaß dominiert, dem die Bedrohung der Intelligenz gleichgültig ist, da sie sich selber nicht davon betroffen fühlt.  

 

Was folgt? Was bleibt?

Für Williams muss es die zentrale politische Aufgabe sein, dass wir die Gefahren des geistigen Verfalls in das Zentrum der Aufmerksamkeit stellen und die Sicherung geistiger Ressourcen politischen Vorrang vor allem Anderen erhält. Jedoch: Die Gifte sind in der Welt. Wenn Blei auch im Benzin verboten ist, wie viel Blei mag noch in den Kellern von Häusern lauern, die an vielbefahrenen Straßen stehen ... Der geistige Verfall dürfte daher kaum aufzuhalten sein. Wir müssen lernen mit ihm zu leben.

Ob es uns nun gefällt oder nicht, in der nahen Zukunft wird die Welt immer mehr Menschen aufweisen, die unter GVU (geistiger Verfall aufgrund von Umwelteinflüssen) in verschiedenen Schweregraden leiden. Die Herausforderung besteht nicht nur darin, dem mit einer angemessenen Daseinsvorsorge zu begegnen, obwohl schon das eine ungeheure Aufgabe ist; die Herausforderung besteht in der vollen sozialen Akzeptanz von Menschen, die an geistigem Verfall leiden.  Williams

Nicht nur die Demenz von an Alzheimer erkrankten Rentnern, deren Zahl ja in nächster Zeit rasant steigen soll, dürfte zum Problem, etwa für die Gesundheitskassen, werden, auch die wachsende Jugenddemenz unseres Nachwuchses wird die Fähigkeiten zur sozialen Akzeptanz auf eine harte Probe stellen.

Und dies nicht nur in den politischen Parteien.

Auch wenn wir der Überlegung skeptisch gegenüberstehen, dass die "ökologische Intelligenz" machiavellistisch die Politik verblödet, um die unökologische Gattung Mensch langfristig aus dem Ökosystem abzuräumen.

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