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2 Die Warnung des Führers
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Konnte Stalin, als Lenin noch lebte, auch nur daran denken, daß gerade er an die Spitze der Partei und des Staats gelangen würde? Konnte damals jemand auch nur ahnen, daß das unentwirrbare Zusammenspiel objektiver und subjektiver Umstände Stalin an die Macht bringen würde? Wohl kaum. Vielmehr hat Stalin, als Lenin noch gesund war, sich nur darum gesorgt, seine hohe Stellung nicht zu verlieren.
Solange Lenin gesund war, stellte sich die Frage nach möglichen Nachfolgern nicht. Als jedoch 1921 die ersten Anzeichen einer Erschöpfung und bald darauf einer Krankheit auftauchten, fing man unweigerlich an, sich zu fragen: Wer ist in Lenins Nähe?
»Die ersten Nachrichten über Lenins Krankheit«, so erinnerte sich Natalja Sedowa, Trotzkis Frau,
»wurden im Flüsterton weitergegeben. Es war, als habe nie jemand daran gedacht, daß Lenin erkranken könnte; vielen war bekannt, daß er aufmerksam über die Gesundheit der anderen wachte, er selbst aber, schien es, war gegen Krankheiten gefeit. Fast bei allen Revolutionären der älteren Generation ließ das Herz unter der zu großen Belastung nach. <Die Motoren gehen bei allen unregelmäßig>, klagten die Ärzte. <Es gibt nur zwei Herzen, die in Ordnung sind>, sagte Professor Getje zu Lew Dawidowitsch, <bei Wladimir Iljitsch und bei Ihnen.>«
Nach heutigen Maßstäben war Lenin noch jung. Jedoch hat er, seitdem er im April 1917 nach Rußland zurückgekehrt war, sich keine Ruhepause gegönnt. Sein Arbeitstag war vierzehn bis sechzehn Stunden lang. Als er bereits erkrankt war, habe er, berichten seine Sekretäre, einmal gesagt, daß er nur zweimal »ausgeruht« habe während der ganzen Jahre.
Das erstemal, als er sich vor den Spürhunden der Provisorischen Regierung versteckte (wir jedoch wissen, daß er in