Andreas Zerbst
Mein Ehrendienst
(d-2005:) Andreas Zerbst hat mir den Nachdruck genehmigt. Das hat er sehr gut gemacht; mit großer Genauigkeit im Detail. Der Autor war ab 1.11.78 an der Uffz-Schule Zingst
Dies ist eine lose Folge über meinen Dienst bei der NVA der DDR. Ursprünglich als News-Beiträge geschrieben, habe ich nachträglich keine Änderungen, auch nicht orthografischer Art, vorgenommen. Auf Wunsch habe ich diese Beiträge zusätzlich im WWW öffentlich gemacht. Ich erhebe keinen Anspruch auf irgendwelche literarischen Qualitäten.
© Andreas Zerbst, zerbst @ informatik.uni-leipzig.de # Last Update: 2001-08-17 (bis Teil 14)
Mein Ehrendienst (1)
Normalerweise fängt der Ehrendienst ja mit dem Einberufungstag an, aber Armeeluft schnuppern darf man schon vorher, wenigstens bei der Musterung. Da trafen sich mehrere junge Männer des Vor- oder Nachmittags in einer Baracke am Rande der Stadt, um sich einer gründlichen medizinischen Untersuchung zu stellen, die mich und meinen Freund zu Ehrendiensttauglichen jungen Männern erklärte, wo wir noch kurze Zeit vorher im GST-Ausbildungslager nur Innendienstfähig erklärt wurden waren, ich wegen meinem Rundrücken und mein Freund hatte sowieso seit Anbeginn eine Sportbefreiung, orthopädische Schuhe und was weiss ich nicht noch.
Das GST-Ausbildungslager, was in Tambach-Dietharz ausnahmsweise im Winter stattfand, nur die Baracken waren für den Sommer ausgelegt, wenn man von dem einen Ofen pro Baracke absieht, dessen Glut allabendlich wegen Brandschutz allabendlich zu löschen war, gehörte zum Pensum des Lehrplanes der EOS – die Mädchen durften dafür mit ihrem Strickzeug ins ZV-Lager. Im GST-Lager war GST-Uniform-Pflicht, leider hatten wir alle nur die übliche GST-Sommer-Uniform ... Gruppenführer waren die Offiziersanwärter unserer Klasse, damit die schon mal für ihren Beruf üben konnten.
Jedenfalls erklärte mich die Musterungskommission für vollwertig, wie das bei den meisten zu erwarten war.
Natürlich hatte man sich schon mal ein wenig unter Verwandten und Bekannten umgehört, wie das so bei der Armee ablaufen soll. Zwei Dinge sind mir dabei besonders im Gedächtnis geblieben, die meine Wehrdienstentscheidung erheblich beeinflusst haben: Erstens, dass man als neuer Grundwehrdienstleistender sich für die dienstälteren Soldaten zum Obst macht und zweitens, dass die armen Grundwehrdienstsoldaten immer alles machen mussten, was die Unteroffiziere ihnen befahlen. Mit diesem fundamentalen Wissen ausgerüstet, viel es mir nicht schwer, meine Entscheidung über meinen möglichen Wehrdienst zu treffen, denn den Schikanen der dienstälteren (oder stärkeren ) Soldaten und der Unteroffizieren wollte ich mich keine 1 1/2 Jahre aussetzen, dann lieber doppelt so lange Befehle geben – das kann doch nicht so schwer sein, die richtigen Befehle zu geben, schikanieren wollte ich doch sowieso niemanden.
So beschloss ich, 3 Jahre Unteroffizier auf Zeit zu werden, zumal ich mich dann auch nicht irgendwelchen politischen Diskussionen wegen Längerdienens aussetzen musste, einen guten Eindruck für den Studienplatz machte es auch und zudem gab's 100,-M mehr Stipendium pro Monat, d.h. 50 % mehr als das Grundstipendium. Also eine gute Wahl, dachte ich (wenn ich schon nicht ausgemustert werde).
Mein Ehrendienst (2)
Wie im Märchen waren es vor dem Wehrdienst der Dinge drei: Erst die Musterung, dann die Einberufungsüberprüfung (da wurden die Unterlagen noch einmal überprüft) und dann wartete man auf die Benachrichtigung von der Post, dass man ein sehr persönliches Schreiben eigenhändig abzuholen hat - dann weiss man, dass es wirklich wahr ist.
So durfte auch ich eines Tages zum Postamt gehen um meine Einberufungskarte abzuholen, auf der stand, wo ich mich wann und mit welchen Utensilien zu melden hatte. Also zog ich los, um in den einschlägigen Geschäften das benötigte einzukaufen. Wenn in dieser Zeit ein langhaariger junger Mann zweimal Nähzeug im Kurzwarenladen verlangt, dann ist im die Anteilnahme aller älteren Verkäuferinnen gewiss.
Fast alles lies sich leicht besorgen, nur für die obligatorische schwarze Reisetasche sah es nicht so gut aus. Die konnte ich erst nach langem Suchen in einem Reisebedarfsladen im Hauptbahnhof erstehen, und damit war meine Ausrüstung komplett, die u.a. folgendes enthielt:
2 x Nähzeug
2 x Schuhputzzeug (Schwarz)
2 x Essbesteck mit Tasche und Wischtuch
2 x Waschzeug
2 x Zahnputzzeug
2 x Rasierzeug
1 x grosse schwarze ReisetascheAls letztes stand auf dem Plan: Friseur. Fahrplanauskunft und Fahrkarte nicht vergessen.
Das unvermeidbare, der endgültige Abschied vom sorglosen Jugendleben: Haare ab! Jetzt erst war man auch äußerlich als Aussätziger zu erkennen. Dann wird die Tasche gepackt, allen Lieben Lebewohl gesagt. Auf gehts ins Ungewisse.
So stand ich dann einsam auf dem Hauptbahnhof auf dem Bahnsteig, mit meinen kurzen Haaren und meiner schwarzen Tasche, wie einer, der nicht mehr zu dieser Welt gehört, der sich auf eine Reise begibt, um sich unbekannten Mächten auf Gedeih und Verderben auszuliefern. Es war wohl der 31.Oktober gegen 20:00 Uhr, als ich mich in den abfahrtsbereiten Zug begab, Ziel: Zingst.
Mein Ehrendienst (3)
Nachtrag zu (2): Nachfragen bei Fachleuten (Reichsbahner) bestätigt meine Erinnerung, dass man auf seinen Einberufungsbefehl eine kostenlose Fahrkarte der Reichsbahn erhielt. Desweiteren war mir der Termin entfallen, zu dem man noch einmal auf's Wehrkreiskommando musste, um seinen Personalausweis abzugeben.
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Letzte Station war Hauptbahnhof Leipzig, Abfahrt des Zuges nach Stralsund.
Damit das Schicksal mich gleich richtig aufklärt, erwischte ich offensichtlich den einzigen ungeheizten Wagon des Zuges. An der Frisur und den schwarzen Reisetaschen waren auch andere Einberufene zu erkennen, manch einen erkannte ich auch von der Musterung wieder. Es war ein ganz normaler Reisezug, in dem jeder versuchte eine Mütze Schlaf zu bekommen, so gut es ging. Ich weiss nur, dass es ziemlich kalt wurde. Irgendwann am frühen Morgen kamen wir in Stralsund an. Spätestens beim Aussteigen fanden sich alle zukünftigen Leidensgenossen zusammen, um den Anschluss nach Velgast (Richtung Stralsund-Rostock) zu bekommen. Von da ab ging es weiter nach Barth und von dort aus mit dem Bus nach Zingst – der Busfahrer wollte unsere Einberufungsbefehle gar nicht sehen.
Offensichtlich war die Verbindung aus dem Süden der DDR die schlechteste, denn unsere Gruppe via Leipzig-Stralsund-Velgast war die erste, die in Zingst eintraf, weshalb es uns auch gelang, die Ortskneipe in Beschlag zu nehmen. Dort wurde dann noch einmal so richtig gegessen - einige mögen auch noch einmal so richtig getrunken haben. Niemanden zog es vor der Zeit in die Kaserne, wir hatten bis 14:00 Uhr (glaub ich) Zeit. Aber irgendwann ist jede Zeit um und so machten wir uns auf. Ich war ganz froh, mich in einer Gruppe Gleichbetroffener zu befinden. Einer hatte seine Gitarre mit und so zogen wir singend gen Ortsrand, denn den Weg zur Kaserne hatten uns freundliche Eingeborene gezeigt, an der Kaufhalle vorbei, in der einige noch schnell Spirituosen einkauften, um diese auf dem Rest der Strecke zu leeren. Das Lied, das wir mit Inbrunst sangen, während wir durch den Ort zogen, wurde zur Melodie von CCRs 'Bad Moon Rising' gesungen:
Abschied von S*x und ge*len Weibern,
Abschied von Hasch und LSD,
Abschied von ???,
Abschied, wir müssen zur Armee.Vielleicht sollte das etwas Mut machen. Denn als das Kasernentor hinter uns zufiel, war wohl keinem mehr zum Lachen oder Singen. Dieses Schliessen des Tores hatte etwas Endgültiges. Zingst, Unteroffiziersschule der NVA im Fla-Raketen-Ausbildungszentrum 40, November 1978.
Mein Ehrendienst (4)
Das Kasernentor war zu und wir waren drin. Irgendwie scheint das alles dort gut geplant worden zu sein. Man teilte uns in passende Gruppengröße und ein Unteroffizier begleitete uns zu den notwendigen Formalitäten, glaube ich. Wann und wo wir unsere Reisetaschen abstellten, weiss ich nicht mehr.
Wenn ich mich nicht irre, bekamen wir als erstes die grosse Zeltplane und dahinein all die anderen Bekleidungs- und Ausrüstungsstücke. Der Trainingsanzug war dann im weiteren unsere Dienstkleidung. Irgendwann gings auch zur medizinischen Untersuchung in den Med-Punkt.
Auch ließen sie es sich nicht nehmen, uns allen noch einmal die Haare schneiden zu lassen, offensichtlich waren die bei allen zu lang, egal wie kurz sie waren. Zum Fotografen mussten auch gleich alle, damit unser Wehrpass mit einem Soldatenfoto versehen werden kann. Vorher wurde natürlich erklärt, wie die Uniform anzulegen ist. Zu meiner Zeit gab es noch keine Hemden, sondern
nur in den Jackenkragen einzuknöpfende Kragenbinden (die bei einer Kontrolle stets blütenweiss zu sein hatten). Ausgerüstet war man mit dem minimalsten, so dass sogar die Schulterstücke von der Dienstjacke auf den Mantel umgeknöpft werden mussten. Kragenbinden gab es nur 5 Stück (wenn ich mich nicht irre, sonst wären es weniger).Leider wurde ich von meiner Zugbekanntschaft getrennt und landete mit mir völlig Unbekannten auf einer kleinen Soldatenstube in einer Baracke. Die Zimmer fassten wohl so 6-8 Mann.
Für den Spind, das einzige Möbel zum Aufbewahren aller Dinge, gab es bekanntlich eine fest vorgegebene Schrankordnung, einschliesslich der vorgeschriebenen Breite der Wäschestapel und der Reihenfolge der Wäschestücke im Stapel. Viel war es ja eh nicht. Alle Zivilkleidung war verboten, eigene Unterbekleidung nur soweit erlaubt, wie sie den militärischen Vorschriften entsprach, zus. Ausgangsschuhe. Daher durfte man auch eigene schwarzgraue Socken und lange weisse Unterwäsche besitzen.
Die einzige Stelle, an der man persönliche Bilder anbringen durfte, war an der Innenseite des sog. Wertfaches, welches ein separates Vorhängeschloss besass.
Ein Fach war für die Unterwäsche und die Kragenbinden,
ein Wertfach,
ein Fach für Speisen und Getränke (Getränke waren auf drei volle Flaschen beschränkt),
ein Fach für die Sportsachen,
das unterste Fach, mit Ablage für Schuhputzzeug,
für die Stiefel und Schuhe (jeder besass zwei paar Stiefel),
und ein Fach gab's glaub ich noch für die Waschsachen, Rasierzeug etc.Die grössere Hälfte des Spindes nahm der Teil für Kleiderbügelsachen ein, über dem sich ein Fach für die Kopfbedeckungen befand. Seine Reisetasche, die zukünftig mit leeren Flaschen gefüllt wurde, konnte man auf den Boden dieses Faches stellen. An der Tür dieses Spintteiles befanden sich innen zwei Haken für die zwei Handtücher.
Auf dem Spint befand sich die Schutzausrüstung (Schutzanzug und Schutzmaske), das sog. Teil 1 und Teil 2 (die Ausrüstung für den Feldeinsatz, all die schönen Sachen, die man doppelt gekauft hatte, befanden sich u.a. einmal darin), und die knitterfreie Mütze, genannt Stahlhelm.
Die Dienst- und Felddienstuniform bekamen wir einmal neu und einmal gebraucht. An den gebrauchten musste meist erst noch einiges repariert werden, im Normalfall waren wenigstens Knöpfe anzunähen.
Für die Ablage der Kleidung, bevor man zu Bett ging, gab es einen Hocker, mit einer Fläche von etwa 30x30 cm, auf dem man seine Kleidung in vorschriftsmäßiger Ordnung abzulegen hatte, Stiefel darunter, natürlich geputzt. In der wenigen Freizeit auf dem Zimmer diente dieser Hocker als einzige Sitzgelegenheit. Dazu gab es genau einen Tisch im Zimmer.
Die Doppelstockbetten waren aus jeweils zwei Betten zusammengesetzt, die
hier aus Stahlwinkelprofilen bestanden (anderortens gab es diese auch
aus Stahlrohr), in einer Farbe gestrichen, für die ich keinen Namen
finde, etwas in Richtung Blaugrau. Auf dem Spiralfederboden befand sich
eine Schaumgummimatratze (es soll auch noch mehrteilige Matratzen
- Rosshaar? - gegeben haben) mit Keilkissen. Das Kissen selber war
irgendwas flockig gefülltes, mit einem Bezug aus blau-weissem
Karo-Muster, das auch für den Bettbezug galt, in dem sich eine sog.
Schwarzdecke befand, die leider ein grösseres Format hatte. als der
Bezug. Dazu gab es noch eine zusätzliche Schwarzdecke. Auch wenn ich
mich wiederhole, für den Bettenbau gab es natürlich auch Vorschriften.
Im Zimmer gab es dann noch einen Besenschrank, mit entsprechenden Utensilien.
Der letzte Akt der Verabschiedung des zivilen Lebens war das Abschicken
der Zivilsachen nach Hause, was jeder tun musste.
Einer meiner Zugbegleiter war noch so keck gewesen, einen der Unteroffiziere
zu dutzen und ihn zu fragen, wer er denn sei. Damit war geklärt, um wen
sich dieser Unteroffizier demnächst etwas mehr kümmern würde.
Mein Ehrendienst (5)
Nun waren wir mit unserer militärischen Ausrüstung versorgt, die Zivilsachen als letzter Gruss auf dem Wege nach Hause, und wir konnten uns mit dem militärischen Gepflogenheiten vertraut machen. Im Normalfall hatten wir nur mit Unteroffizieren zu tun, von denen es seltsamerweise zwei Sorten gab: Die einen wohnten am Ende unserer Baracke, und die anderen kamen früh zum Dienst und gingen Nachmittags wieder und hatten irgendwie bessere Uniformen an.
Das waren diejenigen, die uns etwas zu sagen hatten, fast Halbgötter, und der Batteriechef, ein Oberleutnant, war ein Gott, den man nur ansprechen durfte, wenn man vorher über seinen Gruppenführer eine Gesprächserlaubnis dafür eingeholt hatte - das galt natürlich nicht, wenn dienstliche Obliegenheiten ein Ansprechen des Batteriechefs erforderlich machten.
Die Baracke verliesen wir in unserer knappen Freizeit nur sehr ungern,
da das ständige militärische Grüssen im Objekt äusserst anstrengend
war, eigentlich war das nicht-übersehen-dürfen-von-Vorgesetzten das
anstrengende. Daher hat sich auch niemals jemand danach gedrängelt,
im objekteigenen Laden einzukaufen, trotzdem war jeder mal dran.
Einkaufen gehen durfte pro Zimmer nur einer zu einer bestimmten Zeit,
wenn in dieser Zeit nicht gerade etwas wichtigeres anstand. Meist
musste man dann mit zwei Taschen losziehen, weil eine nicht reichte.
Daher beherrschten wir das militärische Grüssen ohne, mit einer oder
mit zwei Taschen in der Hand ausgezeichnet.
Das erste mal Einkaufen in der Industriewaren-Verkaufstelle wurden wir
geschlossen in Kompaniestärke hingeführt. Die wichtigsten Artikel,
die dort sofort eingekauft werden mussten, waren Kragenbinden und
kleine Schlüsselringe. Erstere brauchte man, um seine armselige
Ausstattung aufzubessern, damit das Waschen der Kragenbinden von täglich
auf wöchentlich reduziert werden konnte. Allerding gab es pro Person
nur eine kleine Anzahl Kragenbinden zu kaufen (3 Stück, wenn ich mich nicht
irre). Der Schlüsselringe benötigte man 36 Stück ...
... für jeden Monat einen, zudem waren sie sehr zweckmäsig zum Anbringen
von losen Knöpfen an den Uniformen.
Sehr viel Zeit nahm abends das Reinigen der Kragenbinden und das
Putzen der Stiefel in Anspruch. Genaugenommen kann ich mich an keine
Freizeit erinnern. 24-Stunden-Dienste, Diensthabende Einheit oder
'freiwillige' Sportübungen frassen einen gehörigen Teil dieser
auch laut Dienstplan existierenden Zeit auf.
Der Tag begann 6:00 Uhr mit Aufstehen, 6:03 Raustreten zum Frühsport,
6:05 - 6:25 Frühsport, dann Morgentoilette, Frühstück, Revierreinigen,
Ausbildung bis Mittag, Mittagessen, Ausbildung bis zur sog. Dienstausgabe
(Da gab es die begehrte Post), Zeitungsschau, Abendessen, Revierreinigen,
Abendtoilette, 22:00 Nachtruhe - so sah im allgemeinen der Tagesablauf
aus. Samstags war Mittags Dienstschluss, Sonntags war rein theoretisch
dienstfrei (s.o. zu Freizeit).
Die Zeit für das Essen, einschliesslich An- und Abmarsch war arg kurz
bemessen. Zu Anfang gelang es mir nie, mit dem Essen fertig zu werden,
denn das Essen musste auf Befehl beendet werden. Dann bürgerte sich
schnell ein, zum Frühstück die Zeit mit der Herstellung von belegten
Brötchen auszufüllen, welche man dann in den knappen Pausen oder einem
unbeobachteten Augenblick verzehren konnte oder wenigsten einmal abbeissen
konnte. Zum Mittag war die Strategie, das beste zu erst zu essen, weil man
ja selten mit allem in der kurzen Zeit fertig wurde. Zum Abendbrot wurden
dann wieder viele belegte Brote gemacht. Getränke konnte man allerdings
nicht mitnehmen, weil man die nicht in die Taschen stecken konnte.
Für die Getränke musste man eine eigene Tasse mit sich führen, dies
war für alle einheitlich eine 1/4-Liter Plastetasse.Nachdem die Art und Weise des Einkaufs geklärt war, bestand unsere Eigenversorgung per MHO (Militär-Handels-Organisation) darin, uns mit Schokolade und Cola einzudecken.
Mein Ehrendienst (6)
Wie lange braucht's für Heimweh? Zwangsläufig ergeben sich in den Gruppen und Unterkunftsstuben 'Hackordnungen' - nicht sehr dramatisch, aber dennoch versucht man, nicht der letzte zu sein, den bekanntlich die Hunde beissen. Grundsätzlich gab es zwei Fronten: die körperliche und die geistige, eines konnte das andere mehr oder weniger kompensieren oder ergänzen. In der Kompanie gab es nur zwei, die das 50kg-Gewicht nicht stossen konnten - einer davon war ich, dafür hatte ich Abitur.
Zur Grundausbildung waren die Gruppen auf den Stuben scheinbar willkürlich zusammengesetzt, so dass das Bildungsniveau sehr heterogen war, was gelegentlich auch zu Reibereien führen konnte. Ich glaube, die meisten und oszönsten Witze meines Lebens hörte ich auf der U-Schule. Vielleicht um zu imponieren oder aus Langeweile wurden so viele erzählt. Gegen Zwangsunterbringung bei der NVA ist die Big-Brother-Sendung nur ein müder Witz.
Viele von uns zeigten gern ein Bild ihrer Freundin vor, und wer keine
hatte wurde schon ein wenig belächelt. Irgendwie schien ein derartiges
Foto ein Ausweis für Überlegenheit und Reife zu sein, oder auch nur
der Garant für Post von einem weiblichen Wesen - für einen selber war es
eher ein Trost und eine Hoffnung, die bei manchem in 6 Monaten zerbrach.Tagebuch zu führen ist bei der NVA streng verboten. Ich hatte ein Buch dabei, in das ich Lyrik etc. eintrug. Daher weiss ich auch, wie wenig Zeit es in einer Ausbildungskompanie (oder Batterie) einer U-Schule dauert, bis man an Heimweh und Sehnsucht leidet.
Irgendjemand hatte ein Gedicht dabei, das den meisten von uns aus dem Herzen sprach, so dass ich es bis heute nicht vergessen habe und dank glücklicher Umstände überlebte mein Lyrik-Buch alle Umzüge und Entsorgungen der Vergangenheit, so dass ich euch nicht vorenthalten möchte, was uns damals tief bewegte und was ich unter dem Datum 11.11.78 in mein Buch notierte:
Mascha Kaliko
Wenn einer fortgeht ...
---------------------------------------------Wenn einer fortgeht, gibt man sich die Hände,
Am Bahnhof lächelt man, so gut es geht.
Wie oft sind unsrer Sehnsucht Ausenstände
Mit einem D-Zug schon davongeweht ...Wenn einer fortfährt, steht man zwischen Zügen,
Und darin sitzt der, um den sich alles dreht.
Man könnte dieses 'alles' anders fügen
Durch einen Blick, ein Wort vieleicht - zu spät.Wenn einer fortfährt, geht das Hert auf Reisen
und treibt sich irgendwo allein herum.
Es ist schon manchmal schwer, nicht zu entgleisen.
Die klügste Art, zu reden, bleibt doch: stumm.Wenn einer fortging, kann man nicht vergessen,
Und jeder Tag ist ein Erinnerungsblatt.
Wenn einer fortgeht, braucht man nicht zu essen,
man wird so leicht von Tränen schlucken satt.Wenn einer fort ist, gibt es Ansichtskarten
und ab und zu mal einen dicken Brief.
Ein schweres Verbum ist das Wörtchen 'warten'
und 'lebe wohl !' ein Schluss-Imperativ ...-------------------------------------------------
Uns wurde gleich zu Beginn bekannt gegeben, dass es für uns nur zwei VKU (verlängerter Kurzurlaub: Sa-So-Mo) Urlaub geben wird, aber nicht zu Weihnachten und nicht zu Silvester – da fahren die regulären Einheiten in den VKU.
Den meisten 10-Endern (Verpflichtung zum BU (Berufsunteroffizier)) dämmerte es recht schnell, dass es vielleicht nicht der Traumjob werden würde, und das man ihre jugendliche Unerfahrenheit ausgenutzt hat, um ihnen eine Verpflichtung abzugaunern.
Die ersten 'Aufstände' gegen 10-Jahre Ehrendienst erfolgten kurz vor der Vereidigung, die einige wenige verweigern wollten, wenn sie nicht entpflichtet werden. Es gab von einem sogar Drohungen, beim Wachdienst auf die Tankstelle zu schiessen. Ich glaube, nur der letztere erlangte bei seiner heiklen Gratwanderung eine Entpflichtung.
Mein Ehrendienst (7)
Hatte man im Kasernengelände irgendeinen Vorgesetzten übersehen, und daher nicht gegrüsst, dann musste man üblicherweise noch einmal soweit zurückgehen, wie die Dienstvorschrift anweist, ab welcher Entfernung der militärische Gruss zu beginnen ist. Dann musste man noch einmal am Vorgesetzten vorbei gehen und vorschriftsmässig grüssen - diese setzten aber wären dieser Wiederholung ihren Weg i.a. ungerührt fort, was das ganze erheblich erschwerte, wenn nicht gar zur Schikane machte, oft hatte man auch eine schwere Einkaufstasche dabei.
Irgendwann musste jeder seine Winkel an die Uniformjacken nähen, so dass jetzt ganz klar war, wer 3 und wer 10 Jahre zu dienen gedachte. 3-ender hatten einen Winkel am Jackenärmel, 10-ender zwei davon. Desweiteren waren nach der Ernennung zum Unteroffiziersschüler die Schulterstücke mit dem entsprechenden Farbband zu versehen.
Mit dem Anbringen und Tragen der Ausrüstung wurde man schnell vertraut, spätestens nach der ersten grossen Geländeausbildung, bei der die Bewegungsarten im Gelände gelehrt wurden, vorrangig das Kriechen und in-kurzen-Sprüngen-vorwärts immer abwechselnd.
Dabei verlor der Grossteil der Rekruten Teile seiner Ausrüstung, wenn sie nicht vorschriftsmässig oder nicht sorgfältig genug angelegt war. Das Ende dieser Ausbildung bildete das Einsammeln von Ausrüstungsgegenständen.
Blieb jemand bei der Ausbildung liegen, so kontrollierte der Unteroffizier den Puls, um Simmulanten zu erkennen.
Am körperlich erholsamsten waren damit alle theoretischen Unterrichtsfächer, wie etwa GWA (Gesellschaftswissenschaftliche Ausbildung) und Dienstvorschriften.
Nach der Grundausbildung erfolgte ein Eignungstest für die
verschiedenen Ausbildungsprofile der Fla-Raketen-Bedienungen.
Die mit der höchsten Punktzahl sollten Funkorter werden,
die anderen wurden zu technischem Personal ausgebildet
(Transport, Betankung etc.). Daraus ergab sich eine neü
Stubenaufteilung, damit gleich oder ähnlich auszubildende
in einer Gruppe waren. Unsere Gruppe bestand aus 5 Funkortern
für eine bestimmte Radarstation und 2 oder 3 anderen,
für irgendwelche andere Technik bzw. Ausbildungsprofile.
Damit waren die Abiturienten in unserer Gruppe in der Überzahl
und bestimmten das Klima und die Hackordnung. Meinen südlichen
Dialekt musste ich ganz schnell in Richtung Hochsprache verbessern,
damit mich die Nordlichter in der Gruppe (alles ab Berlin aufwärts)
verstehen konnten, denn die bildeten ebenfalls eine Mehrheit.Die erste Ausbildungsstunde an der 'modernen' Kampftechnik (Erstproduktion Anfang 60er Jahre) war beeindruckend. Alle diese vielen Schalter, Instrumente und Lämpchen sollten wir beherrschen, dieses Monster von einer Radarstation, fast 40t Gewicht, ca. 10 m lang und über 3 m hoch (unaufgebaut) und über 3m breit und ungefär 2 MW Sendeleistung, angetrieben von einem Panzermotor und für die Stromversorgung 2 eingebaute Gasturbinen mit Generator, Tankinhalt über 1000 l Diesel.
Und die anderen Maschinen sahen nicht weniger phantastisch und mächtig aus – die durften wir uns aber nicht näher ansehen, alles streng geheimes Zeug. Außer unseren eigenen Radar-Monster war alle andere Technik für uns tabu – und für die anderen umgekehrt. Nach dem Unterricht mussten sämtliche Aufzeichnungen abgegeben werden und wurden erst wieder beim nächsten Unterricht oder Selbststudium ausgeteilt. Das war sie also, die glorreiche, überlegene, dem Gegner das Fürchten lehrende sowjetische Kampftechnik.
Mein Ehrendienst (8)
Auf Sauberkeit und Ordnung wurde ausserordentlich grosser Wert gelegt, und daher nach dem Revierreinigen und beim Stubendurchgang alles auf das gründlichste kontroliert. Nirgends durfte Staub liegen, weder auf den Spinten, noch zwischen den Heizungsrippen. Manchmal hatte der kontrolierende Unteroffizier dafür extra einen weissen Handschuh dabei.
Für das Polieren des Barackenflurs gab es eine Spezialbohnerkeule, der Stiel war ein geschweisster T-Griff, das Bürstenteil bestand
aus 4 zusammengesetzten Einzelbohnerbürsten, beschwert mit
Panzerkettengliedern. Das Gerät wurde sinnvollerweise von
mindestens zwei Rekruten bedient. Das benutzen von Bohnerwachs wurde
ab dem Tag verboten, als beim Antreten auf dem Flur in 'Normzeit'
beim Rennen einer der grössten Rekruten ausrutschte und rücklings
auf den Boden stürzte - glücklicherweise ohne sich zu verletzen.
Panzerkettenglieder waren überhaupt ein verbreitetes Utensil,
denn sie dienten gleichzeitig als Gewichte beim Frühsport und
beim Sportunterricht. Vor allem beim Frühsport waren diese immer
besonders kalt und nass, später sogar am Boden festgefroren,
unhandlich waren sie sowieso.Einer unserer Mitgenossen, der offensichtlich vor seiner Einberufung verstärkt Sport getrieben hatte und dies auch später zu studieren gedachte, versuchte wahrscheinlich, von seiner 3-Jahres-Verpflichtung loszukommen und beschwerte sich bei der PKK (Partei-Kontroll-Kommission) darüber, dass er nicht ausreichend Sportübungen durchführen kann und dadurch seine Kondition verringert wird und damit sein Studium gefährdet ist. Daraufhin durfte er sämtliche Sportausbildung allein in eigener Regie durchführen. Die Adresse der PKK schwirrte als Geheimtipp unter uns Unteroffiziersschülern herum, falls jemand einen guten Grund gefunden hätte, sich über irgendwelche Zustände zu beklagen - natürlich in politisch korrekter Form. Mir fällt niemand weiter ein, der tatsächlich dorthin geschrieben hat.
Bei der ganzen Tristess der harten Ausbildung bildete man als
Gegengewicht - und wahrscheinlich auch durch das Erscheinungsbild
der Unteroffiziere, ein gewisses Elitedenken heraus, man war etwas
besseres, hatte einen höheren Dienstgrad (auf dem Papier) und
wurde am Ende der Ausbildung ein Unteroffizier sein, dem alle aufs
Wort gehorchen, den alle Soldaten grüssen und der Manschaften
an- und wegtreten lassen kann. Zudem würde man ein anerkannter
Spezialist für moderne Militärtechnik sein. Man würde dann in
die Kreise aufsteigen, die einen jetzt so streng reglementieren
und herumkommandieren. Das wäre der Lohn der ganzen Strapaze.
Unteroffizier werden und vielleicht sogar mal Unterfeldwebel.Die Wahrheit kannte keiner von uns, auch wenn sie schon an der
Unteroffiziersschule ihre Finger nach uns ausstreckte. So waren
an einer Ehrentafel alle Soldaten gemäss ihrem Dienstgrad
einsortiert - nur die Unteroffiziersschüler nicht, was uns doch
etwas störte. Desgleichen waren die Erfahrungen, die einige
im Ausgang machten, nicht dazu angetan, ebenfalls Ausgang haben
zu wollen - die Ausgänger spürten einfach, dass sie da drausen
im Standort nicht gern gesehen waren, schliesslich war Zingst
ja auch nur ein grösserse Dorf - und der einzige Ausgangsort.
Ich selbst habe nie Ausgang genommen, obwohl ich gedurft hätte.Noch etwas lernten wir an der Unteroffiziersschule sehr schnell,
ohne dass es unterrichtet wurde: Schlafen in allen Lebenslagen.
Nicht, um zu Faulenzen, sondern weil der Armeebetrieb uns U-Schüler
extrem forderte und daher jeder für jede zusätzliche Minute froh
war, die er Ausruhen oder sogar schlafen konnte.
Mein Ehrendienst (9)
Zu den unbeliebtesten Bekleidungsstücken gehörte die Schutzausrüstung für den Schutz gegen Giftgas, giftige Chemikalien, atomarer Fallout, Bakterien etc.
Für das Anlegen der Schutzausrüstung gab es vorgeschriebene Zeiten,
daher wurde das ganze geübt, bis die meisten die Bestzeit erreichten.
Dabei wurde auch kontrolliert, dass die Ausrüstung korrekt angelegt wird.
Die Schutzmaske befand sich in einer Tragetasche samt des Luftfilters und des
Verbindungsschlauches. Ausserdem befanden sich in dieser Tasche
Gummihandschuhe und eine grüne Plastikplane.
Für das Aufsetzen der Schutzmaske mussten auf das Kommando 'Gas' die
Augen geschlossen werden, in die Knie gegangen werden (linkes Knie gebeugt,
rechtes Knie auf dem boden) und der Stahlhelm abgesetzt werden, d.h.
Lederriemen öffnen und Stahlhelm abnehmen, dann wird die Schutzmaskentasche
geöffnet und die vorschriftsmäßig zusammengelgte und vorschriftsmäßig
verstaute Schutzmaske der Tasche entnommen und vorschriftsmäßig über das
Gesicht bzw. den Kopf gezogen. Dann wird aufgestanden - das Aufsetzen des
Stahlhelms fiel glaube ich nicht mehr in die Normzeit. Die Augen durften
natürlich erst unter der Schutzmaske geöffnet werden. Bei ungenügender
Pflege der Schutzmaske konnte einem das Ausatem-Ventil verkleben und damit
ganz schnell die Luft ausgehen. Daneben gab es auch den einen oder anderen
Experten, der seinen Luftfilter mit dem Gummipfropfen verschlossen hatte,
der nur bei Wasserquerungen zu benutzen ist, damit der Filter nicht voll
Wasser läuft. Manchmal vergass einer auch die sog. Klarsichtscheiben für
die Augengläser der Maske, ohne die liefen einem die Augengläser an und
man war praktisch blind. Die Klarsichtscheiben (Gelatinebeschichtete
Plastefolien) gab es leider nicht in ausreichender Menge, so dass man die
einmal benutzten mehrfach verwenden musste (Ich glaube, dass diese eigentlich
nur für einmaligen Gebrauch bestimmt waren). Dazu musste man diese nach
Gebrauch gut trocknen, da sie sonst unweigerlich verschimmelten.Der Schutzanzug befand sich am sog. Tragegestell auf dem Rücken, falls er am Mann mitgeführt wurde. Das Tragegestell war nur eine geflochtene Gurtkonstruktion, ähnlich eines Hosenträgers, am Koppel dreifach befestigt und über die Schultern laufend.
Glücklicherweise erhielten wir den neuen zweiteiligen Schutzanzug (Kaputzenjacke und Hose mit Füßen), anstatt des älteren dreiteiligen Schutzumhanges (Kapuzenumhang mit zwei Gamaschen (Riesenstrümpfe)), aus gummibeschichtetem Textil in einem kleinen Beutel aus dem selben Material, verschlossen durch Riemen mit großen Plastikdruckknöpfe.
Hier bestand die Schwierigkeit vor allem darin, alle Knöpfe ordnungsgemäß zu schließen und mit den geknöpften Gurten sich nicht selbst den Schlauch der Schutzmaske abzuklemmen - denn man musste auch Gummihandschuhe anziehen, und die Kunst bestand darin, möglichst viele Knöpfe zu schließen, bevor man die Handschuhe angelegt hat. Wehe dem, der seine Handschuhe nicht jedesmal ordentlich mit Talkum versehen hatte, dem waren sie rettungslos verklebt. Dazu kam die eingeschränkte Sicht durch die aufgesetzte Schutzmaske, bei der man zudem den Atemfilter aus der Tragetasche nehmen musste, um den Schutzanzug anlegen zu können. Der hing einem dann beim Anziehen des Anzuges wie ein langer Rüssel am Gesicht, zudem mit einem Gewicht am Ende, so dass er durch seine Pendelbewegungen ein Eigenleben zu führen schien. Schwierigkeiten bereitete es auch, darauf zu achten, dass die Kapuze nicht über die Augengläser der Schutzmaske rutschte. Unsere Anzüge waren neu und daher die Plastedruckknöpfe außergewöhnlich schwergängig.
Da man in vollständiger Uniform im Schutzanzug steckte, wurde dieser nicht nur
von den Stiefeln innen dreckig, sondern man geriet natürlich selber ganz
leicht ins Schwitzen. Nicht zu vergessen ist, dass Koppel, Stahlhelm,
Tragegestell, Schutzmaskentasche und ggf. die Magazintasche wieder anzulegen
waren, da durfte man natürlich vorher nicht vergessen, dass Koppel
entsprechend weiter zu stellen, damit er dem zugenommenem Umfang entspricht.
Mit Gummihandschuhen lies sich diese Aufgabe nur extrem schwer bewältigen,
von Erfüllen der Normzeit ganz zu schweigen. Ordnungsgemäss im
Schutzanzug sah man schon seltsam aus - wer aber das ganze nicht in den Griff
bekam, der wurde schon schnell zum Gespött der Vorgesetzten und Kameraden,
weil man dann erst recht jämmerlich aussah und zudem meist noch die
Ausrüustung Stück für Stück verlor.Außerdem gab es noch eine grüne Plasteplane, aber unter die musste man sich
nur so ducken, dass man vollständig von ihr bedeckt war und der Wind sie
nicht von einem herunterblasen konnte. Dazu musste es einem gelingen,
gleichzeitig unter ihr zu liegen und auf ihren Rändern.Für das Anlegen der Schutzmaske teilte uns ein Ausbilder einen Trick mit,
um den Stahlhelm ungewöhnlich schnell ablegen zu können, trotz seines
scheinbar festen Sitzes (oft wurde der feste Sitz des Stahlhelms vor der
Normabnahme kontrolliert). Der scheint aber nicht in der ganzen NVA
herumgekommen zu sein, denn ich traf während meiner Dienstzeit nie wieder
jemanden, der diesen Trick kannte - zumindest habe ich es nie bemerkt.
Dazu wurde der Schnallensplint des Verschlussriemens nicht in irgendein
Loch gesteckt, sondern am Riemen vorbeigedrückt. Der Riemen hielt dadurch
gegenüber einer Kontrolle fest genug, ließ sich aber durch einen einzigen
gekonnten Handriff aufziehen, wodurch das aufwendige Öffnen einer
Riemenschnalle entfiel. Schliesslich hatten es auch die Ausbilder,
sprich Unteroffiziere, auszubaden, wenn deren Gruppe irgendeine
Norm nicht schaffte.Auch bei der NVA musste der sozialistische Plan erfüllt werden, auch hier manchmal mit Tricks.
Mein Ehrendienst (10)
Zum Reinigen und Pflegen der persönlichen Bewaffnung und Ausrüstung gab es zwei verschiedene Dienstplaneinträge. Der eine war das 'Waffenreinigen' und der andere die 'Putz und Flickstunde' - letztere wurde von den Rekruten oft anders genannt, wegen des anstößigen Witzes und weil ja gerade eine gewisse Tätigkeit in unabsehbare Ferne gerückt war, wurde das 'l' nicht mitgenannt, denn daran erinnern wollte man sich schon ganz gern - vorausgesetzt, man hatte es schon mal gemacht, sonst tat man so, als wäre es einem eine Selbstverständlichkeit.
Für beide 'Veranstaltungen' trat die ganze Batterie, jeder mit seinem Stubenhocker, auf dem Flur an. Für das Waffenreinigen musste zusätzlich
die Waffe aus der Waffenkammer empfangen werden. Die Waffe wurde auf
Befehl auseinander genommen und auf Befehl ein bestimmtes Teil
gereinigt. Die einzelnen Teile wurden dabei auf dem Hocker abgelegt -
der war in diesem Zusammenhang nicht zum Sitzen gedacht. Zum
Waffenreinigen hatte man ein extra Waffenreinigungs-Set zu benutzen,
das sonst in einer vorgeschriebenen Uniformtasche zu tragen war.
Überhaupt gab es einige bestimmte Ausrüstungsgegenstände, die
vorschriftsmäßig in genau vorgegebenen Taschen zu tragen waren. Dazu
gehörten außer dem Waffenreinigungs-Set noch:
- Wehrdienstausweis
- Dosiemeter zum Messen der Strahlenbelastung
- Waffenkarte
- Med.-Päckchen (Verbandsmaterial, ein zweites mit Notfallspritzen gab
es nur im Ernstfall)Zum Waffenreinigen trug man die sog. Schwarzkombi, eine einteilige schwarze Kombi, die auch zum Warten der Technik o.ä. Anlässen getragen wurde.
Beim angeordneten Waffenreinigen wurden noch zusätzlich Dochte, Putzlappen und Waffenöl bereitgestellt. Bei der 'Putz- und Flickstunde' wurden statt der Waffe die Uniformen gepflegt, häufiger jedoch die Schutzausrüstung, denn Knöpfe annähen, Schuhe putzen o.ä. musste man ja sowieso, und Schuhputzzeug sowie Nähzeug hatte ja jeder selbst, damit bei einer Kontrolle alles in Ordnung ist.
Am belastendsten empfand ich dabei das ewige Nachnähen der Schutzmaskentragetasche, bei der sich sehr häufig die Nähte des Trageriemens auflösten. Hier half nur der sog. Sternchenzwirn für eine weile, allerdings war der beschichtete Stoff fast wie Leder zu nähen, so dass man sich die Finger fast wund nähte. Kaum besser war das Entfernen jedes Schmutzkrümels und Flecks vom Schutzanzug, besonders von der fein geriffelten Sohle, besonders nachdem das Teil im Gelände getragen wurde. Wir hatten dabei das Glück, dass wir gerade den neuen zweiteiligen Anzug aus Jacke und Hose erhalten hatten, das vorhergehende Muster war wesentlich unhandliger. Das Reinigen wurde von mehreren Unteroffizieren beaufsichtigt, welche am Ende auch die Waffen und Ausrüstung penibel kontrollierten.
Mein Ehrendienst (11)
Natürlich wurde auch fleissig Exerzieren und Marschieren geübt. Für letzteres musste auch der Marschgesang geübt werden. Anfangs war das für uns - vielleicht weil es aus dem Schulunterricht fast jedem bekannt sein müsste - das Lied "Spaniens Himmel".
Worauf es beim Marschgesang ankam, ausser auf exakte Ausführung der Kommandos und des Marsches selber, hat sich mir nie erschlossen. Ich jedenfalls sang so laut wie möglich, und die anderen wahrscheinlich auch - nur richtig singen konnte ich noch nie - vielleicht kam es bei dieser Übung darauf gar nicht an.
Später durften wir obiges Lied nicht mehr intonieren und mussten ein anderes lernen. Offensichtlich gefiel den Vorgesetzten nicht, wie wir die Zeile "... wir kämpfen und siegen für dich - FREIHEIT!" betonten, denn die Freiheit namen wir sehr wörtlich und sehr persönlich, da sie uns auffallend fehlte.
Das scharfe Schiessen für die Schiessausbildung fand auf dem in der Nähe gelegenen Schiessplatz statt, bei dem das Schiessen selber die wenigste Zeit in Anspruch nahm. Meist wurde der Schiessplatz zu Fuss erreicht, seltener wurden wir mit LKWs transportiert.
Wurden wir mit LKWs transportiert, reichte der Platz ganz selten aus,
selbst wenn die gegenübersitzenden ihre Beine gegenseitig kammartig
verzahnten, so dass manchmal noch einige Rekruten auf unseren
Knien lagen, samt ihrer Ausrüstung - ich bezweifle, dass dies
mit irgendeiner Dienstvorschrift konform ging.
Je nach dem, wann das Schiessen unserer Kompanie stattfand, gab es
meist vor dem Schiessen Geländeausbildung - passenderweise auf dem
Weg zum Schiessplatz.An einem dieser Schiessausbildungstage wurden wir so durch das Gelände gehetzt, das ich das Mittagessen vor Hunger unbesehen in mich hineinschlang, und erst danach bemerkte, dass da Milchsuppe mit Eierteigwaren dabei gewesen war, etwas, was ich mein ganzes Leben nie essen würde - ich habe seit dem nie wieder etwas vor Hunger gegessen bzw. essen müssen, was mir nicht schmeckt.
Unmittelbar vor dem Schiessen selber wurden die Waffen ausgiebig gereinigt - ebenso, und viel nötiger, danach. Zum Schiessen selber gab es äußerst wenig Munition, ich glaube so zwischen 5 und 15 Patronen, je nach Ausbildungsziel. Die Anfänger durften natürlich beim ersten Mal nur wenige Schuss Einzelfeuer abgeben - die höhere Anzahl Patronen gab es nur für Übungen mit kurzen Feuerstössen. Für den Munitionsempfang, das Schiessen und das Melden des Ergebnisses gab es ein umfangreiches Zeremoniell versehen mit genauesten Kommandos und Antworten, deren Wortlaut penibel vorgeschrieben war und die mit Sicherheit mehr Anstrengung beim Auswendig lernen machten als ein übliches Schulgedicht, zumal man bei Fehlern hier mit ziemlichen Anraunzern und Strafen zu rechnen hatte – militärischer Drill eben.
Positiv kann ich allerdings erwähnen, dass auch die Sicherheitsvorschriften penibel eingehalten wurden - was uns damals vieleicht übertrieben vorkam, später, als ich selber Schützen beim scharfen Schiessen zu beaufsichtigen hatte, wurde mir das ganze - auch für meine eigene Sicherheit - viel verständlicher.
Bei unserem Schiessen wurde jeder Schütze beim Schiessen von einem Unteroffizier beaufsichtigt. Ganz besonders wurde nach dem Schiessen kontrolliert, das die Waffe entladen ist. Dazu tratt die Schützengruppe in einer Linie an und jeder einzelne musste seine Waffe unter strenger Aufsicht mit entsprechenden Handgriffen und vorgeschriebenem Aussagewortlaut als entladen vorweisen (bzw. die Waffe wurde dabei entladen) und erst mit der entladenen, entspannten und gesicherten Waffe war diese Prozedur beendet. Dabei wurde die Waffe immer so gehalten, dass ein evtl. Schuss ca. im 45-Grad-Winkel abgeht, ohne irgendeine Person zu gefärden.
Während wir die Grundlagen militärischen Lebens erlernten, wurde
das Objekt ausschliesslich von den 'regulären' Einheiten bewacht,
deren Anzahl nicht sehr gross war, da sie ja im wesentlichen nur zur
technischen Sicherstellung des Unterrichtsbetriebes benötigt wurden.
Erst mit der Abgabe von 3 Schuss aus der MPi waren wir berechtigt,
bewaffnet ebenfalls den Wachdienst zu übernehmen, an dem wir nun,
nachdem wir den scharfen Schuss hinter uns hatten, recht häufig
beteiligt wurden - da wir innerhalb der Woche gewöhnlich Ausbildung
hatten, kamen für uns natürlich vorrangig die Wochendenden und Feiertage
dafür in Frage.
Mein Ehrendienst (12)
Jetzt waren wir also MPi-benutzungsberechtigt, weil wir ein paar Schuss damit abgegeben hatten und unseren Fahneneid hatten wir auch hinter uns gebracht, so dass unserem Wacheinsatz eigentlich nichts mehr im Wege stand.
Fahneneid leisten war in Zingst ja nichts weiter als auf dem Apellplatz anzutreten, lange herumzustehen mit schwerem Stahlhelm auf dem Kopf, bis man endlich die Eidesformel nachsprechen durfte, resp. musste. Irgendwelche ausgewählten Rekruten durften dazu in der Mitte die Truppenfahne berühren, als wäre es eine heilige Reliquie - in diesem Zusammenhang hatten wir so die kühnsten Phantasien über das Verschwinden lassen der Truppenfahne, denn laut DV musste dann der Truppenteil aufgelösst werden - daher wurde die Truppenfahne auch wie ein Schatz bei Nichtgebrauch verschlossen.
Die Vorbereitung des Wachdienstes nahm sehr viel Zeit in Anspruch,
mit Vorbereitung der Ausrüstung und der Wachbelehrung. Wachbelehrung
war absolute Pflicht. Dabei wurden alle relevanten Wachvorschriften
behandelt, bei jeder Wache immer wieder, und sämtliche Wachabläufe
wurden geübt (Stellen eines Eindringlings, Wachkontrolle, Wachablösung
etc.). Der Umgang mit der Schusswaffe war streng reglementiert und
der Gebrauch nur nach strengen Vorschriften erlaubt. Beim Erkennen
eines Eindringlings musste dieser angerufen werden (Der Wortlaut
am Tage unterschied sich geringfügig von dem in der Nacht, weil
man ja in der Nacht viel schlechter sieht), nach zweimaligen
Anrufen musste ein einzelner Warnschuss abgegeben werden,
wurde darauf imer noch nicht reagiert, musste auf die Person
geschossen werden. Auf Frauen, Kinder und Gebrechliche durfte
nicht geschossen werden - wenn das erkennbar war. Anders
lag die Sache natürlich, wenn man als Posten angegriffen wurde.
Der gezielte Schuss sollte den Eindringling stoppen, nicht
etwa töten.Natürlich kursierten auch bei uns die Geschichten vom betrunkenen Vorgesetzten, der den Postenbereich verletzte und vom U-Schüler festgesetzt wurde. Solch ein Glück wollte wohl jeder von uns einmal haben. Wache, das war für uns als erstes ein Abenteür, mit scharfer Munition, da waren wir jetzt richtige Soldaten ...
... nach mehreren Wachen ist diese Gefühl eher der Banalität und Langeweile des Postendienstes gewichen.
Mit voller Ausrüstung, bis auf das Sturmgepäck Teil 2, traten wir dann zur sog. Vergatterung zum Wachdienst an. Die Vergatterung bestimmte ein geändertes Befehls- und Unterstellungsverhältnis
der Diensthabenden, was u.a. auch verschärftere Strafen für
Dienstverstösse nach sich zog. Die Wache war ein sog. 24-Stunden
Dienst, dauerte also gemeinhin 24-Stunden - die Vorbereitung
und Nachbereitung nicht mitgerechnet.
Nach der Vergatterung marschierten wir zum Wachlokal, wo die
vorhergehende Wachmanschaft abgelöst wurde. Das Wachlokal war
weiter nichts, als ein separates Gebäude am Kasernentor,
dessen Popsten auch von der Wache gestellt wurde. Bei der
Ablösung wurde das Wachlokal peinlichst inspiziert, damit
Verunreinigungen oder gar Beschädigungen und
Unvollständigkeiten nicht etwa zu unseren Lasten gingen,
wenn wir abgelöst werden wollten.
Die Ablösung war erst vollzogen, wenn alles korrekt
übergeben wurde. Bei Mängeln konnte sich das schon etwas
in die Länge ziehen, bis diese abgestellt waren. Eine
erste Gruppe musste natürlich sofort auf Wache, um die
alten Posten abzulösen. Der Wachdienst hatte immer
ein Dreiteilung: Postenstehen, Ruhe und Bereitschaft.
Postenstehen war wohl 3 Stunden - könnten aber auch 4
gewesen sein, das habe ich nicht mehr so genau in Erinnerung.
Bei der Ruhe durfte man sich aufs Bett legen und Schlafen,
natürlich angekleidet. Bei der Bereitschaft sass man
gewöhnlich im Aufenthaltsraum am Tisch, spielte Karten,
ass etwas oder dösste vor sich hin - wenn man nicht gerade
zum Revierreinigen oder anderen wichtigen Tätigkeiten
benötigt wurde. Oder man musste als Sicherungsposten mit
zur Postenkontrolle. Eine bestimmte Anzahl von Postenkontrollen
war Pflicht. Dabei ging der Wachhabende oder sein Vertreter
zusammen mit einem Wachposten die einzelnen Postenbereiche
ab, um die Wachsamkeit und die Dienstdurchführung des
Wachpostens im Postenbereich zu überprüfen. Dieser musste
ja bei Erscheinen von Personen im Postenbereich entsprechend
reagieren - und wehe, wenn nicht.
Beliebt war der 'Scherz' des Kontrolierenden, den Wachposten
um seine Waffe zu bitten - das Aushändigen dieser war
nämlich nicht erlaubt, solange er auf Posten stand.
In meiner Anfangszeit habe ich mir auch schon mal ein
Wachvergehen eingehandelt, allerdings wurde das nirgends
offiziell notiert - welcher Wachhabende will sich schon
ein Wachvergehen in seiner Wache eintragen lassen, wenn
es nicht nötig ist. Die ganze Sache ging so ab, dass
ich am hellichten Tage Posten vor der Baracke mit den
Lehrkabinetten bezogen hatte, damit niemand den Vorplatz
und erst recht nicht die Lehrkabinette betritt. Plötzlich
kam der Lehrkabinetverantwortliche und teilte mir mit,
dass er irgendetwas im Lehrkabinet, zusammen mit meinem
Gruppenführer, kurz zu tun hätte, der Wachhabende
Bescheid wüsste und sowieso gleich kommen würde,
woraufhin er in den Postenbereich trat und mit seinem
Schlüssel die Lehrkabinettbaracke aufschloss. Von
Rechtswegen hätte ich in jetzt anrufen müssen und
festnehmen - das kam mir aber dermassen albern vor, dass
ich's gelassen habe - mein Wachhabender war darüber
allerdings nicht erfreut, brummte mir allerdings nur einen
Reinigungsdienst auf.
Ja so war das mit der Phantasie, einen als Posten in den
Dreck legen zu können, und der Realität. In der Nacht
wäre das bestimmt anders ausgegangen, nehme ich an.
Kann schon sein, dass man mich danach als unsicheren
Wachposten einschätzte - gemerkt habe ich davon
allerdings nichts - bis auf das Revierreinigen im
Wachlokal.
Der wenige Schlaf und die Anspannung beim Wachdienst
kratzte wohl allen an den Nerven (Auch die Wachhabenden
hatten Sch*ss vor Kontrollen), so dass sich für das
steleenweise abstruse Verhalten der Wachdienstleistenden
im Wachlokal der Begriff 'Wachkoller' geprägt hatte.
Dieser war dann gefählich, wenn der Umgang mit der Waffe
vernachlässigt wurde.
Einmal schoss ein wachhabender Unteroffizier in der
Wachstube beim Skatspielen durch den Tisch.
Offensichtlich hatte er eine Westernphantasie, als
er beim Spiel seine Pistole auf den Tisch legte
und dann wärend des Spieles (oder des Reizens?)
die Pistole in die Hand nahm und sich ein Schuss
löste. Glücklicherweise war das nicht mein
Wachdienst - offiziell ist der Schuss beim
Waffenreinigen losgegangen.
Subject: Mein Ehrendienst (13)
Beim Wachdienst Nachts hatte man besonders viel Zeit zum vor sich her sinnen, vor allem, wenn die Abenteuerlust, einen Eindringling zu stellen der Einsicht gewichen ist, dass hier wohl niemals irgendjemand versuchen würde, einzudringen. Was dann nur noch beachtenswert ist, ist eine eventülle Postenkontrolle und natürlich die Ablösung. Ansonsten trottet man seinen Postengang hin und her, denkt an zu Hause, an die Freundin, an den Urlaub, der irgendwann kommen soll ...
... an Schlafen oder Ausruhen denkt wohl keiner, dafür hatten die meisten zu viel Schiss, erwischt zu werden. Nur der Drahtzaun hatte einen gewissen Reiz, nämlich den, die Drahtschere des Seitengewehres auszuprobieren, und einen Draht einer Zaunmasche durchzukneifen. Die Postenzeit erschien einem endlos, ich selber bin auch schon mal im Gehen irgendwie eingedöst, denn einmal, während ich meinen Bereich ablief, klopfte mir die Ablösung auf die Schulter, und versicherte mir glaubhaft, den halben Postenweg hinterhergegangen zu sein, vielleicht habe ich auch einfach nur vormich hingeträumt.
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Wachdienst am Tag war auch nicht toll, denn da musste man
entweder irgendwelche Einfahrtstore oder Türen bewachen
und hatte dadurch kaum Bewegungsmöglichkeiten, oder man
hatte einen normalen Postenweg, wo man gesehen werden konnte.
Besonderer Wert wurde auf das vorschriftsmässige Tragen der
MPi gelegt, weswegen einem bald die Schulter schmerzte und der
Arm lahm wurde.
Zudem war es Herbst und wurde Winter ... aber zu dem Winter
1978/79 komme ich sicher später noch einmal, denn der hatte
es schon rein meteorologisch in sich.
Die zum Wachdienst benötigte Munition musste vor dem Dienst
in Lochbrettchen empfangen werden und unter Aufsicht, Patrone
für Patrone in die zwei Magazine gedrückt werden, natürlich
auch in einer Reihe auf dem Flur.
Nach Beendigung des Wachdienstes musste man die Magazine
wieder leeren und die einzelnen Patronen in sein Lochbrettchen
stecken, um es dann in der Waffenkammer abzugeben. Hierbei
musste jede einzelne Patrone mit den blosen Fingern aus dem
Magazin gedrückt werden, war das Füllen des Magazins schon
eine Fingerstrapaze, so war das 'entmumpeln' dies erst recht.
Gern wurde dafür ein Trick angewendet, bei dem man sich wie
immer nicht erwischen lassen durfte: Die Patrone wurde nicht mit
den Fingern herausgedrückt, sondern mit einer Metallklinke
des anderen Magazingehäuses, und zwar die Magazine flach
auf dem Boden liegend, das volle festgehalten und das andere
wie eine Stanze die Patronen herausschiebend, am besten gleich
in das dazugelegte Käppi. Natürlich hätte man rein theoretisch
mit dem zweiten Magazin auch mal das Zündplätchen der Patrone
treffen können ...
Und auch beim Abmunitionieren 'scherzten' die Unteroffiziere gern,
indem sie einem, wenn man nicht aufpasste, schon mal eine Patrone
wegnahmen, um einem den nachläsigen Umgang mit der Munition anzukreiden,
vieleich machte es ihnen aber auch nur kindischen Spass, die
gestressten Unteroffiziersschüller zu erschrecken, die ja denken
mussten, sie hätten eine Patrone verloren und somit ein schweres
Vorkommnis verursacht.
Mein Ehrendienst (14)
Und dann kam er endlich, der langersehnte Urlaub, offiziell hieß der VKU (Verlängerter Kurzurlaub), von Freitag nach Dienst bis Dienstag 6.00 Uhr. Von dieser Art Urlaub sollten wir zwei bekommen, während wir auf der Unteroffiziersschule waren. Wer einen langen Reiseweg hatte, der hatte eben netto einen kürzeren Urlaub.
Für den Urlaub gab es keine Erlaubnis zum Tragen von Zivilkleidung, die Eisenbahnfahrkarten bekamen wir von der Armee.
Ich war dann Samstag frühzeitig zu Hause, ich habe keine Ahnung mehr, was genau ich in diesem Urlaub gemacht habe - es war ja auch eigentlich nicht viel Zeit, vor allem, wenn man sich mit seiner Freundin trifft.
Montag musste ich dann schon wieder los, um Dienstag früh rechtzeitig in der Kaserne zu sein. Da wir im Dienstvorschriften-Unterricht schon das Tragen von Auszeichnungen durchgenommen hatten, verfiel ich auf die spleenige Idee, mein FDJ-Abzeichen "Für gutes Wissen" in Gold (in Marxismus/Leninismus) mitzunehmen, die einzige Auzeichnung, die ich besass und die man an der Ausgangsuniform tragen konnte - andere tragbare Auszeichnungen hatte ich noch nicht. Dieses Abzeichen besassen wohl fast alle Abiturienten der DDR, genauso, wie fast alle in der FDJ waren. In unserer Ausbildungs-Batterie gab es nur einen einzigen Unteroffiziersschüler, der nicht in der FDJ war - und den man immer agitierte, doch einzutreten.
Dieser Spleen mit dem Abzeichen kostete mich dann allerdings einigen Ärger, weil mancher Unteroffiziersschüler meiner Einheit dem Angeber mit dem Abzeichen gern ein paar in die Fresse gehauen hätte, einer hat es auch geschafft. Dieses, einer sozialistischen Arbeiter- und Bauernarmee ungehörige Verhalten, konnte natürlich nicht mit ebensolchen, einem Soldaten der NVA unangebrachten, Mitteln begegnet werden – ausserdem war der andere viel stärker – , sondern ich meldete den Vorfall meinem Gruppenführer, dessen erzieherische Bildung dafür sorgte, dass der Vorfall mit einem gegenseitigen Handschlag zwischen den Kontrahenten aus der Welt geschafft wurde, d.h. sich zu erledigen gehabt haben sollte.
Die Freunde, die ich mir so unter den für die Technische Batterie auszubildenden geschaffen hatte, verliehen mir denn auch gleich den Ehrennamen "Der Zinker". Soweit zur Theorie und Praxis des Marxismus/Leninismus und der sozialistischen Soldatenpersönlichkeit.
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