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Start WeiterFrisch wie vor einer Generation
Zum 25. Todesjahr von E. F. Schumacher
"Energiebündel", April 2002
226-228
Das Jahr soll nicht vorübergehen, ohne daß die E.F.-Schumachergesellschaft für politische Ökologie ihres Namenspatrons gedenkt: er ist vor fünfundzwanzig Jahren, 1977, während einer Zugreise in der Schweiz gestorben, so wie er gelebt hat, erfüllt von seiner Mission und völlig überraschend.
Wenn man heute jüngere oder auch schon gereifte Menschen nach ihm fragt, erhält man selten Auskunft; mit dem Namen assoziieren sie vielleicht einen oder zwei Rennfahrer, vielleicht auch noch den ersten SPD-Führer der Nachkriegszeit.
Ernst Friedrich Schumacher war unendlich viel wichtiger als sie alle, und er wurde in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts zur Weltberühmtheit. Als er starb, trauerte nicht nur ganz England, sondern eine große anglo-amerikanische Öffentlichkeit und die Glocken der katholischen Westminster-Kathedrale läuteten zu seinem Begräbnis. (Er war in seinen letzten Lebensjahren zum Katholizismus konvertiert.)
Sein Ruhm ließ sich, streng genommen, auf drei einfache Wörter zurückführen: SMALL IS BEAUTIFUL, Klein ist schön, so lautete der Titel seines bahnbrechenden Buches von 1973, deutsch erschien es als »Die Rückkehr zum menschlichen Maß«. Das Buch wurde neben der wissenschaftlich-prognostischen Studie der Meadows »Grenzen des Wachstums« (1972) und den Kampfschriften von Ivan Illich zum Klassiker der neuen ökologischen Weltsicht, der einzig wirklich originellen Perspektive des letzten Jahrhunderts. (Alles andere, was es bewegte und wodurch es bewegt wurde, auch der Faschismus, hatte seine Wurzeln tief im 19. Säkulum.)
Der geborene Rheinländer, familiär verbunden mit Werner Heisenberg und Erich Kuby, begann mit dem Studium der Wirtschaftswissenschaft, in Deutschland wie in den USA und England. Im Zweiten Weltkrieg dort interniert und praktisch in der Landwirtschaft tätig, stieg er nach 1945 rasch zu national-britischer und internationaler Bedeutung auf, zunächst als Manager und Theoretiker der verstaatlichten Kohle-Industrie, aber auch als Partner in öffentlichen Diskussionen. Deutlich warnte er schon damals vor den Gefahren unbekümmerter Expansion und Plünderung der Ressourcen, aber seine eigentliche Bestimmung fand er erst nach einer Art von Konversion, die ihn aus selbstlosen Motiven (er stellte sich der christlich-fundierten OXFAM-Bewegung zur Verfügung) nach den Wurzeln weltweiter Armut und Krankheit zu suchen nötigte.
Was er entdeckte, und was ihn erstaunte, war die relative Belanglosigkeit der so genannten Wirtschaftswissenschaften, war die weite Wirklichkeit der wahren, der natürlichen Lebensgrundlagen und ihre Mißhandlung durch unsere Produktions- und Konsumtionsweisen.
Kosten-Nutzen-Kalkül, Kauf und Verkauf: nie, so begriff er, war die körperliche und seelische Existenz der Menschheit durch solche Teilbegriffe wirklich definierbar. Aber nachdem sich der umtriebigste Teil der Menschheit heftig darum bemühte und bemüht, unser aller Existenz an dieses dürftige Schema anzupassen, ist Weltzerstörung als Programm und Vorhaben angesagt.
»Es handelt sich hier um Tatsachen, die weder bestritten noch anerkannt werden, sondern man setzt eine undurchdringliche Mauer des Schweigens gegen sie. Ein Bestreiten wäre offensichtlich lächerlich, und ein Eingeständnis würde die Haupttriebfeder der modernen Gesellschaft als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verdammen.«
Der Aufbruch der frühen Siebzigerjahre, in dem E.F. Schumacher eine zentrale Macht war, schlug schwere Breschen in diese Mauer, offen wurde die Rationalität und vor allem die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschafts- und Lebensweise in Frage gestellt, und ihre Verteidiger gerieten in zunehmende Beweisnot.
Wenn man heute, nach dreißig Jahren, <Small is Beautiful> aufschlägt, ist man fasziniert von der Aktualität dieses Textes, der unwiderlegt geblieben ist.
Daß er so aktuell blieb, ist freilich auch auf die Tatsache zurückzuführen, daß das Empire des Totalen Marktes mit aller Macht zurückschlug.
Jimmy Carter, der US-Präsident, der die Größe des Problems begriff, hatte zur Zeit von Schumachers Tod die umfassende Studie <GLOBAL 2000> in Auftrag gegeben, welche die prognostischen Ansätze der ökologischen Alternativen im Wesentlichen bestätigte. Mit dem Amtsantritt von Ronald Reagan 1980 verschwand sie blitzschnell in der hintersten Schublade, und die systematische, milliardenschwere und äußerst erfolgreiche Gegenoffensive begann. (Ihre wichtigste Waffe waren vermutlich hochdotierte think tanks, welche die Machtübernahme nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus 1989 bis weit in die Dissertationsthemen der Wirtschafts- und Sozialwissenschafts-Fakultäten der Hochschulen vorantrieben.)
Der zynischste Neo-Liberalismus besetzte alle semantischen Höhen, das alternative Anliegen einer politischen Ökologie, wie sie aus aus jeder Seite von E.F. Schumachers Texten zu uns spricht, wurde zu einem lächerlichen »Politikfeld Umwelt« reduziert. Das Niveau der Diskussion ist dementsprechend erbärmlich geworden, dafür die Ansprüche der Profitwirtschaft an die Menschen entsprechend arroganter.
Ihnen widerspricht, frisch wie am ersten Tag 1973, der Untertitel von SMALL IS BEAUTIFUL: A Study of Economics as if People Mattered - als ob es auf die Menschen ankäme!
227-228
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