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Vorwort von John E. Brandenburg (1999)

Vorwort von Paxson  

 Einführung

9-11

An der Schwelle zum nächsten Jahrtausend hat die Menschheit innerhalb einer einzigen Generation mehr Wissen über den Kosmos erworben und mehr neue Technologien entwickelt als zuvor in 100 Jahren. Aber es braut sich auch ein Sturm zusammen an der Schwelle des neuen Jahrtausends. Die Fronten bilden sich schon heraus, Fronten in einem Konflikt, der die Menschheit spalten kann und der mit Sicherheit die ersten Jahrzehnte des neuen Jahrtausends bestimmen wird. 

Es ist keineswegs ein bloßer Konflikt unter Wissenschaftlern, auch wenn es auf den ersten Blick so scheinen mag. Vielmehr betrifft dieser Konflikt unseren Intellekt und unsere Wahrnehmung — und er rüttelt an den Grundfesten unserer Zivilisation. Anders als die Debatte um die Kontinental­verschiebung, in der der Lehrstuhl eines Geologieprofessors davon abhängen mag, wie er die relativen Formen Südamerikas und Afrikas interpretiert, wird sich dieser Konflikt auf den Energiehaushalt unseres Planeten und auf die wirtschaftliche Situation ganzer Nationen auswirken. 

Die Frontlinien, die jetzt entstehen, sind lang; sie ziehen sich durch die verschiedensten Wissenschaftsgebiete, von der Meeresbiologie bis zur Plasmaphysik, und erstrecken sich über Räume, die so weit auseinanderliegen wie Amazonis auf dem Mars und Amazonien auf der Erde. Der Konflikt geht so tief, daß er den sorgsam gewahrten Schein der Höflichkeit unter Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen erschüttert.

Die Frage, um die es geht, lautet: Kann die Erde sterben, und sind es die Menschen selbst, die der Erde den Todesstoß versetzen? Nicht die früheren Umrisse der Kontinente stehen hier zur Debatte, sondern die Vorboten einer unvorstellbaren Katastrophe globalen Ausmaßes: Die Erde bietet heute sechs Milliarden Menschen eine gerade noch ausreichende Lebensgrundlage, aber wird uns diese minimale Lebensgrundlage nicht auch noch entzogen werden, wenn sich das Klima nachhaltig verändert?

Die Erde ist längst nicht mehr die Quelle unerschöpflicher Ressourcen, für die wir sie einst gehalten haben. Wir wissen heute, daß sie verwundbar und sterblich ist. Wenn wir unseren blauen Planeten vom Weltall aus betrachten, nehmen wir ihn als zarte Oase in einem lebensfeindlichen und abweisenden Kosmos wahr. Aus dieser Perspektive wird uns bewußt, daß die Ozeane nicht grenzenlos weit und unendlich tief sind. Sie sind seichte blaue Pfützen auf einer Felsenkugel, die um die Sonne kreist. Selbst die Sandkörner an ihren Stranden sind nun gezählt, und es werden immer weniger.

Vor unseren Augen wird das Unendliche endlich. Wir haben jetzt ein Stadium erreicht, in dem sich die Umweltprobleme nicht mehr auf Dioxin auf den Deponien und vergiftete Flüsse beschränken, sondern die Rohstoff­reserven und Ökosysteme auf globaler Ebene betreffen. Bei einem Interessenkonflikt dieses Ausmaßes ist eine Konfrontation unausweichlich.

Während dieses Buch entstand, schickte der weise und ehrwürdige Rat der Amerikanischen Geophysik­alischen Gesellschaft, AGU (American Geophysical Union), nach einjähriger Überprüfung der einschlägigen wissen­schaft­lichen Studien seine 35.000 Mitglieder in den Kampf. Als eine der größten Vereinigungen von Wissen­schaftlern aus Raumforschung und Geowissenschaften hat der Rat der AGU mit 26 zu 0 Stimmen eine Erklärung verabschiedet, wonach der derzeitige Umgang der Menschheit mit ihrem Planeten nicht länger tragbar ist. Hier ein Auszug:

»Die Konzentration von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre hat sich infolge der Verbrennung fossiler Brennstoffe und anderer menschlicher Aktivitäten stark erhöht [...] Nach Ansicht der AGU rechtfertigt der derzeitige Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse weder eine Untätigkeit in Hinsicht auf die Reduzierung der durch den Menschen verursachten Klima­veränderung noch den Versuch einer Anpassung an diese.« (1) <Climate Change and Greenhouse Gases>: Erklärung des Rates der AGU im Dezember 1998: agu.org 

Die AGU wirft also ihr ganzes Renommee und Gewicht in die Wagschale und plädiert für eine sofortige Wiederherstellung einer intakten Umwelt auf unserer Erde.

Bezeichnenderweise löste diese ernste und sehr zurück­haltend formulierte Erklärung der AGU nicht nachdenkliches Schweigen oder gar Betroffenheit aus, sondern eine Reaktion, deren Muster uns bald vertraut vorkommen wird. Viele ultrakonservative, industrie­abhängige Organisationen und politische »Dinosaurier« brachen unisono in einen Schrei der Entrüstung und einen Schwall wüster Verunglimpfungen aus. Diese Organisationen begnügen sich damit, leere Versprechungen zu machen und das Risiko, das die Klimaveränderung für den Menschen birgt, zu verharmlosen, bringen aber unausgesprochen eine wichtige Frage in diese Debatte ein: Wie können wir unsere gegenwärtige Lebensweise ändern, ohne schwerwiegende wirtschaftliche Folgen in Kauf nehmen zu müssen?

Wer auf die Klimaveränderung hinweist, zeigt automatisch mit dem Finger auf die gewaltige Energie­ver­schwend­ung der Industrienationen und damit auf den Gordischen Knoten der Lebensbedingungen, wie sie die Menschheit für sich geschaffen hat. Wir stehen vor der Aufgabe, einen Weg zu finden, der weder in die ökologische noch in die wirtschaftliche Katastrophe führt, einen Weg, der sowohl der Notwendigkeit einer gesunden Biosphäre als auch dem Wunsch der Menschen nach Fortschritt Rechnung trägt. Genau diesen Weg des Ausgleichs hoffen wir in unserem Buch zu beleuchten.

Begeben Sie sich also mit uns auf eine Reise an die sich formierende Schlachtordnung — von Cydonia auf dem Mars bis ins brasilianische Rondonia, denn nur wenn wir die Zusammenhänge des Lebens und Sterbens von Planeten begreifen, sind wir in der Lage, eine Entscheidung darüber zu treffen, auf welcher Seite wir im Kampf um das Überleben der Erde stehen. 

Die globale Klimaveränderung, das Ozonloch, das Kratergebiet Lyot auf dem Mars, der strahlende Reaktorkern von Tschernobyl und das Zentrum der Sonne, sie alle sind Stationen auf dieser Reise, der Reise des Lebens und Sterbens der Planeten. Möge diese Reise zum Leben führen.

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Vorwort von Monica Rix Paxson  

12-13

Dieses Buch schlägt eine Brücke über einen tiefen Abgrund. Auf der einen Seite der bodenlosen Tiefe liegt unsere rationale Liebe zur Wissenschaft und Technik, unser Drang zu forschen und Neues zu schaffen. Auf der anderen Seite steht die Liebe zu unseren Kindern, unsere Ehrfurcht vor dem Leben und unsere Abhängig­keit von der Erde als unserer Lebensgrundlage. 

Unter uns liegt unsere Vergangenheit und der ewige Sündenfall, ein Tanz mit den Dinosauriern in der Aussicht, vielleicht wie sie für immer von der Erdoberfläche zu verschwinden. Über uns winken neue Möglichkeiten, neues Leben, die Weiten des Kosmos und die Visionen anderer Welten.

Ich möchte Sie zum Scheitelpunkt der Brücke führen. Welchen Weg Sie von dort auch wählen, etwas wird sich in Ihrem Leben unwiderruflich verändern.

Der Blick von der Brücke hat mich persönlich verändert. Mein Leben wird nie mehr dasselbe sein. Auf den Gebieten der Planeten- und Umwelt­wissen­schaften noch relativ unerfahren, habe ich die Nachforschungen für dieses Buch von Grund auf begonnen, ohne mich auf irgendwelche Beweise stützen zu können. In völliger Abgeschiedenheit habe ich buchstäblich Hunderte von wissenschaftlichen Büchern, Zeitschriften, Studien, Berichten und Abhandlungen gelesen und mich täglich viele Stunden lang im Internet getummelt. Was ich dabei entdeckte, war so unglaublich, so schockierend und unvorstellbar für mich, daß außer meiner Familie, einer Handvoll guter Freunde und diesem Buch alles andere daneben verblaßte.

In meiner Heimatstadt Chicago kam es in den fünfziger Jahren zu einer schrecklichen Brandkatastrophe, bei der Dutzende von Schulkindern ums Leben kamen. Schuld daran war zum Teil die Tatsache, daß die Lehrer zögerten, den Alarm auszulösen, als sie den Rauch rochen, weil sie unsicher waren, ob es sich wirklich um ein Feuer handelte. Es war eine furchtbare und tödliche Fehlentscheidung.

Der Punkt ist in meinen Augen folgender: Wer meint, die Wissenschaft sei nicht in der Lage, die Einschätzung zu untermauern, daß wir das Klima unseres Planeten verändern — zu unserem eigenen Nachteil —, hat sich offensichtlich nicht mit den Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung auf diesem Gebiet vertraut gemacht. Der Treibhauseffekt ist eine bedrohliche Realität. Er spiegelt eine Entwicklung wider, die für die Menschheit so tödlich ausgehen kann wie jener Brand in der Chicagoer Schule für viele Schüler. Ich löse den Alarm aus.  

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Einführung

15-17

In gewisser Weise sind wir alle unschuldig. Wie Ameisen, die ihren Bau in einen Berghang graben, sind wir Menschen eine energiegeladene Spezies, die auf aggressive Weise die Festlandinseln der Erde kolonisiert.

Wir teilen unsere irdische Heimat mit vielen anderen Lebensformen, mit denen wir auf den riesigen, auf einem Kern aus Magma treibenden Gesteinsschollen zusammenleben. Wir lieben und wir plagen uns unter einer schütz­enden Hülle aus Gas, welche die Wärme der Sonne speichert und ihre tödliche Strahlung von uns fernhält.

Direkt jenseits unserer dünnen Atmosphäre lauert die eisige Unendlichkeit des Weltalls. Wenn unsere Atmosphäre die Wärme und das Licht der Sonne nur unzureichend festhält, wehren wir uns, indem wir die harzigen Überreste urzeitlicher Wälder verbrennen.

Vom Weltraum aus sehen wir unseren Planeten als einen mit Wasser überzogenen Himmelskörper, der unter dem Einfluß der Gravitation einer Sonne von durchschnittlicher Strahlungskraft steht. Wir teilen diese Sonne mit einer kleinen Gruppe planetarischer Geschwister. Stolz bringen wir unseren Kindern ihre Namen bei: Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Neptun, Uranus und Pluto. Aber verstehen wir unser Sonnensystem wirklich? Ist uns das empfindliche Gleichgewicht unseres Lebens­raumes auf dem schmalen Grat zwischen der Gluthitze von 800 Grad Celsius auf der Venus und der Eiseskälte von -100 Grad Celsius auf dem Mars wirklich bewußt?

Ob wissend oder unwissend, wir sind abenteuerlustige Kinder, die sich frohen Mutes darangemacht haben, das Universum zu erforschen. Wir untersuchen alle Himmelskörper, die wir mit den uns zur Verfügung stehenden technischen Mitteln erreichen können. Wir fordern die Planeten auf, uns ihre Geschichten zu erzählen und ihre Geheimnisse zu verraten, doch hören wir überhaupt zu? Sind wir zu diesem Wagnis bereit?

Wir können längst nicht mehr zurück, denn unser nächster Nachbar, der Mars, enthüllt in aller Deutlichkeit die Geschichte seiner Vergangenheit — eine aufregende und beängstigende Geschichte vom Leben und Sterben. Und mehr noch — mit der gütigen Weisheit des erfahrenen alten Kriegers warnt er uns vor unserer Zukunft. Wir tun gut daran, wenn wir seine Warnung beherzigen.

Die Geschichte des Mars ist so überwältigend, daß wir Gefahr laufen, ihre eigentliche Botschaft zu übersehen. Wie Ameisen, die den Berg nicht zur Kenntnis nehmen, an dem sie leben, geschweige denn den Felsbrocken, der auf sie zurollt, können wir uns unseren Platz im Sonnensystem kaum vorstellen und noch viel weniger die Gefahren, die außerhalb unserer Erfahrungswelt liegen.

Schenken wir dem, was wir sehen, Beachtung? Hören wir zu? Das sollten wir. Das müssen wir. Denn auf dem Spiel steht unser Überleben.

Wir haben die Möglichkeit, eine fast unausweichliche planetare Katastrophe abzuwenden — eine Katastrophe, die die Schrecken des Zweiten Weltkriegs, die von Hiroshima und Krakatau in den Schatten stellt.

Erstaunlicherweise sind es gerade unsere Errungenschaften in der Weltraumforschung und die Lektionen, die wir dabei gelernt haben, die es uns möglich machen, unseren Planeten zu retten. Aber Wissen allein reicht nicht. Wir müssen handeln, und wir müssen dabei an einem Strick ziehen. Daß wir gefordert sind, unseren Planeten zu retten, steht außer Frage, aber unsere beschränkte Wahrnehmung könnte diesem Ziel im Wege stehen.

Natürlich sind wir unschuldig, aber das waren die Dinosaurier auch. Von jetzt an müssen wir verantwort­lich handeln, oder wir sind wie sie dem Untergang geweiht.

Die nächste Stufe der Evolution verlangt uns etwas ab, das wir noch nie getan haben — wir müssen uns zum Wohle unseres Heimat­planeten, seiner Lebensräume und seiner Atmosphäre zu einer weltweiten Schutz­gemeinschaft zusammenschließen. Das ist eine schwere Aufgabe. Wir müssen uns dieser Herausforderung stellen, selbst wenn wir noch nicht genau wissen, was damit auf uns zukommt. Wir werden es erfahren.

Soviel steht fest: Es kann keinen Eigennutz geben als den, der unser aller Wohl dient. Die Zukunft der Erde ist unsere gemeinsame Zukunft, wie immer diese aussehen mag. Um die Entscheidung, unseren Planeten zu retten, kommen wir nicht herum. Jeder für sich und alle gemeinsam. Hören Sie sich die Geschichte an, die uns der Mars über die Zukunft der Erde zu erzählen hat und die uns erklärt, warum der Mars tot ist und die Erde im Sterben liegt. 

Dann wird Ihnen die Entscheidung zu handeln leichter fallen.

Hier beginnt die Geschichte vom Leben und Tod zweier Planeten, Mars und Erde, der eine tot und der andere sterbend. Obwohl sich dieses Buch lesen mag wie eine erfundene Geschichte, ist es alles andere als das. Die hier erzählten Geschichten sind wissenschaftlich fundierte Tatsachen, die sich nur insofern von anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen unterscheiden, als sie anders präsentiert werden. Die Ereignisse in diesem Buch haben entweder bereits stattgefunden, oder es besteht die Möglichkeit, daß sie sich in absehbarer Zeit abspielen werden. Aber auch die zukünftigen Geschehnisse, die dieses Buch beschreibt, sind bereits als Szenarien einer möglichen Zukunft in seriösen wissenschaftlichen Publikationen vorgestellt worden.

Bei diesem Buch handelt es sich, so abenteuerlich und dramatisch seine Geschichten auch erscheinen mögen, keineswegs um das Drehbuch zu einem Science-fiction-Film, auch nicht um eine pseudo­wissen­schaft­liche Spekulation.

Selbst wenn der Inhalt des Buchs zweifellos ernüchternd ist, beschäftigt es sich doch auch mit unserer fernen Zukunft auf diesem Planeten. Es zeigt Wege aus dem Dilemma und neue Perspektiven für die Menschheit auf. Es zeigt auch, wie der kriegerische Gott Mars dazu beigetragen hat, den Kalten Krieg auf der Erde zu beenden. Es zeigt, daß der Mars in seiner Vergangenheit so warm und wasserreich war wie unsere Erde. Und es zeigt, wie das Verständnis vom Tod eines Planeten helfen kann, das Über­leben unserer eigenen Welt zu sichern.

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Brandenburg und Paxson (1999) Wie der Erde die Luft ausgeht - Das Ende unseres blauen Planeten