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1 - Der Eintritt in eine neue Welt 

Brown-2006

 

 

19-39

Angesichts des derzeitigen Wachstums ist unsere Weltwirtschaft im Begriff, sehr bald die Kapazitäten ihrer ökologischen Stützsysteme zu übersteigen, wodurch sich unsere Zivilisation im 21. Jahrhundert immer weiter in Richtung Untergang bewegt.  

Bei unserer Fixierung auf Quartalsberichte und jährliche Wachstums­zahlen haben wir aus dem Auge verloren, wie sehr das Unternehmen Menschheit über die Ressourcen der Erde hinausgewachsen ist. Noch vor etwa einhundert Jahren wurde das jährliche Wachstum der Weltwirtschaft in Milliarden Dollar angegeben — heute sind es bereits Billionen.

Infolgedessen brauchen wir die erneuerbaren Ressourcen der Erde schneller auf, als sie sich regenerieren können. Die Wälder schrumpfen zusehends, Weideflächen verfallen, Wasserspiegel sinken, Fischbestände kollabieren und Böden erodieren. Außerdem verbrauchen wir so viel Erdöl, dass kaum Spielraum für eine Planung nach dem sogenannten "Peak Oil" bleibt, und pusten mehr Treibhausgase in die Atmosphäre, als die Natur aufnehmen kann, wodurch die stärkste Erhöhung der Erdtemperatur seit Beginn der Landwirtschaft verursacht wurde.

Unsere Zivilisation des 21. Jahrhunderts ist nicht die erste, die einen Weg eingeschlagen hat, der zu ökologischen Problemen führte. Viele frühere Zivilisationen standen vor ähnlichen Umweltproblemen. Wie Jared Diamond feststellte, waren einige von ihnen in der Lage, ihren Kurs entsprechend zu ändern und so einem wirtschaftlichen Verfall zu entgehen, andere waren es nicht. Archäologische Untersuchungen der Siedlungsgebiete der Sumerer, Mayas, der Bewohner der Osterinsel und anderer früher Zivilisationen zeigen, dass es diesen nicht gelungen ist, sich rechtzeitig anzupassen.(1)

Glücklicherweise gibt es mittlerweile innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft einen wachsenden Konsens über die groben Züge der notwendigen Veränderungen. Wenn uns wirtschaftlicher Fortschritt erhalten bleiben soll, müssen wir unsere derzeitige auf fossilen Brennstoffen basierende und rund um das Automobil aufgebaute Wegwerfwirtschaft durch ein neues Wirtschaftsmodell ersetzen. 

1)  Jared Diamond, Collapse: How Societies Choose to Fail or Succeed (2005)


Statt fossiler Brennstoffe als Basis sollte die neue Wirtschaft durch reichlich vorhandene erneuerbare Energien betrieben werden: Windenergie, Solarenergie, geothermische Energie, Wasserkraft und Biobrennstoffe.

Anstelle des Automobils sollten alternative Transportsysteme im Zentrum stehen, die weitaus vielseitiger sind und Stadtbahnen, Busse und Fahrräder nutzen. Das große Ziel sollte darin bestehen, nicht die Anzahl der Autobesitzer zu maximieren, sondern die Mobilität.

Die Wegwerfwirtschaft würde durch eine sinnvolle Recyclingwirtschaft ersetzt, Konsumgüter von Autos bis zu Computerteilen würden so konzipiert, dass sie in ihre Einzelbestandteile zerlegt und komplett recycelt werden können. Wegwerfprodukte wie Einweg-Getränkeverpackungen würden zu Auslaufmodellen.

Die gute Nachricht ist, dass bereits hier und da kleine Anzeichen zu sehen sind, wie diese neue Wirtschaft aussehen könnte. Wir verfugen schon jetzt über die Technologien dafür — darunter Fahrzeuge mit Benzin-Elektro-Hybridantrieb, hochmoderne Windturbinen, Kühlschränke mit minimalem Verbrauch und wassersparende Bewässerungssysteme. Wir können sehen, wie wir diese neue Wirtschaft Stück für Stück aufbauen können. Mit jedem Windpark, jedem Solarzellendach, jeder Papierrecyclinganlage, jedem Radweg und jedem Wiederaufforstungsprogramm gelingt uns ein weiterer Schritt hin zu einer Wirtschaft, die den Fortschritt erhalten kann.

Wenn wir dagegen weitermachen wie bisher, so wird die Frage nicht lauten, ob die Verschlechterung der ökologischen Bedingungen zu einem wirtschaftlichen Niedergang führen wird, sondern nur wann. Keine Wirtschaft, egal wie technologisch fortschrittlich, kann überleben, wenn ihre ökologischen Stützsysteme kollabieren.

 

  Das Wesen der neuen Welt  

Vor einiger Zeit hat ein neues Jahrhundert begonnen, doch es war auch der Eintritt in eine neue Welt, in der unsere wachsende Nachfrage immer häufiger mit den Kapazitäten der Erde, diese zu befriedigen, kollidiert. Egal, ob es nun eine Hitzewelle ist, die die Ernten verdorren lässt, ein weiteres Dorf, das von seinen Bewohnern wegen immer stärker vorrückender Sanddünen aufgegeben wurde oder ein weiterer Grundwasserleiter, der leer gepumpt wurde. Wenn wir nicht schnellstmöglich dafür sorgen, dass sich diese Trends umkehren, werden diese scheinbar unzusammenhängenden Ereignisse sich häufen und beginnen, unsere Zukunft zu bestimmen.

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Ressourcen, die über Äonen von Jahren entstanden sind, werden von uns innerhalb eines Menschen­lebens aufgebraucht. Wir überschreiten ökologische Grenzen, die für uns unsichtbar sind, und Fristen, die uns nicht bewusst sind. Doch diese von der Natur gesetzten Grenzen sind nicht politisch verhandelbar.

Die Natur setzt viele Fristen, die wir erst wahrnehmen, wenn es bereits zu spät ist. In unserer Hochgeschwindig­keitswelt bemerken wir die Überschreitung, nachdem sie geschehen ist, wodurch uns kaum Zeit bleibt zu reagieren. Wenn wir die ökologisch vertretbare Fangquote eines Fischbestandes überschreiten, sinken die Bestände. Wenn die Grenze einmal überschritten wurde, bleibt uns nur begrenzt Zeit, um uns zu besinnen und den Fischfang einzuschränken. Wenn wir nicht rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, werden die Fischbestände den Punkt erreichen, an dem sich der Gesamtbestand nicht mehr erholt und kollabiert.

Das Schicksal früherer Zivilisationen lehrt uns, dass die wichtigsten Indikatoren für einen wirtschaftlichen Verfall nicht wirtschaftlicher Natur waren, sondern ökologischer. Zuerst verschwanden die Bäume, dann erodierten die Böden und schließlich starb die Zivilisation selbst aus. Für Archäologen klingt diese Abfolge nur allzu vertraut.

Unsere heutige Situation stellt eine noch weitaus größere Herausforderung dar, weil wir uns zusätzlich zum Waldsterben und dem Auswaschen der Böden noch mit Problemen sinkender Wasserspiegel, vermehrter Hitzewellen, die die Ernten verdorren lassen, kollabierender Fischbestände, der Ausbreitung der Wüsten, des Verfalls der Weideflächen, des Absterbens der Korallenriffe, des Abschmelzens der Gletscher, steigender Meeresspiegel, stärker werdender Stürme, des Artensterbens und schon bald der sinkenden Erdölreserven auseinandersetzen müssen. Obwohl diese ökologisch zerstörerischen Trends schon seit einiger Zeit bekannt sind und einigen auf nationaler Ebene auch entgegengewirkt wird, ist doch die Lösung dieser Probleme bisher auf globaler Ebene nicht in Angriff genommen worden.

Das Grundproblem besteht darin, dass sich die Welt in einem "Overshoot-and-Collapse"-Modus2) befindet, wie es Ökologen nennen. In der Vergangenheit hat die Nachfrage die ökologisch verträgliche Nutzung der natürlichen Systeme auf lokaler Ebene bereits unzählige Male überschritten, doch jetzt geschieht dies zum ersten Mal auf globaler Ebene.

2)  Anm. d. Übers.: Wörtlich etwa: Überschreitung und Zusammenbruch 

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Die Waldbestände gehen weltweit zurück, kollabierende Fischbestände sind ein weitverbreitetes Problem, die Weideflächen verfallen auf allen Kontinenten, die Wasserspiegel sinken in vielen Ländern und die CO2-Emissionen übersteigen weltweit die CO2-Bindung.

 

2002 kam ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung von Mathis Wackernagel, der inzwischen das Global Footprint Network leitet, zu dem Schluss, dass die kollektive Nachfrage der Menschheit die regenerativen Kapazitäten der Erde erstmals um 1980 überschritten hat. In der Studie, die von der U.S. National Academy of Sciences veröffentlicht worden ist, finden sich Schätzungen, dass die weltweite Nachfrage im Jahr 1999 die genannten Kapazitäten um 20 Prozent überstieg. Diese Diskrepanz, die um etwa ein Prozent pro Jahr wächst, ist inzwischen noch deutlich größer. Die Befriedigung der derzeitigen Nachfrage geschieht als Ausbeutung der natürlichen Reserven der Erde, wodurch der Boden für einen Kollaps bereitet wird.

In einem genialen Ansatz zur Berechnung der physischen Präsenz der Menschheit auf unserem Planeten hat Paul MacCready, Gründer und Vorsitzender von AeroVironment und Entwickler des ersten mit Solarenergie betriebenen Flugzeugs, das Gewicht aller auf dem Land und in der Luft lebenden Wirbeltiere berechnet. Er stellt fest, dass zu Beginn der Landwirtschaft alle Menschen, ihre Viehbestände und Haustiere zusammen weniger als 0,1 Prozent ausmachten. Heute, so schätzt er, machen sie 98 Prozent der gesamten Biomasse der Wirbeltiere aus, womit lediglich zwei Prozent für wild lebende Tiere, darunter alle Hirsche, Gnus, Elefanten, Großkatzen, Vögel, Kleinsäuger und sonstige bleiben.

Ökologen kennen das <Overshoot-and-Collapse>-Phänomen sehr gut. Eines der bekanntesten Beispiele ist das der abgelegenen St. Matthew-Insel in der Beringsee. Hier hatte die Küstenwache im Jahr 1944 29 Rentiere als Nahrungsmittelquelle für die 19 Mann starke Besatzung der Station angesiedelt. Als der Zweite Weltkrieg ein Jahr später zu Ende war, wurde die Basis geschlossen, die Besatzung verließ die Insel. Als David Kline, Biologe beim U.S. Fish and Wildlife Service, 1957 die Insel besuchte, stieß er auf eine blühende Rentierpopulation von 1.350 Rentieren, die sich von einer 10 cm dicken Matte aus Flechten ernährten, die die 332 km² große Insel bedeckte

 

3)  M. Wackernagel et al., "Tracking the Ecological Overshoot of che Human Economy,"  Proceedings of the National Academy of Seieiices, Vol. 99, Nr. 14 (9.07.2002), S. 9, 266-71
4)  Paul B. MacCready, AeroVironment Inc., Brief an den Autor, 19. April 2005.

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Da es keine natürlichen Feinde gab, stieg die Population sprunghaft an, 1963 waren es bereits 6.000 Tiere. Als Kline 1966 nach St. Matthew zurückkehrte, gab es dort fast keine Flechten mehr, dafür war die Insel übersät mit Rentierskeletten. Lediglich 42 Rentiere überlebten, 41 weibliche und ein nicht vollständig gesundes männliches Tier, Junge gab es nicht. Um 1980 waren auch die restlichen Rentiere ausgestorben.

Wie die Rentiere von St. Matthew so sind auch wir dabei, unsere natürlichen Ressourcen übermäßig zu strapazieren. Ein Overshoot führt entweder zu einem Niedergang oder zu einem vollständigen Zusammen­bruch. Es ist nicht immer klar, wann was passiert. Im ersten Fall überlebt ein kleiner Teil der Population oder der Wirtschaft in einer Umgebung verminderter Ressourcen. So sank zum Beispiel die Bevölkerungszahl der Osterinsel im Südpazifik infolge der Abnahme der Ressourcenbasis von 20.000 vor mehreren Jahrhunderten auf heute weniger als 4.000. Im Gegensatz dazu brach die 500 Jahre alte Siedlung der Nordmänner in Grönland im 15. Jahrhundert zusammen und verschwand infolge von Umweltproblemen völlig.

2005 verfügten 42 Länder über eine Bevölkerung, die infolge sinkender Geburtenraten entweder stabil blieb oder sogar leicht zurückging. Doch heute prognostizieren Demographen im Falle einiger Länder, darunter Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland, erstmals einen Bevölkerungsrückgang infolge steigender Sterberaten. Wenn nicht sehr schnell ein Übergang zu kleineren Familien stattfindet, wird diese Liste in den nächsten Jahren vermutlich noch deutlich länger werden.

Die neuesten mittleren Bevölkerungsprognosen der UNO zeigen, dass die Weltbevölkerung von 6,1 Milli­arden im Jahr 2000 auf 9,1 Milliarden bis 2050 anwachsen wird. Ein solches Wachstum erscheint angesichts der derzeitigen Verschlechterung der „lebenserhaltenden Systeme" in großen Teilen der Welt aber höchst unwahrscheinlich. Werden wir die 9,1 Milliarden-Marke nicht erreichen, weil wir die weltweite Armut ausrotten und die Geburtenraten senken oder weil wir es nicht tun und die Sterberaten zu steigen beginnen, wie es in vielen afrikanischen Ländern bereits der Fall ist? So stehen wir also vor zwei großen Herausforderungen: der Neustrukturierung der Weltwirtschaft und der Stabilisierung der Weltbevölkerung.

 

5)  Ned Rozell und Dan Chay, "St. Matthew Island: Overshoot & Collapse," Energy Bulletin, 23. November 2003. 
6) Diamond, op. cit. Note 1. S. 90,248-76; "PoblaciönTotal, Por Sexo E Indice de Masculinidad, Segün Division Politico Administrativay Area Utbana-Rural, "Tabelle in: Chile lnstituto Nacional de Estadisticas, Resultates Generales Censo 2002 (Santiago, Chile: 2003).  
7) Vereinte Nationen, World Population Prospects-. The 2004 Revision (New York: 2005); Population Reference Bureau, 2005 World Population Data Sheet, Schautafel (Washington, DC: August 2005); Population Reference Bureau, 2004 World Population Data Sheet, Schautafel (Washington. DC: August 2004).

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Selbst jetzt, da die ökologischen Stützsysteme der Wirtschaft mehr und mehr verfallen, verschwendet die Welt sorg- und hemmungslos Erdöl. Führende Geologen sind der Ansicht, die Erdölproduktion würde in nächster Zukunft ihren Zenit erreichen und danach stetig sinken. Diese Spannung zwischen der stetig wachsenden Nachfrage nach Erdöl und den endlichen Ressourcen der Erde ist nur die neueste in einer langen Reihe derartiger Kollisionen. Obwohl niemand genau sagen kann, wann die Erdölproduktion ihren Zenit überschreiten wird, hinkt das Angebot der Nachfrage bereits hinterher, wodurch die Preise massiv in die Höhe getrieben werden.

In der <neuen Welt> beginnt inzwischen der Preis für Erdöl den für Lebensmittel zu bestimmen, allerdings nicht auf Grund steigender Benzinkosten für Farmer und lebensmittelverarbeitende Betriebe, sondern weil inzwischen fast jedes Lebensmittel in einen Autokraftstoff umgewandelt werden kann. In der neuen Welt der hohen Ölpreise werden Supermärkte und Tankstellen auf dem Markt um dieselben grundlegenden Rohstoffe wie Weizen, Mais, Sojabohnen und Zuckerrohr konkurrieren. Weizen kann, wenn er auf den Markt gelangt, sowohl zur Herstellung von Brot für die Supermärkte verwendet als auch in Ethanol für die Tankstellen umgewandelt werden. Sojabohnenöl kann in Supermarktregalen oder in Zapfsäulen für Dieselbrennstoff landen. Im Grunde werden die Besitzer der 800 Millionen Autos weltweit mit den 1,2 Milliarden Menschen, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen, um dieselben Lebensmittel­rohstoffe konkurrieren.

Angesichts der schier unersättlichen Nachfrage für Autokraftstoffe werden Farmer immer größere Teile der verbliebenen Regenwaldflächen roden, um dort Zuckerrohr, Ölpalmen und andere ertragreiche Nutzpflanzen zur Treibstoffgewinnung anzubauen. Bereits jetzt fließen Milliarden Dollar an privatem Kapital in derartige Bemühungen. Tatsächlich haben die steigenden Ölpreise dazu geführt, dass die Artenvielfalt der Erde erneut massiv bedroht ist. 

 

8)  Vereinte Nationen, op. cit. Note 6.  
9)   Für weitere Informationen zum ''Peak Oil" siehe Kapitel 2.  
10)  Zur Autoflotte gehören PKWs und Nutzlahrzeuge, viele davon kleine Trucks und Geländewagen zum persönlichen Gebrauch. Aus: Ward s Communications, Ward's World Motor Vehick Data 2004 (Southfield, MI: 2004), S. 238; Bevölkerungsteile, die von weniger als 1 S am Tilg leben müssen. Aus: Weltbank. World Development Report 2005 (New York: Oxford University Press, 2004).

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Mit der steigenden Nachfrage nach Rohstoffen aus der Landwirtschaft verschiebt sich der traditionell auf der Sicherung des Zugangs zu den Märkten liegendende Fokus im Handelsbereich hin zur Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen. Länder, die stark vom Import von Getreide abhängig sind, beginnen sich zu sorgen, dass die Einkäufer der Treibstoffdestillerien sie im Kampf um Rohstoffe ausstechen könnten. Im Zuge der Verschlechterung der Erdölversorgung wird sich auch die Lage im Bereich der Nahrungs­sicherung verschärfen.

Mit dem Rückgang der Bedeutung des Erdöls wird sich der Globalisierungsprozess auf fundamentale Weise umkehren. Da sich die Welt im vergangenen Jahrhundert zunehmend auf Erdöl gestützt hat, wurde die Energiewirtschaft immer stärker globalisiert, wodurch die gesamte Welt von den Energievorräten einer Handvoll Länder im Nahen Osten abhängig wurde. Jetzt, da die Welt sich verstärkt der Energieerzeugung durch Wind, Solarzellen und geothermische Energie zuwendet, ist eine stärkere Lokalisierung der weltweiten Energiewirtschaft zu verzeichnen.

Die Globalisierung der weltweiten Lebensmittelindustrie wird sich ebenfalls umkehren, da die erhöhten Erdölpreise auch die Kosten für internationale Lebensmitteltransporte steigen lassen werden. Als Reaktion darauf werden Verbrauch und Produktion von Lebensmitteln stärker ortsbezogen werden, was dazu führen wird, dass die Ernährung stärker von der saisonalen Verfügbarkeit und der lokalen Produktion abhängen wird.

Die Welt steht kurz vor der Entstehung einer Geopolitik des Mangels, die sich bereits deutlich in den Bemühungen Chinas, Indiens und anderer Entwicklungsländerum eine Sicherung des Zugangs zu Erdöl zeigt. Zukünftig wird die Frage sein, wer Zugang nicht nur zum Erdöl im Nahen Osten, sondern auch zu brasilianischem Ethanol und nordamerikanischem Getreide hat. Der Druck auf Land- und Wasserressourcen, der in den meisten Teilen der Welt bereits deutlich spürbar ist, wird sich verstärken, je mehr die Nachfrage nach Biotreibstoffen wächst. Diese Geopolitik des Mangels war früher Ausdruck einer Zivilisation im "Overshoot-and-Collapse"-Modus, ähnlich wie im Falle der Mayastädte, die in den Jahren, da sich diese Zivilisation bereits im Niedergang befand, miteinander um Lebensmittel konkurrierten.11)

Man muss kein Ökologe sein, um zu erkennen, dass die Weltwirtschaft letztendlich zusammenbrechen wird, sollten die derzeitigen Trends im Umweltbereich andauern. Dabei mangelt es nicht an Wissen. Die Frage ist, ob die Regierungen die Bevölkerungszahlen stabilisieren und die Wirtschaft umstrukturieren können, bevor es zu spät dafür ist. Ein Blick nach China führt uns die Dringlichkeit eines schnellen Handelns deutlich vor Augen.

 

11)  Diamond, op. cit. Note 1, S. 90, 248-76.  

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Das Beispiel China  

 

Jahrelang haben Umweltschützer bei der Frage nach dem weltweit größten Verbraucher vorwurfsvoll auf die USA verwiesen und angemahnt, dass fünf Prozent der Weltbevölkerung fast ein Drittel der Erdressourcen verbrauchen. Dies entsprach lange Zeit der Wahrheit, doch jetzt tut es das nicht mehr, da China die Vereinigten Staaten inzwischen als größten Konsumenten grundlegender Rohstoffe abgelöst hat.

Wenn man die fünf wichtigsten Rohstoffe aus den Bereichen Lebensmittel, Energie und Industrierohstoffe — Getreide und Fleisch, Öl und Kohle, sowie Stahl — betrachtet, so hat China die Vereinigten Staaten im Verbrauch dieser Güter, außer Öl, überholt. Bei Getreide lag China 2005 mit 380 Millionen Tonnen bereits weit vor den Vereinigten Staaten mit einem Verbrauch von 260 Millionen Tonnen. Bei den drei wichtigsten Getreidesorten führt China sowohl im Verbrauch von Weizen als auch von Reis und liegt nur beim Verbrauch von Mais hinter den Vereinigten Staaten.

Obwohl der Verzehr von Hamburgern ein fester Bestandteil des amerikanischen Lebens ist, lag der Fleisch­verbrauch in China 2005 mit 67 Millionen Tonnen deutlich über dem der Vereinigten Staaten (38 Millionen Tonnen). Während sich der Fleischverbrauch in den USA fast gleichmäßig auf Rindfleisch, Schweinefleisch und Geflügel verteilt, liegt in China der Löwenanteil beim Schweinefleisch. Tatsächlich wird die Hälfte aller Schweine auf der Erde inzwischen in China gehalten.

In Bezug auf Erdöl haben die USA im Jahr 2004 mit einem dreimal höheren Verbrauch als China noch solide geführt: Sie verbrauchten zu diesem Zeitpunkt 20,4 Millionen Barrel pro Tag, im Vergleich zu nur 6,5 Millionen Barrel in China. Doch der Erdölverbrauch in den USA ist zwischen 1994 und 2004 um 15 Prozent gestiegen, während sich der Verbrauch Chinas in dieser Zeit mehr als verdoppelt hat. Nachdem China kürzlich Japan im Erdölkonsum überholt hat, liegt es jetzt direkt hinter den Vereinigten Staaten.15)

 

12)  The New Road Map Foundation, "All-Consuming Passion: Waking up from the American Dream," Datenblatt, EcoFuture, Update 17. Januar 2002.  
13)  U.S. Department of Agriculture (USDA), Production, Snpply, & Distribution, elektronische Datenbank, auf www.fas.usda.gov/psd. Update 13. September 2005. 
14) U.N. Food and Agriculture Organization (FAO), FAOSTAT Statistin Dutabase, auf apps. fao.org, Update 14. Juli 2005.

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Es ist allgemein bekannt, dass in China zur Energiegewinnung auch Kohle herangezogen wird, sie deckt fast zwei Drittel des Energiebedarfs des Landes. Chinas jährlicher Verbrauch von 960 Millionen Tonnen liegt deutlich über dem der Vereinigten Staaten von nur 560 Millionen Tonnen. Bei diesem Verbrauchs­niveau im Bereich Kohle und dem rasant steigenden Verbrauch von Erdöl und Erdgas ist es nur eine Frage der Zeit, bis Chinas Kohlenstoffemissionen die gleichen Werte erreichen wie die der Vereinigten Staaten. Es wird somit zwei große Länder geben, die den Klimawandel vorantreiben.

Chinas Stahlverbrauch, ein wichtiger Indikator für die industrielle Entwicklung eines Landes, war 2003 mit 258 Millionen Tonnen etwa 2 1/2 mal höher als der der Vereinigten Staaten (104 Millionen Tonnen). Da China sich mittlerweile in der Konstruktionsphase seiner Entwicklung befindet und Hunderttausende neuer Fabriken, Wohn- und Bürohochhäuser gebaut werden, hat der Stahlverbrauch inzwischen Höhen erreicht, wie man sie auch aus anderen Ländern bisher nicht kannte.17) Im Bereich der Verbrauchsgüter ist China bei Mobiltelefonen, Fernsehgeräten und Kühlschränken deutlich führend, während die Vereinigten Staaten nach wie vor bei PCs — wenn auch nicht mehr lange — und bei Pkw führen.

Die Tatsache, dass China die Vereinigten Staaten beim Verbrauch wichtiger Rohstoffe inzwischen überholt hat, bringt uns zur nächsten Frage: Was, wenn China die Vereinigten Staaten im Pro-Kopf-Verbrauch einholt? Sollte die chinesische Wirtschaft weiterhin um etwa acht Prozent pro Jahr wachsen, so wird das Pro-Kopf-Einkommen im Jahr 2031 dem in der USA im Jahr 2004 entsprechen. Wenn man nun weiter annimmt, dass die Verbrauchsmuster der wohlhabenden chinesischen Bevölkerung 2031, zu diesem Zeitpunkt geschätzte 1,45 Milliarden Menschen, etwa denen der amerikanischen Bevölkerung im Jahr 2004 entsprechen werden, so erhalten wir eine alarmierende Antwort auf unsere Frage.

 

15)  U.S. Department of Energy (DOE), Energy Information Administration (EIA), '"World Oil Demand," International Petroleum Monthly, Dezember 2004. 
16)  Brirish Petroleum (BP), Statistical Review ofWorld Energy 2005 (London: Group Media & Publishing, 2005). 
17)  International Iron and Steel Institute, Steel Statistical Yearbook 2004 (Brüssel, 2004); Daten für 1990—93 von Phil Hunt, Iron and Steel Statistics Bureau, E-Mail an Viviana jimenez, Earth Policy Institute, 24. Januar 2005. 
18)  UNStats Statistics Database, auf unstats.un.org/unsd, Ansicht am 14. Februar 2005; International Telecommunication Union (ITU), Telecommunication Statistics auf www.itu.int/ITU-D/ict/statistics/at_glance/ cellular03.pdf, 15. März 2005; ITU, Telecommunication Statistics auf www.itu.int/ITU-D/ict/statistics/at_glance/internet03. pdf, 15. März 2005; Ward's Communications, op. cit. Note 9.

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Wenn man den derzeitigen amerikanischen Getreideverbrauch von 900 kg pro Person, einschließlich der Nutzung für industrielle Zwecke, zugrunde legt, so würde der Getreideverbrauch in China im Jahr 2031 etwa zwei Dritteln der derzeitigen weltweiten Getreideernte entsprechen. Wenn der Pro-Kopf-Verbrauch von Papier in China dann auf dem gleichen Niveau sein sollte, wie derzeit in den USA, so läge er bei 305 Millionen Tonnen Papier — das wäre mehr als das Doppelte der derzeitigen weltweiten Produktion von 161 Millionen Tonnen und bedeutete das Ende der Waldbestände weltweit. Sollte der Pro-Kopf-Verbrauch von Erdöl 2031 das derzeitige US-Niveau erreichen, würde China täglich 99 Millionen Barrel verbrauchen. Derzeit werden täglich weltweit 84 Millionen Barrel Erdöl produziert, womit die Fördergrenze im Wesentlichen bereits erreicht ist. Dies erklärt unter Anderem, warum Chinas rasant wachsender Erdölhunger zur Entstehung einer Politik des Mangels beiträgt.20)

 

Oder nehmen wir einmal die Autos. Sollten in China eines Tages drei Autos auf vier Personen kommen, wie es derzeit in den USA der Fall ist, so würde dies eine Autoflotte von 1,1 Milliarden Fahrzeugen bedeuten — deutlich mehr als die derzeitige Zahl der Autos von weltweit 800 Millionen. Wollte man für diese riesige Autoflotte die notwendigen Straßen, Autobahnen und Parkmöglichkeiten schaffen, so müsste man dafür zusätzlich eine Fläche von der Größe der Gesamtanbaufläche für Reis in China asphaltieren, und Reis ist immerhin das wichtigste Lebensmittel in China.21) 

Aus diesen Angaben muss man zwangsläufig den Schluss ziehen, dass es nicht genug Ressourcen gibt, als dass China die derzeitigen Verbrauchsniveaus der Vereinigten Staaten erreichen könnte. Das westliche Wirtschaftsmodell — eine auf Treibstoff basierende, rund um das Auto aufgebaute Wegwerfwirtschaft — wird bei den geschätzten 1,45 Milliarden Menschen, die China 2031 bevölkern werden, nicht

 

19)  Wachstum der chinesischen Wirtschaft aus: Internationaler Währungsfond (IWF), World Economic Outlook Database, aufwww.imf.org/external/ pubs/ft/weo, Update April 2005; Bevölkerungszahlen aus Vereinte Nationen, op. cit. Note 6. 
20)  Getreide aus USDA, op. cit. Note 12; Zu Papier gehören beschichtetes Papier, Haushalts- und Toilettenpapier, Zeitungspapier, andere Papierarten, Packpapier, Druckpapier und Geschenkpapier. Grundlage bilden Daten der FAO, op. cit. note 13; Daten zu Erdöl von BP, op. cit. Note 15; Alle Pro-Kopf-Kalkulationen basieren auf Bevölkerungsdaten der UNO. Vereinte Nationen, op. cit. Note 6. 
21)  Waids Communications, op. cit. Note 9.

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funktionieren, ebenso wenig wie in Indien, dessen Bevölkerungszahlen für 2031 noch höher geschätzt werden als die Chinas. Auch für die restlichen 3 Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern, die ebenfalls den <amerikanischen Traum> träumen, wird es nicht funktionieren. In einer immer stärker integrierten Weltwirtschaft, in der alle Länder um dieselben Ressourcen konkurrieren — dasselbe Öl, Getreide und Eisenerz — wird das bestehende Wirtschaftsmodell nicht einmal mehr für die Industrieländer funktionieren.22)

 

Die Lektionen der Vergangenheit

 

Unsere globale Zivilisation des 21. Jahrhunderts ist nicht die erste, die sich mit der Aussicht auf einen durch ökologische Probleme verursachten wirtschaftlichen Niedergang konfrontiert sieht. Die Frage ist, wie wir darauf reagieren. Wir verfügen über einen klaren Vorteil — archäologische Erkenntnisse, die uns vor Augen führen, welches Schicksal frühere Zivilisationen ereilt hat, wenn sie auf ökologische Probleme nicht reagierten.

Wie Jared Diamond in Collapse aufzeigt, haben einige der früheren Zivilisationen rechtzeitig auf bestehende ökologische Probleme reagiert und so einen Untergang vermieden. Vor sechshundert Jahren mussten die Isländer feststellen, dass die Überweidung ihres grasbewachsenen Hochlandes zu massiven Bodenerosionen der ohnehin dünnen Böden der Region führte. Um die Grasflächen nicht völlig einzubüßen und einen wirtschaftlichen Niedergang zu vermeiden, kamen die Bauern zusammen, um zu entscheiden, wie viele Schafe das Hochland vertragen konnte und legten Quoten fest. Dadurch wurden die Grasflächen erhalten. Man vermied, was Garrett Hardin später als "Tragödie der Allmende" bezeichnen sollte.23)

 

Den Isländern waren die Konsequenzen einer Überweidung bewusst, so beschränkten sie ihren Schafbestand auf ein ökologisch verträgliches Maß. Uns sind zwar die Konsequenzen der Verbrennung fossiler Brennstoffe und der daraus resultierenden Erhöhung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre ebenso bewusst, doch im Gegensatz zu den Isländern, die bereit waren, ihren Viehbestand zu beschränken, sind wir bisher nicht willens, unsere CO2-Emissionen zu drosseln. 

 

22)  Vereinte Nationen, op. cit. Note 6. 
23)  Diamond, op. cit. Note 1; Garrett Hardin,''The Tragedy of the Commons,'\SV/V;7«', Vol. 162 (13. Dezember 1968).

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Nicht alle Gesellschaften haben so vernünftig reagiert wie die Isländer, deren Wirtschaft nach wie vor blüht und die auch weiterhin Wolle produzieren. Die frühe Zivilisation der Sumerer aus dem 4. Jahrtausend vor Christus war außergewöhnlich hochentwickelt, weitaus höher als irgendeine andere vor ihr. Dank ihrer ausgeklügelten Bewässerungssysteme verfugte sie über eine so produktive Landwirtschaft, dass die Bauern einen Nahrungsmittelüberschuss erwirtschaften konnten, was die Entstehung der ersten Städte begünstigte. Das Betreiben dieses Bewässerungssystems erforderte ein hochentwickeltes soziales Gefüge. Die Sumerer bauten die ersten Städte und verfugten in Form der Keilschrift als erste über eine Schriftsprache.24)

Obwohl es sich zweifellos um eine außerordentliche Zivilisation handelte, hatte ihr Bewässerungssystem doch einen ökologischen Haken, der letztlich die Lebensmittelversorgung gefährden sollte. Das durch quer über den Euphrat gebaute Dämme aufgestaute Wasser wurde durch ein Netzwerk kleiner Kanäle, die sich durch die Anziehungskraft mit Wasser füllten, über das Land verteilt. Ein Teil des Wassers diente zur Bewässerung der Anbauflächen, ein Teil verdunstete und ein Teil versickerte im Boden. Da die natürliche Entwässerung des Bodens in dieser Region sehr schwach war, erhöhte sich durch das Sickerwasser langsam der Grundwasserspiegel. Als das Wasser dann nur noch wenige Zentimeter von der Erdoberfläche entfernt war, verdunstete es in die Atmosphäre. Zurück blieb nur das Salz, das sich im Boden anreicherte und im Laufe der Zeit die Produktivität der Böden sinken ließ.25) 

Als die Böden immer mehr versalzten und die Weizenernten zunehmend schlechter ausfielen, stiegen die Sumerer auf den Anbau von Gerste um, weil diese weniger empfindlich auf Salz reagiert. Dadurch wurde der Niedergang der Zivilisation zwar hinausgezögert, doch behandelte man letztlich nur die Symptome, nicht die Ursache der sinkenden Erträge. Da die Salzkonzentration weiter stieg, begannen schließlich auch die Gerstenerträge zu sinken. Durch die daraus resultierende Lebensmittelverknappung wurde dieser vormals so großen Zivilisation die wirtschaftliche Grundlage entzogen. Mit dem Verfall der Böden verfiel auch die Zivilisation.26)

 

24) - Sandra Postel, Pill« of Sand (New York: W.W. Norton & Company, 1999), S. 13-21.
25) - Ebenda  
26) - Ebenda  

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Der Archäologe Robert McC. Adams hat die Ausgrabungsstätten der Sumerer in der zentralen Talaue des Euphrat untersucht, einem öden, trostlosen Gebiet, das heute außerhalb der Grenzen landwirtschaftlich nutzbarer Gebiete liegt. Er schreibt, die 

"verwobenen Dünen, die schon lange nicht mehr benutzten Kanaldämme und die mit Schutt übersäten Hügel ehemaliger Siedlungen bilden nur ein niedriges, formloses Relief. Die Vegetation ist spärlich, und in vielen Gebieten fehlt sie fast völlig...... Und doch befand sich hier einst das Zentrum, das Herzstück, der ältesten urbanen Zivilisation der Welt mit eigener Schrift."27)

Die Zivilisation der Maya, die sich im Tiefland des heutigen Guatemala entwickelte, bildet das amerikanische Gegenstück zu den Sumerern. Ihre Blütezeit begann um 250 nach Christus und setzte sich bis zu ihrem Untergang um 900 nach Christus fort. Ebenso wie die Sumerer verfügten auch die Maya über eine komplexe und höchst produktive Landwirtschaft, die in diesem Fall auf erhöht gelegenen Anbauflächen basierte, die mit Hilfe von sie umgebenden Kanälen mit Wasser versorgt wurden.28

Ähnlich wie im Falle der Sumerer stand auch der Untergang der Maya offensichtlich im Zusammenhang mit einer Verknappung der Nahrungsmittel. Im Falle dieser neuweltlichen Zivilisation wurde die Landwirtschaft durch Entwaldung und Bodenerosion unterminiert, auch klimatische Veränderungen könnten eine Rolle gespielt haben. Lebensmittelknappheiten führten offensichtlich zu offenen Konflikten zwischen den verschiedenen um die Lebensmittel konkurrierenden Mayastädten. Inzwischen hat sich die Natur das Gebiet zurückerobert, es ist vollständig vom Dschungel überwachsen.29 

In den späten Jahrhunderten der Zivilisation der Maya entwickelte sich auf der abgelegenen Osterinsel, 166 km2 Land im Südpazifik, etwa 3.200 km2 von Südamerika und 2.200 km2 von Pitcairn, dem nächsten bewohnten Eiland entfernt, eine neue Gesellschaft. Diese Zivilisation, die um etwa 400 nach Christus entstand, erblühte auf einer vulkanischen Insel mit fruchtbaren Böden und üppiger Vegetation, darunter Bäume mit einer Höhe von 25 Metern und einem Stammdurchmesser von 2 Metern. Archäologische Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Inselbewohner sich hauptsächlich von Meereslebewesen ernährten, hauptsächlich von Delphinen — einem Säugetier, das nur mit Hilfe von Harpunen und hochseetüchtigen Kanus erlegt werden konnte.30)

 

27)  Robert McC. Adamszitiert in Joseph Tainter, Thc'Co/laßst:of Complex SoLii'tü's( Cambrids,f,Gß: Cambridge University Press, 1988). S. 1. 
28)  "Maya," Encyclopaedia Britannien, Online-Enzyklopädie, Ansicht am 7. August 2000. 
29)  Ebenda

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Die Gesellschaft der Osterinsel florierte mehrere Jahrhunderte lang und erreichte eine Populationsgröße von 20.000. Mit dem stetigen Anwachsen der Bevölkerung ging auch die Abholzung über das ökologisch verträgliche Maß hinaus. Die zum Bau der robusten Kanus benötigten großen Bäume verschwanden nach und nach. Ohne die Kanus hatten die Inselbewohner keine Möglichkeit mehr, auf Delphinfang zu gehen, wodurch ihr Nahrungsmittelangebot massiv eingeschränkt wurde. Archäologische Erkenntnisse zeigen, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt menschliche Knochen und Delphinknochen gemeinsam auftauchten, was die Vermutung nahelegt, dass die Gesellschaft in ihrer Verzweiflung Zuflucht zum Kannibalismus nahm. Heute leben auf der Insel nur noch weniger als 4.000 Personen.31)

Eine Frage, die sich in Bezug auf frühere Zivilisationen stellt und die sich nicht beantworten lässt, lautet, ob sie wohl die Ursache ihres Niederganges erkannten. Erkannten die Sumerer, dass der durch die Verdunstung des Wassers verursachte steigende Salzgehalt im Boden ihre Weizenerträge sinken ließ? Und wenn sie es erkannten, waren sie dann einfach unfähig, die politische Unterstützung für ein Absenken der Wasserspiegel aufzubringen, ähnlich wie die Welt heute erfolglos um eine Senkung der Karbonemissionen kämpft?

Das waren nur drei von vielen früheren Zivilisationen, die einen für die Natur unverträglichen ökologischen Weg beschritten hatten. Auch wir befinden uns auf einem solchen Weg. Jeder der vielen Trends des Raubbaus an unserer Umwelt könnte unsere Zivilisation, wie wir sie kennen, gefährden. Ebenso wie das sumerische Bewässerungssystem, so hat auch das auf fossilen Brennstoffen basierende Energiesystem, das unsere moderne Wirtschaft bestimmt, einen ökologischen Haken. Im Falle der Sumerer haben die steigenden Wasserspiegel die Wirtschaft unterminiert, in unserem Falle sind es steigende CO2-Werte, die den wirtschaftlichen Fortschritt bedrohen. In beiden Fällen ist der Trend unsichtbar.

Ob der Grund dafür nun die Versalzung der Böden wie bei den Sumerern war, die Entwaldung und Erosion der Böden wie bei den Maya oder die dezimierten Baumbestände und damit der Verlust der Möglichkeit, in weiter entfernten Gebieten zu fischen wie im Falle der Bewohner der Osterinsel.

 

30)  Jared Diamond, "Easter's End." Discover, August 1995, S. 63-69.
31)  Ebenda

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Der Niedergang dieser früheren Zivilisationen scheint in jedem Fall im Zusammenhang mit einem verringerten Nahrungsmittelangebot zu stehen. Heute lässt ein jährliches Anwachsen der Weltbevölkerung um mehr als 70 Millionen Menschen bei bereits vorhandenen 6 Milliarden — und das zu einem Zeitpunkt, da die Wasserspiegel fallen, die Temperaturen steigen und die Ölreserven immer weiter abnehmen werden — die Vermutung aufkommen, dass die Nahrungsmittelversorgung einmal mehr die Schwachstelle in der Verbindung zwischen Umwelt und Wirtschaft sein könnte.32)

 

Die Entstehung einer Politik des Mangels

 

Der erste große Test für die Fähigkeit der Weltgemeinschaft, mit Mangel umzugehen, könnte entweder im Bereich Erdöl oder im Bereich Getreide auf uns zukommen. Dies könnte geschehen, wenn China — dessen Getreideernte zwischen 1998 und 2005 um 34 Millionen Tonnen oder neun Prozent gesunken ist — seine massiven Importe von 30, 50 oder gar 100 Millionen Tonnen Getreide pro Jahr auf dem Weltmarkt zu decken versucht. Eine derartig hohe Nachfrage könnte den Getreideweltmarkt rasch überfordern. Wenn das passiert, muss sich China an die Vereinigten Staaten wenden, die mehr als 40 Prozent der weltweiten Getreideexporte von insgesamt etwa 200 Millionen Tonnen kontrollieren.33

Dadurch wird eine faszinierende geopolitische Situation entstehen. Mehr als 1,3 Milliarden chinesischer Konsumenten, die einen Handelsüberschuss von geschätzten 160 Milliarden Dollar im Handel mit den Vereinigten Staaten im Jahr 2004 erwirtschafteten — genug um die gesamte amerikanische Getreideernte zweimal aufzukaufen — würden mit den Amerikanern um das US-Getreide konkurrieren und so die Lebensmittelpreise in den USA in die Höhe treiben. Vor 30 Jahren befanden sich die USA in einer ähnlichen Situation und beschränkten einfach die Exporte. Doch China ist inzwischen der Bankhalter der USA und hat einen Großteil der riesigen Haushaltsdefizite durch massive Aufkäufe von US-Obligationen gegengezeichnet.34)

 

32)  Vereinte Nationen, op. cit. Note 6. 
33)  USDA, op. cit. Note 12. 
34)  Vereinte Nationen, op. cit. Note 6; U.S. Census Bureau, Foreign Trade Statistics, "Trade: Imports, Exports and Trade Balance with China,'' auf www.census.gov/foreign-trade/ balance/c5700.html, Update Juni 2005; Peter Goodman, "China Teils Congress to Back Off Business," Washington Post, 5. Juli 2005.

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In den nächsten paar Jahren könnte es passieren, dass die Vereinigten Staaten jeden Tag ein oder zwei Schiffe mit Getreide beladen und nach China schicken. Diese lange Reihe von Schiffen, die sich wie eine Nabelschnur über den gesamten Pazifik erstreckt, wird die ultimative Verbindung zwischen den beiden Wirtschaften darstellen. Diesen Getreidefluss so zu verwalten, dass gleichzeitig die Bedürfnisse der Konsumenten in beiden Ländern befriedigt werden zu einer Zeit, da Ethanoldestillerien einen immer größeren Teil der Getreideernte in den USA schlucken, könnte somit zu einer der größten außenpolitischen Herausforderungen dieses neuen Jahrhunderts werden.

Die Art und Weise, wie die Welt mit der vorhergesagten enormen Nachfrage Chinas, Indiens und anderer Entwicklungsländer nach Getreide, Erdöl und anderen Ressourcen umgeht, wird zeigen, wie die Welt mit dem Stress fertig wird, der entsteht, wenn wir über die Welt hinauswachsen. Das Abschneiden von stark von Importen abhängigen Ländern mit geringem Einkommen in diesem Kampf ums Getreide wird uns außerdem viel über die zukünftige politische Stabilität sagen. Schließlich wird auch die Reaktion der USA auf die wachsende Nachfrage für Getreide aus China, die noch dazu die Lebensmittelpreise für die US-Verbraucher steigen lässt, viel über die Fähigkeit von Staaten aussagen, mit der Entstehung einer Politik des Mangels umzugehen.

Die derzeit größte Gefahr besteht darin, dass Chinas Eintritt in den Weltmarkt zusammen mit der zunehmenden Verwendung von landwirtschaftlichen Rohstoffen zur Herstellung von Biobrennstoffen die Getreidepreise so stark in die Höhe treiben wird, dass viele Entwicklungsländer mit geringem Einkommen nicht mehr in der Lage sein werden, genug Getreide zu importieren. Dies wiederum könnte zu einer Explosion der Lebensmittelpreise und zu politischer Instabilität in solchem Ausmaß führen, dass es den wirtschaftlichen Fortschritt weltweit gefährdet.

Im Falle der früheren Zivilisationen, die einen ökologisch nicht tragbaren Weg beschritten hatten, handelte es sich größtenteils um Einzelfälle. Doch in unserer heutigen zunehmend verknüpften und interdependenten Weltwirtschaft würde ein zivilisatorischer Niedergang uns alle betreffen. Das Schicksal aller Völker ist miteinander verknüpft. Wir können diese Interdependenz nur dann zu unser aller Vorteil nutzen, wenn wir begreifen, dass das Konzept des „nationalen Interesses" inzwischen in vielerlei Hinsicht überholt ist.

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Der richtige Preis

 

Die Frage, vor der die Regierungen jetzt stehen, ist, ob sie in der Lage sind, schnell genug zu reagieren, damit aus Gefährdungen keine Katastrophen werden. Die Welt hat herzlich wenig Erfahrung in der Reaktion auf die Austrocknung von Grundwasserleitern, steigende Temperaturen, die Ausbreitung von Wüsten, das Abschmelzen der Polkappen und sinkende Erdölreserven. Diese neuen Trends werden das Leistungsvermögen unserer politischen Institutionen und Führungen auf eine harte Probe stellen. In Krisenzeiten werden Gesellschaften entweder von einem Nero oder von einem Churchill geführt.

 

Die wichtigste Herausforderung, der Schlüssel zum Aufbau einer neuen Wirtschaft, besteht darin, den Markt dazu zu bewegen, in ökologischer Hinsicht ehrlich zu sein. Die heutige dysfunktionale Weltwirtschaft ist geprägt durch entartete Marktpreise, in denen die ökologische Preiskomponente nicht berücksichtigt wird. Viele unserer Anstrengungen im Umweltbereich sind die Folge stark verzerrter Märkte.

Eine dieser Entartungen trat 1998 offen zu Tage, als das Tal des Flusses Jangtse in China, in dem 400 Millionen Menschen leben, von einer der schlimmsten Überschwemmungen seit Menschengedenken heimgesucht wurde. Der daraus resultierende Schaden von 30 Milliarden Dollar überstieg den Wert der jährlichen Reisernte des gesamten Landes bei weitem.35

 

Als die Überschwemmungen mehrere Wochen andauerten, erließ die Regierung in Peking Mitte August ein Verbot für das Schlagen von Bäumen im Jangtsebecken. Man begründete das Verbot damit, dass die Bäume an ihrem derzeitigen Standort dreimal mehr wert seien als Holz. Die Dienste, die die Wälder beim Schutz vor Überschwemmungen leisteten, waren dreimal mehr wert als das Schnittholz. Der Verkaufswert dieses Holzes war also dreimal niedriger! Angesichts dieser Zahlen konnte niemand das Schlagen von Bäumen in der Region aus wirtschaftlicher Sicht befürworten.36)

 

35)  Mimich Re, TopicsAnnualReview:NaturalCatastrophes2001 (München, Deutschland: 2002), S. 16-17; Wert der chinesischen Weizen-und Reisernteaus: USDA.op.cit. Note 12, Grundlage bilden Preise aus: IWF. International Financial Sratistics, elektronische Datenbankauf irs.apdi. net/imf. 
36)  "ForestryCuts Downon Logging," China Daily, 26. Mai 1998; ErikEckhoim, "Chinese Leaders Vowro Mend EcologicaI Ways,"A4f«'}W7J7W£rJ30. August 1998: Erik Eckholm,"China Admits Ecoiogical SinsPlayed Role in Flood Disaster,"New York Times, 26. August 1998: Erik Eckholm, Sturmed by Floods. China Hastens Logging Curbs," New York Times, 27. Februar 1998.

35


Ähnlich ist es mit Benzin. Mitte 2005 lag der Pumppreis für Benzin bei mehr als 2 Dollar pro Gallone. Doch darin sind nur die Förderkosten für das Öl, die Raffinerie sowie die Auslieferung an die Tankstellen enthalten. Nicht enthalten sind dagegen die Steuervergünstigungen für die Ölindustrie wie die sogenannte Oil Depletion Allowance, noch sind es die Subventionen für die Förderung, Produktion und Nutzung von Erdöl, die wachsenden Kosten für das Militär zur Sicherung des Zugangs zu den Erdöllagerstätten, die Kosten im Gesundheitswesen für die Behandlung von Atemwegserkrankungen von Emphysemen bis hin zu Asthma und, was vielleicht am wichtigsten ist, die Kosten, die durch den Klimawandel verursacht werden.37

Würde man diese Kosten, die das International Center for Technology Assessment 1998 mit etwa 9 Dollar pro in den Vereinigten Staaten verbrannter Gallone Benzin bezifferte, auf die 2 Dollar für das Benzin selbst aufschlagen, so müssten Kraftfahrer pro Gallone Benzin etwa 11 Dollar zahlen. Die Befüllung eines Tanks mit einem Fassungsvermögen von 20 Gallonen würde 220 Dollar kosten. Tatsächlich ist die Verbrennung von Benzin sehr teuer, doch der Markt gaukelt uns das Gegenteil vor, was zu einer starken Verzerrung der Wirtschaftsstruktur führt. Die Herausforderung für die Regierungen besteht nun darin, solche Kosten in den Marktpreis zu integrieren, indem man sie systematisch kalkuliert und dann als Steuer auf das Produkt einbringt, um so sicherzustellen, dass der Produktpreis die Gesamtkosten für die Gesellschaft widerspiegelt.38

Wenn es etwas gibt, das wir in den letzten Jahren gelernt haben, so ist es, dass Buchhaltungssysteme, die etwas verschweigen, uns sehr teuer zu stehen kommen können. Fehlerhafte Buchhaltungssysteme in Firmen, die bestimmte Kosten außen vor lassen, haben einige der weltweit größten Firmen in den Bankrott getrieben und Millionen von Menschen um ihre Ersparnisse, ihre Altersvorsorge und ihre Jobs gebracht. Verzerrte Weltmarktpreise, in denen wichtige Kosten bei der Herstellung verschiedener Produkte und für die Bereitstellung von Dienstleistungen nicht enthalten sind, könnten uns noch teurer zu stehen kommen. Sie könnten zu einem globalen Bankrott und wirtschaftlichem Niedergang führen.

 

37)  Benzinpreise von DOE, EIA, This Week in Petroleum (Washington, DC: verschiedene Ausgaben).
38)  Andrew Kimbreil et al., The Reell Price of Gasoline (Washington. DC: International Center for Technolog)- Assessment, 1998), S. 39.

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Plan B Ein Plan der Hoffnung  

 

Selbst bei den außergewöhnlich großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, gibt es doch vieles, was uns optimistisch stimmen sollte. Erstens sind all die destruktiven ökologischen Trends selbstgemachte Probleme. Alle Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, können unter Einsatz existierender Technologien gelöst werden. Im Grunde ist sogar alles, was wir tun müssen, um die Weltwirtschaft auf einen ökologisch vertretbaren Weg zu bringen, bereits in einem oder mehreren Ländern getan worden.

 

Die Komponenten von Plan B — dem Gegenstück zu "business as usual" — sind in den neuen bereits auf dem Markt befindlichen Technologien sichtbar. Im Energiebereich beispielsweise kann eine hochmoderne Windturbine genausoviel Energie produzieren wie eine Ölquelle. Japanische Ingenieure haben einen vakuum-verschließbaren Kühlschrank entwickelt, der im Vergleich zu den Kühlschränken, die vor zehn Jahren auf den Markt kamen, nur ein Achtel der Energie verbraucht. Fahrzeuge mit Benzin-Elektro-Hybridantrieb, die mit einer Gallone Benzin rund 90 Kilometer weit kommen, sind oft doppelt so effizient wie ein Durchschnittsfahrzeug.39)

 

In mehreren Ländern gibt es bereits Beispiele für die verschiedenen Komponenten von Plan B. Dänemark erzeugt bereits heute etwa 20 Prozent seiner Elektrizität mit Hilfe von Wind und plant eine Erhöhung dieses Anteils auf 50 Prozent bis 2030. Brasilien seinerseits ist auf dem bestem Weg Autos vom Erdöl unabhängig zu machen. Da hocheffizientes Ethanol auf Zuckerrohrbasis im Jahr 2005 bereits 40 Prozent der Autotreibstoffe ausmachte, könnte es das Benzin innerhalb weniger Jahre ganz ablösen.40)

Im Lebensmittelbereich hat Indien — mit einem auf Kleinproduzenten basierenden Molkereiproduktions­modell, das als Futterquelle praktisch vollständig auf Erntereste setzt — seine Molkereiproduktion seit 1970 mehr als vervierfacht und damit die Vereinigten Staaten als größten Produzenten von Molkereierzeugnissen abgelöst. Der Wert der Molkereiproduktion in Indien hat im Jahr 2002 bereits den der Reisernte überstiegen.41)

 

39)  James Brooke, "Japan Squeezes to Get die Most of Costly Fuel," New York Times, 4. Juni 2005; DOE und U.S, Environmental Protection Agency, Fuel Eamomy Guide (Washington, DC: 2005): Marv Balousek, "Hybrid Cars Are Catching On," Wisconsin State Journal, 10. August 2005. 
40)  Danish Wind Tndustry Association, "Did You Know?" Datenblatt, auf www.windpower. org; Colin Woodard. "Fair Winds in Denmark," E: The Environmental Magazine, Juli 2001; Maria Dickerson, "Homegrown Fuel Supply Hclps Brazil Breathe Easy," Los Angeles Times, 15. Juni 2005.

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In China haben Fortschritte in der Fischzucht, deren Herzstück die Nutzung ökologisch gut durchdachter Karpfen-Polykulturen bildet, dazu geführt, dass China heute das erste Land ist, in dem mehr Fische aus Fischfarmen als aus dem Meer kommen. Tatsächlich entsprechen die 29 Millionen Tonnen Fisch, die 2003 aus chinesischen Fischfarmen kamen, ungefähr 30 Prozent der weltweit aus dem Meer abgefischten Bestände.42)

Auch in den wiederaufgeforsteten Bergen Südkoreas zeigt sich, wie eine Welt, die gemäß Plan B aufgebaut ist, aussehen könnte. Südkorea war einst ein karges, fast baumloses Land, doch die 65 Prozent der Landesfläche, die inzwischen wieder von Bäumen bewachsen sind, haben wirksamen Schutz gegen Überschwemmungen und Bodenerosionen geboten und der Landschaft so ein hohes Maß an ökologischer Stabilität gewährt.43)

Die Vereinigten Staaten, die ein Zehntel ihrer Anbauflächen stillgelegt haben — der größte Teil davon stark von der Erosion bedrohtes Land -und stattdessen auf bodenschonende Praktiken der Bestellung umgeschwenkt sind — konnten die Bodenerosion in den letzten 20 Jahren um 40 Prozent senken, während die Landwirte gleichzeitig ihre Getreideernte um mehr als ein Fünftel steigern konnten.44)

Einige der innovativsten Ideen sind auf urbaner Ebene entstanden. In Amsterdam hat man ein sehr vielseitiges städtisches Transportsystem entwickelt, in dem heute 35 Prozent der Wege innerhalb der Stadt mit Fahrrädern zurückgelegt werden. Dieses fahrradfreundliche Transportsystem hat sehr zur Senkung der Luftverschmutzung und zur Verringerung von Verkehrsstaus beigetragen, während die Bewohner der Stadt gleichzeitig zu einer täglichen Sporteinheit kamen.45)  

Nun ist es so, dass uns nicht nur zahlreiche neue Technologien zur Verfügung stehen. Einige dieser Technologien können sogar miteinander kombiniert werden und lassen völlig neue Möglichkeiten entstehen. Wenn man zum Beispiel Fahrzeuge mit Benzin-Elektro-Hybridantrieb und zweiter Speicherbatterie sowie der Möglichkeit zum Aufladen über das Stromnetz mit Investitionen in Windparks, durch die das Netz mit preiswerter Energie gespeist würde, kombinieren würde, so könnte ein Großteil unserer täglichen Fahrten mit Hilfe von Elektrizität bestritten werden, wobei die Kosten für die in der Nebenzeit erzeugte Windenergie das Äquivalent zu einer Gallone Benzin für 50 Cent wären. Im eigenen Land erzeugte Windenergie könnte somit importiertes Erdöl ersetzen.46)

Die Herausforderung besteht nun darin, eine neue Wirtschaft in Blitzgeschwindigkeit aufzubauen, bevor wir so viele von der Natur gesetzte Fristen überschreiten, dass das Wirtschaftsystem sich aufzulösen beginnt.

Diesem einleitenden Kapitel folgen nun fünf weitere, in denen die größten ökologischen Herausforderungen für unsere globale Zivilisation beschrieben werden, gefolgt von sieben Kapiteln, in denen Plan B umrissen werden soll. Beide Teile zusammen sollen einen Überblick geben, wohin wir wollen und wie wir dorthin gelangen können.  

Am Aufbau dieser nachhaltigen Wirtschaft teilzuhaben, ist ebenso aufregend wie die Aussicht auf die Lebensqualität, die damit einhergehen wird. Wir werden reine Luft atmen können, unsere Städte werden weniger verstopft, weniger laut und weniger verschmutzt sein. 

Die Aussicht auf das Leben in einer Welt, in der die Bevölkerungszahlen sich stabilisiert haben, die Wälder sich wieder ausdehnen und die Kohlen­stoffdioxid­emissionen sinken, ist absolut berauschend.

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41)  USDA, op. cit. Note 12, Update 7. September 2005; FAO, op. cit. Note 13. Update 17. Januat 2005.

42)  FAO, FISHSTAT Plus, elektronische Datenbank, auf www.fao.org/fi/statist/ FISOFT/ FISHPLUS. asp, Update März 2005.  

43)  Se-Kyung Chong, "Anmyeon-do Recreation Forest: A Millennium of Management," in Patrick B. Durst et al., In Search of Excellence: Exemplary Forest Management in Asia and the Pacific, Asia-Pacific Forestry Commission (Bangkok: FAO Regional Office for /Asia and the Pacific, 2005), S. 251-59.'  

44)  Mark Smith, "Land Retirement," in USDA, AgriadturalResoutcesandEvviron mentalIndicators 2003 (Washington, DC: 2003), Abschnitt 6.2 Update im Dezember 2000, S. 14; USDA, Economic Research Service, Agri-Environmental Policy at the Crossroads: Gitideposts on a Changing Landscape. Agricuhural Economic Report Nr. 794 (Washington, DC: Januar 2001). 

45)  Molly O'Meara Sheehan, City Limits: Putting the Breaks on Sprawi, Worldwatch Paper 156 (Washington, DC: Worldwatch Institute, Juni 2001), S. 11.

46)  Lester R. Brown, "The Short Path to Oil Independence: Gas-Electric Hybrids and Wind Power Offer Winning Combination," Eco-Economy Update (Wtshington, DC: Earth Policy Institute), 13. Oktober 2004; Senator Joseph Lieberman, vorbereitete Anmerkungen für die Loewy Lecture, Georgetown University (Washington, DC: 7. Oktober"2005).

 

 

 

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