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12  Der Aufbau einer neuen Wirtschaft 

Brown-2006

 

 

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In Kapitel 1 sind wir bereits zu dem Schluss gekommen, dass das westliche Wirtschaftsmodell — die auf fossilen Brennstoffen basierende, rund um das Automobil aufgebaute Wegwerfwirtschaft — für unsere Welt nicht tragbar ist. Die neue Wirtschaft wird statt dessen mit erneuerbaren Energien betrieben werden, über ein stärker diversifiziertes Verkehrssystem verfügen — das mehr auf Bahnen, Busse und Fahrräder als auf Autos aufbaut — und Rohstoffe umfassend recyceln.

Wir können diese neue Wirtschaft auch detailliert beschreiben. Die Frage ist, wie wir schnell genug vom bisherigen zu dem neuen Wirtschaftsmodell kommen, bevor es zu einem wirtschaftlichen Niedergang und letztlich zum Kollaps kommt. Glücklicherweise haben wir einige Vorteile, die frühere Zivilisationen nicht hatten, darunter archäologische Erkenntnisse, fortschrittlicheres wissenschaftliches Fachwissen und — was vielleicht am wichtigsten ist — einen Sinn dafür, wie man die Wirtschaftspolitik nutzen kann, um soziale Ziele zu erreichen.

Der Schlüssel zum Aufbau einer Weltwirtschaft, die in der Lage ist, den wirtschaftlichen Fortschritt aufrechtzuerhalten, liegt in der Schaffung eines Marktes, der in ökologischer Hinsicht ehrlich ist. Der Markt ist eine unglaubliche Institution, er verteilt Ressourcen mit einer Effizienz, die durch zentrale Planung nie zu erreichen wäre. Er bringt problemlos Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht und schafft Preise, in denen sich Mangel und Überfluss sofort widerspiegeln.

Doch der Markt hat auch einige grundlegende Schwächen. So bezieht er die indirekten Kosten für die Bereitstellung von Waren und Dienstleistungen nicht in den Preis mit ein, er schätzt die Dienste, die die Natur leistet, nicht ausreichend, und er respektiert die Grenzen der natürlichen Systeme für ökologisch verträgliche Erträge nicht. Außerdem stellt er den kurzfristigen Nutzen über den langfristigen und zeigt damit wenig Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen. Zu praktisch allen Zeiten, über die Daten vorliegen, waren die indirekten Kosten für wirtschaftliche Aktivitäten so gering, dass sie eigentlich nie ein Problem darstellten und wenn, dann höchstens auf lokaler Ebene.


Doch nachdem die Weltwirtschaft seit 1950 um das Siebenfache angewachsen ist, könnte es sich als fatal erweisen, sich nicht mit den genannten Schwächen des Marktes und den daraus entstehenden irrationalen Verzerrungen in der Wirtschaft auseinanderzusetzen.1)  

Wie bereits in Kapitel 1 erwähnt können sich unehrliche Rechenschaftssysteme als sehr kostspielig erweisen. Fehlerhafte Buchführungssysteme, die einzelne Kosten nicht mit einbezogen haben, haben dazu geführt, dass einige der größten Firmen der Welt bankrott gegangen sind. Unglücklicherweise könnte unser fehlerhaftes Buchführungssystem für die Weltwirtschaft potentiell viel ernsthaftere Konsequenzen haben. Unser moderner wirtschaftlicher Wohlstand wird teilweise durch die Anhäufung ökologischer Defizite erreicht - Kosten, die in den Büchern nicht auftauchen, die aber letztlich von irgend jemandem bezahlt werden müssen.

Wenn wir die indirekten Kosten eines Produkts oder einer Dienstleistung erst einmal errechnet haben, können wir sie in Form von Steuern in den Marktpreis mit einbeziehen und sie durch Senkungen der Einkommenssteuer wieder ausgleichen. Wenn wir erreichen könnten, dass der Markt ehrlich ist, können wir damit vermeiden, dass uns die fehlerhaften Buchhaltungssysteme, die letztlich in den Bankrott führen, kalt erwischen. Wie 0ystein Dahle, der ehemalige Vizepräsident von Exxon für Norwegen und die Nordsee, einmal ausführte: „Der Sozialismus ist gescheitert, weil er nicht zuließ, dass der Markt in wirtschaftlicher Hinsicht ehrlich war. Der Kapitalismus könnte scheitern, weil er nicht zulässt, dass der Markt in ökologischer Hinsicht ehrlich ist."2) 

 

   Die Umverteilung von Steuern  

 

Die meisten Wirtschaftswissenschaftler bestätigen, dass eine Verschiebung im Steuerbereich — die Senkung der Einkommenssteuer bei gleichzeitiger Erhöhung der Abgaben für umweltschädliche Aktivitäten — notwendig ist, um zu erreichen, dass der Markt ehrlich ist. So würde beispielsweise die Einführung einer Steuer auf Kohle, in die die erhöhten Kosten für die Gesundheitsfürsorge, die durch das Einatmen

 

1)  Expansion in der Weltwirtschaft aus Internationaler Währungsfond (IWF), World Economic Outlook Datäbase, auf www.imf.org/external/pubs/fr/weo, Update April 2005; Angus Maddison, The World Economy: A Millemiial Perspective (Paris: Organisation fvr Economic Co-operation and Development (OECD), 2001).  
2)  Oystein Dahle aus Gespräch mit dem Autor bei der State of the World Conference, Aspen, CO, 22. Juli 2001.

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verschmutzter Luft entstehen, sowie die Kosten für die Schäden, die durch sauren Regen und durch den Klimawandel verursacht werden, integriert wären, Investitionen in erneuerbare Energiequellen wie Windenergie oder geothermische Energie fördern. Mit diesem Konzept ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Umlagerung von Steuern. Eine Reihe westeuropäischer Länder hat bereits begonnen, im Rahmen einer sogenannten Umweltsteuerreform das Steuersystem umzugestalten, um die in den vorangegangenen Kapiteln erwähnten ökologischen Ziele zu erreichen.3

Zu den umweltschädlichen Aktivitäten, die in Europa besteuert werden, gehören Kohlenstoffemissionen, die Erzeugung von Müll (hier wird eine sogenannte Müllabgabe erhoben) und die riesigen Mengen an Autos in den Städten. Im Rahmen eines 1999 verabschiedeten 4-Jahres-Plans wurde die Besteuerung in Deutschland vom Arbeits- auf den Energiebereich verlagert. Bis 2001 war der Kraftstoffverbrauch dank dieses Plans um 5 Prozent gesunken. Außerdem hatte er das Wachstum des Sektors der erneuerbaren Energien beschleunigt, so dass bis 2003 allein im Bereich der Windenergie etwa 45.400 neue Arbeitsplätze entstanden und man geht davon aus, dass es bis zum Jahr 2010 103.000 neue Arbeitsplätze sein werden.4

Im Jahr 2001 einigte man sich in Schweden auf einen kühnen 10-Jahres-Plan zur Umlagerung von Steuern, durch den 30 Milliarden Kronen (rund 3,9 Milliarden Dollar) an Einkommensteuern in Steuern auf umweltschädliche Aktivitäten umgewandelt werden sollen. Ein Großteil dieser Steuerumlagerung im Wert von 1.100 Dollar pro Haushalt betrifft den Straßenverkehr, unter anderem gehören deutliche Erhöhungen der Steuern auf Autos und auf Kraftstoff dazu. Ein Teil entfällt auch auf den Strombereich. Seit 2005 liegt Schweden sogar etwas vor dem 10-Jahres-Zeitplan, womit es im Bereich der Umweltsteuerreform weltweit führend ist.5)

 

3)  Redefming Progress, The Economists' Statement on Climate Change (Üakland, CA: 1997); ECOTEC Research and Consulting, Study on the Economic and Environmental Implicatiom ofthe Use of Environmental laxes and Charges in the European Union and its Member States (Brüssel: 2001), S. 24-25; David Malin Roodman, "Environmental Tax Shirts Multiplying," in Lester R. Brown et al„ Vital Signs 2000 (New York: W.W. Norton & Company. 2000), S. 138-39.  
4)  Roodman, op. cit. Note 3; Gerrnan Federal Environment Ministry, Environmental Effects of
the Ecological Tax Reform (Bonn: 2002); Donald W. Aitken, "Germany Launches its Fransi-tion: How One ofthe Most Advanced Industrial Nations 1s Moving to WO Percent Energy from Renewable Sources," Solar Today, März/April 2005, S. 26-29.  
5)  Minisrry of Finance, Sweden, "The Budget for 2005: A Commitmem ro More Jobs and Increased Weifare," Pressemitteilung (Stockholm: 20. September 2004); Finanzministerium, Schweden, "Taxation and the Environment," Pressemitteilung (Stockholm: 25. Mai 2005); Haushaltsgröße aus Target Group Index, "Household Stze," Global TGI Barometer (Miami: 2005); Bevölkerungszahlen aus Vereinte Nationen, World Population Prospects: The 2004 Revision (New York: 2005).

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Weitere europäische Länder, die im Bereich der Umweltsteuerreform starke Bemühungen zeigen, sind Spanien, Italien, Norwegen, Großbritannien und Frankreich. Auch an einigen anderen Orten der Welt gibt es Bemühungen in dieser Richtung. Eine Reihe von Ländern, darunter Malaysia, Thailand und die Türkei, haben eine Steuer auf Bleiemissionen eingeführt, um so Blei als Zusatzstoff in Benzin zu eliminieren. Die Vereinigten Staaten haben eine strenge Steuer auf Fluorchlorkohlenwasserstoffe eingeführt, um gemäß dem Montreal Protocol von 1987 und den darauf folgenden Erweiterungen dafür zu sorgen, dass ihre Produktion ausläuft. Auf kommunaler Ebene konnte Victoria, die Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia, durch die Einführung einer Müllsteuer von 1,20 Dollar pro Müllsack innerhalb eines Jahres das tägliche Müllaufkommen um 18 Prozent senken.6)  

Um die Verkehrsstaus zu verringern greifen Städte, die in den Abgasen der Autos fast ersticken, häufig zu strengen Abgaben auf die Einfahrt in die Stadt mit dem Auto. Vor etwa 20 Jahren war Singapur die erste Stadt, die dies tat; es folgten Oslo, Melbourne und vor kurzem auch London. Die Abgabe von 5 £ (etwa 9 Dollar) in London wurde im Februar 2002 von Bürgermeister Ken Livingston eingeführt und im Juli 2005 auf 8 £ (mehr als 14 Dollar) erhöht. Die daraus erwachsenen Mehreinnahmen fließen in den Ausbau des Busnetzes, das täglich 2 Millionen Fahrgäste befördert. Das Ziel dieser Stauabgabe besteht in einer vollständigen Umstrukturierung des gesamten Verkehrssystems in London, der Verringerung der Gefahr von Verkehrsstaus, der Eindämmung der Luftverschmutzung und der KohlenstofTemissionen sowie der Erhöhung der Mobilität.7

 

6)  Andrew Hoerner und Benote Bosquet, Environmental Tax Reform: The European Experience (Washington, DC: Center for a Sustainable Economy, 2001); European Environment Agency (EEA), Environmental Taxes: Recent Developments m Tools for Integration, Environmental Issues Series Nr. 18 (Kopenhagen: 2000); Steuer auf FluorchlorkohlenwasserstofFe in den USA aus Elizabeth Cook, Ozone Protection in tbe United States: Elements ofSuccess (Washington, DC: World Resources Institute, 1996); Angaben zu Victoria aus David Malin Roodman, "Environmental Taxes Spread," in Lester R. Brown et al., Vital Signs 1996 (New York: W.W. Norton & Company, 1996), S. 114-15.  
7)  Tom Miles, ''London Drivers to Pay UK's Eirst Congestion Tax,'' Reuters, 28. Februar 2002; Randy Kennedy, "The Day the Traffic Disappeared," New York Times Magazine, 20. April 2003, S. 42-45; Sarah Blaskovich, "London Hikes Congestion Charge to Force More Cars off the Streets," Associated Press, 3. Juli 2005.

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Während London und andere Städte die Autos, die in die Stadt einfahren, besteuern, erheben andere einfach Steuern auf den Besitz eines Autos. In Dänemark ist die Steuer beim Kauf eines Neuwagens höher als der Preis für das Auto. Ein Neuwagen im Wert von 25.000 Dollar kostet den Käufer mehr als 50.000 Dollar! Für besonders energieeffiziente Fahrzeuge wurden im Jahr 2000 Teilnachlässe eingeführt. Auch andere Regierungen bewegen sich in diese Richtung. Howard French von der New York Times berichtet, Shanghai, das bereits in Autoabgasen erstickt, „hat die Gebühren für die Neuanmeldung von Fahrzeugen seit dem Jahr 2000 jährlich erhöht, so dass sie sich mit 4.600 Dollar pro Fahrzeug — das ist mehr als das Pro-Kopf-Einkommen in der Stadt — inzwischen bereits verdoppelt haben."8

Bei einigen Produkten, bei denen die Kosten für die Gesellschaft sehr hoch und sehr offensichtlich sind, steigt der Druck, sie zu besteuern. Das bei weitem drastischste Beispiel ist das Abkommen zwischen der Tabakindustrie und den Regierungen der Bundesstaaten der USA. Nachdem mehrere Bundesstaaten die Tabakindustrie auf Rückerstattung der Kosten für die Behandlung von Krankheiten, die im Zusammenhang mit dem Rauchen stehen, verklagt hatten, entschloss sich die Tabakindustrie, über ein Entschädigungspaket zu verhandeln, und stimmte im November 1998 zu, den Regierungen der 50 Bundesstaaten rund 251 Mrd Dollar zu zahlen — fast 1.000 Dollar pro US-Bürger. Dieses bahnbrechende Abkommen entsprach im Grunde einer rückwirkenden Besteuerung der schon gerauchten Zigaretten, einer Steuer also, die die indirekten Kosten abdecken sollte. Um diese enorme Summe bezahlen zu können, haben die Tabakfirmen die Zigarettenpreise erhöht und damit das Rauchen weniger attraktiv gemacht.9

Berechnungen in einer Studie der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den Vereinigten Staaten haben ergeben, dass die sozialen Kosten des Rauchens bei 7,18 Dollar pro Packung liegen. Das rechtfertigt nicht nur eine Erhöhung der Besteuerung von Zigaretten, die jedes Jahr 4,9 Millionen Menschen weltweit das Leben kosten, sondern bietet auch einen Anhaltspunkt dafür, wie weit man die Preise erhöhen sollte. Im Jahr 2002, als die Regierungen der Bundesstaaten vor einem großen Steuerdefizit standen, haben 21 Bundesstaaten in den USA die Steuern auf Zigaretten angehoben. 

 

8)  World Energy Council, Energy Efficiency Policies and hidicaton (London: 2001), Annex 1; Howard W. French, "A Citys Traffic Plans Are Snarled by Chinas Car Culture," New York Times, 12. Juli 2005.  
9)  U.S. Department of Agriculture, Economic Research Service, "Cigarette Price Increase Follows lobacco Pact," Agricuhnral Outlook, Januar-Februar 1999.

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Die wohl größte Erhöhung gab es in New York City, wo Raucher zusätzliche 39 Cents an Steuern an den Bundesstaat und 1,42 Dollar an Steuern an die Stadt zahlen mussten, so dass sich der Preis pro Päckchen Zigaretten insgesamt um 1,81 Dollar erhöhte. Da ein Anstieg des Preises um 10 Prozent in der Regel zu einem Rückgang der Raucherzahlen um 4 Prozent führt, könnte diese Steuererhöhung einen erheblichen gesundheitlichen Gewinn bringen.10

Wenn die gesellschaftlichen Kosten für das Rauchen eines Päckchens Zigaretten schon bei 7,18 Dollar liegen, wie viel kostet es wohl die Gesellschaft, eine Gallone Benzin zu verbrennen? Wie bereits in Kapitel 1 angemerkt hat das International Center for Technology Assessment dazu glücklicherweise eine detaillierte Analyse mit dem Titel The Real Price ofGasoline veröffentlicht. Darin werden mehrere indirekte Kosten kalkuliert, darunter die Steuervergünstigungen für die Ölindustrie, die Kosten für die Sicherung der Erdölversorgung, die Subventionen für die Ölindustrie und die Kosten für die Behandlung von Atemwegserkrankungen, die im Zusammenhang mit Autoabgasen stehen. Insgesamt ergeben sich dann indirekte Kosten von 9 Dollar pro Gallone Benzin, was nur geringfügig mehr ist als die sozialen Kosten für das Rauchen eines Päckchens Zigaretten. Wenn man nun diese externen oder indirekten Kosten zu den 2 Dollar dazurechnet, die eine Gallone Benzin Anfang 2005 im Durchschnitt kostete, so ergeben sich Gesamtkosten von etwa 11 Dollar pro Gallone. Diese Kosten sind real. Jemand muss sie zahlen. Nachdem diese Kosten berechnet worden sind, können wir sie nun dazu benutzen, die Steuerrate auf Benzin festzulegen, ähnlich wie die Studie der CDC benutzt wird, um die Steuern für Zigaretten festzulegen.11

Die beiden größten Wirtschaftsmächte in Asien — Japan und China — denken derzeit darüber nach, Steuern auf Kohlenstoffemissionen zu erheben. In den letzten Jahren sprachen sich viele Mitglieder des japanischen Parlaments für eine Umweltsteuerreform aus, doch die Industrie war gegen eine Karbonbesteuerung. 

 

10)  Centers for Disease Concrol and Prevenrion, "Annual Smoking-Attributable Mortality, Years of Potential Life Lost, and Economic Costs—United States, 1995-1999,'' Morhidity and Mortality Weekly Report, 12. April 2002; Campaign for Tobacco-Free Kids et a!., Show Us the Money. A Report on the States Allocation ofthe Tobacco Settlement Dollars (Washington. DC: 2003); Angaben zu New York aus Jodi Wilgoren, "Pacing New Costs, Some Smokers Say 'Enough,'" New York Times, 17. Juli 2002; Anzahl derToten infolge von Zigarettenkonsum aus World Health Organization, World Health Report 2002 (Genf: 2002), S. 10.  
11)  International Center for Technology Assessment, The Real Price ofGasoline, Report Nr. 3 (Washington, DC: 1998), S. 34; U.S. Department of Energy (DOE), Energy Information Administration (E1A), This Week in Petroleum (Washington, DC: mehrere Ausgaben).

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In China, wo derzeit ein rekordverdächtiger, geradezu explosiver Anstieg des Energieverbrauchs und der Kohlenstoffemissionen zu verzeichnen ist, arbeitet man an einer Umweltsteuerreform, durch die der Verbrauch fossiler Brennstoffe eingedämmt werden soll. Wang Fengchun, ein Vertreter des Nationalen Volkskongresses, sagt: „Die Besteuerung ist das machtvollste Werkzeug, das in einer Marktwirtschaft zur Lenkung des Kaufverhaltens der Konsumenten zur Verfügung steht. Es ist sogar den Regierungsbestimmungen überlegen." Wenn es den politischen Entscheidungsträgern in China gelingt, eine Umweltsteuerreform durchzuführen, so wäre das eine bahnbrechende Entwicklung nicht nur für China, sondern für die ganze Welt. 12

Die Verlagerung von Steuern in den Umweltbereich bringt in der Regel einen doppelten Gewinn. Durch die Senkung der Einkommensbesteuerung — die letztlich nichts anderes ist als eine Besteuerung der Arbeit — wird Arbeit weniger kostenintensiv, so dass zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können, während gleichzeitig die Umwelt geschützt wird. Dies war der Hauptbeweggrund für den in Deutschland verabschiedeten 4-Jahres-Plan zur Verlagerung der Steuern vom Einkommensbereich in den Energiebereich. Seit die Luftverschmutzung durch Schornsteine und Auspuffrohre gesenkt wurde, sind auch Atemwegserkrankungen, wie Asthma und Emphyseme, zurückgegangen — und damit auch die allgemeinen Kosten für die Gesundheitsfürsorge.13

Im Falle der Wälder sind Umweltexperten sehr gut in der Lage, den Wert der von den Bäumen geleisteten Dienste zu berechnen. Wenn dieser Wert einmal bestimmt ist, kann er in Form einer Steuer auf das geschlagene Holz - wie sie in Bulgarien und Litauen bereits eingeführt wurde - in den Preis integriert werden. Jeder, der einen Baum schlagen wollte, müsste dann eine Steuer entrichten, die dem Wert der von diesem Baum geleisteten Dienstleistungen (zum Beispiel Flutkontrolle) entspricht. Der Markt für Schnittholz wäre dann endlich in ökologischer Hinsicht ehrlich und die Folge wäre eine Verminderung des Baumschlags und die Förderung einer Wiederverwertung von Holz und Papier.14

Die Umlagerung von Steuern kann auch dazu beitragen, dass einzelne Länder in der Herstellung bestimmter Ausrüstungen, wie der neuen Energietechnologien oder der Technologien zur Kontrolle der

 

12)  Mick Coriiss, "Carbon Tax Stuck in Detour to Kyoto," Japan Times, 17. Januar 2002; "China Studying Energy Conservation Taxes," Asia Times, 22. April 2005.  
13)  Peter P. Wrany und Kai Schlegelmilch, "The Ecological Tax Reform in Germany," zusammengestellt für den UN/OECD Workshop on Enhancing the Environment by Reforming Energy Prices, Pruhonice, Tschechische Republik, 14.-16. Juni 2000.  
14)  OECD. Europäische Kommission und EEA, Enviromnentally Related Taxes Database. auf
www.oecd.org/env/tax-database, Update 13. Mai 2003.

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Umweltverschmutzung, die Führung übernehmen können. So haben beispielsweise die Steueranreize der dänischen Regierung für durch Windenergie erzeugten Strom dazu geführt, dass Dänemark, ein Land mit nur 5 Millionen Einwohnern, inzwischen der weltweit führende Produzent von Windturbinen ist.15

Etwa 2.500 Wirtschaftsexperten, darunter acht Nobelpreisträger für Wirtschaft, befürworten das Konzept solcher Steuerumlagerungen. N. Gregory Mankiw, Professor für Wirtschaft an der Harvard Universität, schrieb in der Zeitschrift Fortune: „Die Senkung der Einkommenssteuer würde bei gleichzeitiger Erhöhung der Benzinsteuer zu einem schnelleren Wirtschaftswachstum, einer Verringerung der Verkehrsstaus, mehr Sicherheit auf den Straßen und einer Senkung des Risikos einer globalen Erwärmung führen - und all das ohne langfristig die steuerliche Liquidität zu gefährden. Derzeit gibt es in der Wirtschaft wahrscheinlich nichts, was dichter an eine Ideallösung herankäme."'6

Auch The Economist befürwortet die Umlagerung von Steuern: „In Amerika wird Benzin im Hinblick auf den Umweltschutz zu gering besteuert — ganz zu Schweigen von der Gewährleistung der Energieversorgung. Im Gegensatz zu einer einmaligen Erhöhung wäre ein langfristiger Plan zur Verlagerung der Besteuerung vom Einkommensbereich auf den Bereich der Kohlenstoffemissionen eine politisch besser realisierbare und auf ihre eigene Weise auch erstrebenswertere Möglichkeit." In Europa und den Vereinigten Staaten deuten Umfrageergebnisse darauf hin, dass mindestens 70 Prozent der Wähler eine Umweltsteuerreform befürworten würden, wenn man sie ihnen richtig erklärt.17

Manchmal sind handelbare Umweltlizenzen eine sinnvolle Alternative zu Umweltsteuern. Bei beidem handelt es sich um wirtschaftliche Instrumente, die zur Erreichung von Zielen im Umweltbereich eingesetzt werden können. Der grundlegende Unterschied besteht darin, dass die Regierungen mit Umweltlizenzen das Maß einer Aktivität festlegen, das noch erlaubt ist, wie bei den Lizenzen für den Fischfang, und es dem Markt überlassen, den Preis für den Verkauf solcher Lizenzen festzulegen. Im Gegensatz dazu ist es bei Umweltsteuern so, dass die Regierung durch die Höhe des Steuersatzes den Preis festlegt, der für eine umweltschädigende Aktivität zu zahlen ist und der

 

15)  "BTTvf Predicrs Coiuinued Growth for Wind Industry," in Soren Krohn, WindEnergy Policy in Denmark: Status 2002 (Kopenhagen: Danish Wind Energy Association, 2002), S. 8.  
16)  N. Gregory Mankiw, "Gas Tax New? Fortune, 24. Mai 1999, S. 60-64.  
17)  "Addicted to Oil," The Economist, 15. Dezember 2001: Angaben zum Maß der Unterstützung für eine Umweltsteuerreform aus David Malin Roodman, 7'he Natural Wealth of Nation* (New York: W.W. Norton & Company, 1998). S. 243.

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Markt den Umfang bestimmt, in dem diese Aktivität bei diesem Preis ausgeführt wird. Diese beiden wirtschaftlichen Instrumente können zur Abschreckung vor verantwortungslosem Verhalten gegenüber der Umwelt dienen.18

Die Entscheidung darüber, wann welches Instrument eingesetzt wird, ist nicht immer einfach. Die Regierungen haben viel mehr Erfahrung mit Ökosteuern als mit Umweltlizenzen und es ist auch klar, dass eine solche Besteuerung unter den unterschiedlichsten Bedingungen möglich ist. Doch auch Umweltlizenzen sind erfolgreich in den verschiedensten Situationen eingesetzt worden, von der Begrenzung der Fangmengen in australischen Fischereigebieten bis zur Senkung der Schwefelemissionen in den Vereinigten Staaten.

So hat beispielsweise die australische Regierung, die besorgt war wegen einer möglichen Überfischung der Hummerbestände, die ökologisch verträgliche Gesamtfangmenge festgelegt und dann Teillizenzen darüber vergeben, um die die Fischer sich bewerben konnten. Im Grunde hat die Regierung festgelegt, wie viele Hummer pro Jahr gefangen werden durften und dann dem Markt die Entscheidung über den Preis für die Lizenzen überlassen. Seit das System des Handels mit solchen Lizenzen 1986 eingeführt wurde, hat sich der Fischbestand stabilisiert und das System selbst in Bezug auf die Nachhaltigkeit funktioniert.19

Das bisher vielleicht ehrgeizigste Projekt, bei dem Umweltlizenzen zum Einsatz kamen, waren die Bemühungen zur Senkung der Schwefelemissionen in amerikanischen Kraftwerken um die Hälfte zwischen 1990 und 2000. Das angestrebte Ziel wurde 1995 - weit vor der Zeit und mit minimalem Kostenaufwand — erreicht. Einer der Schwachpunkte beim Einsatz von Umweltlizenzen liegt allerdings darin, dass in einigen Gemeinden die Emissionen vielleicht überhaupt nicht gesenkt werden.20

Obwohl solche handelbaren Lizenzen in der Wirtschaft allgemein sehr beliebt sind, ist doch der Verwaltungsaufwand höher als bei Steuern und der Umgang damit schwerer verständlich. Edwin Clark, ein ehemaliger hoher Wirtschaftsberater im Council on Environmental Quality21

 

18 - Roodman, op. cit. Note 17, S. 15-27.  
19 - Angaben zu Australien in John Tierney, "A Tale of Two Fisheries," New York Times Maga
zine, 27. August 2000; South Australian Southern Zone Rock Lobster Fishery Management Committee, Southern Zone Rock Lobster Anmut! Report 2003-2004 (Adelaide, South Aus-tralia: Mai 2005), S. 2-5.  
20 - Richard Schmalensee et al., "An Interim Evaluation of Sulfur Dioxide Emissions Trading, in Robert N. Stavins, Hrsg., Economic* oftbe Environment (New York: W.W. Norton & Company, 2000), S. 455-71.

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des Weißen Hauses, merkt an, dass handelbare Umweltlizenzen „ein komplexes Regelwerk erfordern, durch das die Lizenzen klar definiert werden, in dem die Regeln für den Handel damit festlegt sind und das die Menschen davon abhält, ohne eine solche Lizenz zu agieren." Im Gegensatz zu einer Umstrukturierung der Besteuerung, mit der die meisten wohl vertraut sind, sind handelbare Lizenzen ein Konzept, das für die Öffentlichkeit nicht immer verständlich ist, wodurch es um so schwieriger wird, ihre Unterstützung dafür zu gewinnen.22

 

Die Umverteilung von Subventionen

Jedes Jahr bringen die Steuerzahler weltweit geschätzte 700 Milliarden Dollar an Subventionen für umweltschädigende Aktivitäten, wie die Verbrennung fossiler Brennstoffe, die Überbeanspruchung von Grundwasserleitern, den Kahlschlag der Wälder und die Überfischung der Fischbestände auf. In einer Studie des Earth Council mit dem Titel Unsustainable Development heißt es: „Es ist kaum vorstellbar, dass die Welt jährlich Hunderte Milliarden Dollar zur Subvention ihrer eigenen Zerstörung ausgibt."24

Der Iran ist ein klassisches Beispiel für eine übermäßige Subventionierung: Hier kostet Ol im internen Verbrauch nur ein Zehntel des Weltmarktpreises, wodurch die Menschen dazu ermutigt werden, sich ein Auto anzuschaffen und Benzin zu verschwenden. Die Weltbank berichtet, wenn diese 3,6 Milliarden Dollar an jährlichen Subventionen ausliefen, würde dies zu einer Senkung der Kohlenstoffemission im Iran um unglaubliche 49 Prozent beitragen. Außerdem würde die Wirtschaft gestärkt, weil öffentliche Gelder freiwürden, die in die wirtschaftliche Entwicklung des Landes investiert werden könnten. Doch der Iran ist in dieser Hinsicht nicht allein. Die Weltbank berichtet weiter, dass eine Abschaffung der Energiesubventionen in Venezuela zu einer Senkung der Kohlenstoffemissionen um 26 Prozent führen würde, in Russland wären es 17, in Indien 14 und in Indonesien 11 Prozent.25)   

 

21 - Anm. d. Übers: Abteilung im Weißen Haus; koordiniert die bundesweiten Umweltschutzbemühungen und arbeitet bei der Ausarbeitung von Richtlinien für die Umweltpolitik oder Umweltinitiativen eng mit anderen Behörden und Abteilungen im Weißen Haus zusammen  
22 - Edwin Clark, Brief an den Autor. 25. Juli 2001.  
23 - Anm. d. Übers: wörtlich: Nichtnachhaltige Entwicklung  
24 — Andre de Moor und Peter Calamai, Subsidizing Unsustainable Development (San Jose, Costa Rica: Earth Council, 1997); Barbara Crossette, "Subsidies Hurt Environment, Critics Say Befbre Talks," New York Times, 23. Juni 1997.

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Einige Länder sind dabei, diese Subventionen in klimaschädigende Aktivitäten ganz abzuschaffen oder wenigstens zu senken. Belgien, Frankreich und Japan haben bereits alle Subventionen für Kohle abgeschafft. In Deutschland wurden die Kohlesubventionen von 5,4 Mrd Dollar jährlich im Jahr 1989 auf nur noch 2,8 Mrd Dollar im Jahr 2002 gesenkt, wobei man gleichzeitig den Kohleverbrauch um 46 Prozent gesenkt hat und plant, die Unterstützung bis 2010 ganz auslaufen zu lassen. China hat seine Kohlesubventionen zwischen 1993 und 1995 von 750 Millionen Dollar auf 240 Millionen Dollar gesenkt und vor kurzem eine Steuer auf Kohle mit hohem Schwefelgehalt eingeführt.26 

In einer Studie der „Grünen" in Großbritannien mit dem Titel Aviation's Economic Downside27 wird das Ausmaß der Subventionen, die der britischen Luftfahrtindustrie derzeit gewährt werden, beschrieben. Diese „Schenkungen" beginnen bei den 17 Milliarden Dollar an Steuervergünstigungen, darunter eine vollständige Befreiung von der Bundessteuer. Externe oder indirekte Kosten, die derzeit von niemandem gedeckt werden, wie zum Beispiel die Kosten für die Behandlung von Krankheiten, die durch das Einatmen von Luft verursacht werden, die durch Flugzeuge verschmutzt wurde, aber auch die durch den Klimawandel verursachten Kosten und ähnliches mehr, machen fast 7 Milliarden Dollar zusätzlich aus. Die Subventionen in Großbritannien liegen bei insgesamt 391 Dollar pro Einwohner des Landes. Hierbei handelt es sich auch um eine an sich regressive Steuerpolitik, weil ein erheblicher Teil der Bevölkerung Großbritanniens es sich nicht leisten kann, oft zu fliegen — wenn denn überhaupt — und dennoch muss dieser Teil der Bevölkerung dieses kostspielige Transportmittel für ihre wohlhabenderen Mitbürger mitfinanzieren.28

 

25.....Weltbank. World Develop. Report 2003 (New York- Oxford Univmity Press. 2003), S. 30. 142.  
26 - Angaben zu Belgien, Frankreich und Japan aus Seth Dünn, "King Coal's Weakening Grip on Power," World Wateh, September/Oktober 1999, S. 10-19; Senkung der Kohlesubventionen in Deutschland aus Robin Pomeroy, "EU Ministers Clear German Goal Subsidies,' Reuters, 10. Juni 2002; Zahlen zur Senkung der Subventionen in China aus Roodman, op. cit. Note 17, S. 109; Angaben zur Besteuerung stark schwefelhaltiger Kohle aus DOE, EIA; China: Environmental Issues (Washington, DC; 2001).  
27 - Anm. d. Übers.: wörtlich: Die wirtschaftliche Kehrseite der Luftfahrt 
28)  John Whitelegg und Spencer Fitz-Gibbon, Äviations Economic Downside, 3. Ausgabe (London: Green Part)' of England & Wales, 2003); Dollarumrechnung basiert auf Wechselkursen des IWF vom Dezember 2003, "Representative Exchange Rates for Selected Gurrendes in Dezember 2003," Exchange Rate Archives by Month. auf www.imi.org/extemal/ np/fin/rates/param„rms„mth.c£m, angesehen 1. Oktober 2005.

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Während einige führende Industrienationen die Subventionen für fossile Brennstoffe — vor allem für Kohle, den Brennstoff, der dem Klima am meisten schadet — bereits gesenkt haben, haben die Vereinigten Staaten ihre Unterstützung für die Industrie der fossilen Brennstoffe und die Atomindustrie noch verstärkt. Eine Studie von Green Scissors 29 aus dem Jahr 2002, die von mehreren Umweltschutzgruppen unterstützt wurde, enthält Berechnungen, dass in den letzten zehn Jahren insgesamt 33 Mrd. Dollar an Subventionen in die Energieindustrie geflossen sind. Davon erhielten die Ol- und Gasindustrie 26 Mrd. Dollar, die Kohleindustrie 3 Mrd Dollar und die Atomindustrie 4 Mrd. Dollar. Zu einer Zeit, da es notwendig ist, die Erdölreserven zu schonen, finanzieren amerikanische Steuerzahler statt dessen deren Abbau.30

Die vorher beschriebene Umstrukturierung im Steuerbereich würde zu einer Senkung der Besteuerung der Löhne führen und Investitionen in wirtschaftliche Aktivitäten wie die Stromerzeugung durch Windenergie oder die Wiederverwertung von Rohstoffen fördern, wodurch gleichzeitig die Beschäftigungszahlen gesteigert und die Zerstörung der Umwelt abnehmen würde. Die Eliminierung umweltschädlicher Subventionen würde nicht nur die Belastung für den Steuerzahler reduzieren, sondern auch einen Rückgang der schädlichen Aktivitäten selbst bewirken. Subventionen sind allerdings nicht an sich schädlich. Viele Technologien und Industriezweige haben sich aus Regierungssubventionen entwickelt. Die Düsenflugzeuge, die mit Hilfe der Forschungsund Entwicklungsgelder des Militärs entwickelt wurden, haben uns letztlich die modernen Passagierflugzeuge beschert, das Internet entwickelte sich aus der öffentlich finanzierten Vernetzung von Computern in Regierungsbehörden und Forschungsinstituten und die moderne Windkraftindustrie erhielt Starthilfe durch eine Kombination aus Nachlässen auf die Bundessteuer und einen deutlichen Nachlass auf die Steuern des Bundesstaates Kalifornien.31

 

29)  Anm. d. Übers.: eine Initiative in den USA zur Bekämpfung der Finanzierung umweltschädlicher Aktivitäten durch öffentliche Gelder  
30)  Erich Picä, Hrsg., Running Ort Empty: How Environmental^- Harmful Energy Subsidies
Siphon Billions jrorn Taxpayers, A Green Scissors Report (Washington, DC: Friends of the Earth, 2002), S. 2-3.  
31)  Angaben zu den Anfängen des Internets aus Barry M. Leiner et al„ "A Brief Histoty of the Internet," auf www.isoc.org/iniernet/hisiory/brief.shtml, angesehen 4. August 2000; Windkraft in Kalifornien aus Peter H. Asmus, Wind Energy, Green Marketing, and Global Climate Cbange (Sacramento, CA: California Regulatory Research Project, 1999) und aus California Energy Commission, "Wind Energy in California," auf www.energy.ca.gov/ wind/overview.html, angesehen 15. Januar 2003.

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Doch ebenso, wie die Notwendigkeit zu Veränderungen im Steuerbereich besteht, gibt es auch eine Notwendigkeit zur Umlagerung der Subventionen. In einer Welt, der möglicherweise ein wirtschaftlich schädlicher Klimawandels bevorsteht, gibt es keine Rechtfertigung mehr dafür, die Ausweitung der Verbrennung von Kohle und Erdöl zu subventionieren. Die Umverteilung dieser Subventionen auf die Entwicklung klimafreundlicher Energiequellen, wie Wind- oder Sonnenenergie, Biomasse oder geothermische Energie, ist der Schlüssel zur Stabilisierung des Klimas weltweit. Und eine Umverteilung der Subvention zum Bau von Straßen auf den Bau von Schienenwegen könnte in vielen Fällen die Mobilität erhöhen und gleichzeitig die Kohlenstoffemissionen sinken lassen.

In einer Weltwirtschaft voller Probleme, einschließlich der Steuerdefizite auf allen Regierungsebenen, könnte eine solche Umlagerung von Steuern und Subventionen mit den zum Teil doppelten und dreifachen Dividenden dazu beitragen, die Bücher auszugleichen und die umwelttechnischen Stützsysteme der Wirtschaft zu retten. Diese Umlagerungen von Steuern und Subventionen versprechen sowohl Steigerungen der wirtschaftlichen Effizienz als auch eine Eindämmung der Umweltzerstörung - wieder eine Situation, die nur Vorteile bringt.

 

Ökosiegel: Einflussnahme über die Geldbörsen der Konsumenten

Ein weiteres Instrument zur Umstrukturierung der Wirtschaft unter ökologischen Gesichtspunkten sind Ökosiegel. Die Kennzeichnung von Produkten, die unter ökologischen Gesichtspunkten produziert wurden, gibt den Konsumenten die Möglichkeit, durch ihr Kaufverhalten Einfluss zu nehmen. Inzwischen gibt es Ökosiegel für energieeffiziente Haushaltsgeräte, Forstprodukte aus ökologisch sinnvoll verwalteten Wäldern, Fischprodukte aus ökologisch sinnvoll verwalteten Fischbeständen und „grünen" Strom, der mit Hilfe erneuerbarer Energiequellen erzeugt wurde.

Zu diesen Ökosiegeln gehören auch diejenigen des Marine Steward-ship Council (MSC) für Meeresprodukte. Im März 2000 startete der MSC mit der Zertifizierung des westaustralischen Langustenfanggebiets sein erstes Zertifizierungsprogramm für Fischbestände. Ungefähr zur selben Zeit erhielt das West Thames-Heringsfanggebiet das Siegel. Im September 2000 wurde als erstes amerikanisches Fanggebiet das Lachsfanggebiet von Alaska zertifiziert.

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Zu den wichtigsten Vertretern von Fischverarbeitung und Einzelhandel, die den MSC bei seiner Initiative unterstützten, gehören Unilever, Youngs-Bluecrest und Sainsbury's, die alle ihren Hauptsitz in Europa haben.32

Damit ein Fischereigebiet das Zertifikat des MSC erhält, muss der Nachweis erbracht werden, dass es ökologisch sinnvoll verwaltet wird. Laut MSC geht es dabei vor allem um folgendes: „Erstens muss die Fischereizone so betrieben werden, dass dem Gebiet nicht mehr Fisch entnommen als natürlich nachgebildet wird oder andere Arten durch gefährliche Fangmethoden getötet werden. Zweitens muss die Fischereizone so funktionieren, dass die Gesundheit und die Artenvielfalt des marinen Ökosystems, von dem sie abhängig ist, erhalten bleiben. Und schließlich müssen in der Zone lokale, nationale und internationale Gesetze und Vorschriften für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Fischerei beachtet werden." Mitte 2005 gab es bereits über 46 zertifizierte Fischereizonen weltweit, die etwa 2 Millionen Tonnen Meeresfrüchte produzierten.33

Das Gegenstück zum MSC im Bereich der Forstprodukte bildet der Forest Stewardship Council (FSC), der 1993 vom World Wide Fundfor Nature (WWF) zusammen mit anderen Gruppen gegründet wurde. Der FSC informiert darüber, wie die Waldbestände innerhalb der Forstindustrie verwaltet werden. Manche Wälder werden ökologisch sinnvoll verwaltet, um eine dauerhafte nachhaltige Holzentnahme zu sichern; andere werden auf der Jagd nach dem schnellen Geld innerhalb kürzester Zeit einfach abgeholzt. Nur Produkte aus Wäldern, die nach dem erstgenannten Prinzip verwaltet werden, erhalten das Siegel des FSC, egal, ob es sich dabei um Nutzholz zum Verkauf in einem Baumarkt, Möbel in einem Möbelgeschäft oder Papier in einem Papierwarenladen handelt.34

Der FSC, der seinen Hauptsitz in Oaxaca in Mexiko hat, akkreditiert auch nationale Organisationen, die prüfen, ob Wälder ökologisch sinnvoll verwaltet werden. Neben dieser Vor-Ort-Überprüfung müssen die akkreditierten Organisationen auch in der Lage sein, das Roh-

 

32)  Marine Stewardship Council, "World's First Sustainable Seafood Products Launched," Pressemitteilung (London: 3. März 2000); Marine Stewardship Council, "Marine Stewardship Council Awards Sustainabiliry Label Co Alaska Sahnon," Pressemitteilung (London: 5. September 2000).  
33)  Marine Stewardship Council, "Sustainability Label to Alaska Saimon," op. cit. Note 28; Marine Stewardship Council, "Certified Fisheries," aufwww.msc.org, angesehen 15. August 2005.  
34)  World Wide Fund for Nature (WWF), The Forest Industij in the 21st Century (Surrey, GB: 2001). 

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produkt über mehrere Verarbeitungsstufen bis zum Konsumenten zu verfolgen. Der FSC legt die Standards fest und stellt das Siegel, den Nachweis für die geprüfte Qualität, doch die eigentliche Arbeit wird von den nationalen Organisationen gemacht.35

Der FSC hat neun Voraussetzungen festgelegt, die ein Wald erfüllen muss, bevor er das Siegel erhält. Die wichtigste Voraussetzung ist, dass der Wald auf eine Weise verwaltet wird, durch die sichergestellt wird, dass die Erträge unendlich erhalten werden können. Das bedeutet ein sorgfältiges selektives Schlagen der Bäume, im Grunde ein Kopieren des Vorgehens der Natur bei der Erhaltung eines Waldes, da auch diese weiter entwickelte, ältere Bäume mit der Zeit aussortiert.36

Das Siegel des FSC liefert dem Verbraucher genau die Information, die er braucht, um durch sein Kaufverhalten eine verantwortungsvolle Forstwirtschaft zu unterstützen. Auch sozial eingestellte Investoren erhalten durch die Kennzeichnung von Holzfirmen und Einzelhändlern, die an dem Programm teilnehmen, die Informationen, die sie brauchen, um eine verantwortungsvolle Entscheidung über ihre Investitionen treffen zu können.

Im März 1996 kamen die ersten zertifizierten Forstprodukte auf den britischen Markt. Seither hat sich die Zertifizierung weltweit verbreitet. Im August 2005 waren unter der Ägide des FSC bereits etwa 57 Millionen Hektar Wald in 65 Ländern zertifiziert worden.37 In etwa 35 Ländern, darunter Österreich, Brasilien, Kanada, Erank-reich, Deutschland, die nordischen Länder, Russland, Spanien, die Schweiz, Großbritannien und die Vereinigten Staaten, sind inzwischen Forst- und Handelsnetzwerke zur Unterstützung dieses Zertifizierungsprogramms eingerichtet worden. Diese Netzwerke sind Bestandteil der großen Gruppe von Unternehmen, die das Programm unterstützen und sich in ihrer Vermarktung an die Standards des FSC halten. Die drei größten Holzeinkäufer der Welt — Home Depot, Lowe's und Ikea -kaufen alle bevorzugt Holz, das vom FSC zertifiziert wurde.38

 

35)  Ebenda.  
36)  Ebenda.  
37)  WWF, Certification: A Future for the World's Forests (Surre}', GB: WWF Forests for Life Campaign, 2000), S. 4; Forest Stewardsbip Council, FSC Certified Forests (Bonn, Deutschland: 2005), S. 53,  
38)  WWF, op. cit. Note 30; Natural Resources Defense Council (NRDC), "Good Wood: How Forest Certification Helps the Environment." auf www.nrdc.org/land/forests/qcert.asp, angesehen 15. August 2005; Rainforest Alliance, "Profiles in Sustainable Forestry: IKEA-Furniture for Better Forestry," auf www.rainforest-alliance.org/programs/profiles/docu-ments/IKEAProfile.pdf, angesehen 24. August 2005; Rainforests.net. "The Forest lndustry in the 21st Century: Top 5 Wood Buyers," Datenblatt, aufwww.rainforests.net/top5wooa-buyers.htm, angesehen 27. September 2005.

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Im Juni 2001 hat das Ministerium für natürliche Ressourcen in Moskau angekündigt, es würde landesweit eine verpflichtende Holzzertifizierung einführen. Obwohl ein kleiner Teil des russischen Holzes bereits zertifiziert war, kostete die Tatsache, dass der Rest des Holzes aus Russland auf dem Markt im Nachteil war, das Land 1 Milliarde Dollar an Exporteinnahmen. Nach Schätzungen des Ministeriums lag der Preis für das nicht zertifizierte Holz aus Russland im Durchschnitt 20 bis 30 Prozent niedriger als der für zertifiziertes Holz aus anderen Ländern.39

Eine weitere Ware, für die ein Ökosiegel vergeben wird, ist Strom. In den USA erwarten viele der Kommissionen, die in den einzelnen Bundesstaaten die Oberaufsicht über die Stromversorger haben, dass der jeweilige Stromanbieter seinen Verbrauchern auch eine umweltfreundliche Stromoption anbietet. Diese muss per Definition aus einer der erneuerbaren Energiequellen außer der Wasserkraft stammen und schließt Windenergie, Solarzellen, solarthermische Energie, geother-mische Energie und Biomasse mit ein. Die Stromversorger verschicken einfach eine Antwortkarte zusammen mit der monatlichen Stromrechnung, auf der die Verbraucher ankreuzen können, ob sie lieber mit umweltfreundlich erzeugtem Strom versorgt werden würden. In diesem Angebot sind die zusätzlichen Kosten für diese Art von Strom, die in der Regel bei 3 bis 15 Prozent liegen, extra ausgewiesen.40 Vertreter der Stromversorger sind häufig überrascht, wie viele Verbraucher sich für umweltfreundlich erzeugten Strom entscheiden. Offensichtlich sind viele Menschen bereit, mehr für ihren Strom zu bezahlen, um so zu einer Stabilisierung des Klimas für zukünftige Generationen beizutragen. Einige kommunale Regierungen, darunter auch die von Santa Monica, Oakland und Santa Barbara in Kalifornien, haben sich dafür entschieden, ausschließlich umweltfreundlich erzeugten Strom zu verwenden. Dabei geht es um den Strom, der in den kommunalen Gebäuden verbraucht wird, aber auch den, der zur Bereitstellung verschiedener Dienste, wie der Straßenbeleuchtung und zum Betrieb der Verkehrsampeln, benötigt wird. Die Regierungen anderer Städte und die einiger Bundesstaaten, darunter Chicago, Portland, New Jersey und New York, beziehen immerhin einen Teil ihrer Energie aus umweltfreundlich erzeugtem Strom. 41

 

39 - "Russia Set ro Begin Certification of Forests," und "Russia Works Out System for Mandatory Wood Certification," hiterfhx. 5. Juni 2001: Rußland verfügt jetzt über 4 Millionen Hektar an vom FSC zertifizierten Waldflächen und weitete 10-15 Millionen Hektar, für die aktiv an einer Akkreditierung gearbeitet wird. Angaben des Forest Stewardship Council, "FSC takes off in Russia," FSC News, 30. Juni 2005.  
40 — National Renewable Energy Laboratory, Summary of Green Prking Programs (Golden, CO: Update 12. Juli 2001).

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Auch viele Firmen entscheiden sich für diese Art von Strom. Laut Angaben der Green Power Partnership der Environmental Protection Agency gehören Johnson & Johnson, Whole Foods Market und Staples41 zu den 25 größten Konsumenten von umweltfreundlich erzeugtem Strom und in Kalifornien und Texas entscheiden sich buchstäblich Dutzende von Firmen für diese Art der Stromversorgung.43

Das Ergebnis dieser wachsenden Zahl der Befürworter von umweltfreundlich erzeugtem Strom ist ein riesiger Zuwachs bei der Nachfrage, so dass viele Stromversorger bereits hart darum kämpfen müssen, eine adäquate Versorgung sicherzustellen. Ein Grund dafür, dass in so vielen Bundesstaaten die Windparks wie Pilze aus der Erde schießen, besteht darin, dass dies eine der schnellsten Möglichkeiten ist, neue Vorräte an umweltfreundlich erzeugtem Strom ans Netz zu bringen. Doch nicht nur in den Vereinigten Staaten verkauft sich der Okostrom inzwischen recht gut, er hat sich auch in Japan gut etabliert. Dort drohte die rasant ansteigende Nachfrage nach umweltfreundlich erzeugtem Strom im Jahr 2004 sogar die Versorgungsmöglichkeiten zu übersteigen, wodurch die Stromversorger gezwungen waren, schnellstmöglich in zusätzliche Windturbinen zu investieren.44

Zu den Ökosiegeln gehören auch die Energieeffizienzsiegel, die für Haushaltsgeräte, die bestimmte Energieeffizienzstandards erfüllen, vergeben werden. In vielen Ländern gibt es diese Siegel seit der Energiekrise Ende der 70er Jahre. Außerdem gibt es Ökosiegel, die von Umweltschutzgruppen oder Regierungsorganisationen auf nationaler Ebene vergeben werden. Zu den bekanntesten gehören der Blaue Engel in Deutschland, das Environmental Choice-Siegel in Kanada und der Energy Star der EPA in den Vereinigten Staaten.45

 

41 -Global Green USA, "Santa Monica Unanimously Approves RFP Process to Switch All City Facilities to Green Power," Pressemitteilung (Los Angeles: 14. Oktober 1998); Angaben zu Oakland aus Peter Asmus, Reaping the Wind (Washington, DC: Island Press, 2000); New American Dream, "Institutional Purchasing Program: Whar's Happening Around the Country," aufwww.newdream.org/procure/caregories.php, Update Januar 2004.

42— Anm. d. Übers: Es handelt sich hierbei um eine Initiative der EPA zur Förderung von erneuerbaren Energien.

43 — Environmenral Protection Agency (EPA), Green Power Partnership, "Top 25 Partners, Datenblatt, auf wwvv.epa.gov/greenpower/partners/ top25.htm, angesehen 28. Juni 2005; EPA, Green Power Partnership, "Our Partners," Datenblatt, aufwww.epa.gov/greenpower/ partners/gpp__parmers.htm, angesehen 19. September 2005.

44 - Junko Edahiro, E-Mail an Autor, 8. Oktober 2005.

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Eine neue Rohstoffwirtschaft

In der Natur überleben lineare einseitige Fließsysteme meist nicht lange. Ebenso wenig wie sie es, wenn man es im größeren Zusammenhang betrachtet, in einer wachsenden Wirtschaft tun, die ein Teil des Ökosystems der Erde ist. Die Herausforderung besteht darin, die Rohstoffwirtschaft so umzugestalten, dass sie sich mit der Natur im Einklang befindet. Die Wegwerfwirtschaft, die sich in den letzten 50 Jahren entwickelt hat, ist eine Fehlentwicklung, die nun selbst auf dem Müllhaufen der Geschichte zu landen droht.

Das Potential zur Senkung des Rohstoffverbrauchs ist in den letzten zehn Jahren in drei großen Studien genauer untersucht worden. In der ersten davon mit dem Titel Factor Four argumentiert Ernst von Weizsäcker et. al., ein bekannter Umweltexperte und politisch sehr aktiv im Deutschen Bundestag, dass die moderne Industriewirtschaft durchaus auch noch sehr effektiv sein könnte, wenn sie ein Viertel weniger an Rohstoffen verbrauchen würde als derzeit. Einige Jahre später folgte eine Untersuchung des französischen Faktor-10-Instituts unter der Führung von Friedrich Schmidt-Bleek. In seinen Untersuchungen kommt das Institut zu dem Schluss, dass die Ressourcenproduktivität mit den bereits vorhandenen Technologien und bei der derzeitigen Verwaltung der Rohstoffe durch entsprechende politische Anreize leicht um ein Zehnfaches erhöht werden könnte.46

Im Jahr 2002 veröffentlichten der amerikanische Architekt William McDonough und der deutsche Chemiker Michael Braungart gemeinsam ein Buch mit dem Titel Cradle to Cradle: Remaking the Way We Make Things 47, in dem sie argumentieren, dass Müll und Verschmutzung um jeden Preis verhindert werden müssen.„Verschmutzung", so McDonough, „ist ein Zeichen für einen Konstruktionsfehler."48 Einer der Schlüssel zur Senkung des Rohstoffverbrauchs ist die Wiederverwertung von Stahl, da der Verbrauch an Stahl den aller anderen Metalle zusammen noch übertrifft. Der Hauptteil des Stahlverbrauchs

 

45)  Consumers Union, "In Time for Earrh Day, Consumers Union Launches www.eco-labels. org," Pressemitteilung (Yonkers, NY: 10. April 2001); Umwelcbundesamt (Deutschland), "Information Sheet for Submission of New Proposais for the 'Blue Angel' Environmental Label" (Berlin: Utnwekbundesamt, 2001); Angaben zu Canada Environmental Choice von www.eiwiroiimentalchoice.com; Angaben zum U.S. Energy Star-Programm von www. energystar.gov
46)  Ernst Ulrich von Weizsäcker,. Amory B. Lovins und L. Hunter Lovins, Factor Four: Doubling Wenlth, Htilving Resource Usc (London: Earthscan, 1997); Friedrich Schmidt-Bleek et al., Factor 10: Making Sustainability Accountable, Putting Resource Productivity into Praxis (Carnoules, Frankreich: Factor 10 Club, 1998), S. 5.

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entfällt auf Automobile, Haushaltsgeräte und die Bauindustrie. In den Vereinigten Staaten ist die Wiederverwertung bei Autos von allen Produkten auf Stahlbasis am größten. Autos sind inzwischen einfach zu wertvoll, als dass man sie einfach auf irgendeinem abgelegenen Schrottplatz vor sich hin rosten lassen könnte. 49

Die Recyclingrate für Haushaltsgeräte wird auf 90 Prozent geschätzt. Für Stahldosen lag sie in den Vereinigten Staaten im Jahr 2003 bei 60 Prozent, was teilweise auf die Ende der 80er Jahre eingeführten kommunalen Recyclingkampagnen zurückzuführen ist.50

2003 wurden rund 71 Prozent des in den USA produzierten Stahls aus Altmaterial hergestellt und somit nur noch 29 Prozent aus frischem Erz. Vor mehr als einer Generation, als elektrische Lichtbogenöfen aufkamen, mit deren Hilfe Stahl aus Altmaterial hergestellt werden konnte, wobei nur ein Drittel der Energie verbraucht wurde wie im Fall von Stahl aus frischem Erz, begann das Recycling von Stahl zuzunehmen. Und da dafür kein neues Erz abgebaut werden muss, wird dadurch auch eine Ursache für die Zerstörung der Umwelt komplett ausgeschaltet. In den Vereinigten Staaten, Italien und Spanien entfällt inzwischen mindestens die Hälfte der gesamten Stahlproduktion auf die zum Recycling eingesetzten elektrischen Lichtbogenöfen.51

Es ist leichter für die ausgereifte Wirtschaft in den Industrieländern, einen Großteil ihres Stahl aus wiederverwertetem Altmaterial zu gewinnen, weil die Stahlmenge, die in der Wirtschaft im Umlauf ist, relativ fest ist. Die Anzahl der Haushaltsgeräte, der Autos und der Gebäude nimmt kaum oder gar nicht zu. Für Länder, die sich noch im Anfangsstadium der industriellen Entwicklung befinden, bleibt durch den Aufbau der Infrastruktur — egal, ob es sich dabei um Fabriken, Brücken, Hochhäuser oder Transportmittel, einschließlich der Autos, Busse und Bahnwagen handelt - nur wenig Stahl übrig, der recycelt werden könnte. In der neuen Wirtschaft werden die Eisenminen größtenteils

 

47 - Anm. d. Übers.: dt. Titel: Einfach intelligent produzieren

48 — William McDonough und Michael Braungart, Cradle to Cradle: Remaking the Way We Make Things (New York: North Point Press, 2002); Rebecca Smith, "Beyond Recycling: Manufac-turers Embrace 'C2C' Design," Will Street Journal, 3. März 2005.

49 - U.S. Geological Survey (USGS), "Iron and Steel Scrap," in Mineral Commodity Summaries (Reston, VA: U.S. Department o( the Interior, 2005), S. 88-89; Steel Recycling Institute, "Recycling Scrapped Automobiles: Recycling Steel And lron Used In Automobiles," Broschüre (Pittsburgh, PA: kein Datum).

50 - Recyclingraten aus from USGS, op. cit. Note 43.

51 - USGS, "RecyclingMetals, " in Minerals Yearbook 2003: Volume I - Metals and Minerals (Reston, VA: U.S. Department of'the Interior, 2004), S. 61.5-61.6; Angaben zu Italien und Spanien aus Hai Kane, "Steel Recycling Rising Slowly," in Lester R. Brown et al., Vital Signs 1992 (New York: W.W. Norton & Company. 1992)", S. 98.

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durch kleine Stahlwerke, in denen durch elektrische Lichtbogenöfen Altmaterial auf effiziente Weise in Stahl umgewandelt wird, ersetzt werden. Die Wirtschaft in den fortschrittlichen Industrieländern wird in Zukunft hauptsächlich auf die Menge an Rohstoffen zurückgreifen, die in der jeweiligen Wirtschaft bereits im Umlauf sind, statt auf neue Rohstoffe. Bei Metallen wie Stahl und Aluminium wird der Verlust durch die Nutzung minimal sein und bei einer entsprechenden Politik kann Metall praktisch endlos wiederverwertet werden.

In den letzten Jahren hat die Bauindustrie damit begonnen, alte Gebäude systematisch rückzubauen und sie dabei in ihre Bestandteile zu zerlegen, damit diese recycelt und wieder verwendet werden können. Als beispielsweise PNC Financial Services in Pittsburgh ein siebenstöckiges Gebäude im Stadtzentrum rückbauen ließ, kamen dabei 2.500 t Beton, 350 t Stahl, 9 t Aluminium und eine ganze Menge Schaumstoffdeckenplatten zusammen. Der Beton wurde pulverisiert und zur Wiederauffüllung der Baustelle benutzt, da an dieser Stelle später ein Park entstehen sollte. Stahl und Aluminium wurden recycelt und die Deckenplatten wurden an den Hersteller zurückgesandt und dort recycelt. Insgesamt wurden durch diese Recyclingmaßnahmen etwa 200.000 Dollar an Gebühren für die Entsorgung eingespart, und wenn man ein Gebäude zurückbaut, statt es einfach nur einzureißen, kann der Großteil der Baumaterialien recycelt werden.52

In Deutschland - und seit kurzem auch in Japan - müssen Produkte wie Autos, Haushaltsgeräte und Büroausrüstungen so konzipiert sein, dass sie leicht in ihre Einzelteile zerlegt und diese recycelt werden können. Mai 2001 hat das japanische Parlament ein striktes Gesetz zum Geräterecycling verabschiedet, laut dem es verboten ist, Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Fernseher oder Klimaanlagen einfach wegzuwerfen. Da die Konsumenten die Kosten für die Demontage in Form von Entsorgungsgebühren tragen müssen, die bei einem Kühlschrank schnell einmal bei 60 Dollar liegen können oder bei 35 Dollar für eine Waschmaschine, steigt der Druck auf die Hersteller, Geräte so zu konzipieren, dass sie schnell und preiswert zerlegt werden können.53 Da Computer infolge technischer Fortschritte immer schneller veralten, ist die Notwendigkeit, sie schnell zerlegen und recyceln zu können, eine riesige Herausforderung beim Aufbau einer umweltverträglichen Wirtschaft. Neben den Maßnahmen zur Förderung des Rohstoffrecyclings sind auch jene zur Förderung der Mehrfachverwendung von Produkten sehr wichtig, wie beispielsweise im Falle von Mehrwegver-

 

52....."Recycling Taken to a New Level: Buildings," Associated Press, 1. November 2004.

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Packungen für Getränke. So ist in Finnland die Verwendung von Ein-weggetränkeverpackungen für alkoholfreie Getränke verboten und in der kanadischen Provinz Prince Edward gibt es ein absolutes Verbot für nicht wiederbefüllbare Getränkeverpackungen. In beiden Fällen sind infolge des Verbots die Müllströme zu den lokalen Müllkippen deutlich zurückgegangen.54

Für eine wiederbefüllbare Glasflasche, die immer wieder verwendet werden kann, werden nur etwa 10 Prozent der Energie verbraucht, die im Falle einer recyclingfähigen Aluminiumdose benötigt würde. Die Reinigung, Sterilisierung und Neuetikettierung einer bereits benutzten Flasche verbraucht relativ wenig Energie, das Recycling von Dosen aus Aluminium, das einen Schmelzpunkt von 660 Grad Celsius hat, ist dagegen ein sehr energieintensiver Prozess. Ein Verbot nicht wie-derbefüllbarer Verpackungen ist eine Option, die für alle nur Vorteile bringt — Material- und Energieverbrauch werden gesenkt, ebenso wie das Müllaufkommen und die Luft- und Wasserverschmutzung.55

Außerdem könnte Treibstoff für den Transport eingespart werden, da die leeren Flaschen ganz einfach in die ursprüngliche Abfüllanlage oder die Brauerei zurückgebracht werden. Bei der Verwendung von Einwegverpackungen, egal, ob aus Glas oder aus Aluminium, die recycelt werden sollen, müssen die Verpackungen zunächst zu einer Anlage transportiert werden, wo sie eingeschmolzen und wieder in die entsprechende Verpackungsform gebracht werden, um anschließend zu den Abfullanlagen oder Brauereien transportiert zu werden. Noch wichtiger als die Konzeption des einzelnen Produkts ist die Neu-konzipierung der Herstellungsprozesse, um so die Freisetzung von Giftstoffen gänzlich zu unterbinden. Viele der heutigen Herstellungsprozesse wurden zu einer Zeit entwickelt, als die Wirtschaft noch viel kleiner war und als die Menge an freigesetzten Giftstoffen die Ökosysteme noch nicht überforderte. Doch inzwischen begreifen immer mehr Unternehmen, dass es so nicht weitergehen kann und einige von ihnen, wie zum Beispiel Dupont, haben sich zum Ziel gesetzt, überhaupt keine Giftstoffe mehr freizusetzen.56

 

53 - Tim Burt. 'VW is Set for $500m Recycling Provision," Financial Times, 12. Februar 2001; Mark Magnier, "Disassembly Lines Hum in Japans New Industry," Los Angeles Times, 13. Mai 2001.

54 - Angaben zu Finnland in Brenda Platt und Neil Seldman, Wasting und Recycling in the United States 2000 (Athens, GA: GrassRoocs Recycling Network, 2000); Angaben zu Prince Edward Island, "PEI Bans die Can," offizielle Webseite der tegierung von Prince Edward Island, auf www.gov.pe.ca/index.php3?number=43924, angesehen 15. August 2005.

55 — Brenda Platt und Doug Rowe, Reduce, Reuse-, Refill! (Washington, DC: Institute for Local Self-Reliance, 2002); Angaben zum Energieverbrauch aus David Saphire, Case Reopened: Remsessing Refdlabk Bottles (New York: INFORM, Inc., 1994).

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Eine weitere Möglichkeit zur Reduzierung des Müllaufkommens ist die systematische Bündelung von Fabriken, so dass die Abfälle aus einem Prozess als Rohstoff für einen anderen genutzt werden können. Die große japanische Elektronikfirma NEC setzt als eines der ersten multinationalen Unternehmen diesen Ansatz in verschiedenen Produktionsanlagen um. Tatsächlich besteht das Ziel sowohl der Regierungen als auch der Firmen beim Bau von Industrieparks darin, Fabriken miteinander zu kombinieren, die Abfallprodukte erzeugen, die untereinander weiterverwertet werden können, so dass — ähnlich wie in der Natur — der Abfall des einen Unternehmens zur Lebensgrundlage des anderen wird.57

Die Politik der Regierungen bei der Vergabe von Aufträgen kann zu einer massiven Steigerung des Recyclings beitragen. Als beispielsweise die Clinton-Administration 1993 eine Durchführungsverordnung, eine sogenannte Executive Order, erließ, in der verfügt wurde, dass das gesamte von der Regierung verwendete Papier bis 1995 zu mindestens 20 Prozent aus Altpapier bestehen musste (bis zum Jahr 2000 sollten es sogar 25 Prozent sein), schuf sie damit einen starken Anreiz für Papierhersteller, Altpapier in ihren Produktionsprozess mit einzubinden. Und da die US-Regierung der größte Papierkonsument der Welt ist, wurde damit ein blühender Markt für Recyclingpapier geschaffen.58

Auch neue Technologien, die insgesamt weniger materialabhängig sind, tragen zur Senkung des Rohstoffverbrauchs bei. Mobiltelefone, deren Signale durch weit voneinander entfernt stehende Funktürme oder durch Satelliten übertragen werden, beherrschen inzwischen den Telefonmarkt in den Entwicklungsländern, weil hier die Investitionen in die Verlegung Hunderter Millionen Kilometer Kupferdraht, wie sie in den Industrieländern notwendig war, überflüssig ist.59 Ein Industriezweig, dessen Wert für die Gesellschaft von Umweltschützern oft in Frage gestellt wird, ist die Tafelwasserindustrie. Der World Wide Fund forNature, eine Organisation mit 5,2 Millionen Mitgliedern, veröffentlichte im Jahr 2001 eine Untersuchung, bei der man die Verbraucher in den Industrieländern dazu aufrief, auf Tafelwasser zu verzichten, da es — obwohl es etwa 1.000 Mal teurer ist — weder sauberer, noch gesünder ist als Leitungswasser.60

 

56 — Laut eigenem "Safety, Health, and Environmental Commitment'wird Dupont den gesamten Rohstoffabfäil und die Emissionen toxischer Substanzen in die Umwelt senken, berichtet am 15. April 1998 durch die Universität von Kalifornien in Berkeley, "People Product Straregy" program, auf best.me.berkeley. edu/-pps/pps/dupont_die.html; "How High the Moon—The Challenge of 'Sufficiem' Goals,"' The New Bottom Line, 30. Juni 2004.

57— NEC Corporation, Anntuti Environmental Report 2000: Ecology and Technology (Tokio: 2000), S. 24-27.

58 - John E. Young, "The Sudden New Strength of Recycling," World Watch, Juli/August 1995.S. 24.

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Der WWF stellte fest, dass es in den USA und in Europa mehr Standards für die Qualität von Leitungswasser gibt als für Tafelwasser. Obwohl viele Konsumenten in den Industrieländern dank des cleveren Marketings überzeugt sind, dass Tafelwasser gesünder ist, konnte die Untersuchung des WWF keine Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung finden. Für die Menschen, die in Gegenden leben, wo das Wasser tatsächlich ungesund ist, wie beispielsweise in einigen Städten in der Dritten Welt, ist es weitaus preiswerter, das Wasser abzukochen oder zu filtern, als es in Flaschen zu kaufen.61

Wenn die Produktion von Tafelwasser vollständig ausliefe, so wären Milliarden von Plastikflaschen ebenso überflüssig wie die Unmengen an LKWs zur Beförderung und Auslieferung des Wassers. Dies wiederum würde zu einer Verringerung der Verkehrsstaus und der Luftverschmutzung führen und verhindern, dass die Kohlendioxidwerte durch diese LKWs weiter in die Höhe getrieben werden.62

Auch ein kurzer Überblick über die Auswirkungen des Goldschür-fens auf die Umwelt lässt Zweifel daran aufkommen, dass diese Industrie ein echter Gewinn für die Gesellschaft ist. Neben der massiven Freisetzung von Quecksilber und Zyanid in die Umwelt sind für die Produktion der jährlich 2.500 t Gold 750 Mio Tonnen Erz nötig - das einzige, was pro Jahr noch mehr Erz verbraucht, ist die Produktion von Rohstahl, hier werden 2,5 Milliarden Tonnen Erz benötigt, um 1 Milliarde Tonnen Rohstahl zu erhalten.63

Mehr als 80 Prozent des jährlich geschürften Goldes wird zur Herstellung von Schmuck verwendet, der häufig als Statussymbol getragen wird, das es der wohlhabenden Minderheit auf der Welt ermöglicht, ihren Reichtum zur Schau zu stellen. Birsel Lemke, eine allgemein angesehene türkische Umweltexpertin, stellt den Sinn zukünftiger Goldschürfungen in Abrede und wirft die Frage auf, ob es sich lohnt, riesige Areale in - wie sie es nennt - „Mondlandschaften" zu verwandeln. Sie stört sich nicht an dem Gold an sich, sondern an den tödlichen Chemikalien — Zyanid und Quecksilber — die zur Verarbeitung der Golderze benötigt werden. 64 Um einen ehrlichen Marktpreis für Gold zu erhalten müsste eine Steuer auf Gold erhoben werden, mit deren Hilfe die Kosten für die Behebung der im Verlauf der Goldgewinnung entstandenen Schädigungen durch Quecksilber und Zyanid sowie die

 

59 - "China is No. 1 in Asian Cell Phone Market," International Herald Tribüne, 17. August 2000. 60-Catherine Ferrier, Bottled Water: Understanding a Social Phenomenon (Surrey, GB: WWF, 2001).  
61 — Ebenda.  
62 — Ebenda.

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Kosten für die landschaftliche Sanierung der Gegenden, in denen Gold gefördert wurde, gedeckt werden können. Durch eine solche Besteuerung würde der Goldpreis sicher um ein Vielfaches ansteigen, wodurch der Preis für dieses edle Metall endlich auch die tatsächlichen Kosten des Goldes für die Gesellschaft widerspiegeln würde.

Eine weitere Möglichkeit zur Senkung des Rohstoffverbrauchs wäre die Abschaffung von Subventionen, durch die der Rohstoffverbrauch gefördert wird. Nirgendwo sind diese Subventionen höher als in der Aluminiumindustrie. In einer Studie des Australia Institute heißt es beispielsweise, dass Aluminiumschmelzen subventionierten Strom zu erstaunlich günstigen Preisen von 0,7 bis 1,4 Cents pro Kilowattstunde kaufen können, während andere Industriezweige 2,6 bis 3,1 Cents zahlen. Es ist gut möglich, dass es ohne diese massive Subventionierung gar keine Einwegverpackungen aus Aluminium für Getränke gäbe. Durch die Subventionen des Aluminiums werden indirekt auch Flugzeuge und Autos subventioniert, wodurch das Reisen - eine sehr energieintensive Tätigkeit — gefördert wird. 65

Die tiefgreifendste politische Initiative zur Senkung des Rohstoffver-brauchs in der Wirtschaft ist die vorgeschlagene Besteuerung des Ver-brennens fossiler Brennstoffe. Diese Steuer würde die tatsächlichen Kosten des Kohlebergbaus und der Erdölgewinnung für die Gesellschaft sichtbar machen, ebenso wie die Kosten, die durch die mit der Verwendung von Kohle und Erdöl verbundene Luftverschmutzung und durch den Klimawandel entstehen. Eine Kohlenstoffsteuer würde zu einem realistischeren Preis für Energie führen, der sich auf die gesamte energieintensive Rohstoffwirtschaft auswirken und zu einer Senkung des Rohstoffverbrauchs beitragen würde.

 

63 - Leanne Farrell et ah, Dirty Metals: Mining, Communities and the Environment (Washington, DC: Earthworks and Oxfam America, 2004), S. 4-5; Daten zur Gold-, Eisen- und Stahlproduktion aus USGS, "Gold," "Iron Ore," und "Iron and Steel," in Mineral Commadity Summaries (Reston, VA: U.S. Department of the Interior, 2005), S. 72-73, 84-87: Verhältnis von abgebautem Erz zu produziertem Merali aus Lester Brown, Eco-Economy (Washington. DC: Earth Policy Institute, 2001). S, 130.

64 —Anteil von Gold an der Gesamtmenge von Schmuck aus Earthworks, "Valenrine's Gold Jewelry Sales Generare 34.000,000 Tons of Mine Waste," Pressemitteilung (Washington, DC: 11. Februar 2005); Lemke aus "Don't Mine Gold for leweis," Reuters, 10. Dezember 2000.

65 - Clive Hamilton und Hai Turton, Subsidies to the Aluminium Industry and Climate Change, Background Paper Nr. 21, Submission to Senate Environment References Committee Inquiry into Australia's Response to Global Warming (Canberra, Australien: The Australia Institute, 1999), S. 3-4; Hai Turton, The Aluminum Smelting Industry: Structure, Market Power, Subsidies and Greenhouse Gas Emissions, Diskussionspapier Nr. 44 (Canberra, Australien: The Australia Institute, 2002), S. vii; Dollarumrechnung basierend auf Wechselkurs des IWF vom fanuar 2002 in IWF, op. cit. Note 25; john E. Young, "Aluminums Real Tab/' World Watet, Märe/April 1992, S. 26-33.

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Die eigentliche Herausforderung beim Aufbau eines Rohstoffsektors innerhalb der neuen Okowirtschaft besteht darin, sicherzustellen, dass der Markt ehrliche Signale sendet. Um es mit den Worten von Ernst von Weizsäcker zu sagen: „Die Herausforderung besteht darin, den Markt dazu zu bringen, in ökologischer Hinsicht ehrlich zu sein." Um dazu beizutragen, dass er das tut, brauchen wir nicht nur eine Kohlenstoffsteuer, sondern auch eine Müllhaldensteuer, damit diejenigen, die den Müll verursachen, auch die vollen Kosten für die Entsorgung tragen müssen.66

 

Neue Industriezweige und neue Arbeitsplätze

Natürlich ist eine Beschreibung, wie eine solche neue Okowirtschaft aussehen wird, immer spekulativ, doch nicht so sehr, wie man annehmen könnte, denn die groben Umrisse werden ja durch die Prinzipien des Umweltschutzes vorgegeben. Die spezifischen Trends und Veränderungen, die hier beschrieben werden, sind keine Voraussagen darüber, was genau passieren wird, obwohl aus Gründen der Effizienz oft das einfache Futur verwendet wird. Niemand weiß genau, ob diese Veränderungen wirklich eintreten werden, doch wenn wir eine Okowirtschaft aufbauen wollen, müssen diese oder ähnliche Maßnahmen ergriffen werden.

Der Aufbau einer neuen Wirtschaft erfordert auch die Aufgabe alter, die Umstrukturierung existierender und die Schaffung neuer Industriezweige.

Die Verwendung von Kohle beispielsweise wird bereits abgeschafft, in vielen Ländern ist sie durch die Fortschritte im Bereich der Energieeffizienz bereits ersetzlich geworden. So wird in Großbritannien statt dessen Erdgas eingesetzt und in Deutschland und Dänemark Windenergie. 67 Die weltweite Automobilindustrie steht vor bescheidenen Umstrukturierungen durch den Übergang von benzinbetriebenen Verbrennungsmotoren zu Benzin-Elektro-Hybridantrieben, Diesel-Elektro-Hybridantrieben oder den hocheffizienten Dieselantrieben, die in Europa sehr beliebt sind. Dazu wird es sowohl einer Umrüstung der Motorenwerke bedürfen wie auch einer Umschulung der Autoingenieure und Automechaniker. Die neue Wirtschaft wird auch viele neue große Industriezweige hervorbringen, die entweder bisher noch

 

66 - Weizsäcker zitiert in John Young, "The New Materialism: A Matter of Policy," World Wutch, September/Oktober 15)94, S. 34.

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gar nicht existiert haben oder gerade erst im Entstehen begriffen sind. Die Stromerzeugung durch Windenergie ist ein solcher Industriezweig, in dem noch drei untergeordnete Industriezweige integriert sind: die Herstellung, der Aufbau und die Instandhaltung von Windturbinen. Noch steckt der Industriezweig in den Kinderschuhen, doch es sieht so aus, als sollte er in Zukunft zur Grundlage der neuen Energiewirtschaft werden. Schon bald werden Millionen von Turbinen Windenergie in preiswerten Strom umwandeln, sie werden zu einem Teil der Landschaft werden und durch sie werden in ländlichen Gegenden überall auf der Welt neue Arbeitsplätze entstehen, die den Menschen dort ein Einkommen bieten.

Wenn sich die Windenergie zur Hauptquelle für preiswerten Strom entwickelt, so wird dies auch eine andere Industrie fördern - die Herstellung von Wasserstoff. Wenn die Windturbinen erst einmal weit genug verbreitet sind, werden nachts, wenn der Stromverbrauch sinkt, riesige ungenutzte Stromkapazitäten entstehen. Mit Hilfe dieses im Grunde freien Stroms können Turbinenbesitzer Wasserstoffgeneratoren antreiben und so die Windenergie in Wasserstoff umwandeln. Dieser kann dann zum Betrieb von Kraftwerken genutzt werden, die bisher mit Erdgas betrieben wurden, wenn das Erdgas zu teuer wird oder nicht mehr verfügbar ist. Die Windturbine wird letztlich die Kohleminen, die Ölquellen und die Gasfelder ersetzen.

Zu den vielen Veränderungen in der weltweiten Lebensmittelindustrie wird auch die Fortsetzung des Trends zu Fischfarmen gehören. Aquakulturen, der am schnellsten wachsende Teilsektor der weltweiten Lebensmittelindustrie, ist seit 1990 jährlich um 9 Prozent gewachsen. Und da es sich dabei um eine so effiziente Möglichkeit zur Umwandlung von Getreide in tierische Eiweiße handelt, wird die Aufzucht von Fischen in Fischfarmen, besonders die von Arten, die hauptsächlich zu den Pflanzenfressern gehören, wie Karpfen, Welse und Buntbarsche, vermutlich auch weiter rasant zunehmen. Aus diesem rasanten Anwachsen der Aquakulturen ergibt sich auch die Notwendigkeit zu einer schnellen Ausdehnung der Fischfutterindustrie, in der das Futter von Spezialisten für Fischnahrung entwickelt wird, ähnlich, wie es in der Geflügelwirtschaft bereits gemacht wird. 68 Die Produktion und Instandhaltung von Fahrrädern ist ebenfalls ein Industriezweig mit großen Wachstumschancen. Noch 1965 lagen die Produktion von

 

67 - Angaben zu Erdöl- und Erdgasverbrauch aus BP, BP Statistical Review of World Energy (London: Group Media & Publishing, 2005), S. 26. 33; European Wind Energy Association, Wind Energy The Eacts: An Analysis ofWind Energy in tbe EU-25, Executive Summary (Brüssel: 2004), S. 2, 7.

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Fahrrädern und die von Autos im Wesentlichen gleichauf, beide lagen um die 20 Millionen pro Jahr. Doch im Jahr 2003 war die Fahrradproduktion bereits auf 100 Millionen gestiegen, während die von Autos nur bei 42 Millionen lag. In diesem Anstieg in der Fahrradproduktion spiegelt sich die Zunahme der Zahl derer wieder, die einen Einkommensstand erreicht haben, bei dem sie sich ein Fährrad leisten können, die meisten davon in Asien. In den Industrieländern lassen die in den Niederlanden und Deutschland erstmals eingeführten städtischen Verkehrssysteme, in denen Fahrräder ein wichtiger Bestandteil sind, erahnen, welche Rolle das Fahrrad in Zukunft weltweit spielen wird.69

Mit der Ausweitung des Gebrauchs von Fahrrädern wächst auch das Interesse an Elektrofahrrädern. Sie ähneln normalen Fahrrädern, verfugen aber zusätzlich noch über einen kleinen, batteriebetriebenen Elektromotor, mit dessen Hilfe das Fahrrad entweder vollständig bewegt werden kann oder der ältere Menschen und Menschen, die in bergigen Gegenden leben, beim Fahren unterstützt. Es wird davon ausgegangen, dass die in die Höhe schießenden Verkaufszahlen auch weiterhin steigen werden.70 Ein weiterer Wachstumsbereich liegt in der Erhöhung der Wasserproduktivität. Ähnlich wie man sich in den vergangenen 50 Jahren bemüht hat, die Landproduktivität zu erhöhen, wird man sich in den nächsten 50 Jahren vorrangig damit beschäftigen, wie man .die Wasserproduktivität erhöhen kann. Bewässerungstechnologien werden effizienter werden und das wiederholte Recycling der städtischen Wasservorräte, das in einigen Städten bereits begonnen hat, wird alltäglich werden und so das bisherige System des Herunterspülens und Verges-sens ersetzen. Mit den steigenden Olpreisen gewinnen auch Telefon-und Videokonferenzen immer mehr an Attraktivität. Um Zeit und Treibstoff zu sparen, werden die Menschen über Audio- und Videoverbindungen an Konferenzen „teilnehmen". Eines Tages wird es vermutlich wirklich Tausende von Firmen geben, die solche elektronischen Konferenzen organisieren.

 

68 - Angaben zum Wachstum bei Aquakulturen berechnet auf Grundlage der Angaben aus U.N. Food and Agricultuxe Organization (FAO), FISHSTAT Plus, elektronische Datenbank, auf www.fao.org/fi/statist/FISOF77FISHPLUS.asp, Update März 2005; Umwandlung in Protein bei Fisch aus Rosamond L. Naylor et al., "Effect of Aquaculture on World Fish Supplies," Nature. Vol. 405 (29. Juni 2000), S. 1.022.

69-Michael Renner, "Vehicle Production Sets New Record," und Gary Gardner, "Bicycle Production Recovers," beide in Worldwatch Institute, Vital Sigm 2001 (New York: W.W. Norton & Company, 2001), S. 68-71; Ward's Communications, Wnrd's World Motor Vehicle Data 2004 (Southfield, MI: 2004), S. 216; John Crenshaw, Bicycle Retailer and Industry News, E-Mail an Danielle Murray, Earth Policy Institute, 19. August 2005.

70 - Gary Gardner, "Bicycle Production Rolls Forward," in Worldwatch Institute, Vital Sigiis 2002 (New York: WAV. Norton & Company, 2002), S. 76-77.

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Weitere vielversprechende Industriezweige sind die Herstellung von Solarzellen, der Bau von Schienenverbindungen für Stadtbahnen und die Baumanpflanzung. Für die 1,7 Milliarden Menschen in den Entwicklungsländern und in Dörfern ohne Stromanbindung stellen Solarzellen die beste Möglichkeit zur Stromversorgung dar. Weil die Menschen der Verkehrsstaus müde sind und die Luftverschmutzung nicht mehr ertragen, beschränken immer mehr Städte in der ganzen Welt die Möglichkeiten zur Benutzung von Autos und wenden sich den Stadtbahnen als Mittel zur Gewährleistung von Mobilität zu. Und da die Bemühungen zur Wiederaufforstung weltweit an Schwung gewinnen und Baumanpflanzungen sich ausdehnen, wird sich das Anpflanzen von Bäumen zu einer der wichtigsten wirtschaftlichen Aktivitäten entwickeln.71

Die Umstrukturierung der Weltwirtschaft wird nicht nur neue Industriezweige entstehen lassen, sondern auch neue Arbeitsplätze — im Grunde werden völlig neue Berufe und neue Spezialgebiete innerhalb der Berufsbilder entstehen. Wenn die Welt sich im großen Stil der Windenergie zuwendet, so werden Tausende von Meteorologen gebraucht werden, die auf Windvorhersagen spezialisiert sind, um potentielle Standorte für Windfarmen zu untersuchen und die günstigsten herauszufinden. Die Rolle dieser Meteorologen in der neuen Wirtschaft wird mit der Rolle der auf Erdöl spezialisierten Geologen in der alten Wirtschaft vergleichbar sein.

Es gibt bereits eine wachsende Nachfrage nach umweltfreundlichen Architekten, die ihre Bauwerke so konzipieren, dass sie energie- und materialeffizient sind, und die auf eine maximale Nutzung der Möglichkeiten zu natürlichen Beheizung, Kühlung und Beleuchtung der Gebäude achten. Angesichts der zukünftigen Verknappung der Wasservorräte wird man Hydrologen für die Flusseinzugsgebiete brauchen, die den Wasserkreislauf vor Ort untersuchen und die ökologisch verträgliche Menge an Wasser bestimmen, die dem Grundwasserleiter entnommen werden kann. Diese Menschen werden im Zentrum der Systeme zur Wasserverwaltung der Flusseinzugsgebiete stehen.

Wenn die Welt von der Wegwerfwirtschaft zur Recyclingwirtschaft übergeht, werden Ingenieure zur Entwicklung recyclingfähiger Produkte — vom Auto bis zum Computer — benötigt werden. Wenn die Produkte erst einmal so konzipiert sind, dass sie schnell und preiswert in ihre Bestandteile und die einzelnen Materialien zerlegt wer-

 

71 -Vereinte Nationen, "New UN Report Outlines indicarors for Sustainable Energy Use," Pressemitteilung (New York: 15. April 2005). 

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den können, ist ein umfassendes Recycling kein Problem mehr. Diese Ingenieure werden dafür verantwortlich sein, den Materialkreislauf zu schließen und die lineare Wegwerfwirtschaft in eine Recyclingwirtschaft umzuwandeln. In Ländern, die reich an geothermischer Energie sind, werden Geologen, die auf dieses Gebiet spezialisiert sind, dafür verantwortlich sein, die günstigsten Standorte für geothermisch betriebene Kraftwerke oder für ein direktes Anzapfen der unterirdisch vorhandenen Energie zur Beheizung von Gebäuden zu finden. Eine Möglichkeit zur Deckung des wahrscheinlich wachsenden Bedarfs an Geologen, die auf geothermische Energie spezialisiert sind, ist die Umschulung der ehemals im Erdölbereich tätigen Geologen.

Ein weiterer dringend zu deckender Bedarf, besonders in den Entwicklungsländern, ist der an Sanitäringenieuren zur Entwicklung von Abwassersystemen auf der Basis von geruchslosen Kompostiertoiletten, die kein Wasser verbrauchen - ein Trend, der in Ländern mit sehr geringen Wasservorkommen bereits zu beobachten ist. Außerdem wird ein hoher Bedarf an Agrarwissenschaftlern bestehen, die auf Wechselfruchtfolgen und Zwischenfruchtbau spezialisiert sind. Dazu braucht man ein solides Fachwissen über die Züchtung und Auswahl der Pflanzen, die an den verschiedensten Orten gemeinsam in strenger Rotation angepflanzt werden können, aber auch über die landwirtschaftlichen Methoden, die der Wechselfruchtfolge förderlich sind. Es ist offensichtlich, dass die wirtschaftliche Umstrukturierung eine Herausforderung für die Unternehmen sein wird — aber auch für die Universitäten. Durch diese Umstrukturierung entsteht ein Bedarf an neuen Berufen, wie Windmeteorologen, Energiearchitekten und Recyclingingenieuren, und damit auch an Ausbildungsmöglichkeiten für die Profis von morgen.

 

Die Ökologische Revolution

Durch die Umstrukturierung der Weltwirtschaft nach ökologischen Gesichtspunkten bietet sich eine der größten Investitionsmöglichkeiten aller Zeiten. In ihrem Ausmaß ist diese Ökologische Revolution mit ihren Vorgängern, der Landwirtschaftlichen und der Industriellen Revolution, durchaus vergleichbar.

Bei der Landwirtschaftlichen Revolution ging es darum, die Nahrungsmittelwirtschaft umzustrukturieren, um den Übergang vom nomadenhaften Herumziehen der Jäger und Sammler zur Sesshaftig-keit der Ackerbauern. Obwohl die Landwirtschaft zunächst nur eine

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Ergänzung zum Jagen und Sammeln war, hat es diese beiden doch letztlich fast vollständig ersetzt. Im Rahmen der Landwirtschaftlichen Revolution wurde ein Zehntel der Erdoberfläche von Gras oder Bäumen befreit, damit es umgepflügt und bebaut werden konnte. Anders als die Kultur der Jäger und Sammler, die praktisch keinerlei Auswirkungen auf die Erde hatte, hat diese Ackerbaukultur buchstäblich das Aussehen der Erde verändert.72

Die Industrielle Revolution hat etwa zwei Jahrhunderte angedauert, auch wenn sie in einigen Ländern immer noch in den Kinderschuhen steckt. Grundlegend war der Übergang von Holz zu fossilen Brennstoffen, der den Weg bereitete für eine massive Ausdehnung der wirtschaftlichen Aktivitäten. Im Grunde ist die Nutzung riesiger Mengen an Solarenergie, die in Form fossiler Brennstoffe in der Erde gespeichert sind, das herausragende Merkmal der Industriellen Revolution, und während die Landwirtschaftliche Revolution das Aussehen der Erde verändert hat, verändert die Industrielle Revolution die Atmosphäre der Erde.

Durch die erhöhte Produktivität infolge der Industriellen Revolution wurden enorme kreative Energien freigesetzt und führte zur Entstehung eines ganz neuen Lebensstils, doch sie leitete auch die ökologisch zerstörerischste Ära in der Geschichte der Menschheit ein und brachte die Erde auf einen Weg, der im wirtschaftlichen Niedergang enden muss. Die Ökologische Revolution ähnelt der Industriellen insofern, als auch hierbei der Wechsel zu einer neuen Energiequelle entscheidend ist. Und ebenso wie die beiden vorangegangenen Revolutionen wird auch die Ökologische Revolution Einfluss auf die ganze Welt haben. Die drei Revolutionen unterscheiden sich in Bezug auf das Ausmaß, den Zeitrahmen und den Ursprung. Anders als die ersten beiden muss die Ökologische Revolution innerhalb weniger Jahrzehnte vollzogen werden.

Die anderen beiden wurden durch neue Entdeckungen ausgelöst, durch Fortschritte im technologischen Bereich, doch diese Revolution — obwohl sie durch neue Technologien gefördert wird -entsteht aus der Notwendigkeit, unseren Frieden mit der Natur zu machen. Wie bereits angemerkt gab es nie zuvor Investitionsmöglichkeiten wie diese. Die 1,7 Billionen Dollar, die weltweit jedes Jahr für Erdöl, die derzeit vorrangige Energiequelle, ausgegeben werden, lassen erahnen, wie viel Geld in einer Ökowirtschaft für Energie vorhanden wäre. Doch ein wesentlicher Unterschied zwischen den Investitionen in fossile Brennstoffe und denen in Windkraft, Solarenergie und geothermische Energie besteht darin, dass die Ressourcen an den letztgenannten Energieformen unerschöpflich sind.73)

72) Die Gesamtfläche liegt bei 13,1 Milliarden Hektar, davon sind 1,4 Milliarden Hektar landwirtschaftlich nutzbar. Angaben von FAO, FAOSTAT Stmistics Database, at: apps.tao.org. Update 4. April 2005.

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Den von importiertem Erdöl abhängigen Entwicklungsländern bieten die neuen Energiequellen die Möglichkeit, Kapital für Investitionen in Energiequellen freizumachen, die im eigenen Land vorhanden sind. Nur wenige Länder verfügen über eigene Ölquellen, doch Wind und Sonne gibt es überall und damit Energien, die nur darauf warten genutzt zu werden. Im Hinblick auf wirtschaftliches Wachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze sind die neuen Energieformen ein Geschenk des Himmels. Die Investitionen in die Energieeffizienz werden rasant ansteigen, weil sie ganz einfach profitabel sind und in wirklich allen Ländern ist eingesparte Energie die preiswerteste Quelle für neue Energie.

Auch in der Lebensmittelwirtschaft gibt es Investitionsmöglichkeiten im Überfluss. So ist es beispielsweise sehr wahrscheinlich, dass die Nachfrage nach Meeresfrüchten in den nächsten 50 Jahren weltweit um mindestens die Hälfte, vielleicht sogar mehr, ansteigen wird. Wenn das passiert, wird die Fischproduktion in den Fischfarmen - die derzeit bei 42 Millionen Tonnen pro Jahr liegt -ungefähr verdoppelt werden müssen, ebenso wie die Investitionen in solche Fischfarmen. Auch wenn der Zuwachs bei den Aquakulturen wahrscheinlich nach den 9 Prozent pro Jahr in den letzten zehn Jahren etwas zurückgehen wird, bietet dieser Bereich doch nach wie vor viele interessante Investitionsmöglichkeiten.74)

Ganz ähnlich ist die Situation bei den Baumanpflanzungen. Im Jahr 2000 waren 187 Millionen Hektar Fläche von solchen Anpflanzungen bedeckt. Zur Befriedigung des zukünftigen Bedarfs und zur Entlastung der natürlichen Wälder wird es aber nötig sein, diese Fläche um mindestens die Hälfte zu erweitern.75)

Es wird in der gesamten Weltwirtschaft keinen einzigen Sektor geben, der nicht von dieser Ökologischen Revolution betroffen ist. In der neuen Ökowirtschaft werden einige Firmen auf der Gewinner-, andere auf der Verliererseite stehen. Diejenigen, die sich am Aufbau der neuen Wirtschaft beteiligen, werden zu den Gewinnern gehören, doch jene, die sich an die Vergangenheit klammern, riskieren damit, bald selbst der Vergangenheit anzugehören.

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73)  Die Ausgaben für Erdöl wurden berechnet auf der Grundlage der Nachfrage und dem Preis pro Barrel laut DOE, EIA, Short-Term Energy Outlook August 2005 (Washington, DC: 2005).  
74)  Zuwachs bei Aquakulturen berechnet auf Grundlage von FAO, op. cit. Note 62.  
75)  Fläche der Anpflanzungen aus FAO, Foren Resources Assessment (FRA) 2000 (Rom: 2001), S. 402.

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