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1.4  Die »Freundschaftsdienste«

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39-73

Man sollte auch nicht die »materielle Absicherung für den Lebensunterhalt« vergessen, die die in Moskau akkreditierten Korres­pondenten dieser brüder­lichen Presseerzeugnisse genossen. Sie wurde - offensichtlich aus Gründen der Vertuschung - seit Ende der fünfziger Jahre vom sowjetischen Roten Kreuz ausbezahlt. Aber die zunehmende Krise bewirkte etwas Unerhörtes: Das Rote Kreuz meuterte, weigerte sich zu zahlen und wies auf die Kürzung seines Haushalts durch die Regierung hin. Es rechnete vor:

»Gegenwärtig befinden sich in Moskau 33 ausländische Korrespondenten, die 30 Wohnungen belegen, sieben davon Pressebüros. Außer dem Lebensunterhalt werden von sowjetischer Seite auch die Ausgaben für Post, Telex und Telefon, für die Instandhaltung der Wohnungen und Büros, für Reisen innerhalb der Sowjetunion und ins Ausland, für die medizinische Betreuung und Erholungsreisen bestritten. Jeder Korrespondent verfügt über einen Referenten, der vom Exekutivkomitee der Sowjetischen Gesellschaft des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds der UdSSR ein Gehalt bekommt. Die Kosten, die durch den Aufenthalt dieser Kategorie von ausländischen Korrespondenten entstanden sind, überstiegen im Jahre 1989 eine Million Rubel.«

Auch diese Art der internationalen Solidarität sollte in Augenschein genommen werden.45 Das waren nur die »ausländischen Korrespondenten«. Außerdem wurden ja auch noch die im Lande weilenden ausländischen kommunistischen Führer empfangen und versorgt. Bei ihnen wurde noch weniger gegeizt. Man bedenke, daß zu jener Zeit medizinische Versorgung, Wohnung und Ausbildung in der UdSSR kostenlos waren und somit in der Rechnung nicht erschienen.

Trotzdem stellte das gastfreundliche ZK für diese Zwecke allein 1971 3,2 Millionen Valutarubel bereit, denn es wurden 2900 hochgeschätzte ausländische Gäste erwartet, von denen sich fast 100 einer medizinischen Behandlung unterziehen wollten.46

Dann gab es auch noch solche Dienste, die weder in Dollars noch in Valutarubeln bestimmt werden konnten. Da ist zum Beispiel die handschriftliche Bitte des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei der USA, Gus Hall, zugunsten des Genossen James Jackson, des hervorragenden marxistischen Denkers und Haupttheoretikers der Kommunistischen Partei, der gern Ehrendoktor der historischen Wissenschaften werden möchte. Ließe sich das nicht machen, sagen wir, an der Moskauer Staatlichen Universität? Natürlich geht das. Was sollte denn da im Wege stehen?

Im Begleitschreiben der Internationalen Abteilung des ZK47 steht, daß das nicht nur »dazu angetan ist, sein Ansehen bei den demokratischen Kreisen der schwarzen Bevölkerung zu erhöhen«, sondern »ihm auch die Möglichkeit gibt, die Stelle eines Dozenten an der New Yorker Universität zu bekommen, wo die Partei in letzter Zeit sehr aktiv ist.« Man muß also nur die richtigen Freunde haben. Nicht einmal der Präsident der USA kann jemanden zum Professor an der Universität von New York machen, das Politbüro aber kann es.

 

Diese wohl harmlosesten aller kommunistischen Scherze haben in der westlichen Presse ein gewisses Echo gefunden. Die Dokumente selbst wurden nicht wiedergegeben, aber sie wurden in einigen Zeitungen zumindest erwähnt — meist mit ironischem Unterton: »Für derartige Lappalien haben sie Geld ausgegeben.« Insbesondere machte man sich über die Hilfe Moskaus für die Kommunistische Partei der USA lustig. Was sollte sie schon bewirken? Etwa 40.000 Mitglieder hatte sie in ganz Amerika. Doch der Hohn war fehl am Platz. Moskau brauchte die Kommunistische Partei der USA nicht für die Wahlen zum Kongreß, sondern für ganz andere Dienste. Es handelte sich nicht um eine Partei im traditionellen Sinne, sondern eher um eine bezahlte Gruppe von Agenten. Und 40.000 Agenten im Herzen des Feindes zu haben ist doch kein Pappenstiel. Erinnern wir uns, daß Lenin 1917 auch mit nur 40.000 Genossen begann.


41

Was die Bücher, Zeitungen und Zeitschriften angeht, besteht kein Grund zum Lachen. Genau wie bei Lenin, stand bei ihnen am Anfang stets das gedruckte Wort und am Ende der Terror. So befaßte sich die Kommunistische Partei der USA im Jahre 1970 zum Beispiel mit folgendem:48

»Streng geheim, Sonderakte
UdSSR, Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR
28. April 1970,  Nummer 1128-A
Moskau

An das ZENTRALKOMITEE DER KPDSU
In der letzten Zeit wurde die radikale Schwarzen-Organisation >Black Panther< zum Gegenstand radikaler Repressionen seitens der Machthaber der USA, in erster Linie des FBI, die die >Black Panther< für eine ernste Bedrohung der Sicherheit des Landes halten. Die provokatorischen Aktionen der Polizei, die Prozesse gegen die >Black Panther< und die Darstellung der terroristischen Akte der Machthaber gegen die Aktivisten dieser Organisation in den Medien haben dazu geführt, daß das Ansehen der >Black Panther< bei den progressiven Kreisen der USA spürbar gewachsen ist.

In Anbetracht der Tatsache, daß die >Black Panther< eine dynamische und für die herrschenden Klassen der USA gefährliche Schwarzen-Organisation darstellen, ist die Kommunistische Partei der USA bestrebt, im richtigen Sinne auf sie einzuwirken. Diese Politik der KP hat bereits positive Ergebnisse erzielt. In den Reihen der >Black Panther< ist gegenwärtig die Tendenz zu einer Ausweitung der Zusammenarbeit mit den progressiven Organisationen, die sich gegen die in den USA herrschende Ordnung wenden, festzustellen.

Im Zusammenhang damit, daß die anwachsende Protestbewegung der Schwarzen den regierenden Kreisen in den USA gewisse Schwierigkeiten bereitet und die Aufmerksamkeit der Nixon-Administration von der Verfolgung einer aktiven Außenpolitik ablenkt, wird es für zweckmäßig erachtet, eine Reihe von Maßnahmen zu ergreifen, die auf die Stärkung und Ausbreitung dieser Bewegung gerichtet sind. 


42

Zu diesem Zweck wird vorgeschlagen, mit Hilfe der dem KGB zu Gebote stehenden Möglichkeiten in den Ländern Afrikas Persönlichkeiten der Politik, des öffentlichen Lebens, der Jugend-, Gewerkschafts- und nationalistischen Organisationen zu Kundgebungen zu inspirieren, von denen aus Petitionen, Anfragen und Erklärungen zur Verteidigung der Rechte der Schwarzen an die Adresse der UNO, die Vertretungen der USA in diesen Ländern und die Regierung der USA gerichtet werden sollen. In mehreren afrikanischen Staaten sollen in der Presse Artikel und Briefe erscheinen, in denen die Regierung der USA des Genozids an Schwarzen bezichtigt wird. 

Durch die dem KGB zu Gebote stehenden Möglichkeiten soll in New York und Washington Einfluß auf die >Black Panther< dahingehend ausgeübt werden, daß sie an die UNO und andere internationalen Organisationen Petitionen mit der Bitte um Unterstützung bei ihren Bemühungen um die Einstellung der Politik des Genozids, die seitens der Staatsmacht gegen die amerikanischen Schwarzen geführt wird, richten.

Die genannten Maßnahmen scheinen dazu angetan, die öffentliche Meinung in den USA und in anderen Ländern für die Verteidigung der Rechte der amerikanischen Schwarzen zu mobilisieren und dadurch die >Black Panther< zur Intensivierung ihres Kampfes zu veranlassen. 

Wir bitten um Zustimmung.
DER VORSITZENDE DES KOMITEES FÜR STAATSSICHERHEIT,  ANDROPOW«

 

Wie in einem undeutlichen Traum erinnerte ich mich an die Zelle im Wladimir-Gefängnis und die Zeitung »Prawda« mit der schreienden Überschrift »Freiheit für Angela Davis«. Auf jemanden, der zu sieben oder zehn Jahren verurteilt war, weil er ein verbotenes Buch gelesen oder auch nur ein Wort der Kritik geäußert hatte, wirkte das komisch. Für uns, die wir die Schule des Gefängnisses durchgemacht hatten, war der Fall völlig klar: Es war gewöhnliche Beihilfe zum Mord. Sie hatte ihrem Freund, einem Terroristen der »Black Panther«, eine Waffe gegeben, mit der er bei einem Fluchtversuch Mitarbeiter des Gerichts und einen Polizisten erschoß. 

Aber die Welt war völlig verrückt: »eine mutige Frau«, »eine Aktivistin der Bewegung der Schwarzen«. Die eingeschüchterten Gesetzgeber Kaliforniens schafften auf jeden Fall die Todesstrafe in ihrem Staat ab, und die nicht weniger eingeschüchterten Geschworenen sprachen sie zur Freude der gesamten fortschrittlichen Menschheit ohne Einschränkung frei.


43

Haargenau eine Vera Sassulitsch, die 1878 in einem aufsehenerregenden Prozeß freigesprochen wurde, nachdem sie einen Anschlag auf den Stadtkommandanten von St. Petersburg verübt hatte, weil dieser die Mißhandlung eines politischen Gefangenen angeordnet hatte. Erst viel später, nach dem Freispruch von Angela Davis, lasen wir in der »Prawda« das stolze Bekenntnis — »Mitglied der Kommunistischen Partei der USA Angela Davis.«
    Ihnen war alles erlaubt, sogar Mord.

 

  

5.  »Besondere Hilfeleistungen«

 

 

Es gab da noch eine andere Form internationaler Solidarität, die weder in Dollars noch in Rubeln ausgedrückt werden kann, die aber weit bedrohlicher war als die Verleihung eines Ehrendoktors der Geschichts­wissenschaften. Sie war derart geheim, daß jedes Dokument, in dem sie Erwähnung fand, ausnahmslos den Stempel »Sonderakte« trug. 

Zusätzlich zu solch einer hohen Geheim­haltungsstufe verbarg das ZK das Wesen der Sache noch hinter nebulösen Ausdrücken wie »Spezialausbildung«, »Spezialausrüstung« und »Sondermaterial«. Eingehendere Details wurden von Hand eingetragen. 

Offensichtlich hatte man nicht einmal zu den auf Herz und Nieren geprüften Sekretärinnen Vertrauen. Wehe dem Land, dessen Genossen diese Art »Hilfe« zuteil wurde, es verwandelte sich innerhalb kurzer Zeit in einen Unruheherd, selbst wenn es kurz zuvor noch eine friedliche und blühende Region war. Folgendermaßen sah das aus:49

»Proletarier aller Länder, vereinigt euch! 
Zurückzugeben innerhalb von drei Tagen an das ZK der KPdSU (Allgemeine Abteilung, 2. Sektor) 
KOMMUNISTISCHE PARTEI DER SOWJETUNION: ZENTRALKOMITEE 
Nummer-St-37/37gs vom 27. 12. 1976, Streng geheim,
Sonderakte 
Auszug aus dem Protokoll Nummer 37/37gs des ZK-Sekretariats


44

Anfrage der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU 
Der Bitte der Führung der Kommunistischen Partei Argentiniens, der Volkspartei Panamas, der Kommunistischen Partei Salvadors und der Kommunistischen Partei Uruguays ist zu entsprechen, und im Jahre 1977 sind in der UdSSR zehn argentinische, drei panamaische, drei salvadorianische und drei uruguayische Kommunisten bis zu sechs Monate auf den Gebieten der Sicherheit der Partei, der Aufklärung und der Spionageabwehr auszubilden.

Die Organisation der Ausbildung wird dem Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR übertragen, Empfang, Betreuung und materielle Versorgung der Internationalen Abteilung und der Verwaltung für die Angelegen­heiten des ZK der KPdSU. Die Kosten für die Reise der zehn argentinischen Genossen von Buenos Aires nach Moskau und zurück, der drei panamaischen Genossen von Panama nach Moskau und zurück, der drei salvadorianischen Genossen von San Salvador nach Moskau und zurück und der drei uruguayischen von Montevideo nach Moskau und zurück werden aus dem Parteibudget bestritten. 

DER SEKRETÄR DES ZK 
Geschickt an die Genossen: Andropow, Ponomarjow, Pawlow«

 

Eine solche »Spezialausbildung« im KGB war gewöhnlich das erste Stadium. Im Laufe von zehn Jahren, von 1979 bis 1989, wurde sie von mehr als 500 Aktivisten aus 40 kommunistischen und »Arbeiter«-parteien verschiedener Länder, einschließlich Mitgliedern der Politbüros und Zentralkomitees, absolviert.50  Danach folgte die nächste Etappe:51

»Nummer St-224/71gs vom 18. August 1980
Streng geheim
Sonderakte 
BESCHLUSS DES SEKRETARIATS DES ZK DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI DER SOWJETUNION 
Anfrage der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU

Der Bitte der Kommunistischen Partei Salvadors ist zu entsprechen. Die im Jahre 1980 in der Sowjetunion weilenden 30 salvadorianischen Kommunisten sollen für sechs Monate an einem militärischen Ausbildungs­lehrgang teilnehmen.


45

Die Kosten für die Aufnahme, die Betreuung, die materielle Versorgung und die Organisation der Ausbildung der 30 salvadorianischen Kommunisten sowie die Kosten für ihre Fahrt von Moskau nach Salvador trägt das Verteidigungs­ministerium. 

(Unterschrift: A. Tschernjajew) 
Abstimmungsergebnis: (Unterschriften) 
Kirilenko, Simjanin , Gorbatschow, Kapitonow, Dolgich
Auszüge an die Genossen: Ustinow, Ponomarjow 
Verschickt am 18. August 1980«

 

Um genaueres zu erfahren, muß man gewöhnlich die Anlage zum Beschluß oder den Antrag der Genossen suchen. Hier ist sie:52

»Übersetzung aus dem Spanischen 
Streng geheim 
An das ZK DER KPDSU
Liebe Genossen!
Ich wende mich an euch mit der Bitte, den in Moskau weilenden
30 Mitgliedern unserer kommunistischen Jugend zu erlauben, für vier bis fünf Monate an militärischen Ausbildungslehrgängen in folgenden Bereichen teilzunehmen:

1. sechs Genossen in militärischer Aufklärung,
2. acht Genossen zur Ausbildung zu Kommandeuren von Partisanenabteilungen,
3. fünf Genossen am Lehrgang für Artilleriekommandeure,
4. fünf Genossen am Lehrgang für Kommandeure von Diversionseinheiten, 
5. sechs Genossen am Lehrgang für Nachrichtenpersonal.

Ich danke für die Hilfe, die die KPdSU unserer Partei erweist. 
SHAFIK HANDAL
Generalsekretär des ZK der Kommunistischen Partei von El Salvador 
23. Juli 1980 
Moskau 
Übersetzer: W. Tichmenew«


46

Schließlich kommt das Endstadium. Danach wird die Weltpresse mit Nachrichten über eine »plötzliche Krise« in jenem unglücklichen Land, über die Leiden der Bevölkerung und über Greueltaten überschüttet, die — o nein! — nicht durch die kommunist­ischen Banden, welche in Moskau eine Spezialausbildung erhielten, sondern durch die sich verteidigende Regierung verursacht worden seien. Von der fortschrittlichen Presse wird die Regierung ausschließlich »blutige Junta« genannt. Es ist doch alles klar! Die Regierung des Landes ist für jedermann sichtbar, sie kann im Fernsehen gezeigt werden, an ihre Adresse kann man zornige Proteste senden, ohne etwas zu riskieren. Anders verhält es sich mit den Genossen in Moskau. Mit ihnen legt man sich besser nicht an.

 

»Nummer St-225/5gs vom 20. August 1980 
Streng geheim
Sonderakte 
BESCHLUSS DES SEKRETARIATS DES ZK DER KOMMUNISTISCHEN PARTEI DER SOWJETUNION 
Antrag der Führung der Kommunistischen Partei El Salvadors

  1. Der Bitte der Führung der Kommunistischen Partei El Salvadors ist zu entsprechen und das Ministerium für Zivilluftfahrt anzuweisen, im September/Oktober dieses Jahres den Transport von 60 bis 80 Tonnen Schützenwaffen und Munition westlicher Produktion von Hanoi nach Havanna zwecks Übergabe an die salvadorianischen Freunde über die kubanischen Genossen durchzuführen.
Die Kosten für die Lieferung der Waffen von Hanoi nach Havanna werden aus den im Staatshaushalt vorgesehenen Mitteln für die Hilfe an ausländische Staaten bestritten.

  2. Die Texte der Telegramme an die sowjetische Botschaft in Kuba und Vietnam werden genehmigt (siehe Anlage).
(Unterschrift: A. Tschernjajew)
Ergebnisse der Abstimmung: (Unterschriften der Sekretäre des ZK) 
Kirilenko, Kapitonow, Russakow, Gorbatschow, Dolgich, Simjanin 
Abschriften an du Genossen Gromyko, Ponomarjow, Bugajew, Garbusow (ohne Anlagen) 
Verschickt am 20. August 1980«53


47

»Streng geheim 
Sonderakte 
Anlage 1 
zu Akte 5 gs pr. 225
HAVANNA      
Eilt
AN DEN SOWJETISCHEN BOTSCHAFTER
662. Teilen Sie dem Generalsekretär des ZK der Kommunistischen Partei von El Salvador, dem Genossen Shafik Handal oder, falls dieser abwesend ist, einem Vertreter der Führung der Kommunistischen Partei von El Salvador mit, daß über die Bitte um Lieferung von Waffen aus westlicher Produktion von Vietnam nach Kuba in der zuständigen Instanz befunden und eine positive Entscheidung gefällt wurde. Berichten Sie darüber auch der Führung der kubanischen Freunde und sagen Sie, daß bei der Beschlußfassung davon ausgegangen wurde, daß die Frage zwischen den Genossen Fidel Castro und Shafik Handal abgesprochen wurde.
Zu Ihrer Information: Die Lieferung der Waffen erfolgt mit Flugzeugen der Aeroflot. Leisten Sie in Havanna bei der Organisation der Übergabe der für die salvadorianischen Freunde bestimmten Ladung den kubanischen Genossen die erforderliche Hilfe.
Erstatten Sie nach Ausführung Bericht. 
(Unterschriften: Tschernjajew, Russakow)«

 

Ich habe dieses Beispiel aus vielen Hunderten zufällig, lediglich zur Illustration herausgegriffen. Aber auch, weil damals die linksliberale Presse sehr viel Geschrei um die Ereignisse in El Salvador machte. Die Presse ereiferte sich, weil — man denke sich, welche Unverschämtheit! — die Regierung von El Salvador darauf verfiel, sich zu verteidigen, während sie sich doch den angreifenden fortschrittlichen Kräften hätte ergeben und dann still im salvadorianischen GULAG hätte sterben sollen.

Auch Nicaragua galt die linksliberale Hysterie in gleichem Maße. Was wurde von diesen Leuten nicht alles angestellt, um den Sieg der Sandinisten zu gewährleisten und jegliche Opposition zu verhindern. Der Kongreß der USA dachte sich die unwahrschein­lichsten Tricks aus, um Präsident Reagan die Hände zu binden.


48

Die ganze Welt wurde von einer »Solidaritätskampagne« für das kleine, schutzlose Land erfaßt, das zum »Opfer amerikanischer Aggression« geworden war. Ich verfaßte damals mit einigen Freunden eine Petition an den amerikanischen Kongreß54), in der die Politik Reagans in Nicaragua unterstützt und im einzelnen gesagt wurde, daß die Sandinisten bestrebt seien, im Land mit Hilfe der UdSSR ein kommunistisches Regime zu errichten und daß deshalb die westlichen Demokratien verpflichtet seien, die Widerstands­bewegung des nicaraguanischen Volkes gegen dieses Regime zu unterstützen. 

Welch Geschrei erhob sich daraufhin! Was wurde uns nicht alles vorgeworfen! Das Geringste war noch, daß wir Paranoiker genannt wurden, die unter jedem Bett einen Kommunisten sähen. Hier haben wir es nun schwarz auf weiß:

 

»Geheim 
ZK DER KPDSU
Über die Unterzeichnung des Planes über die Beziehungen zwischen der KPdSU und der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront Nikaraguas (FSLN)
Das Mitglied der nationalen Führung der FSLN Henry Ruiz hat in einem Gespräch mit dem interimistischen Geschäftsträger der UdSSR in Nicaragua (chiffriertes Telegramm aus Managua, spez. Nummer
47 vom 26. 2. 1980) vorgeschlagen, im Rahmen des Besuchs einer Partei- und Regierungsdelegation der Republik Nicaragua in der UdSSR die Frage über die Beziehungen zwischen der FSLN und der KPdSU, der die nicaraguanische Seite große Bedeutung beimißt, zu erörtern.

Die FSLN ist die regierende politische Organisation. Die Führung der FSLN erachtet es für notwendig, auf der Grundlage der Front eine marxistisch-leninistische Partei zum Kampf für die Errichtung des Sozialismus in Nicaragua zu gründen

Aus taktischen Erwägungen und im Hinblick auf die reale politische Lage im Lande und in der mittelamerika­nischen Region erklärt die Führung der FSLN gegenwärtig ihre Endziele nicht öffentlich.

Wir hielten es für möglich, den Vorschlag der FSLN zu akzeptieren und der Delegation während ihres Aufenthaltes in Moskau einen Plan über die Beziehungen zwischen der KPdSU und der FSLN für 1980-1981 zur Unterzeichnung vorzulegen.


49

Die Kosten, die für die im Plan über die beiderseitigen Beziehungen vorgesehenen Maßnahmen anfallen, könnten aus dem Parteihaushalt bestritten werden. Die Frage ist mit dem Genossen J. M. Tjaschelnikow abgesprochen worden.

Der Entwurf des Beschlusses des ZK der KPdSU wird beigefügt. 
Der Stellvertreter des Leiters der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU (K. Brutenz) 
Der Stellvertreter des Leiters der Abteilung Parteiorganisation des ZK der KPdSU (P. Smolski) 
14. März 1980 
Nummer 25-S-458«

 

So war das also. Die Revolution in Nicaragua fand am 17. Juli 1979 statt, und am 29. März 1980 wurde in Moskau der Vertrag von Ponomarjow für das ZK der KPdSU und eben jenem Henry Ruiz für die FSLN unterzeichnet.55 Im Dezember wurde die Zeitung der FSLN »Barricada« bereits auf sowjetischem Papier gedruckt,56 und jährlich erhielten 100 sandinistische Aktivisten eine Spezialausbildung in Moskau. 

Als wir 1985 unsere Petition abfaßten, war dieses »kleine schutzlose Land« nichts anderes als eine Marionette Moskaus. Daran gibt es keinen Zweifel mehr. Doch welch ein Geschrei gab es damals!

Das war nur das Beispiel eines kleinen, im Urwald versteckten Landes, das keinen interessiert. Aber es gibt Hunderte von Beispielen dieser Art. Auf meinem Tisch liegen Tausende von Beschlüssen, die Dutzende von Ländern betreffen — die ganze blutige Geschichte unseres Jahrhunderts. Nur ab und zu wird durch eine Laune des Schicksals aus einer scheinbaren Tragödie eine Farce, aber auch das unterstreicht nur den kriminellen Charakter der kommunistischen Geschäfte.


50

»Proletarier aller Länder, vereinigt euch! 
Innerhalb von 24 Stunden an das ZK der KPdSU (Allgemeine Abteilung, 1.. Sektor) zurückzugeben
KOMMUNISTISCHE PARTEI DER SOWJETUNION. ZENTRALKOMITEE 
P136/53
Streng geheim
Sonderakte 
An die Genossen Andropow, Ponomarjow - alles 
G. Pawlow - Punkt 2
Auszug aus dem Protokoll Nummer 136 der Sitzung des Politbüros vom 5. Mai
1974
Über die Gewährung von Sonderhilfe an die Kommunistische Partei Italiens

1. Der Bitte der Führung der Kommunistischen Partei Italiens soll entsprochen und 19 italienische Kommunisten sollen zu einer Spezialausbildung aufgenommen werden, darunter sechs Personen für die Ausbildung im Funkdienst, zur Arbeit in den Funkstationen BR-3u und in Chiffriertechnik (bis zu drei Monaten), zwei Instrukteure zur Ausbildung von Funkern und Chiffreuren (bis zu drei Monaten), neun Personen in Fragen der Parteitechnik (bis zu zwei Monaten) und zwei Personen in der Technik der Veränderung des Aussehens (bis zu zwei Wochen) sowie ein Fachmann für die Beratung bei der Organisation besonderer Formen des internen Funkverkehrs (bis zu einer Woche).

2. Die Aufnahme und Betreuung der Schulungsteilnehmer wird der Internationalen Abteilung und der Verwaltung der Angelegenheiten des ZK der KPdSU, die Ausbildung im Funkwesen und der Chiffriertechnik, die Bereitstellung von Dolmetschern für alle Bereiche der Spezialausbildung dem Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR und die Ausbildung in Parteitechnik und Technik der Veränderung des Aussehens der Internationalen Abteilung des ZK der KPdSU und dem Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR übertragen. Die Kosten für den Aufenthalt in der UdSSR und die Fahrt von Italien nach Moskau und zurück werden aus den für die Betreuung ausländischer Parteiaktivisten zur Verfügung stehenden. Mitteln bestritten.


51

3. Das Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR erhält den Auftrag, Funkprogramme und Chiffrierdokumente für die einseitige Funkübertragung von chiffrierten Zirkular­telegrammen an die 13-16 regionalen Zentren der KPI sowie von chiffrierten Dokumenten zur Umchiffrierung im Netz der zweiseitigen Funkverbindung auszuarbeiten.
4. Der Bitte der Führung der KPI ist zu entsprechen. 500 Blankovordrucke sowie 50 mit Namen versehene Vordrucke (letztere für die führenden Mitarbeiter der KPI) für italienische Reisepässe und Personalausweise, 50 Satz Ersatzdokumente nach Schweizer und französischem Muster sowie Perücken und andere Mittel zur Veränderung des Aussehens sind anzufertigen. Mit der Anfertigung der Vordrucke und der Mittel zur Veränderung des Äußeren werden die Internationale Abteilung des ZK der KPdSU und das Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR beauftragt.
5. Der Text des Telegramms an den Residenten des KGB in Italien wird genehmigt. 
DER SEKRETÄR DES ZK«57

 

Die Sache soll sich folgendermaßen verhalten haben: Im Jahre 1974 hatten die italienischen Kommunisten so laut über eine mögliche »rechte« Verschwörung gezetert, daß sie schließlich selbst daran glaubten. Nachdem sie es sich selbst eingeredet hatten, bekamen sie es mit der Angst zu tun und baten Moskau mit Tränen in den Augen, sie für die Untergrundarbeit zu schulen. Die Genossen im Kreml haben sich bestimmt köstlich amüsiert bei der Vorstellung, daß 50 italienische Genossen, wie Räuber aus einer Operette, heimlich mit Perücken und falschen Pässen, die obendrein noch vom KGB hergestellt waren, Frankreich durchquerten. Ob ihnen die Internationale Abteilung wohl auch beigebracht hat, auf französische Weise zu gestikulieren?

Doch diese Episode ist nur eine amüsante Ausnahme von der betrüblichen Regel. Gewöhnlich ist in diesen Dokumenten nichts Spaßiges enthalten. Im Gegenteil, hinter der trockenen Bürokratensprache erahnen wir Bilder von Zerstörung und Tod, die uns aus den Fernsehnachrichten der letzten dreißig Jahre so vertraut sind.

Fast jede dieser Tragödien begann mit einem ZK-Beschluß, der schön getippt, durch die vorschrifts­mäßige »gemeinsame« Abstimmung genehmigt und in der rechten oberen Ecke mit dem obligatorischen Aufruf »Proletarier aller Länder, vereinigt euch!« versehen war.


52

Selbst ich war vom Ausmaß dieser blutigen Aktivitäten, die alle fünf Kontinente umfaßten, erschüttert. Die Brände, die von ihnen gelegt wurden, kosteten Millionen von Menschen in Äthiopien, Vietnam und Mittelamerika das Leben. Sie werden in Angola, im Sudan, in Somalia und in Südafrika noch lange lodern, selbst dann, wenn bereits das letzte kommunistische Regime vom Erdboden verschwunden sein wird.

Eine Region, in der Gewalt und Blutvergießen schon so selbstverständlich geworden sind, daß wir uns schon nicht mehr daran erinnern, wie alles begann, ist der Nahe Osten. Erst kürzlich begann man im Zusammen­hang mit dem Krieg am Persischen Golf laut über die Rolle zu reden, die die Sowjetunion dort jahrzehntelang gespielt hat, indem sie Saddam Hussein unterstützte. Das war aber nur eine Episode ihrer langfristigen Politik, und nicht einmal die schändlichste. Der Libanon wurde mit ihrer tatkräftigen Hilfe als Staat fast vernichtet. Die »Sonderbetreuung« der libanesischen »Freunde« begann Ende 1960 und ging in riesigen Ausmaßen bis in die allerjüngste Zeit weiter.58  

Die Waffenlieferungen, die gewöhnlich über Syrien erfolgten, begannen spätestens 197059 und hatten bis 1975 einen enormen Umfang erreicht, als zum Bespiel eine einzige Lieferung aus 600 Kalaschnikow-Maschinenpistolen, 50 Maschinen­gewehren, 30 Raketenwerfern RPG-7, 3000 Handgranaten, 2000 Minen und 2 Tonnen Sprengstoff bestand.60  Mitte der achtziger Jahre trainierte die Sowjetunion im Durchschnitt 200 Libanesen im Jahr, von denen 170 Aktivisten der Libanesischen Kommunistischen Partei und 30 Aktivisten der Sozialistischen Fortschritts­partei waren.61

Oder nehmen wir zum Beispiel Zypern, dort hatte die Fortschrittspartei des Werktätigen Volkes (AKEL) spätestens seit 197162 ebensolche »speziellen Dienstleistungen« erfahren, und die Waffenlieferungen begannen kurz vor dem Beginn des Bürgerkrieges im Juli 1974.63

Schließlich der palästinensische Terrorismus. Sowohl die sowjetischen Führer als auch ihre westlichen Apologeten leugneten entschieden, Kontakte zu ihm zu haben. Hier einige vielsagende Dokumente:


53

»Streng geheim 
VON BESONDERER WICHTIGKEIT
UdSSR
Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR
Sonderakte 
23. April 1974 
Nummer 1071-A/ow 
Moskau 
An den Genossen L. I. Breschnew
Das Komitee für Staatssicherheit unterhält seit 1968 konspirative amtliche Kontakte zu dem Mitglied des Politbüros der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), dem Leiter der Abteilung für Äußere Operationen der PFLP Wadia Haddad.
Bei einem Treffen mit dem Residenten des KGB im Libanon, das im April dieses Jahres stattfand, legte Wadia Haddad in einem vertraulichen Gespräch das Perspektivprogramm für die Diversions- und Terrortätigkeit der PFLP dar, die im wesentlichen in folgendem besteht:

Das Hauptziel der Sonderaktionen der Volksfront für die Befreiung Palästinas ist es, die Effektivität des Kampfes der palästinensischen Widerstandsbewegung gegen Israel, den Zionismus und den amerikanischen Imperialismus zu erhöhen. Davon ausgebend besteht die Diversions- und Terrortätigkeit der Organisation hauptsächlich in

- der Verlängerung des >Ölkriegs< der arabischen Länder gegen die imperialistischen Kräfte, die Israel unterstützen, mit besonderen Mitteln,
- Aktionen gegen amerikanisches und israelisches Personal in Drittländern mit dem Ziel, zuverlässige Informationen über die Pläne und Absichten der USA und Israels zu erhalten,
- Diversions- und Terrorhandlungen auf dem Territorium Israels,
- Diversionshandlungen gegen das Diamantenkartell, dessen Grundkapital israelischen, englischen, belgischen und westdeutschen Gesellschaften gehört.
Dementsprechend bereitet die PFLP gegenwärtig eine Reihe von Sonderoperationen vor, darunter Schläge gegen große Erdöllager in verschiedenen Teilen der Welt (Saudi-Arabien, Persischer Golf, Hongkong und andere), die Vernichtung von Tankern und Supertankern, Aktionen gegen diplomatische Vertreter Amerikas und Israels im Iran, Griechenland, Äthiopien und Kenia, einen Überfall auf das Diamantenkartell in Tel Aviv und andere. 


54

W. Haddad wandte sich an uns mit der Bitte, seiner Organisation bei der Beschaffung von speziellen technischen Mitteln, die für die Durchführung bestimmter Diversionsakte erforderlich sind, behilflich zu sein.
W. Haddad ist sich bei seiner Zusammenarbeit mit uns und seinem Hilfeersuchen über unsere prinzipiell ablehnende Haltung gegenüber dem Terror im klaren und konfrontiert uns nicht mit Fragen, die mit diesem Bereich der Aktivitäten der PFLP zusammenhängen.
Die Kontakte mit Haddad gestatten uns, die Tätigkeit der Abteilung für Äußere Operationen der PFLP bis zu einem bestimmten Grade zu kontrollieren, sie in einem für die Sowjetunion günstigen Sinne zu beeinflussen sowie bei absoluter Geheimhaltung mit den Kräften seiner Organisation aktive Maßnahmen in unserem Interesse durchzuführen.
Angesichts des Dargelegten wird es für zweckmäßig erachtet, auf dem nächsten Treffen die Bitte Wadia Haddads, der Volksfront für die Befreiung Palästinas Hilfe in Form von speziellen technischen Mitteln zu leisten, im wesentlichen positiv zu bescheiden. Was die konkreten Fragen der Hilfeleistungen anbetrifft, so sollte darüber in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen der Sowjetunion befunden werden, wobei eventuelle Sicherheitsrisiken für unser Land auszuschließen sind.
Wir bitten um Zustimmung.
DER VORSITZENDE DES KOMITEES FÜR STAATSSICHERHEIT 
ANDROPOW«
64

 

Oben auf der ersten Seite steht schräg folgender handschriftlicher Vermerk Breschnews:

»Den Genossen M. A. Suslow, N. W. Podgomy, A. N. Kossygin, A, A. Gretschko, A. A. Gromyko vorzulegen (in dieser Reihenfolge)«

Am linken Rand stehen die Unterschriften dieser Genossen eben in dieser Reihenfolge, angefangen mit Breschnew. Am Ende der letzten Seite steht von Hand geschrieben: »Über die Zustimmung wurde der KGB der UdSSR (Gen. P. P. Laptew) am 26.04.1974 unterrichtet.«


Offensichtlich widersprach das alles den Interessen der UdSSR in keiner Weise, denn der Flirt mit Haddad ging weiter. Im September jenes Jahres kam er sogar mit der Billigung des Politbüros65, das die weitere Zusammenarbeit absegnete, heimlich nach Moskau.

 

»Von besonderer Wichtigkeit 
Sonderakte
UdSSR
Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR
16. Mai 1975
Nummer 1218-A/ow
Moskau
An den Genossen L. I, Breschnew 

Entsprechend dem Beschluß des ZK der KPdSU wurde am 14. Mai 1975 durch das Komitee für Staatssicherheit dem Vertrauensmann der Aufklärung des KGB, dem Leiter des Dienstes für Äußere Operationen der Volksfront für die Befreiung Palästinas W. Haddad, eine Sendung ausländischer Waffen und Munition (53 Maschinenpistolen, 50 Pistolen, darunter zehn mit Schalldämpfung, 34.000 Patronen) übergeben.
Die illegale Übergabe der Waffen erfolgte nachts in den neutralen Gewässern des Golfs von Aden ohne Kontaktaufnahme und unter strengster Beachtung der Konspiration mit Hilfe eines Aufklärungsschiffes der Seekriegsflotte der UdSSR.
Von den Ausländern weiß nur Haddad, daß diese Waffen von uns übergeben wurden.
DER VORSITZENDE DES KOMITEES FÜR STAATSSICHERHEIT 
ANDROPOW«66

 

Das Politbüro hatte selbstverständlich nicht nur zur PFLP, sondern auch zu anderen terroristischen Organisationen, darunter der PLO, Kontakte. Auf Bitten Arafats wurde im Jahre 1983 sogar nach Tunis »Sondergut«67 geliefert. Offensichtlich genierte man sich in Moskau auch nicht, gestohlene Wertgegen­stände zu kaufen oder genauer, sie als Bezahlung für Waffen anzunehmen.68

55


»Proletarier aller Länder vereinet euch! 
Streng geheim 
Sonderakte 
Von besonderer Wichtigkeit
An das ZK der KPdSU innerhalb von drei Tagen zurückzugeben (Allg. Abteilung, 1. Sektor)
KOMMUNISTISCHE PARTEI DER SOWJETUNION. ZENTRALKOMITEE
Nummer P185/49
PERSÖNLICH
An die Genossen Ustinow, Tschebrikow - alles,
Demitschew - die Punkte 2c, 4,
Sergejtschik - den Punkt 3,
Garbusow - den Punkt 4 (gekürzt)
Auszug aus dem Protokoll Nummer 185 der Sitzung des Politbüros des ZK der KPdSU vom 27. November 1984
Anfrage des Ministeriums für Verteidigung und des Komitees für Staatssicherheit der UdSSR

1. Den Vorschlägen des Ministeriums für Verteidigung und des Komitees für Staatssicherheit der UdSSR, die im Schreiben vom 26. 11. 1984 dargelegt sind, wird zugestimmt.
2. Der KGB der UdSSR wird beauftragt:
a.  die Führung der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas (PDLFP) über die prinzipielle Zustimmung der Sowjetunion zu informieren, der PDLFP Sondergut im Werte von 15 Millionen Rubel im Tausch gegen eine Sammlung von Kunstwerken der Antike zu liefern,
b.  von der PDLFP eine Bestellung von Sondergut im Wert der genannten Summe entgegenzunehmen,
c.  zusammen mit dem Ministerium für Kultur der UdSSR Maßnahmen in die Wege zu leiten, die die juristische Seite des Erwerbs der Sammlung betreffen.
3. Das Staatliche Komitee für Außenwirtschaftsbeziehungen und das Verteidigungsministerium werden beauftragt, die durch den KGB übergebenen Bestellungen der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas von Sondergut im Werte von 15 Millionen Rubel (im Rahmen der zur Lieferung an nationale Befreiungsbewegungen genehmigten Güter)
zu prüfen und in Absprache mit dem KGB Vorschläge für ihre Ausführung in der festgelegten Weise zu machen.

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4. Das Ministerium für Kultur wird beauftragt:
a. vom KGB der UdSSR die Sammlung der Kunstwerke der Antike gemäß einer besonderen Liste entgegenzunehmen,
b. in Absprache mit dem KGB der UdSSR Ort und Bedingungen für die spezielle Verwahrung der Sammlung (>Goldschatzkammer<), ihre vor der Öffentlichkeit verborgene wissenschaftliche Auswertung und ihre Ausstellung in der ferneren Zukunft festzulegen, zusammen mit dem Ministerium für Finanzen der UdSSR in der festgesetzten Ordnung Vorschläge über die Höhe der dafür erforderlichen Geldmittel zu machen,
c. in Absprache mit dem KGB über die Ausstellung einzelner Gegenstände und Teile der Sammlung zu befinden.
SEKRETÄR DES ZK«

 

Kürzlich habe ich bei einem Besuch in Moskau nach Spuren dieser Sammlung gesucht. Es stellte sich heraus, daß der größte Teil davon in der Rüstkammer des Kreml aufbewahrt wird, versiegelt in einem Safe. Niemand hat ihn bisher geöffnet, und auch jetzt kann sich keiner dazu entschließen, obwohl es weder ein Politbüro noch einen KGB mehr gibt. Bis auf den heutigen Tag weiß niemand, was die Sammlung enthält und wo sie gestohlen wurde. Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Menschen mit dem »Sondergut«, womit die Sammlung bezahlt wurde, umgebracht worden sind.

   

 

6.  Anhänger und  Mitläufer  

 

Das werden wir wohl niemals erfahren. Die Mächtigen dieser Welt haben kein Interesse daran, daß die Wahrheit ans Licht kommt. Wer weiß, was da alles noch ans Tageslicht kommen würde. Man sollte nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Dessen ist man sich hier sehr wohl bewußt. Ja, natürlich haben die Kommunisten Geschenke aus Moskau erhalten. Aber etwa nur sie allein? 

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Vor mir liegt ein Beschluß des Sekretariats des ZK der KPdSU »Über die Gewährung der Bitte des amerikanischen Finanziers Cyrus Eton, ihm im Namen der sowjetischen Regierung ein neues Pferdegespann zu schenken.«69 Der Mann war doch nicht arm, er hätte sich selbst die Pferde kaufen können, ohne sich dabei zu ruinieren. Aber welche Ehre, wenn sich die Sowjetregierung selbst bemüht, und so hat er eben ein »Geschenk« von ihr zur Hebung seines Prestiges erbeten. 

Man beachte, daß das im September 1968 geschah. Er muß dieses Dreigespann also unmittelbar nach der sowjetischen Invasion in der Tschechoslowakei erhalten haben. Damit ritt er dann ebenso stolz durch Amerika, wie die sowjetischen Panzer durch Prag rollten. Was diese Art von Geschenken angeht, dürfte es wohl keine Fragen mehr an die Kommunisten geben.

Ohne Zweifel waren die Kommunisten die Agenten des Bösen, die für Geld die sowjetische Lüge in der freien Welt verbreiteten. Aber waren sie es wirklich allein? Vor mir liegt ein ganzer Berg von Dokumenten, aus denen hervorgeht, daß so gut wie alle führenden Fernsehanstalten der Welt dasselbe taten und dafür an die Sowjetunion noch harte Devisen zahlten.

»Geheim 
Exemplar 1 
An das ZK DER KPDSU
Vertreter der amerikanischen Fernsehgesellschaft ABC haben sich an die Presseagentur Nowosti (Agentstwo Petschati Nowosti - APN) mit dem Vorschlag gewandt, eine gemeinsame Fernsehreportage über das Leben einer Familie aus der Fabrik >Rostselmasch< in Rostow am Don zu drehen. In dem Film sollen verschiedene Aspekte des Lebens einer Arbeiterfamilie gezeigt und darüber hinaus auch die Errungenschaften der Sowjetmacht während der letzten 50 Jahre am Beispiel dieser Familie deutlich gemacht werden. Bevor diese Fernsehreportage gesendet wird, soll sie von der Presseagentur Nowosti angesehen und genehmigt werden. Das Komitee für Rundfunk und Fernsehen (Genosse Mesjazew) hat keine Einwände gegen das Projekt. Wir befürworten die Annahme des Vorschlags der Fernsehgesellschaft.
Der Erste Vorsitzende der Verwaltung der Presseagentur Nowosti
23. August 1966
W. Saitschikow 70


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»Geheim 
Exemplar 1
Ausgangsnummer 170
6. 3. 67 
An das ZK DER KPDSU
Der Leiter der APN-Zentrale in den USA Genosse G. A. Borowik hat ein Erkundungsgespräch über die Möglichkeiten der Ausstrahlung einer Sendung über Vietnam, die auf sowjetischem dokumentarischem Filmmaterial mit den Kommentaren des Genossen Borowik basieren soll, durch eine der größten amerikanischen Fernsehanstalten geführt. Für diese Sendung wird die Fernsehanstalt zwischen 9000 und 27000 Dollar zahlen.
Die USA-Abteilung des Außenministeriums der UdSSR (Genösse G. M. Kornienko) unterstützt den Vorschlag des Genossen Borowik und hält es für notwendig, daß die Kommentare zu dieser Sendung mit dem Außenministerium der UdSSR abgestimmt werden.
Die Zustimmung von >Sowexportfilm< (Genosse A. B. Machow) zur Verwendung von sowjetischem dokumentarischem Filmmaterial über Vietnam für das Programm liegt vor.
Die Verwaltung der APN hält es für zweckmäßig:

1. den Vorschlag des Genossen Borowik über die Produktion einer Fernsehsendung über Vietnam für das amerikanische Fernsehen anzunehmen, wobei die Kommentare zum Programm mit dem Außenministerium der UdSSR abgestimmt werden sollen;
2. dem Genossen Borowik zu gestatten, Verhandlungen mit den amerikanischen Fernsehgesellschaften über die Ausstrahlung der Sendung über Vietnam zu Bedingungen zu führen, die für uns in propagandistischer und wirtschaftlicher Hinsicht vorteilhaft sind.
Wir bitten um Zustimmung.
Der Vorsitzende der Verwaltung der Presseagentur Nowosti B. Burkow 
4. März 1967«
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Man stelle sich vor: Die amerikanischen Soldaten kämpfen in Vietnam gegen die sowjetischen »Freunde«, und die führende amerikanische Fernsehanstalt kauft einen sowjetischen Propagandafilm über dieses Land. So trieben sie es Jahr für Jahr, und nicht nur in Amerika, sondern auch in Japan, Finnland, England und Frankreich.


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Die Themen der Programme sind so unterschiedlich wie die in harter Währung dafür gezahlten Summen. Nur eine Grundbedingung ist stets dieselbe: »Es ist zur Kenntnis zu nehmen, daß der Film vereinbarungs­gemäß nur nach Billigung durch APN im amerikanischen (englischen, japanischen usw.) Fernsehen gezeigt werden darf.« 

Es gibt so viele Dokumente darüber, daß ich schließlich aufhörte. Im folgenden nur eine kurze Aufzählung dessen, was ich aufschrieb, bevor es mir zu viel wurde:

 

6. Januar 1969: »Über die Gespräche von APN mit der >New York Times< betr. Vorbereitung von gemeinsamem Material über die UdSSR für die Jahre i^-i^o.«72
30. Juli 1970: »Über die gemeinsame Fernsehsendung von APN und dem amerikanischen Producer G. Fleming >Durchs Land der Sowjets<.«
20. Mai 1971: Gemeinsame Fernsehsendung von APN mit »Granada« (England) - »Die sowjetische Frau«.
26. Mai 1971: Gemeinsame Fernsehsendung von APN und BBC -»Kultur und Kunst Georgiens«.
28. Dezember 1971: Über Gespräche von TASS mit der »Agentur Reuter«.
22. August 1972: Über gemeinsame Dreharbeiten von APN und »Granada« zum Fernsehfilm »Das Bildungssystem in der UdSSR«.
13. März 1973: Über gemeinsame Dreharbeiten von APN und BBC zu einem Film über Nowgorod.
28. Juni 1973: Über die gemeinsame Produktion des Films »Kiew -Stadt, Ereignisse, Menschen« durch APN und BBC.
10. Juli 1973: Über die gemeinsame Produktion einer vierteiligen Serie über die Rolle der UdSSR im Zweiten Weltkrieg durch APN und »Thames Television«.
24. Oktober 1973: Über gemeinsame Dreharbeiten von APN und BBC für einen Dokumentarfilm über Schostakowitsch.
27. Mai 1974: Über Dreharbeiten der BBC für eine Fernsehsendung über Fragen der europäischen Sicherheit unter der Kontrolle des Staatlichen Komitees für Rundfunk und Fernsehen.
18.Juni 1974: Über gemeinsame Dreharbeiten von APN und BBC für den Fernsehfilm »Der Baikalsee«.


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14. Februar 1975: Über produktionstechnische und künstlerische Hilfe für die Fernsehanstalt BBC bei Dreharbeiten zu einem Film über den sowjetischen Regisseur Alexandrow.
9. April 1976: Über die Produktion eines Fernsehsendung »Die Sowjetunion nach dem 25. Parteitag der KPdSU« durch APN zusammen mit »Weekend Television«.73
26. Mai 1976: Über gemeinsame Dreharbeiten von APN und der »Yorkshire Television« zum Fernsehfilm »Eine sowjetische Familie«.74
10. Juli 1976: Überproduktionstechnische und künstlerische Hilfe für die amerikanische Fernsehgesellschaft »PTV Production Inc.« bei den Dreharbeiten zu einem mehrteiligen Dokumentarfilm über die Museen, architektonischen und künstlerischen Denkmäler der UdSSR.75
3. April 1980: Über produktionstechnische und künstlerische Hilfe für die amerikanische Gesellschaft »Foreign Transactions Corpora-tion« bei der Produktion einer Serie von Dokumentarfilmen, die dem Kulturprogramm während der Olympischen Spiele 1980 gewidmet sind.76
1. Juli 1980: Über produktionstechnische und künstlerische Hilfe für die englische Fernsehgesellschaft »Granada« bei den Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm über die Geschichte der sowjetischen Filmkunst.« Man könnte sagen: Na und? Das ist doch eine ganz harmlose Sache. Falsch! Die sowjetische Botschaft meinte dazu nämlich folgendes: »Die Produktion einer Fernsehserie über die Geschichte der sowjetischen Filmkunst kann eine positive propagandistische Wirkung haben, besonders angesichts der gegenwärtigen Lage in England.«77

 

Es ist traurig, aber wahr. Sogar die westlichen Fernsehanstalten, die sich ihrer Unabhängigkeit rühmen, standen bei ihren Produktionen systematisch unter der ideologischen Kontrolle des ZK der KPdSU und zahlten auch noch dafür. Sie dienten also der sowjetischen Propaganda als Sprachrohr. Und da erwarten wir jetzt von ihnen, daß sie die Kommunisten verurteilen, die auf Grund ihrer Parteizugehörigkeit verpflichtet waren, dasselbe zu tun.


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Zweifellos haben die Aktivitäten der Kommunisten die Sicherheit des Westens gefährdet und seine Existenz bedroht. Aber nicht nur sie waren an diesem gefährlichen Spiel Moskaus beteiligt. Erinnern wir uns an die Massenbewegung für den Frieden und für die einseitige atomare Abrüstung. Dieser Schwachsinn ergriff damals Millionen von Menschen, einschließlich eines bedeutenden Teils der Intellektuellen. Keiner von ihnen dürfte jetzt Lust verspüren, in den Archiven nach Beweisstücken für die eigene Dummheit zu graben. Ich habe sogar ein Buch darüber geschrieben, wie Moskau auf zynische Weise diese Bewegung, die praktisch zu einem Instrument der sowjetischen Außenpolitik geworden war, manipulierte.78 Es ist zum Lachen, welche Angriffe damals die liberalen Intellektuellen wegen dieses Buches gegen mich starteten. Hier sind nun die Dokumente, die jedes Wort meines Buches bestätigen.

Es befinden sich darunter solche, deren Entdeckung selbst für mich eine Überraschung war. Zum Beispiel die Dokumente über die Bildung und die Arbeit der sogenannten »Palme-Kommission«. Die auf Initiative des ehemaligen Premierministers von Schweden Olof Palme gegründete Kommission wurde bald zum angesehensten Forum des Westens für Fragen der Abrüstung und Sicherheit. Das war sie nicht zuletzt dank ihres Rufes als einer von den »Blöcken« unabhängigen, objektiven überstaatlichen Einrichtung sowie der an ihr mitwirkenden Prominenz.

Außer Palme beteiligten sich bedeutende Politiker verschiedenster Couleur, wie der ehemalige Außen­minister der USA Cyrus Vance, der ehemalige britische Außenminister David Owen, der Bundes­geschäftsführer der SPD Egon Bahr, der ehemalige Regierungschef Nigerias Olusegun Obasanja, der ehemalige Premierminister der Niederlande Joop den Uyl und andere, an ihrer Arbeit. Mit einem Wort, der politische Olymp jener Zeit, mit dessen Meinung alle Regierungen des Westens zu rechnen hatten. Doch auch dieser Olymp erwies sich als Instrument »für die Durchsetzung der sowjetischen Vorschläge, die auf die Beendigung des Wettrüstens und die Entlarvung des militaristischen Kurses der regierenden Kreise der USA und der NATO gerichtet sind, bei den einflußreichen politischen Kreisen des nichtsozialistischen Teils der Welt.«79

Diese Kommission wurde ein so erfolgreiches Instrument, daß sie, wie es scheint, sogar übers Ziel hinausschoß. Ihr wurde Voreingenommenheit vorgeworfen:


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»Viele Vorschläge und Empfehlungen, die bereits von der Kommission gebilligt sind und Aufnahme in das Schlußpapier finden sollten, entsprechen in direkter oder indirekter Form der sowjetischen Position in den zentralen Fragen der Abrüstung und Sicherheit«, berichtete im Zentralkomitee der sowjetische Delegierte in der Kommission Georgi Arbatow.

»Zugleich waren solche Teilnehmer, wie Cyrus Vance, David Owen, Egon Bahr und einige andere, die in vielen Punkten gänzlich mit dem sowjetischen Standpunkt übereinstimmten, bestrebt, Formulierungen zu vermeiden, die wörtlich der sowjetischen Ausdrucksweise entsprachen. In privaten Gesprächen erläuterten sie, sie täten dies, um Beschuldigungen vorzubeugen, daß sie die Politik Moskaus verträten«.80 (In diesem Zusammenhang wurde ich darauf hingewiesen, daß im Westen, besonders in den USA, gegen die >Palme-Kommission< in einer Reihe von Publikationen derartige Beschuldigungen vorgebracht worden waren.)

 

Bei all meiner »Paranoia« hatte ich einen solchen Zynismus nicht erwartet, am wenigsten von David Owen. Doch nicht nur er, sondern viele andere hervorragende Persönlichkeiten, für die ich Respekt empfunden hatte, hatten eine schmutzige Weste. Ich wollte sie sogar verschonen und ihre Namen nicht nennen, aber habe ich das Recht dazu? Hier ein Dokument, das mich sehr deprimiert hat:

"GEHEIM 
An das ZK DER KPDSU

Während des Aufenthalts einer Delegation des Staatlichen Filmkomitees der UdSSR auf dem 32. Internationalen Filmfestival von Cannes im Mai dieses Jahres kam es zu einer Begegnung mit bedeutenden amerikanischen Produzenten und dem Filmregisseur Francis Ford Coppola.
Coppola teilte dem Vorsitzenden des Staatlichen Filmkomitees mit, daß er ein Gespräch mit dem Präsidenten der USA Jimmy Carter geführt habe, der Interesse an der Produktion eines gemeinsamen sowjetisch-amerikanischen Films über die Probleme der Abrüstung gezeigt habe. Der Präsident verbinde dieses Projekt mit dem bevorstehenden Gipfeltreffen in Wien und der Unter-


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zeichnung und Ratifizierung des Vertrags über die Begrenzung der strategischen Angriffswaffen (SALT-II).
Nach Meinung der amerikanischen Seite könnte ein solcher Film das Vertrauen zwischen dem sowjetischen und dem amerikanischen Volk fördern, die Einstellung der Weltöffentlichkeit zu dem Vertrag in positiver Richtung beeinflussen und auch für die weitere Vertiefung der sowjetischamerikanischen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Kultur von Vorteil sein.
Im Namen seiner Firma >Zootrop Film< erklärte Coppola die Bereitschaft, die Finanzierung und Organisation des Projekts für die amerikanische Seite zu übernehmen. Angesichts der Tatsache, daß Coppola sowohl bei Industriellen als auch in Künstlerkreisen zu den einflußreichsten amerikanischen Filmschaffenden gehört, kann seine Beteiligung eine gewisse Garantie für hohes künstlerisches Niveau und eine weite Verbreitung des Films späterhin bieten.
m Falle einer positiven Entscheidung dieser Frage behält sich die sowjetische Seite das Recht auf Kontrolle über die ideell-künstlerische Gestaltung des Films auf allen Etappen seiner Herstellung vor. Für das Drehbuch und zu den Dreharbeiten können die bedeutendsten sowjetischen und amerikanischen Filmschaffenden herangezogen werden. Zu diesen Bedingungen erscheint eine sowjetisch-amerikanische Zusammenarbeit bei der Produktion des genannten Films zweckmäßig.
Zur praktischen Durchführung des Projekts ist es im gegenwärtigen Stadium erforderlich, mit Coppola Verhandlungen zuführen und einen vorläufigen Vertrag zu unterzeichnen, was während seines Aufenthalts in Moskau anläßlich des 9. Internationalen Moskauer Filmfestivals im August dieses Jahres geschehen konnte.
Ich bitte um eine Entscheidung. 
Der Vorsitzende des Staatlichen Filmkomitees der UdSSR 
F. T. Jermasch«
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Ich habe nicht herausgefunden, ob Coppola diesen Film produziert hat, hoffe aber aufrichtig, daß er es nicht getan hat, daß irgendein Umstand ihn daran gehindert hat. Es wäre bitter, sich vorzustellen, daß dieser großartige Regisseur einen Film über die Abrüstung unter der »ideell-künstlerischen« Kontrolle der Kreml-Paten gedreht hätte.


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Eine unbestreitbare Tatsache bleibt jedoch bestehen: Die Presse, die Geschäftswelt, die Politiker und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die Künstler — sie alle verloren ihre Unschuld. Obwohl der Kommunismus zusammengebrochen ist, sind sie die Stützen der Gesellschaft geblieben und bilden weiterhin das Establishment. Sie sind es, die heute am lautesten schreien, daß der Kalte Krieg vorbei sei, aber die Verlierer nicht nennen wollen. 

Während ich diese Zeilen schreibe, sendet die BBC eine Serie über den Kalten Krieg. Ich höre zu und bin von ihrem Zynismus entsetzt — immer noch dieselben Namen, dieselben Klischees von der »antikomm­unistischen Paranoia«, dem »McCarthyismus«, den armen Intellektuellen (die im Westen selbstverständlich sind), die so sehr unter Verfolgungen zu leiden hatten ... Keine Spur von Reue, nicht der geringste Versuch, die eigene Vergangenheit zu überdenken, kein Körnchen von Ehrlichkeit. Unwillkürlich kommen mir die Zeilen von Galitsch in den Sinn:

»Am Sarge standen die Plünderer 
Und hielten Ehrenwache.«

Trotz allem Zynismus ist doch derjenige erstaunlich naiv, der annimmt, daß man über Berge von Leichen und durch Ströme von Blut hinwegschreiten und, ohne sich umzusehen, weitergehen kann, als ob nichts gewesen wäre.

 

  

7.  Wer hat nun gesiegt ?

 

 

So ging der Krieg des Kommunismus zu Ende, wohl der seltsamste Krieg unserer Geschichte. Er begann ohne Kriegserklärung und endete ohne Feuerwerk. Nicht einmal das genaue Datum seines Beginns und seines Endes wissen wir, obwohl er wahrscheinlich mehr Menschenleben gekostet hat als der Zweite Weltkrieg. Seinen Opfern sind keine Denkmäler errichtet worden, es brennt kein Feuer am Grabe seiner unbekannten Soldaten. Obwohl es um das Schicksal der ganzen Menschheit ging, wurden die Soldaten nicht mit Orchestermusik verabschiedet und nicht mit Blumen begrüßt.


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Es war der unpopulärste Krieg von allen, die wir kennen, zumindest für die Seite, die ihn gewonnen zu haben scheint. Doch nicht einmal anläßlich seines Endes gibt es ein Jubelgeschrei. Die Besiegten haben keine Kapitulation unterzeichnet, die Sieger keine Orden erhalten. Ja, wissen wir wirklich, wer Sieger und wer Verlierer ist?

 

Jedes Ereignis, auch wenn es nicht besonders bedeutend ist, wird von irgendeiner Kommission untersucht — erst recht, wenn Menschen dabei ums Leben kamen. Stürzt ein Flugzeug ab, entgleist ein Eisenbahnzug oder geschieht ein Unglück in einer Fabrik — sogleich beginnen die Experten zu streiten, es wird untersucht und die Schuld der Konstrukteure, Erbauer, Inspektoren und sogar der Regierung, selbst wenn sie mit dem Ereignis nicht das Geringste zu tun hat, ermittelt. Selbstverständlich wird auch jeder bewaffnete Konflikt zwischen Staaten untersucht. Aber dieser Konflikt, der mindestens 45 (vielleicht sogar 75) Jahre dauerte, von dem so gut wie alle Länder betroffen waren, der Abermillionen von Menschenleben und Abermilliarden von Dollars gekostet hat und zudem noch — wie behauptet wurde — fast zur Vernichtung des Erdballs geführt hätte, wird von keinem einzigen Staat und keiner internationalen Organisation untersucht.

Für jedes, selbst das kleinste Verbrechen gibt es in unserer Welt eine Untersuchung, ein Gerichtsverfahren und eine Strafe. Kriegsverbrechen bilden hier keine Ausnahme. Ich will gar nicht vom Nürnberger Prozeß und all den folgenden Prozessen reden, in denen bis zum heutigen Tage über Verbrechen, die vor über 50 Jahren geschahen, verhandelt wird. Der Krieg in Bosnien ist noch nicht vorbei, und schon wurde ein internationales Gericht zur Untersuchung der Verbrechen, die dort begangen wurden, geschaffen. Auch darin bildet wieder nur unser seltsamer Krieg, von dem man nicht so recht weiß, ob er am Ende ist oder nicht und wer ihn gewonnen und verloren hat, eine Ausnahme.

Dabei ist in vielen Fällen gar kein Gerichtsverfahren erforderlich. Die Erschießung gefangener polnischer Offiziere in Katyn wurde zum Beispiel schon in Nürnberg als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft. Der ehemalige Chef einer der Abteilungen des NKWD Pjotr Soprunenko, der den Befehl zur Erschießung unterschrieb, lebt in aller Ruhe in Moskau bis ans Ende seiner Tage und bekommt eine gute Rente.


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Darüber wissen alle Bescheid, die Moskauer zeigen dem Fremden gern das Haus auf dem Gartenring, in dem er wohnt. Auch der Ermittler des Ministeriums für Staatssicherheit Daniil Kopeljanski, der Raoul Wallenberg verhört hat, und der Organisator des Mordes an Trotzki, General Pawel Sudoplatow, leben noch, aber weder Polen noch Schweden oder Mexiko verlangen die Auslieferung dieser Verbrecher.

 

Noch ein Beispiel neueren Datums — das des ehemaligen KGB-Generals Oleg Kalugin, der nach seinem eigenen Geständnis in London im Jahre 1978 den Mord an dem bulgarischen Dissidenten Georgi Markow, jenen berühmten Mord mittels eines vergifteten Regenschirms, organisierte. Neulich hat Kalugin darüber sogar in einem englischen Massenblatt einen Artikel mit dem marktschreierischen Titel »Ich organisierte den Mord an Markow« geschrieben. Er teilt spannende Einzelheiten mit, zum Beispiel daß ihm die dankbaren bulgarischen Genossen als Belohnung ein Jagdgewehr geschenkt haben. Er reist jetzt oft ins Ausland, macht Reklame für sein Buch und gibt Presseinterviews, doch niemandem fällt es ein, ihn zu verhaften oder zu verhören, obwohl der Mordfall Markow noch nicht abgeschlossen ist.

 

So leben Tausende vom KGB »spezialausgebildete« Killer noch unter uns, ebenso wie diejenigen, die illegal Geld bekommen haben, die »Geschäftsfreunde«, die Millionen Sympathisanten und Beteiligten, die Rechtfertiger und Verschleierer, die Millionen Schöpfer einer intellektuellen Mode, nach der alle Tiere gleich sind, die Kommunisten aber gleicher als alle. Es wäre nicht schwer, sie aufzuspüren, wenn man wollte.  

Auf jeden Fall wäre es weit leichter, als alte Nazis in Paraguay aufzuspüren. Um ein internationales Tribunal wie das von Nürnberg zu bilden, muß man erst einmal siegen. Rudolf Heß starb in der Spandauer Festung, aber ein Boris Ponomarjow lebt als Rentner in Moskau, weil der Nationalsozialismus besiegt wurde, der International-Sozialismus aber nicht.


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Der Nationalsozialismus baute unverhohlener auf die rohe Gewalt und tarnte sich weniger mit Humanismus. Er zwang seine Nachbarn einfach dazu, Widerstand zu leisten, und diese haben, wenn anfangs auch unwillig, die Herausforderung angenommen.

Stellen wir uns aber einmal vor, daß der »seltsame Krieg«, der 1939 begann, sich 40-50 Jahre ohne Ausweitung der militärischen Auseinander­setzungen hingezogen hätte. Abgesehen von einer gewissen Abkühlung in den Beziehungen zu Deutschland hätte das Leben seinen Lauf genommen. Allmählich wäre das Regime etwas »milder« geworden:

Es wäre niemand mehr dagewesen, den man ins Konzentrationslager hätte stecken oder im Krematorium hätte verbrennen können. Reformer (besonders nach Hitlers Tod) und Anhänger der »friedlichen Koexistenz« wären auf der Bildfläche erschienen (besonders nachdem Deutschland Kernwaffen entwickelt hätte). Man hätte mit Deutschland Handel getrieben und sich auf gemeinsame Interessen geeinigt. Das nationalsozialistische Regime wäre allerseits respektiert worden, ohne daß es sein Wesen auch nur ein bißchen geändert hätte, und wäre von Beziehungen und Gönnern, Mitläufern und Apologeten umrankt worden. Und so nach fünfzig Jahren wäre es zusammengebrochen, nachdem die Wirtschaft und die Geduld des Volkes erschöpft waren. Ich bin sicher, daß bei einer solchen Entwicklung die Welt keinen Nürnberger Prozeß erlebt hätte.

Es kam anders. Die Menschen brachten den Mut auf, dem Bösen zu widerstehen, und genügend Redlichkeit, mit sich selbst zu Gericht zu gehen und — so schmerzlich dieser Prozeß auch war — jede Form von Kollaboration zu verurteilen. Natürlich hatten sie es leichter; denn sie hatten gesiegt, sie konnten stolz sein, sie hatten das moralische Recht, das Urteil über die Besiegten zu sprechen. 

Der Nürnberger Prozeß ist nicht unumstritten, das eine oder andere könnte an ihm kritisiert werden, aber er hat eine große Leistung vollbracht — er hat die allen Menschen gemeinsamen moralischen Normen des Verhaltens wieder ins Bewußtsein gerückt und die aus den Fugen geratene Welt an die Werte unserer christlichen Zivilisation erinnert — an die uns gegebene Freiheit der Wahl und folglich der persönlichen Verantwortung für diese Wahl. 

In der Epoche des Massenwahns und des totalen Terrors hat er die einfache Wahrheit, die seit biblischen Zeiten bekannt und im Blutrausch des 20. Jahrhunderts verlorengegangen war, bekräftigt: Nicht durch die Meinung der Mehrheit, nicht durch den Befehl der Vorgesetzten und auch nicht durch die Bedrohung des eigenen Lebens kann einem die Verantwortung für sein Tun abgenommen werden.


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Die heutige Welt hat keinen Grund, stolz zu sein. Sie hat nicht den Mut aufgebracht, dem Bösen zu widerstehen, und nicht die Redlichkeit, dieses zuzugeben. Unser Unglück besteht eben darin, daß wir nicht gesiegt haben. Der Kommunismus ist von selbst zusammengebrochen trotz der gemeinsamen Anstrengungen, ihn zu retten. Das ist, wenn man so will, das größte Geheimnis, das die Dokumente, welche vor mir liegen, preisgeben.

Ist es wirklich verwunderlich, daß wir, die wir jeden Unfall untersuchen, uns weigern, die größte Katastrophe unseres Jahrhunderts zu untersuchen? In unserem Inneren wissen wir ja schon, zu welchen Schlußfolgerungen eine solche Untersuchung unweigerlich führen würde, denn jeder psychisch gesunde Mensch weiß, wann er sich mit dem Bösen eingelassen hat. Selbst wenn der diensteifrige Verstand logisch einwandfreie und scheinbar edle Rechtfertigungsgründe liefert, so wird die Stimme des Gewissens nicht aufhören zu wiederholen: Unser Sündenfall begann, als wir einwilligten, mit dem Bösen »friedlich zu koexistieren«.

Das geschah schon vor Nürnberg, als Stalin als der große Verteidiger der Demokratie erschien, und in Nürnberg, als die Sowjetunion sich unter den Anklägern anstatt unter den Angeklagten befand, und Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre, als unter Chruschtschow der Begriff der »friedlichen Koexistenz« in das politische Vokabular aufgenommen wurde. Jedesmal wurde mit dem Blut Unschuldiger bezahlt, wie es bei einem Handel mit dem Teufel üblich ist — mit dem Blut der an Stalin ausgelieferten Kosaken, mit dem Blut der in Jalta verratenen Völker Osteuropas, dem Blut der Ungarn, Kubaner, Kongolesen ...

Doch endgültig wurde der Frieden mit dem Bösen erst in unserer Zeit unter Breschnew geschlossen. Keiner soll jetzt den Unschuldigen spielen und sich damit herausreden, daß er nicht wisse, wie das Böse zu bekämpfen sei. Wir haben alles genau gewußt. Wo wir uns weigerten, mit dem Bösen »in guter Nachbarschaft zu leben«, wo es als etwas Unannehmbares verworfen wurde, wußten wir recht gut, was zu tun war.


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Als der Rassismus zum Beispiel zu einem Übel erklärt worden war, kam niemand auf den Gedanken, mittels Erweiterung des Handels und des Kulturaustausches mit Südafrika gegen ihn zu kämpfen. Im Gegenteil, der Boykott wurde als einzig adäquate Lösung angesehen, und er wurde so konsequent durchgeführt, daß kein einziger Sportler nach Südafrika zu einem Wettkampf fahren konnte, ohne seine Karriere zu ruinieren. Es galt jedoch keineswegs als anstößig, sogar Olympische Spiele in Moskau zu veranstalten, zudem noch in einer Zeit von Massenverhaftungen und der Aggression gegen Afghanistan. Ich hätte den sehen mögen, der vorgeschlagen hätte, Olympische Spiele in Johannesburg oder Pretoria zu veranstalten. Was hätte man wohl mit ihm gemacht!

Da der Rassismus nun einmal zu einem Übel erklärt worden war, druckte keine einzige Zeitung auch nur einen Artikel von Befürwortern der Apartheid — ungeachtet aller Bekenntnisse zur Presse- und Redefreiheit. Rassistisch eingestellte Gruppierungen wurden von der Polizei verfolgt, und niemand, der der Sympathie für den Rassismus verdächtig war, konnte auf irgendeinem Gebiet Karriere machen. Niemandem kam es hierbei in den Sinn, von »Hexenjagd« zu reden. Der Rassismus war von einem Cordon sanitaire der Ablehnung umgeben und konnte sich deshalb nicht ausbreiten, wurde nicht zu einer Alltagserscheinung. Der Kommunismus als Staatsform hingegen wurde akzeptiert und respektiert. Es galt als unanständig, gegen ihn zu kämpfen, und empfehlenswert, die »Kontakte mit ihm zu erweitern«. Er trieb reichlich Blüten und erfaßte den halben Erdball. War das nicht offensichtlich? Gab es jemanden auf der Welt, der das nicht verstand?

Wußten die Politiker nicht, daß sie durch die Förderung der Handelsbeziehungen mit dem Sowjetblock Leute wie Hammer, Maxwell und Bobolas hervorbrachten? Begriffen sie nicht, wenn sie feierlich Delegationen sowjetischer Politiker und »Abge­ordneter« empfingen, daß sie keine Staatsmänner und Parlamentarier, sondern Mörder und ihre Marionetten begrüßten? Verstanden sie bei der Unterzeichnung von Verträgen über »Kulturaustausch«, »wissenschaftliche Zusammenarbeit« und »menschliche Kontakte« nicht, daß sie damit die Macht des KGB über die Gesellschaft festigten, denn der KGB würde die »würdigen Kandidaten« für derartige Kontakte auswählen?


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Alle verstanden, wußten und ahnten alles, wollten aber nicht davon sprechen, denn sie wollten nicht den Kommunismus bekämpfen, sondern überleben — überleben um jeden Preis. Dafür waren sie bereit, ihr Gewissen und ihren gesunden Menschen­verstand, unschuldige Menschen und ganze Völker als Opfer zu bringen — letztendlich auch die eigene Zukunft, denn ein solches Überlebensprinzip ist das des Lagerinsassen: du stirbst heute, aber ich erst — morgen.

Unsere Welt hat großes Glück gehabt; denn dieses Morgen kam nicht. Das Ungeheuer ist verendet, bevor es ihr an den Hals gesprungen ist. Jetzt, da der Kommunismus endlich zusammengebrochen, da der Eiserne Vorhang gefallen ist und den Blick auf die ganze Jämmerlichkeit und Zerstörung freigegeben hat, da seine Verbrechen nicht mehr verschwiegen werden können, erscheint die »Koexistenz« als etwas ebenso Jämmerliches und Nichtiges. Auch als etwas ebenso Verbrecherisches, denn der Mythos ist verflogen, die Angst ist verschwunden, und es wurde offenbar, daß er nichts als eine moralische Kapitulation vor dem Übel, eine Form der Komplizenschaft mit dem Verbrechen war. Was kann man jetzt zu seiner Rechtfertigung sagen? Was soll man der kommenden Generation auf ihre erstaunten Fragen antworten? Daß wir angeblich überleben mußten? Auch die Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg mußten überleben, aber mußten sie deshalb Hitler folgen? Mußten sie Juden, Zigeuner und Slawen opfern, ebenso wie wir Dutzende von Völkern opferten, nur um selbst zu überleben?

Ebenso wie die Deutschen im Jahre 1945 wollen auch wir unser Gewissen keinem Urteil unterwerfen, wollen nicht »in der Vergangenheit herumstochern«, wollen keine Skandale. Ebenso wie sie verschließen wir die Augen und wiederholen, daß wir »nichts gewußt haben«, daß wir uns »nicht für Politik interessierten«, und selbst wenn wir etwas gewußt hätten, »was hätten wir denn tun können?«.

Ich erinnere mich daran, wie fassungslos die Generation unserer Eltern vor dreißig Jahren war, als das erstemal die »Verbrechen des Personenkultes« aufgedeckt wurden. Natürlich wußten sie davon nichts, und wenn sie schon ein bißchen davon gehört hatten, dann glaubten sie, es sei alles zum Wohle der Menschheit nötig gewesen.


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Nur wer durch die unwiderlegbaren Fakten in die Enge getrieben wurde (konnte für irgend jemanden der Mord an 60 Millionen Menschen unbemerkt geblieben sein?), gab als letzte Selbstrechtfertigung zu, daß nicht der Glaube, sondern die Angst sein Verhalten bestimmt hatte. So marschierten sie in ewiger Angst unter roten Fahnen auf den Paraden, aus Angst sangen sie revolutionäre Lieder, aus Angst haben sie auf den Versammlungen die Hände als Zeichen der Zustimmung zur Politik der Partei gehoben, in Angst empfingen sie ihre Auszeichnungen und Beförderungen. Wie jene drei glücklichen Äffchen aus dem Märchen, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen, »glaubten« sie an den Kommunismus, weil sie »nichts wußten«, und »wußten nichts«, weil sie Angst hatten, die Augen zu öffnen. Man mußte ja irgendwie leben, überleben ...

 

Ich erinnere mich an einen Film, den ich in meiner Jugend im nachstalinistischen Moskau sah und in dem jedes Bild, jeder Satz für uns wie ein Schluck Wasser für einen Verdurstenden war. Es war ein Film über einen alten weisen Richter, der aus der amerikanischen Provinz in das vom Krieg zerstörte Deutschland gekommen war und zu begreifen versuchte, wie scheinbar normale, ehrliche und fleißig arbeitende Menschen mit einer alten Kultur die Untaten von Auschwitz begehen konnten. Ich erinnere mich an die Schlußszene, als ob ich sie erst gestern gesehen hätte, und an jedes Wort seines Urteils:

»Der wahre Kläger in diesem Gericht ist die Zivilisation. Aber das Gericht sagt, daß die Menschen auf der Anklagebank verantwortlich für ihre Taten sind. Das Prinzip des Strafrechts in jeder zivilisierten Gesellschaft ist: Jeder, der einen anderen zum Mord anstiftet, jeder, der die tödlichen Waffen für das Verbrechen liefert, jeder, der Beihilfe zu einem Verbrechen leistet, ist schuldig.«

Damals wie heute war es nicht einfach, diese einfachen Worte zu sagen. Die politischen Interessen, die Notwendigkeit zu überleben und die moralische Blindheit der Menschen erlauben dem einzelnen nicht, seine Mitschuld am Verbrechen gegen die Menschheit zu erkennen.

Was hätte er, der kleine Mann, tun können? Er hörte nicht auf sein Gewissen, ebensowenig wie alle anderen, aber er konnte schließlich nicht wissen, daß alles mit Bergen von Leichen und Strömen von Blut enden würde.

»Warum sollten wir uns abmühen? Ich wette, daß die Verurteilten in fünf Jahren wieder auf freiem Fuß sein werden«, spöttelte der kluge Anwalt. »Nun ja«, sagte der weise Richter, »das kann durchaus geschehen. Es ist logisch angesichts der Zeit, in der wir leben. Aber logisch zu sein heißt nicht, recht zu haben, und nichts auf Gottes Erden kann bewirken, daß aus Logik Recht wird.«

Dreißig Jahre sind seitdem vergangen, aber dieser Film blieb trotz der langen Jahre der Unfreiheit und Verbannung, der Grausamkeit und bitteren Enttäuschung in meinem Gedächtnis haften. Manchmal scheint es mir, daß ich sonst nicht durchgehalten hätte, denn die Logik war stets gegen uns. Aber ich erinnerte mich: »Nichts auf Gottes Erden kann bewirken, daß aus Logik Recht wird.« Der Film hieß — »Das Urteil von Nürnberg«.

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