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5  "Go easy"       Etwa "Nimm's leicht!"  

 

 

 

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Kalifornien ist schnellebig. Wenn irgendwo etwas Neues auftaucht, dann scheint es hier zu sein. Doch unter dem sich schnell ändernden Äußeren liegt eine tiefe Skepsis. Jeder will wissen: "Was haben Sie denn anzubieten?" Ohne jemals sein wahres Gesicht zu zeigen, ist Kalifornien — und besonders Los Angeles — sehr konservativ.

Es hat zu viele Blitzkuren, Wochenendwunder und Eintagsstars gegeben. Die Mitarbeiter unseres Instituts waren skeptisch. Sie glaubten nicht an den ganzen Werbeschwindel, und jetzt war in ihrer eigenen Klinik etwas im Gange.

Dieses Etwas versuchte Einfluß im Institut zu gewinnen, und manchmal schien es zu gelingen. Aber dann, wenn ein Durchbruchtraum nurmehr eine Erinnerung war, gingen die Meinungen der Mitarbeiter darüber, welche Richtung man einschlagen sollte, auseinander.

Was der Traummacher während des letzten Jahres vollbracht hatte., war in Gefahr. Joe, Jerry, Steve und Carol waren im großen und ganzen dagegen, weiter mit Träumen zu arbeiten. Wenn sie davon nicht abrückten, könnte das die Auflösung des Instituts oder das Ende unserer Traumforschung bedeuten.

Das Therapeutenteam saß im Beratungszimmer. Auf dem Schild draußen an der Tür stand "Nur für Mitarbeiter!". Als die Sekretärin vorbeiging, hörte sie laute Stimmen: "Dies ist hier keine Indianerversammlung und auch nicht irgendein Voodoo-Kult. Ich möchte zum Geschäftlichen kommen."

Joe war wütend. Dominic sagte: "Hör zu, Joe, alles was ich will, ist einmal in der Woche eine Traumgruppe. Wir wollen nichts weiter, als über unsere Träume reden. Wir glauben, daß sie wirklich wichtig sind." — "Mir gefällt das nicht. Ich habe studiert und meine Ausbildung gemacht, um Therapeut zu sein. Ich halte nichts von diesen träumerischen Veränderungen."

"Du weißt, ich bin nicht mit der psychoanalytischen Traumdeutung einverstanden," mischte Jerry sich ein.

Riggs unterbrach: "Das meint Dominic auch nicht; Wir glauben, daß ganz andere, neue Träume bei. uns auftauchen. Ich habe die ganze Literatur durchgesehen-. Was in unseren Träumen passiert, ist einfach noch nicht beschrieben worden. Ich glaube wirklich, daß wir etwas sehr . Wichtigem auf der Spur sind."

Lee fügte hinzu: "Joe, du weißt, wie skeptisch ich bin, aber ich weiß, was ich erlebt habe. Es war, als hätten meine Träume Abwehrmechanismen durchbrochen, an die ich in der Therapie einfach nicht herankommen konnte."

Jerry war wütend: "Ihr wißt, was ich meine. Es klingt nach Magie oder Schamanenzauber oder wer weiß was." Jerry fuhr lautstark fort: "Ihr redet über diese neue Erfahrung, sagt, daß ihr aufwacht, während ihr träumt, daß Träume euch einen neuen Bezugspunkt geben. Ich glaube das nicht."

Lee fragte ihn: "Glaubst du, daß ich mich verändere?"
"Ja, glaube ich — aber ich verändere mich auch."
Lee sagte: "Das ist der Punkt. Uns geht es nicht darum, Therapie
zu ersetzen; wir wollen sie nur erweitern."

Alle waren still, und dann sagte Riggs: "Magie — das ist kein schlechte: Wort, Jerry." Er sah Jerry an und fuhr fort: "Manchmal scheint Therapie Wirklich wie Zauberei zu sein, und diese neuen Träume, von denen wir sprechen, sind wie natürliche Magie."

Riggs fuhr fort: "Weißt du, wenn du den Schamanismus und das Satori von dem ganzen mystischen Drumherum und allen Glaubensvorstellungen befreist, dann bleiben einfach nur Leute wie du und ich, die Durchbrucherlebnisse haben. Ihre Erfahrungen geben ihnen ein neues Bewußtsein, das gelebt werden muß, um es aufrechtzuerhalten. Diese Träume, von denen wir sprechen, sind ganz ähnlich. Auch bedeutungsvolle Therapieerlebnisse sind genauso. Nur, daß es nachts geschieht."

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Joe spürte den Druck, sich verändern zu müssen. Er fühlte sich aus dem Gleichgewicht gebracht. Niemand verlangte von ihm, daß er etwas radikal anderes sagte oder tat. Aber er konnte es spuren, etwas ging in ihm vor. Das Therapeutenteam war in zwei Lager gespalten; es war fast wie ein Kleinkrieg. Das Treffen brachte keine Lösung. Joe blieb bei seiner Meinung — die vier, die mit Träumen arbeiten wollten, gingen nach dem Treffen zum Mittagessen.

"Ich mache mir keine Sorgen — es ist schon in Ordnung — ich denke, wir kommen jetzt langsam zum Wesentlichen." Werner schien so sicher. Wenn jemand hätte ängstlich sein müssen, dann Werner, aber er war so sicher.

"Mein Gott, Werner, ich bin nicht sicher," sagte Lee. "Ich weiß nicht, wohin das alles führt. Was ist, wenn jemand ausklinkt und nicht wieder in die Realität zurückfindet?"

"Nun halt aber mal die Luft an," sagte Dom in scharfem Ton. "In unserem Geschäft gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Wir müssen Chancen nutzen, an die Grenzen gehen."

Nicht einmal diese vier Träumer konnten sich einig werden. Niemand konnte genau sagen, was zu tun war oder was noch kommen könnte.

*

Es war eine schwere Zeit für Nakasuk. Er wollte den Ritus, der ihn zum Manne machen würde, in Angriff nehmen, aber er hatte Angst. Sein älterer Bruder sagte ihm, daß er allein hinaus auf Seehundjagd gehen müsse. Nakasuk fürchtete sich. Die Frauen im Dorf fingen schon an, ihn merkwürdig anzusehen. Die anderen Jungen seines Alters hatten diese Tat schon hinter sich gebracht. Er war der letzte. Und jetzt war es an der Zeit. Es mußte noch vor dem Ende des Sommers erledigt werden.

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Der Schnee bildete eine weiße Decke. Nakasuk preßte seinen Körper dagegen und suchte Schutz. Sein ganzes Leben lang hatte er gelernt, Schnee, Eis und Wasser zu respektieren. Der große Eisbär war in der Nähe. Näher als gut war, wenn Nakasuk nicht gerade versuchen wollte, den Bären mit dem Speer zu erlegen. Und das war nicht seine Absicht.

Zwei Tage lang hatte Nakasuk an diesem von ihm neu entdeckten Jagdplatz Seehunde gejagt- Er hatte gerade zwei gute Fänge gemacht, als er den großen Bären erstmals sah. Dies war der Lieblingsjagdplatz des Bären, und seine scharfe Nase sagte ihm, daß irgend etwas anders war. Aber der Bär dachte nicht; er konnte nur reagieren. Er stand auf. Nakasuk preßte sich näher an den Schnee. Nichts Außergewöhnliches geschah. Der Bär ging auf Seehundjagd. Sein mächtiger Körper glitt in das eisige Wasser.

Nakasuk kehrte zurück zu seinem Hundeschlitten. Es war an der Zeit, zurückzufahren. Er schrie die Hunde an; sie wollten nicht aus ihrem geschützten Schneetal, das Nakasuk zum Lagern ausfindig gemacht hatte, heraus. Aber die energische Stimme ihres Herrn setzte sie in Bewegung. Der Schlitten wurde angespannt, der Robbenfang war schnell aufgeladen und Nakasuk machte sich auf den Weg. Es war eine gute Heimfahrt, aber Nakasuk spürte ein Gefühl der Bedrückung in seinem Herzen.

Selbst nach seiner Rückkehr in das Dorf konnte Nakasuk sich nicht von dieser Schwermut befreien. Alle lobten ihn. Aber etwas anderes bedrückte sein Herz. Langsam übermannte ihn die Müdigkeit von der Reise und er schlief.

"Der große Bär jagt mich. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich renne, aber es gibt kein Entkommen."

Als Nakasuk träumte, erwachte sein Bewußtsein. Er war innerlich wach und sich bewußt, daß dies ein Traum war. Er konnte die Angst in seinem Körper spüren.

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"Der Bär kam immer näher. Ich rannte bis. zum Wasser. Ich hatte Angst. Ich wußte, ich würde umkommen, wenn ich ins Wasser gehen wurde, und ich wußte, der Bär würde mich töten. Ich. konnte die Stimmen der Frauen des Stammes hören, die mir sagten, daß ich sterben würde. Ich entschloß mich, zu kämpfen. Ich nahm meinen Speer und erhob ihn. Der Bär stoppte und war kein Bär mehr, jetzt waren es junge Hunde. Ich hatte ein neues Gespann wundervoller Hunde gefunden. Mein Herz war erfüllt und glücklich."

Nakasuk erwachte mit einem Gefühl der Freude. Seine Familie . war froh, diese Veränderung in ihrem Sohn zu sehen. Sie hatten schon befürchtet, der Situs habe ihn mürrisch gemacht. Aber jetzt hatten sie ihren Nakasuk wieder. Er erzählte Ihnen von seinem Traum, und sein Vater sprach von "diesem grossen Traum".

Sein Vater sagte; "Nakasuk, du hast die Träume eines Weisen geträumt. Ich werde den Ältesten erzählen, welche Traumkraft du hast."

Der Eskimojunge wurde ein Schamane. Nur sehr wenige Männer waren zu dieser Aufgabe berufen, und Nakasuk sollte einer werden. Als er ins Mannesalter, hineinwuchs, lernte er, die verborgenen Lehren der Träume zu verstehen. Mit seinen Träumen, befreite er die Mitglieder seines Volkes von vielen Krankheiten. Er rief die Erinnerung an magische Worte wach, die seinem Volk bei mancherlei Schwierigkeiten halfen. Er wußte, daß innere Ängste oft auf äußere Objekte projiziert werden. Sein-Volk lernte von ihm und war zufrieden unter seiner Führung. 

*

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Joe — Los Angeles  

 

Los Angeles ist nicht Tibet oder Japan oder sonst ein exotischer Ort. Joe hatte sich über alle exotischen Orte auf der Welt informiert. Er hatte von großen Zen-Meistern, tibetischen Mönchen und Yogis gelesen, aber denen, die nach Amerika kamen, konnte er nicht richtig glauben.

Joe wollte aber glauben — zu Beginn seiner Karriere hatte er ein Buch geschrieben, das ein Kapitel mit der Überschrift "Beyond Psychotherapy"* enthielt. Aber das war nur Theorie gewesen; er hatte nie selbst diesen Weg gefunden; es war ihm nie gelungen, über Therapie hinauszugehen. Und es machte ihm jetzt Angst, zu sehen, daß einige seiner Kollegen sich veränderten. Sie hatten sich nicht nur ein bißchen, verändert; sie waren wie umgewandelt. Sie redeten selbstbewußt und aufrichtig; sie handelten spontan, von innen heraus und fließend. Egal, worum es ging, Joe wußte, er konnte mit Riggs reden. Er ging rüber zu ihm.

Riggs hatte Besuch, einer der Therapeuten, die von ihm ausgebildet wurden, war bei ihm. "Okay, Alan, soviel zu dieser Sitzung. Ich denke, es läuft recht gut mit deiner Patientin; ich möchte nur, daß du weiterhin darauf achtest, daß sie mit ihrem Körper in Kontakt bleibt." Alan blieb noch kurze Zeit und ging dann. Joe wartete, bis Alan weg war.

"Riggs, ich bin sauer wegen unseres gestrigen Treffens. Sieh mal, wir haben gelernt, Individuen zu sein und alleine klarzukommen. Scheißdreck, so wie ihr geredet habt, könnte man fast glauben, wir seien sowas wie ein Indianerstamm."

Darauf Riggs: "Joe, ich habe diesen Beruf langsam satt. Verflucht, Psychiater, Psychologen und Berater scheinen ja fast verrückter als alle anderen zu sein. Ich will mehr. Ich komme mir eher wie ein Archäologe als wie ein Psychologe vor. Joe, meine Träume haben sich wirklich verändert. Es ist fast, als wäre da eine Person oder ein Ding oder ein neuer Bewußtseinszustand in meinen Träumen.

 

* etwa: "Über die Psychotherapie hinaus"

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Ich kann es nicht genau benennen, aber es passiert etwas Neues. Ich habe die Ahnung, daß jeder einzelne von uns es selbst erfahren wird. Diese Vorahnung ist sehr stark, und ich glaube, daß wir es erleben werden. Ich weiß nicht, wie das geschehen wird, aber es wird."

Riggs redete weiter und merkte dann, daß er nur mit sich selber sprach. Joes Aufmerksamkeit war nicht bei Riggs. Joe stand auf. "Entspann dich, Joe. Setz dich hin und entspanne dich."

"Du gibst weise Ratschläge, aber wer kann sie befolgen?" entgegnete Joe.

Riggs stand da und sagte nichts. "Du kannst es, Joe. Du kannst dich hinsetzen und mir erzählen, wie du dich fühlst."

Joes Gesicht wurde ganz rot, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Riggs war jünger als er, aber jetzt hatte er das Gefühl, als sei Riggs einhundert Jahre alt. Er sprach mit ihm und fühlte sich wie ein Kind.

"Joe, versuche nicht, deine Probleme zu lösen. Deine Gefühle und deine Traurigkeit sind nfcht das Problem." Joes breiter Rücken bebte sanft, als er leise weinte. Er verbrachte den Nachmittag auf Riggs-' Couch und sprach darüber, wie er sich fühlte.

Joe verließ Riggs gegen halb sieben und ging nach Hause. Gina, seine Frau, hatte ein persisches Gericht mit exotischen Pfannkuchen zubereitet. Sie lachten und amüsierten sich mit ihrer kleinen Tochter Kedra, aber Joe war noch ganz durcheinander von dem Gespräch. Er wußte, daß Riggs sich verändert und ihm etwas zu sagen hatte. Er hatte den Verdacht, daß Riggs versuchte, ihn in eine Welt zu ziehen, die ihm vertraut und gleichzeitig fremd war. Aber er hatte keine Ahnung, wie Riggs das machte. Ihr Gespräch schien wie jedes andere gewesen, zu sein, aber das war es nicht.

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Der Traummacher war da und ließ nicht zu, daß diese Gruppe auseinanderbrach; sie waren zu lange zusammen gewesen — waren zu weit gegangen — um nicht auch noch den letzten Schritt zu tun. Der Traummacher wußte, wenn er Joe über die Schwelle schubsen, ihn vom Gegner zum Verbündeten machen könnte, dann hätte er ein dauerhaftes Zuhause gefunden.

Es war schwer, Joe aufzuknacken. Er hatte hohe Dosen LSD ausprobiert und war dabei nicht aus der Fassung geraten. Die einzigen Situationen, in denen er wirklich aufbrach, waren die, wenn Riggs ihn festgenagelt hatte und ihn so zu der Erkenntnis zwang, daß er lebte und engeren Kontakt brauchte. Riggs und der Traummacher bearbeiteten Joe wie ein Team von Chirurgen — Riggs machte ihn tagsüber weicher, und nachts war der Traummacher zur Stelle.

Es war noch früh, als Joe und Gina ins Bett gingen. Sie wollten noch miteinander schlafen. Sie waren schon viele Jahre verheiratet und hatten gerade erst eine Ehekrise hinter sich, und jetzt, wo sie beide auf die vierzig zugingen, lachten sie wie Teenager. Sie schmusten und lachten. Gina wurde immer erregter und schmiegte ihren Körper an Joe; sie fühlte sich so lebendig. Sie liebte Sex, und Joe liebte sie. Sie lernten sich auf neue Weise kennen.

Als Joe schlief, kam der Traummacher in sein Zimmer. Der Traummacher schuf einen Traum und rief dabei Joes Erinnerungen an die Wälder in Oregon wach, um ihm zu zeigen, was er tun mußte.

"Ich bin oben in den Wäldern und gehe in eine neu erbaute kleine Stadt. Am Fluß ist eine Hütte. Der Fluß ist sehr mächtig und breit. Ich möchte ihn unbedingt durchqueren. Ich spüre, wie lebendig mein Körper ist. Ich weiß, ich kann es schaffen. Ich rede mit Riggs darüber, und wir beschließen, es. zu versuchen. Als wir bei der Hütte sind, gehe ich gleich ins Wasser. Es ist sehr kalt. Ich habe Angst, denn die Strömung ist stärker, als ich dachte. Der Fluß tost. Es ist so laut, daß ich nichts mehr hören kann. Ich habe Angst, zu ertrinken. Ich habe noch nie etwas so Kraftvolles gespürt. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich werde hinabgezogen.

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Dann spüre ich einen gewaltigen Griff an meinem Arm. Riggs ist da. Er faßt meinen Arm. Wir schwimmen zusammen hinüber. Er zeigt mir, wie ich ihn ziehen kann. Abwechselnd ziehen wir uns gegenseitig weiter. Wir sind stärker als der Fluß. Als wir auf der gegenüberliegenden Seite stehen, sehen wir andere, die versuchen, alleine hinüberzukommen. Jerry versucht es und schafft es nicht. Carole versucht es und prallt fast gegen die Felsen. Ich weiß sofort, wer es schaffen kann und wer nicht. Sie müssen beides probieren: es alleine versuchen und sich ziehen lassen."

Der Traummacher beendete hier zunächst den Traum. Aber in dieser Nacht verschwand er nicht so schnell. Als der Traum zu Ende war, schlief Joe noch tiefer. Im Laufe der Nacht spann der Traummacher einen weiteren Traum. Diesmal einen Traum, der Joe zeigte, was er tun sollte.

"Ich bin in den Wäldern und erkenne den Fluß wieder. Ich möchte ihn durchqueren. Er ist sehr groß und mächtig. Ich weiß, daß ich ihn schon einmal durchquert habe. Ich stürze mich hinein. Dann sehe ich Riggs am anderen Ufer. Ich werde von der Strömung gepackt und in die Mitte des Flusses gezogen. Es ist unmöglich, von der Stelle zu kommen. - Ich habe das Gefühl, zu ertrinken. Und dann schreit Riggs: 'Go easy!'*. Ich versuche nicht mehr, zu schwimmen. Ich lasse mich treiben und der Fluß trägt mich an das Ufer, wo Riggs steht. Ich steige aus dem Wasser. Wir beherrschen den Fluß."

Es war noch früh, vor Tagesanbruch, als der Traummacher sich aus Joes Zimmer schlich. Er blieb einen Augenblick stehen, um einen kurzen Blick auf die Träume der zehnjährigen Kedra zu werfen. Er würde später zu ihr zurückkehren — wenn sie älter war. Für diese Nacht hatte er seine Arbeit getan.

 

* "Go easy" heißt soviel wie: "Mache es dir leicht" oder hier auch: "Kämpfe nicht dagegen an", von to go = gehen und easy = leicht, mühelos, einfach

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(Normalerweise haben Kinder bis zum Alter von ca. zwölf Jahren Durchbruchträume, die dann von normalen Träumen abgelöst werden. Aber in einigen wenigen Kulturen, die die Traummacher-Tradition pflegen, wie z.B. die Senoi von Malaysia, träumen Kinder auch dann noch natürlich, wenn sie erwachsen werden. Ihre Träume werden, wie ihre Körper, größer und stärker.)

Joe saß im Bett und lächelte. Die Worte "Go easy" spielten auf seinen Lippen. "Go easy" - er machte das Licht an. Immer wieder dachte er an die Worte "Go easy" - er strahlte über das ganze Gesicht; Er fühlte sich befreit und spürte diese Leichtigkeit. Er wußte, daß er seinen ganz persönlichen Kampf ausgetragen hatte; er hatte nichts mit den Auseinandersetzungen im Kollegenkreis zu tun.

Der Traummachar hatte seine Methode geändert. Diese Gestalt - dieser Lehrer in den Träumen - war nicht mehr £o geheimnisvoll. Langsam zeigte uns der Traummacher, wie wir uns gegenseitig in und mit unseren Träumen helfen konnten. Wir waren alle dazu bestimmt, Traumexperten zu werden. Aber zunächst gab es weitere Krisen.

Wie ein Großvater, der jedem seiner Enkel etwas anderes zeigt, hatte der Traummacher fünf von uns etwas beigebracht. Wir betraten einen neuen, kraftvolleren Lebensabschnitt. Wir entwickelten uns weiter, teilten unser Wissen und lehrten uns' gegenseitig, was wir in unseren Träumen erfahren hatten. Der Traummacher zeigte uns jetzt einen weiteren Teil seiner Tradition.

Joe brachte uns bei, "es sich leicht zu machen" - "to go easy". Dominic, Werner, Riggs und Lee verstanden, aber Jerry, Carole und Steve nicht; sie gingen in die entgegengesetzte Richtung. Jerry war dauernd zornig. Mit seinen Gedanken brachte er sich selbst in Rage. Der Traummacher bereitete Jerry vor.

Immer wieder tobte Jerry und regte sich darüber auf, daß seine Gedanken sein Leben zerstörten. Aber irgendwie, trotz Therapie und allem, merkte er nicht, was mit ihm los war. Der Traummacher wußte, was zu tun war.

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Jerry — der Tornado von Boston 

 

Wenn es jemanden gab auf der Welt, der es verstand, es sich nicht leicht zu machen, dann war es Jerry. Jerry ist einer von den Leuten, die sich selbst aus dem Sumpf gezogen haben. Er ist in den jüdischen Slums von Boston aufgewachsen. Er war ein Rowdy und Schläger mit einer enormen Zähigkeit und Entschlossenheit gewesen. Er hatte sehr lange auf der Schattenseite gelebt.

Nun gut, das war damals gewesen. Mit achtzehn ging er von zu Hause weg und eignete sich Bildung an. Er war voller Energie — er hatte einen unersättlichen Tatendrang. Als er älter wurde, erkannte er, daß die Energie sowohl für als auch gegen ihn arbeitete. Sie hatte ihm zu seiner Bildung verholfen, aber wenn er sich schlecht fühlte, dann richtete er seine ganze Energie gegen sich selbst.

Zurückblickend kann man sagen, daß Jerry sich verraten fühlte. Joe war sein stärkster Verbündeter gewesen, aber jetzt kämpfte Joe nicht mehr; er lächelte und nahm alles leicht. Jerry hatte das Gefühl, kurz vorm Explodieren zu sein. Einige Wochen waren vergangen, seitdem Joe wirklich wußte, was es heißt, es sich leicht zu machen - "to go easy". Er brachte uns bei, es etwas langsamer angehen zu lassen, und im Gegenzug nahm er auf, was jeder Einzelne von uns ihm geben konnte.

Jerry hatte Schwierigkeiten mit dem "Es-sich-leicht-machen". Lee hatte gerade eine Therapiesitzung mit ihm gemacht, in der er schwer kritisiert worden war. Lee hatte ihm vorgeworfen, daß er nicht auf seine Körpergefühle, sondern nur auf seine Gedanken achtete. Er wehrte sich gegen das, was Lee gesagt hatte; der Traummacher schlich sich in seinen Kopf. In dieser Nacht, als er schlief, war der Traummacher in unmittelbarer Nähe.

Jerry hatte Schwierigkeiten, einzuschlafen. Er dachte darüber nach, wie er mit allen um sich herum kämpfte. Aber den Traummacher konnte er nicht bekämpfen.

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"Ich habe eine Art Maschinengewehr, mit dem ich in der Nachbarschaft herumstreife und Leute 'ausradiere'. In Wirklichkeit feuert das Gewehr meine Gedanken auf sie cfb, und zwar in Form eines Wasserschwalls. So wasche ich buchstäblich diese Leute weg. Sie'verschwinden, wenn ich am Abzug ziehe, so werde ich Sie los. In meinem Traum handelt es sich um Leute, die mir 'egal' sind. Ich bin wütend, und es befriedigt mich jedesmal, wenn ich wieder jemanden ausgelöscht habe.

Dann renne ich in Riggs Haus. Ich weiß, was ich getan habe; ich habe Leute umgebracht. Ich denke, daß ich bestimmt gefaßt und eingesperrt oder durch Gas oder den elektrischen Stuhl hingerichtet werde. Ich will Selbstmord begehen, damit ich nicht gefaßt werde. Ich erzähle Riggs: 'Ich habe gerade einen Haufen Leute umgebracht. Ich habe sie mit diesem Gewehr ausgelöscht. Ich habe sie umgebracht.' Dann sehe ich, daß mein Freund, Bob Amico, bei Riggs ist und sie miteinander plaudern. Ich schreie sie wie verrückt an: 'Ich will, daß ihr mich haßt! Ich will, daß ihr mich haßt! Ich will, daß ihr mich haßt!'

Riggs sieht mich nur ganz ruhig, friedlich und sanft an und sagt; 'Es macht mich einfach nur traurig, wenn ich dich so ansehe.' Egal, wie laut ich ihn auch anschreie, er sagt nur immer wieder das gleiche.

Jetzt bin ich noch rasender, schreie noch lauter, packe das Gewehr. Ich schreie und ziele auf sie. Ich ziehe am Abzug ... ein großer Tropfen aus Gedanken fällt müde von der Mündung auf den Boden. Ich sehe sie an. Riggs sagt immer noch: 'Es macht mich einfach nur traurig, wenn ich dich so ansehe." Ich spüre starken Kummer in mir, breche in Tränen aus und schluchze. Ich flehe Riggs an: 'Hilf mir'. Jen kann ihn nicht mit meinen Gedanken auslöschen. 'Hilf mir. Hilf mir, Riggs."

Dieser Traum brachte Jerry eine neue Erkenntnis. Als er sich im Bett umdrehte, fing er an, zu lachen. Alles schien so klar - so einfach - was Riggs sagte, was Dom sagte und Lee und Werner und Joe. "Mein Gott", dachte er, "ich war die ganze Zeit so dicht dran. Sie wissen Bescheid, sie wissen wirklich," Er war müde und traurig und froh.

Er dachte daran, wie er mit Lee gestritten hatte.' Es schien so lächerlich. Jerry erinnerte sich an einige Dinge, die er zu Lee gesagt hatte - "Das sind nur deine Gedanken über meine Gedanken"'. - Und dann kehrten die Traumbilder und -gefühle zurück.

Der Traummacher hatte seine Methode geändert. Jetzt waren die Träume wie gewaltige, eindringliche Botschaften; da war nichts Geheimnisvolles mehr. Wir waren so tief in die Träume eingedrungen, daß wir ihnen alles Mysteriöse nehmen konnten. Jetzt offenbarten sie uns direkt, was wir brauchten.

Der Traummacher hatte Jerrys Abwehr mit einem Traum zerstört. Die Abwehr erschien kindisch und unvernünftig. Er brauchte keine Therapiesitzung und keinen Therapeuten, der ihm sagte, was das alles bedeutete. Er wußte es.

 

VERSUCHEN SIE FOLGENDES: Denken Sie über die Worte nach, die Joe und Jerry in ihren Träumen erlebten: "Go easy" und "Hilf mir". In Teil III auf Seite 139 werden wir Ihnen zeigen, wie Sie Ihre eigenen Traummacher-Worte finden können, Worte, die Ihnen helfen können, Ihr Lebensgefühl zu verändern. Nehmen Sie jetzt erstmal Joes und Jerrys Worte. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, eine Stunde, einen Tag oder eine Woche lang aus einem "Go easy" - bzw. "Hilf mir" - Bewußtsein heraus zu leben.  

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