7. Schröder
Die SPD macht sich überflüssig
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Die SPD hat viele Identitätskrisen durchlitten, aber doch immer wieder Identitätsverluste durch Gewinne ausgleichen können. In der Zeit der Regierung Kohl hatte sie ausreichend Gelegenheit, Politik und Programmatik an neue ökonomische und politische Bedingungen anzupassen. Sie korrigierte den Nachrüstungsfehler und empfand sich als Teil der Friedensbewegung. Das schärfte das Profil der Partei, auch wenn viele angesichts der Doppelbeschluss-Vorgeschichte der SPD misstrauten.
Die Partei bemühte sich, das Manko in der Umweltpolitik zu schließen, aber auch bei diesem Thema trabte sie den Grünen hinterher. Man konnte die ökologischen Bemühungen als Versuch werten, der neuen Konkurrenz auf der linken Seite das Wasser abzugraben. In der Tat waren die programmatischen Bemühungen der Partei zwiespältig. Es wurden große Ziele verkündet wie »gerechte Wirtschaftsordnungen«, »ökologisch verantwortliches Wachstum« oder »ökologisch-sozialer Umbau unserer Industriegesellschaft«, aber es fehlten Vorschläge, wie diese Ziele durchzusetzen seien.
»Die Krise der Umwelt ist weltweit. Indem wir sie national angehen, wollen wir das international Notwendige vorantreiben. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist als Staatsziel in das Grundgesetz aufzunehmen. Die fortschreitende Zerstörung der Erdatmosphäre, die Vergiftung der Meere und eine drohende Klimakatastrophe, Waldsterben, Grundwasserbelastung, umweltbedingte Krankheiten und die hohen Aussterberaten der Tier- und Pflanzenarten sind die dramatischsten Zeichen einer umfassenden Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Der ökologische Umbau unserer Industriegesellschaft ist zur Frage des Überlebens geworden.
Vor allem die Industriestaaten haben diese Zerstörung ihrer natürlichen Lebensgrundlagen weit vorangetrieben. Mit der Fernwirkung ihrer Produktion und ihres Konsums schädigen sie die Meere, vernichten sie weltweit Tier- und Pflanzenarten und zerstören die Erdatmosphäre.
Deshalb haben die Industriestaaten die Hauptverantwortung und damit die Kosten für die weltweite Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen zu tragen. Sie müssen mit dem ökologischen Umbau ihrer Gesellschaften vorangehen und der Verschwendung von Energie, Rohstoffen und Flächen ein Ende setzen. Sie müssen die Völker der Dritten Welt in die Lage versetzen, ihren Beitrag zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten.
Für uns gilt die ethische Verpflichtung zum pfleglichen Umgang mit der Natur auch dort, wo kein unmittelbarer Nutzen für die Menschen daraus folgt. Umweltschutz, Naturschutz, Tierschutz sind Teil unserer solidarischen Gesellschaftskonzeption. Ehrfurcht vor dem Leben ist Grundsatz unserer Politik. Die Erhaltung der Natur muss Aufgabe aller Politikbereiche werden.
Gesamtwirtschaftlich ist nichts vernünftig, was ökologisch unvernünftig ist. Ökologie ist kein Zusatz zur Ökonomie. Sie wird zur Basis verantwortlichen Wirtschaftens. Das ökologisch Notwendige muss daher Prinzip auch betriebswirtschaftlichen Handelns werden. Wir dürfen der Natur nur abverlangen, was sie uns ohne nachhaltige Schäden liefert. Wir müssen Güter herstellen und verwenden, die dem Stoffkreislauf der Natur angepasst sind. Dieser ökologische Umbau unserer Wirtschaft reicht von der Produktidee über den Produktionsprozess bis zum Verbrauch und zur Wiedergewinnung genutzter Rohstoffe und zur Schließung stofflicher Kreisläufe. Er erfordert eine ökologische Bewertung der eingesetzten Stoffe, Verbindungen und Verfahren. Er umfasst alle Formen der Energiegewinnung und Energieumwandlung. Schwerpunkte des ökologischen Umbaus müssen Chemie, Verkehrswesen und Landwirtschaft sein. Die zunehmende Gefährdung unserer Umwelt führt weltweit zu einer Verschärfung sozialer Ungleichheit. Umso mehr muss der ökologische Umbau sozial gestaltet werden.«
Aus dem Berliner Programm der SPD, 1989
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Was führende Kräfte in der Partei von solch hehren Zielen hielten, sagten sie unumwunden. Gerhard Schröder, damals wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD, erklärte 1997: »Wir werden damit Schluss machen, dass naturwissenschaftliche und technologische Innovationen zunächst auf ihre Risiken abgeklopft werden, ehe man sich ihren Chancen zuwendet.« Laut Schröder gibt es keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine gute oder schlechte. Das Gleiche gilt offenbar für die anderen Ressorts, für die es ebenfalls keine sozialdemokratische Politik mehr gibt. Die Frage ist, ob es überhaupt noch sozialdemokratische Politik geben kann. Oder: Macht sich die SPD nicht überflüssig, wenn sie Zielen folgt, die sich in nichts von den Zielen anderer Parteien unterscheiden? Und: Ist eine solche Entwicklung zwangsläufig?
Ankurbeln ist angesagt
Die Rahmenbedingungen der Politik haben sich für alle Parteien dramatisch geändert. Da ist die Globalisierung, wie sie sich vor allem in den Bewegungen des weltweiten Finanzmarkts zeigt. Heute können leichte Schwankungen des wichtigsten US-amerikanischen Aktienindex Dow Jones die Börsen der Welt in Aufregung versetzen. Gigantische Kapitalströme fließen um die Welt, dorthin, wo es die besseren Anlagemöglichkeiten gibt. Die Vision von Marx vom weltumspannenden Kapitalismus, vom Kapital, das auf der Suche nach Profit über Kontinente rast, ist erst heute Wirklichkeit geworden.
Die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Nationalstaaten stößt in einer eng verflochtenen Weltwirtschaft überall auf Grenzen. Das wirtschaftliche Überleben der Staaten — oder »Standorte«, wie es oft heißt — im weltweiten Wettbewerb hängt scheinbar davon ab, die eigenen Global-Player staatlich zu unterstützen. Also niedrigere Steuern, niedrigere Lohnnebenkosten, vermehrter Einsatz der Politik für große Unternehmen. Reist der Kanzler ins Ausland, sind oft Vertreter großer deutscher Konzerne mit an Bord. Wie kein anderer Kanzler zuvor versteht sich Schröder als Lobbyist der Industrie, vor allem der Autohersteller.
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Sozialdemokratische Politik zielte immer darauf, Gesellschaft und Wirtschaft zugunsten der Lohnabhängigen und Unterprivilegierten zu verändern. Viele Stichworte ließen sich aufzählen, in denen sich dieses Ziel ausdrückt: Sozialisierung, Wirtschaftsdemokratie, Investitionskontrolle, Investitionslenkung, systemüberwindende Reformen, paritätische Mitbestimmung, um nur einige zu nennen.
Am Ende reduziert sich aber sozialdemokratische Gesellschaftspolitik auf den Anspruch, die Wirtschaft besser anzukurbeln als die parteipolitische Konkurrenz. Die rot-grüne Regierungspolitik unterscheidet sich grundsätzlich durch nichts von der Wirtschaftspolitik ihrer Vorgänger, sie ist allerdings konsequenter bei der Vertretung von Kapitalinteressen. Die Unternehmenssteuerreform hat sogar die optimistischsten Unternehmer überrumpelt. Der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen soll steuerfrei sein, aber schon bei einem Steuersatz von zwanzig Prozent hätten die Unternehmer gejubelt. Während die versprochene Bafög-Reform kastriert wird, verschenkt die rot-grüne Regierung Milliarden, vor allem an die Banken. Es war zu lesen, dass allein die Deutsche Bank nun sieben Milliarden Mark an Steuern spart, wenn sie ihre Industriebeteiligungen verkauft. Andere Unternehmen haben den geplanten Verkauf von Beteiligungen vertagt, weil sie die Verabschiedung der Unternehmens Steuerreform abwarten wollen.
Weltweit scheint ein Wettbewerb ausgebrochen zu sein, welcher Staat die eigene Industrie besser alimentiert. Ob »New Labour« oder SPD, ob japanische Konservative oder chinesische Altstalinisten: Ankurbeln ist angesagt. Das Heil der Nationen leitet sich ab vom Heil der nationalen Ökonomien. In der Tat, hier findet sich nichts Sozialdemokratisches mehr. Schröder hat also Recht. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering sagte, es blieben immer noch ein paar sozialpolitische Aufgaben übrig für die SPD. Nur: Unterscheidet dieser Anspruch die Partei vom Arbeiternehmerflügel der CDU?
Die SPD verliert nicht allein ihre wirtschaftspolitischen Konturen, sondern genauso ihre klassische Klientel. Der Anteil der Arbeiter an der erwerbstätigen Bevölkerung sinkt, immer mehr lohnabhängig Beschäftigte arbeiten in neuen Sektoren der Wirtschaft und erbringen vor allem Dienstleistungen.
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Die Industriearbeiterschaft war über Jahrzehnte die soziale Existenzgrundlage der SPD. Die Partei entstand als Interessenvertretung der Arbeiter. In dem Maß, wie sich die Industrie ausweitete und damit die Arbeiterschaft vermehrte, wuchs die SPD. Alle ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Ziele waren Ziele der Arbeiter. Sie hatte keine darüber hinausgehenden Ziele. Ob Diktatur des Proletariats oder Wirtschaftsdemokratie — stets ging es um Arbeiterinteressen.
Die Arbeiterklasse, das waren die in Fabrikhallen an Montagebändern oder Hochöfen, an Werkbänken oder Produktions Straßen in großer Zahl auf engem Raum versammelten Handarbeiter, die aufgrund ihrer gleichartigen Lebenssituation gleiche Interessen hatten. Diese Interessen vertraten die Gewerkschaften — gegenüber dem Kapital — und die Partei — gegenüber dem Staat und anderen Parteien. Nun aber hat sich herausgestellt, dass diese Arbeiterklasse, vielleicht noch ein Fünftel der Gesellschaft, in der Sozialpolitik Hervorragendes geschaffen hat, auch für andere soziale Schichten. Aber sie ist kein Fortschrittsfaktor mehr. Sie war nie die soziale Klasse, die die Interessen der gesamten Gesellschaft repräsentierte.
Die Zugewinne an Mitgliedern und Einsichten durch den Aufbruch Ende der sechziger Jahre hatten die SPD bereichert, auch durch neues Konfliktpotential. Aber spätestens unter Kanzler Schmidt war der Aufbruch beendet, und die industrie- und wachstumsbornierte Wirtschafts- und Finanzpolitik trieb jene Teile der Gesellschaft, die sich den neuen Herausforderungen stellten, weg von der SPD, hin zu den Grünen. Die Gründung und die Erfolge dieser Partei drücken zunächst das Versagen der Sozialdemokratie aus. Nicht ohne Grund bekämpften die Sozialdemokraten die auf der Linken erwachsene Konkurrenz viel heftiger als die Konservativen. Die Grünen waren tatsächlich Fleisch vom Fleisch der SPD (heute lässt sich das nicht mehr so eindeutig sagen). Gewinne für die Grünen waren gleichbedeutend mit Verlusten für die SPD.
Unerwartete Chancen für die PDS
Seit der deutschen Einheit wächst zunehmend die PDS in die Rolle des direkten Konkurrenten um die ursprünglich allein der SPD zugerechnete Klientel. Im Osten sind Gewinne für die PDS gleichbedeutend mit Verlusten für die SPD.
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Die Grünen sind dort mittlerweile bedeutungslos. Die PDS ist für die SPD gefährlicher, als die Grünen es je waren. Die PDS profitiert auch im Westen von der Schröderisierung der SPD, vom Marsch nach rechts. Hinzu kommt, dass die SPD von der PDS massiv auf das gestoßen wird, was der demokratische Sozialismus einmal war. Die Idee der Gesellschaftsveränderung strahlt auch in das sozialdemokratische Lager hinein. Viele sozialdemokratische Wähler werden durch die Politik und die Aussagen der PDS an das erinnert, was SPD-Politik sein müsste. Die Versuche von PDS-Theoretikern, ein Konzept des demokratischen Sozialismus zu erarbeiten, sind weit gediehen und stützen den Anspruch der SED-Nachfolgepartei, die SPD auf dem linken Flügel zu beerben.
Die SPD profitiert in dieser Wettbewerbssituation vor allem von der stalinistischen Tradition der PDS. Zu viele Mitglieder dieser ostdeutschen Volkspartei trauern der DDR nach und betrachten jeden Erfolg der eigenen Partei als Beleg dafür, dass die SED trotz aller »Fehler« am Ende doch Recht gehabt habe. Große Teile der PDS-Mitgliedschaft leben rückwärts gewandt und bilden eine Trauergemeinschaft. Die politische Ostalgie behindert die Glaubwürdigkeit und die politische Entwicklung der PDS. Oft muss die Parteiführung Rücksicht nehmen auf die Bedürfnisse großer Teile der Mitgliedschaft. Nicht zuletzt die Haltung der PDS zur juristischen Vergangenheitsaufarbeitung und zur Tätigkeit der Stasiaktenbehörde zeigt, dass es zur vollständigen Erneuerung der Partei noch ein langer Weg ist. Wenn denn die Erneuerung überhaupt jemals gelingt.
Die Vergangenheitsverhaftung der PDS ist das Glück der Sozialdemokratie. Denn solange die Partei des demokratischen Sozialismus noch stalinistische Züge trägt, kann sich die SPD absetzen. In dem Maß aber, wie die PDS zumindest im Empfinden der Wähler ihren historischen Makel relativiert, kann sie möglicherweise auch im Westen Fuß fassen. Dies hängt aber davon ab, ob die Sozialdemokratie weiterhin den linken Flügel freigibt. Wenn sich der Schröder-Kurs — Ankurbelung der Wirtschaft plus einige Sozialgeschenke als Garnitur — vollends durchsetzt in der SPD und die PDS sich überzeugend erneuern kann, dann haben die demokratischen Sozialisten Chancen, zur gesamtdeutschen linken Partei heranzuwachsen.
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Diese Möglichkeit war vor kurzem noch nicht abzusehen und ergab sich vor allem, weil der Richtungsstreit in der SPD zugunsten Schröders entschieden worden ist. Dazu beigetragen hat aber auch die Krise der CDU, die diese Partei für eine geraume Zeit als ernst zu nehmende Konkurrenz ausfallen ließ. Wie wichtig der letztgenannte Faktor ist, zeigen die Warnungen vieler Experten vor SPD-Niederlagen bei den Wahlen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen. Hätte die SPD beide Wahlen verloren, dann wäre vermutlich auch das rot-grüne Bündnis zerbrochen. Die Wahlerfolge der Schröder-SPD sind zuerst auf äußere Faktoren zurückzuführen und weniger auf die Bemühungen der Sozialdemokratie, Sozialkosmetik zu betreiben und die herben Regierungsfehler der ersten Monate abzustellen.
Wenn die CDU/CSU aus dem Parteispendenjammertal steigt und die PDS ihr demokratisch-sozialistisches Profil schärfen kann, werden die Symptome der latenten Krise der Sozialdemokratie wieder zu Tage treten. Das ist nur eine Frage der Zeit. Denn Schröders Modernisierung heißt, die SPD von dem zu befreien, was sozialdemokratisch ist. Bedeutete Godesberg die Anerkennung einer gewachsenen politischen und wirtschaftlichen Wirklichkeit unter Beibehaltung der sozialdemokratischen Identität, so bedeutet Schröders Kurs die Aufgabe der sozialdemokratischen Identität zugunsten der Unternehmer, als deren geschäftsführender Kanzler Schröder- sich sieht.
Schröder personifiziert den Verzicht auf alle gesellschaftlichen Veränderungen, die dem Kapital nicht zumutbar erscheinen. Prototypisch dafür ist der Eiertanz um den Atomausstieg, der den Namen nicht verdient, weil die Genehmigung, Atomkraftwerke noch Jahrzehnte weiter zu betreiben, mit Ausstieg nichts zu tun hat. Selbst bei Grünen ist der Wille der AKW-Betreiber mittlerweile heilig. Die Sozialdemokratie forderte einstmals einen Atomausstieg binnen zehn Jahren, die Grünen sogar den sofortigen Ausstieg. Und heraus kommen rund drei Jahrzehnte. Das haben Kommentatoren als Anerkennung der Realität gefeiert. Ich betrachte es als Kniefall, als Folge einer prototypischen Grundsatzentscheidung, dass nämlich der Schröder-Regierung die deutschen Großunternehmen näher sind als Forderungen sozialdemokratischer Grundsatzprogramme.
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Als Vodafone Airtouch mit Mannesmann fusionierte, hat Schröder erklärt, man müsse künftig deutsche Unternehmen besser gegen solche Übernahmen schützen. Er hat nicht gesagt, dass man Unternehmen anderer Länder gegen Übernahmen durch deutsche Konzerne schützen müsse. In der globalisierten Welt gefallen sich Teile der Sozialdemokratie in der Verteidigung der eigenen Multis gegen andere Multis. Man hat ohnehin den Eindruck, dass deutsche Unternehmen direkt mitregieren. Das hat sich jedenfalls am Beispiel der EU-Altautoverordnung gezeigt, als ein Telefonanruf von VW-Chef Ferdinand Piech dem Kanzler genügte, um den eigenen Umweltminister, Jürgen Trittin, zu desavouieren, weil dieser einen bereits fertigen Beschluss gegen seine EU-Kollegen platzen lassen musste. Das ist der alte Nationalismus im globalisierten Gewand. Er wird nur neu begründet: mit Arbeitsplätzen, pardon, mit deutschen Arbeitsplätzen. So direkt hat sich noch kein Kanzler als Lobbyist betätigt.
Das Papier mit Tony Blair
Dieser Kurs nationaler Wirtschaftsförderung beruht auf dem Irrglauben, dass die Unternehmen möglichst große Gewinne machen müssen, damit Arbeitsplätze abfallen. Eigentlich hat die neue Bundesregierung auch nur ein Ziel, obwohl es um andere Fragen hin und wieder Spektakel gibt. Sie will Arbeitsplätze schaffen. Das ist löblich, aber eindimensional gedacht. Denn die deutschen Unternehmen reinvestieren einen großen Teil ihrer Gewinne in Arbeitsproduktivität. Mehr Arbeitsproduktivität aber heißt weniger Arbeitsplätze. Die Sozialdemokraten haben laut eigenem Eingeständnis die Rentner betrogen, um die Lohnnebenkosten um ein paar Zehntelprozent zu senken. Wenige Monate später legten sie eine Unternehmenssteuerreform auf den Tisch, die besonders Großunternehmen Milliarden schenkt. Jeder weiß, was eine sozialdemokratische Opposition gesagt hätte, wenn eine christlich-liberale Regierung ein solches Konzept vorgeschlagen hätte.
Schröder hat sich bemüht, seinen Kurs theoretisch zu begründen. Dazu holte er sich die Hilfe des britischen Premiers und New-Labour-Chefs Tony Blair. Offenbar sieht er in dessen unternehmerfreundlichen Politik ein Vorbild. Auch hätte man in der deutschen Sozialdemokratie Schröder allein als Parteitheoretiker wohl weniger ernst genommen.
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Die beiden Parteichefs ließen kurz vor der letzten Europawahl, im Juni 1999, ein Papier schreiben, in dem Schröder und Blair nichts weniger versuchen, als die Grundsätze der Sozialdemokratie in nebligen Worten zur Disposition zu stellen (siehe Anhang). Und doch gibt es in einigen Punkten Klartext, es sind die Themen, die den Autoren wichtig sind. Nach einem Pflichtbekenntnis zu sozialdemokratischen Werten - ohne spätere konkrete Anwendung - folgt ein entscheidender Satz, das Leitprinzip der Schröderisierung der SPD:
»Wir müssen unsere Politik in einem neuen, auf den heutigen Stand gebrachten wirtschaftlichen Rahmen betreiben, innerhalb dessen der Staat die Wirtschaft nach Kräften fördert, sich aber nie als Ersatz für die Wirtschaft betrachtet. Die Steuerungsfunktion von Märkten muss durch die Politik ergänzt und verbessert, nicht aber behindert werden.«
Ein solcher Satz könnte auch in einem Grundsatzprogramm der FDP oder CDU stehen, FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle reklamierte nicht grundlos die geistige Urheberschaft für die Aussagen des Schröder/Blair-Papiers für seine Partei. In der Tat, was ist daran sozialdemokratisch? Genauso wenig sozialdemokratisch ist das Bekenntnis des Papiers zu »stabilem Wachstum« oder zur Befreiung der Unternehmer von gesetzlichen Auflagen. Das ganze Papier liest sich so, als hätte es in Europa keine Diskussion über Grenzen des Wachstums und ökologische Bedrohungen gegeben.
Der einstige konservative Umweltminister Klaus Töpfer, heute Generaldirektor des UN-Umweltprogramms, hat jüngst erklärt, wir lebten bereits in der Phase weltweiter Klimaerwärmung. Nun ist also passiert, wovor nicht nur radikale Ökologen seit Jahrzehnten gewarnt haben, und Schröder unterschreibt ein Papier, in dem von Ökologie nicht ernsthaft die Rede ist - sieht man von nebulösen Sprüchen ab wie »ökologische Nachhaltigkeit«. Die CDU beklagt sich, dass Schröder Unternehmer feiere wie Stars, und sie hat in diesem Punkt Recht.
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Modern?
Es mag Gründe geben, auf Wachstum zu setzen und darauf, dass das Kapital sich maximal verwertet. Das sind klassische Forderungen konservativer und neoliberaler Kräfte. Ihre Verwirklichung hat in das Ökodesaster geführt, in dem wir leben, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen. Früher haben diese politischen Kräfte die Gefahr des Treibhauseffekts dementiert und von Panikmache gesprochen. Obwohl sie widerlegt sind, ignorieren sie die Gebote der Ökologie weiterhin.
Die Aufgabe einer modernen sozialdemokratischen Politik bestünde darin, die Industriegesellschaft an die ökologischen Bedingungen anzupassen, statt weiterhin auf größtmögliches Wachstum zu setzen. Dennoch lassen Schröder und Blair schreiben:
»In einer Welt immer rascherer Globalisierung und wissenschaftlicher Veränderungen müssen wir Bedingungen schaffen, in denen bestehende Unternehmen prosperieren und sich entwickeln und neue Unternehmen entstehen und wachsen können.«
Früher hieß es: »Was gut ist für Ford, ist gut für Amerika.« Heute heißt es: »Was gut ist für VW, ist gut für Deutschland.« Man mag das glauben, aber man soll nicht behaupten, das sei modern. Schröders Modernisierung ist gleichbedeutend mit der Übernahme wirtschaftsliberaler Rezepte durch die SPD. Diese Mitte ist uralt. Und sie ist geistig so attraktiv wie ein trockenes Brötchen. Der britische Economist schrieb über Blairs »Dritten Weg«: »Es mag eine armselige Ideologie sein, als ein Stück Politik aber muss man den Dritten Weg verstehen.« So wie Schröder den Begriff »Neue Mitte« nicht erfunden, sondern bei Willy Brandt entwendet hat - ohne den Urheber zu nennen, wie auch der Satz, dass die SPD-geführte Regierung nicht alles anders, aber vieles besser machen werde, von Brandt stammt -, so hat auch Blair nichts Originelles hervorgebracht: Von einem dritten Weg sprachen schon diverse Strömungen vor ihm. Blair versteht darunter einen Weg jenseits von links und rechts, auch das ist kalter Kaffee. Die Etiketten sind so alt wie das, was sich hinter ihnen verbirgt. Aber warum erregt es dann soviel Aufsehen?
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Dies hat wenigstens drei Gründe: Erstens ahnt die politische Öffentlichkeit in weit höherem Maß, als es die Protagonisten eingestehen wollen, dass es um das Schicksal der Sozialdemokratie geht, um das Überleben der ältesten politischen Kraft in Deutschland. Das ist nicht ausgesprochen, liegt aber auf der Zunge. Schröder schneidet den roten Faden der SPD durch, er verwandelt die Partei in eine Vereinigung mit wirtschaftsliberalen Maximen, die am 1. Mai ihrer glorreichen Tradition gedenken darf. Die Öffentlichkeit fragt sich: Gelingt es Schröder, die SPD von ihren vermeintlich veralteten Inhalten zu befreien, und was setzt er an deren Stelle? Zweitens hat die Mediengesellschaft die Bürger bereits in so hohem Maß entpolitisiert, dass sich der Betrachter die Augen reibt angesichts eines ideologischen Vorstoßes, dessen erste Botschaft es ist, nicht ideologisch sein zu wollen. Die Gehalte dieser Botschaft sind so simpel, dass mancher TV-geschädigte Beobachter sich einbilden mag, er nehme an einer inhaltlichen Debatte teil. Drittens interessiert die Öffentlichkeit die Soap-Opera, die sich da als inhaltliche Debatte verkauft: Kann der Kanzler die Linken abwehren, den bösen Detlev von Larcher, der finster nach neuen Steuern ruft? Oder triumphiert die moderne SPD, deren neues Programm auch in der Langfassung in einem TV-Spot zu verpacken ist?
Die Schwierigkeit besteht nur darin, dass die »neue SPD« keine mehr ist, dass sie die identitätsbegründenden Unterschiede zu anderen politischen Parteien aufgibt. Dies wiegt umso schwerer, als die sozialen Unterschiede zwischen den beiden - im Osten drei -großen Parteien schwinden. Eine SPD mit einer ähnlichen sozialen Zusammensetzung wie die CDU macht eine ähnliche Politik. Zu was braucht es da eine SPD? Deren Sinn reduziert sich so auf Marginalien: darauf, dass viele Deutsche Schröder für einen besseren Kanzler halten als die potentiellen Konkurrenten. Darauf, dass die CDU in einer Glaubwürdigkeitskrise steckt und vor allem in Neufünfland viele Menschen enttäuscht hat. Darauf, dass viele Deutsche der SPD die Prämissen ihrer Konsolidierungspolitik glauben. Diese Faktoren sind aber zeitlich befristet, und damit ist die Entwicklung der SPD von Verfallsdaten bedroht.
Am Ende steht als stabilisierender Faktor das, was als Tradition verächtlich gemacht worden ist und was die Partei auch dann stützen kann, wenn alle neu-mittigen Seifenblasen geplatzt sind. Schröders Politik lebt vom Konjunkturaufschwung, den er nicht hervorgebracht hat, obwohl er dies behauptet hat - der Wirtschafts-
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aufschwung geschieht in ganz Westeuropa, auch dort, wo Schröder nicht Bundeskanzler werden wollte. So sicher wie das Amen in der Kirche wird dem Aufschwung der Abschwung folgen, vielleicht verbunden mit einem Crash an den überhitzten Weltbörsen. Und was ist dann mit Neuer Mitte und Drittem Weg, mit dem heiligen Versprechen, neue Arbeitsplätze zu schaffen?
Die Schröderisierung ist gleichbedeutend mit dem Verzicht, die Gesellschaft gegen die Interessen der Unternehmer zu verändern. Stattdessen unterwerfen sich Politik und Gesellschaft den Verwertungsbedingungen des Kapitals und hoffen als Gegenleistung auf Arbeitsplätze und Wohlstand. Es ist der Abschied von der Politik, an deren Stelle tritt die Verwaltung der Geschäftsinteressen der Industrie.
Umverteilung zugunsten der Reichen
Der politische Kampf für soziale Gerechtigkeit verkommt in der Schröder-Ära zur Sozialpolitik, deren Grenzen durch die Möglichkeiten des Staatshaushalts bestimmt werden. Sozialdemokratische Politik war einmal Umverteilungspolitik, der Versuch, die Einkommensströme in Deutschland zugunsten der Ärmeren zu steuern. Die Verteilung des Reichtums wird aber in den Staaten, in denen New Labour, New Democrats oder die Schröder-SPD regieren, immer ungerechter. Exorbitanten Unternehmensgewinnen, Kursexplosionen an der Börse, der gefährlichen Verselbstständigung der Finanzmärkte von den Nationalökonomien stehen immer mehr Menschen gegenüber, die den Verlust ihrer Arbeitsplätze befürchten und die bereits seit Jahren auf reale Lohnerhöhungen verzichten. In einer Studie in Politik und Gesellschaft, einer Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung, heißt es dazu für den Zeitraum 1980 bis 1997 lapidar:
»Seit 1980 ist es zur stärksten Umverteilung von den Löhnen zu den Gesamtgewinnen seit 1945 gekommen, wobei die Lohnquote in den europäischen Industrieländern deutlich stärker sank als in den USA; anders ausgedrückt: das Wachstum der Reallöhne blieb in Europa stärker hinter jenem der Arbeitsproduktivität zurück (der >real wage gap< sank stärker) als in den USA.«
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Und zum Dauerbrenner Lohnnebenkosten (die über die so genannte Ökosteuer verringert werden) steht in besagter Studie nicht minder klar:
»Die Verbilligung des Faktors Arbeit relativ zum Faktor Realkapital (sinkender >real wage gap< bei steigenden Realzinsen) konnte die Unternehmer nicht zu einer relativ arbeitsintensiveren Produktionsweise veranlassen. Im Gegenteil: Nicht zuletzt wegen der wachsenden Einsatzmöglichkeit der Mikroelektronik nahm die Bedeutung von Rationalisierungsinvestitionen immer mehr zu. Denn im Gegensatz zu den Annahmen der neoliberalen Theorie wird das Einsatzverhältnis von Kapital und Arbeit (Kapitalintensität) nicht von den relativen Faktorpreisen bestimmt, sondern vom prozesstechnischen Fortschritt (gewissermaßen von den Ingenieuren), und dieser ist irreversibel: Ist eine bestimmte Produktionstechnik und damit eine bestimmte Kapitalausstattung je Arbeitsplatz einmal implementiert, so wird eine relative Lohnsenkung keine Rückkehr zu einem früher verwendeten, relativ arbeitsintensiveren Verfahren bewirken, da dieses nunmehr technisch überholt ist. Obwohl Arbeit relativ zu Kapital billiger wurde und es überdies keine den >Ö1-preisschocks< vergleichbare weltwirtschaftlichen Turbulenzen gab, stieg die Arbeitslosigkeit in Europa viel stärker als in den siebziger Jahren; nicht zuletzt wegen des Anstiegs der Finanzkapitalrendite (Zins) stieg auch die Renditenansprüchlichkeit des Realkapitals (>shareholder value<), Investitionen konzentrierten sich deshalb immer mehr auf Rationalisierungen. Dadurch wurden zwar erhebliche Steigerungen der Arbeitsproduktivität pro Stunde und damit auch wachsende Reallöhne ermöglicht, bei gedämpftem Wirtschaftswachstum nahm aber gleichzeitig auch die Arbeitslosigkeit zu. In den USA blieb die Arbeitslosigkeit etwa konstant; neue Jobs entstanden allerdings in den achtziger Jahren primär im Bereich jener Dienstleistungen, deren Erstellung nur geringe Qualifikationen erfordert (>Mac Jobs<): dementsprechend stagnierten Arbeitsproduktivität und Reallöhne, gleichzeitig wurden die >working poor< zu einem immer größeren sozialen Problem.«
Der Leser möge mir die beiden langen Zitate verzeihen, sie sind wichtig. In Kürze sagen sie zwei Dinge: Erstens wächst der gesellschaftliche Reichtum zugunsten der Unternehmen, die Arbeiter und
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Angestellten werden relativ ärmer. Zweitens ist eine Politik, die allein auf die Verbesserung der Kapitalverwertungsbedingungen zielt, nicht geeignet, dauerhaft Vollbeschäftigung zu erreichen. Sie mag mehr Arbeitsplätze schaffen, wenn die Wachstumsrate die Steigerung der Arbeitsproduktivität deutlich und dauerhaft überholt, aber dies ist nach allen bisherigen Erfahrungen nicht vorstellbar. In Wahrheit ist die Steigerung der Arbeitsproduktivität die Triebkraft des Wachstums. Neues Wachstum und neue Gewinne schlagen sich wiederum in Investitionen für höhere Arbeitsproduktivität nieder, das heißt heute: in Chips. Natürlich schaffen auch Rationalisierungsmaßnahmen neue Arbeitsplätze, vor allem in High-Tech-Unternehmen. Aber in ihrer Konsequenz spart Rationalisierung menschliche Arbeitskraft ein. Menschliche Arbeitskraft kann Mikroelektronik nicht ersetzen, diese aber ist die Lokomotive der Arbeitsproduktivität. Sicher ist bei dieser Politik nur eines: dass die Unternehmen und ihre Eigentümer noch reicher werden, als sie es ohnehin schon sind. Und dies ist politisch auch gewollt, weil sich moderne Sozialdemokraten vom Reichtum der Reichen Arbeitsplätze versprechen. Obszön wird die Sache aber, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig Arbeitslose, Rentner und andere sozial Schwache stärker belastet werden.
Hinzu kommt noch ein anderes Phänomen: Bei der heutigen Sozialpolitik wird vor allem auf die Ausgabenseite gesehen, kaum auf die Einnahmenseite des Staatshaushalts. Nach wie vor haben Unternehmer erhebliche Möglichkeiten, ihre Steuerschuld zu drücken. Ein Architekt mit einem Jahreseinkommen von 800.000 Mark bezahlte bei Ausschöpfung aller Abschreibungsmöglichkeiten 1998 keinen Pfennig Steuern — das ist die Variante Kohl/Waigel. Derselbe Architekt zahlt seit 1999 immerhin 156.638 Mark Steuern, etwa zwanzig Prozent. Das ist immer noch lächerlich wenig. Dieser Architekt zahlt natürlich keine Sozialversicherungsbeiträge. Insgesamt wird er anteilig geringer belastet als ein durchschnittlich verdienender Angestellter.
Schröder personifiziert den Verzicht auf die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums zugunsten von Arbeitern und Angestellten. Stattdessen werden im Zeichen des Shareholder-Value die Aktionäre und Unternehmen bereichert, damit die deutschen Global-Player im weltweiten Konkurrenzkampf noch besser dastehen als ohnehin schon.
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Man betrachte den Deutschen Aktien-Index (DAX), der die dreißig wichtigsten deutschen Aktiengesellschaften aufführt, und die Gewinnentwicklung dieser Unternehmen: Jedes Jahr weniger als fünfzehn Prozent plus empfinden die allgewaltigen Aktienanalysten als Katastrophe — für die Anleger. Es ist ja nicht so, dass die angeblich zu hohen Lohnnebenkosten und die Steuerbelastung die Unternehmen wirtschaftlich bedrohen, viele der ganz Großen melden Jahr für Jahr Rekordumsätze und Rekordgewinne. Die Steuerreform der Bundesregierung bedeutet trotzdem, dass die Unternehmen nur noch 25 Prozent Körperschaftssteuer bezahlen. Offenbar geht es dem Staatshaushalt doch nicht so schlecht.
Es ging ihm nie zu schlecht, um Krieg zu führen. Der Golfkrieg 1990/91 kostete den deutschen Steuerzahler mehr als siebzehn Milliarden Mark — Geld, dass es für soziale Zwecke nicht gab. Der Jugoslawienkrieg kostete mehrere Milliarden (leider gab es bis zum Redaktionsschluss dieses Buches keine verbindliche Angabe), während Finanzminister Hans Eichel sich mit der Rentenkürzung beschäftigte. Für den Krieg war genug Geld da, für den Frieden aber reicht es nicht mehr. Der deutsche Vier-Sterne-General Klaus Reinhardt, von Oktober 1999 bis April 2000 Chef der NATO-Truppen im Kosovo, hält es für »abenteuerlich dumm«, dass die Regierungen der westlichen Allianz im Frühjahr 1999 ein Vielfaches der im Frieden zur Verfügung stehenden Mittel aufgebracht hätten, um Serbien zum Einlenken zu bomben. »Doch jetzt, wo es um den Wiederaufbau geht, fehlen sie«, erklärte der General der Zeitschrift Die Woche. Mit 125 Millionen Mark habe das gesamte Budget der Vereinten Nationen für den Wiederaufbau des Kosovo im vergangenen Jahr ein Viertel dessen betragen, was »die NATO an einem Tag verbombt hat«. Diese Äußerung lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Wo die Fahne flattert, ist der Verstand in der Trompete.
Der sozialdemokratische Krieg
Die Genossinnen und Genossen in meinem Ortsverein waren mit großer Mehrheit gegen den Krieg der NATO gegen Jugoslawien. Der Krieg brach das Völkerrecht. Er hat die Vertreibungen und sonstigen Gewalttaten der serbischen Milizen gegen die Kosovo-Albaner verschärft.
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Er hat zivile Opfer gefordert und vor allem in seiner Endphase keineswegs nur militärische Ziele zerstört — die zivile Infrastruktur Serbiens ist nachhaltig geschädigt. Er hat bewirkt, dass mehr als 100.000 Kosovo-Serben und zahlreiche andere Minderheiten vertrieben wurden, die gewalttätigen Übergriffe und Morde sind nicht gezählt. Im Kosovo werden nach wie vor massive Menschenrechtsverletzungen begangen, diesmal an einem anderen Bevölkerungsteil. Leider ist offizielle Empörung darüber nicht zu hören.
Gestern, am 9. Februar 2000, besuchte der sozialdemokratische Verteidigungsminister eine Schule im schleswig-holsteinischen Städtchen Bargteheide (zwischen Lübeck und Hamburg) und diskutierte mit Schülern. Natürlich wurde er zum Jugoslawienkrieg befragt. Scharping erklärte, es gebe nun mal »keinen gerechten Krieg und auch keinen Krieg, in dem nur die Ziele getroffen werden, die man treffen will«. Auf den Tschetschenienkrieg der Russen angesprochen, sagte er: »Die eingesetzten Mittel und die Folgen für die Zivilbevölkerung sind aber nicht akzeptabel.«
Ich erinnere mich noch gut an den Rudolf Scharping, der im Bundestag und auf Pressekonferenzen Bilder von Opfern hochhielt, auf einem sollte sogar ein KZ abgebildet sein (es wurde nie gefunden). Ich erinnere mich noch der lauten Empörung über die Verbrechen des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic, in der Tat eine der ekelhaften Gestalten unserer Zeit. Ich frage mich aber, was war die Empörung wert, wenn der Vernichtungskrieg gegen die Tschetschenen eine vergleichbare Entrüstung nicht hervorbringt? Als wäre das, was die Russen getan haben, auch nur annähernd mit Terroristenbekämpfung zu vergleichen. Es sei denn, jeder Tschetschene wäre ein Terrorist.
In Wahrheit gab es selten besser vergleichbare Kriege als den Jelzins und Putins gegen die Tschetschenen und Milosevic' gegen die Kosovo-Albaner. In beiden Fällen ging es um Territorien, die sich der Zentralgewalt widersetzten, und in beiden Fällen hatte dies lange historische Wurzeln. In beiden Fällen denunzierte die Zentralgewalt die widerstrebenden Kräften als terroristisch. In beiden Fällen gab es terroristische Übergriffe gegen die Zentralgewalt (zur Geschichte des Jugoslawienkriegs gehören die Terroranschläge der Kosovo-Befreiungsarmee UCK gegen serbische Einrichtungen im Kosovo; der Vorwand für den letzten Tschetschenienkrieg — Bomben in russischen Wohngebäuden — ist dagegen eher dubios).
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Keiner zweifelt aber daran, dass das russische Militär sich für die Niederlage im ersten Tschetschenienkrieg revanchieren wollte. Im Kosovo wie in Tschetschenien überstieg die »Reaktion« auf tatsächlichen oder angeblichen Terror die Verhältnismäßigkeit der Mittel erheblich, wobei die Zerstörungswut der russischen Militärs die der serbischen Mordbanden in den Schatten stellte.
Was die beiden Kriege aber unterscheidet, ist der Umstand, dass Russland eine Atommacht ist und Jugoslawien nicht. Dies allein hat bewirkt, dass deutsche Sozialdemokraten mit den einen Opfern weniger Mitleid bekunden als mit den anderen, dass sie im einen Fall moralisch überschäumen, im anderen Fall milde die Übertreibung tadeln, ohne die Worte »Völkerrecht« oder »Menschenrechte« in den Mund zu nehmen, von »Auschwitz« ganz zu schweigen.
In Wahrheit war der Rechtfertigungszwang die Triebkraft der schäumenden Anklagen gegen Milosevic, nicht die Moral. Denn wenn es die Moral gewesen wäre, dann müssten Schröder, Scharping und natürlich Fischer angesichts des Massenmords in Tschetschenien genauso schäumen. Stattdessen beschränkten sie sich auf Smalltalk mit den russischen Sicherheitspartnern, die angekündigt haben, ihren Rüstungsetat um fünfzig Prozent zu erhöhen. Eine Moral aber, die geteilt wird und nur dazu dient, dem eigenen Handeln höhere Weihen zu verleihen, ist Unmoral.
Die sicherheitspolitische Modernisierung der Sozialdemokratie sieht genauso aus wie die sozialpolitische und wirtschaftspolitische: Die Partei passt sich den Gegebenheiten an. Die sind in der Sicherheitspolitik aber geprägt durch die Interessen der Weltmacht USA. Moral spielt in deren Kalkül nur eine beiläufige Rolle, und die Amerikaner machen daraus kein Hehl. Dass die rot-grüne Bundesregierung die US-Politik moralisch aufwertet, hat nichts mit Moral zu tun, sondern mit der Notwendigkeit, diesen Schwenk der eigenen Partei wie der Öffentlichkeit zu erklären. Nachdem die SPD jahrzehntelang gezögert hat, sich auch nur zu Blauhelmeinsätzen zu bekennen, akzeptierte die Koalition zweier Friedensparteien nicht nur einen Krieg, sondern auch die Vorbereitung auf die nächsten. Als die Bomben auf Jugoslawien fielen, gab sich die NATO das Recht, in eigener Souveränität zu entscheiden, ob sie militärisch in fremden Staaten interveniert.
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Sie hat im Jugoslawienkrieg auf das Mandat der UNO verzichtet, und sie hat erklärt, dass sie auch künftig ein solches Mandat nicht benötigt. Damit ist der Weg frei für künftige Interventionskriege, aus welchen Gründen auch immer. Diese Perspektive widerspricht allem, was die Sozialdemokratie jemals programmatisch formuliert hat. Statt auf die Überwindung der Militärbündnisse setzt die Parteiführung nun auf die Kriegsfähigkeit der NATO.
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Viele Genossinnen und Genossen in Lübeck spüren, dass die SPD auf dem Weg ist, auch in der Friedenspolitik ihre Identität aufzugeben. Deshalb haben sie als Signal einen friedenspolitischen Antrag für den Kreisparteitag am 11. März 2000 vorbereitet (an dessen Formulierung ich mitgewirkt habe):
Antrag an den Kreisparteitag der SPD Lübeck
Antragsteller: Arbeitskreis Friedens- und Sicherheitspolitik,
OV* Altstadt, OV BrolingplatzA/Vaisenhof
Weiterleitung an Bundes- und Landesparteitag
Friedenspolitik
Der ordentliche SPD-Kreisparteitag am 11. März 2000 möge beschließen:
1. Kriege und gewalttätige Auseinandersetzungen haben ihre Ursachen besonders in Armut und Elend. Daher muss die Politik der SPD dazu beitragen, überall Armut und Elend zu beseitigen. Gewalt entsteht auch, wenn politische Gruppen oder Diktatoren nicht bereit sind, ihre Macht durch freie Wahlen zu legitimieren und sie bei einer Wahlniederlage wieder abzugeben. Die Sozialdemokratie hat die Aufgabe, demokratische Oppositionskräfte in undemokratisch regierten Ländern zu unterstützen.
2. Die SPD muss eine Politik betreiben, die darauf gerichtet ist, Konflikte rechtzeitig zu erkennen. Sie muss überall für
* OV: Ortsverein
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soziale Gerechtigkeit eintreten. Dazu zählt vor allem, dass über die Bekämpfung von wirtschaftlicher Ungleichheit hinaus Menschen in die Lage versetzt werden, ihre Fähigkeiten zu entfalten und in ihren Gesellschaften gleichberechtigt mitzubestimmen. Deshalb müssen besonders in armen Ländern Bildung und Ausbildung gefördert werden. Die dafür vorgesehenen Mittel im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind zu erhöhen.
3. Die Politik der SPD muss weltweit alle Bestrebungen fördern, die es anderen Völkern ermöglichen, ihre Rohstoffe selbst zu nutzen und zu vermarkten. Übergriffe auf andere Völker unter Berufung auf übergeordnete nationale oder Bündnisinteressen lehnt die SPD ab.
4. Die SPD unterstützt eine Reform der Vereinten Nationen in dem Sinn, dass diese einen wesentlichen Beitrag zur Früherkennung von Konflikten leisten können, um friedliche Lösungen zu fördern.
5. Die SPD lehnt die Selbstmandatierung der NATO ab. Die NATO-Richtlinien sind dementsprechend zu verändern. Die NATO muss auch weiterhin ausschließlich der Verteidigung ihrer Mitglieder dienen. Die SPD setzt sich dafür ein, die NATO zu überwinden zugunsten der OSZE, die im Rahmen der sicherheitspolitischen Architektur der UNO den Frieden in Europa zu gewährleisten hat. Allein die UNO darf friedenssichemde Maßnahmen veranlassen.
6. Zum Schutz gegen Völkermord muss die Sozialdemokratie alles daransetzen, den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu stärken.
7. Die Sozialdemokraten lehnen Rüstungsexporte ab. Sie kämpfen dafür, dass Rüstungsexporte international geächtet werden. Sie sorgen dafür, dass Deutschland keine Rüstungsgüter mehr ausführt, um mit gutem Beispiel voranzugehen.
8. Die SPD ist die Partei der Abrüstung. Sie setzt sich dafür ein, dass weltweit weitere Schritte unternommen werden für eine massive Abrüstung bei konventionellen wie bei Atomwaffen.
9. Auch Großmächte sind an die Normen des Völkerrechts
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gebunden. Die SPD fordert die UNO, die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und EU auf, konkrete Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen, damit der Tschetschenienkrieg beendet wird. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag ist aufzufordern, Kriegsverbrechen in Tschetschenien zu untersuchen. 10. Der Kreisparteitag fordert die Bundesregierung auf, eine Kommission einzurichten, die die Ergebnisse des Kosovokriegs auswertet. Die Auswertung sollte erfolgen in Hinsicht auf völkerrechtliche, wirtschaftliche, politische und militärische Kriterien.
Begründung:
Frieden ist mit militärischen Mitteln nicht zu erreichen. Der Jugoslawienkrieg hat zwar bewirkt, dass Serben im Kosovo Albaner nicht mehr ermorden, vergewaltigen und vertreiben. Er hat aber zivile Opfer gefordert und enorme Sachschäden angerichtet. Und er hat es Albanern im Kosovo ermöglicht, nun Serben und andere Minderheiten zu ermorden und zu vertreiben. Nicht zuletzt hat der Krieg der NATO das Völkerrecht gebrochen und damit einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Die NATO hat Russland ermutigt, zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit Krieg gegen Tschetschenien zu führen. Dieser Krieg verstößt nicht weniger gegen die Menschenrechte als die Übergriffe Milosevics gegen die albanische Bevölkerung im Kosovo.
Friedenspolitik ist ein ureigenes sozialdemokratisches Anliegen. Unsere Aufgabe ist es, Strukturen zu fördern, die die Beziehungen der Völker und Staaten verbessern und Kriege unmöglich machen. Dazu haben die SPD und die rot-grüne Bundesregierung bisher zu wenig beigetragen.
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Antrag Lübecker Sozialdemokraten, Februar 2000; er wurde auf dem Kreisparteitag im März an die Ortsvereine verwiesen, also zweitklassig beerdigt.
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Kugel am Bein
Neben der sozialen Gerechtigkeit war die Friedenspolitik die zweite identitätsstiftende Kontinuitätslinie der Sozialdemokratie. 1870 protestierten August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegen den preußisch-deutschen Krieg gegen Frankreich. Im Jahr darauf solidarisierten sie sich mit der Kommune, die mit deutscher Unterstützung niedergeschlagen wurde. Der 4. August 1914 bedeutete eine Katastrophe, auch für die Sozialdemokratie. Die Zustimmung zu den Kriegskrediten spaltete die Partei und die Arbeiterbewegung; eine Folge davon waren die hasserfüllten Auseinandersetzungen zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten in der Weimarer Zeit. Die Zustimmung zu Hitlers Friedensresolution 1933 empfanden viele Zeitgenossen als Kotau vor dem Diktator, als Angebot, für die Legalität der Partei jeden Preis zu bezahlen. Unterwerfung erzeugt Verachtung. Der Kampf der SPD gegen die Wiederaufrüstung Deutschlands in den fünfziger Jahren brachte ihr Anerkennung weit über die Mitglieder hinaus. Helmut Schmidts Initiative für eine Nachrüstung dagegen stürzte die Partei in eine Krise, die im Machtverlust endete.
Die Integration der SPD-geführten Bundesrepublik in die neue Strategie der NATO droht die friedenspolitische Identität der Partei ganz zu zerstören, nachdem der Jugoslawienkrieg bereits für innerparteiliche Eruptionen gesorgt hat, die noch lange nachbeben werden. An der Basis der Partei wird Unzufriedenheit laut gegen diesen neuen Kurs. Je höher aber die Gremien, umso gedämpfter der Widerspruch. Es ist das alte Spiel: Die Partei ist an der Regierung, und viele stellen die Machterhaltung über die Kritik an der Sicherheitspolitik von Schröder, Scharping und Fischer.
Beim Jugoslawienkrieg ging es auch darum, dass deutsche Politiker endlich wieder ohne Einschränkung gleichberechtigt neben den anderen Führern der westlichen Allianz agieren wollen. Sie empfinden die deutsche Geschichte und die sich daraus ableitende Verpflichtung zur Friedenspolitik als Kugel am Bein. Wir haben es nämlich mit Aufsteigern zu tun, Leuten, die die einfachen Verhältnisse, aus denen sie stammen, vor sich her tragen, um aller Welt zu zeigen, wie weit sie es gebracht haben. Sie wollen die Möglichkeiten, die sich ihnen auftun, ausschöpfen. Sie erstarren umso mehr vor den Insignien der Macht, je mehr sie selbst Macht haben — man betrachte nur Joschka Fischers Unterwürfigkeit gegenüber der US-Außenministerin Madeleine Albright.
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Schröder konnte am Anfang seiner Kanzlerschaft sein Glück nicht fassen und musste es aller Welt via Medien kundtun, dass er, der Junge vom Lande, Bundeskanzler ist. Was für eine tolle Meinung die beiden neuen Stars der deutschen Politik von sich selbst haben, erlebte man, als beide begannen, sich schick einzukleiden.
Zur Entlastung beider sei gesagt: Nur Parteien, denen die Identität bereits weitgehend genommen wurde, lassen sich missbrauchen und klammDie peinlichen Modelfotos sind keine Ausrutscher, sondern Indiz dafür, dass Schröder wie Fischer die Parteien für den persönlichen Aufstieg missbraucht haben.ern sich an vermeintliche Hoffnungsträger, weil sie andere Hoffnungen nicht mehr haben. Insofern sind Schröder und Fischer die folgerichtige Fortschreibung der Geschichte ihrer Parteien.
Die Grünen haben dabei trotz aller Krisen vielleicht die besseren Überlebenschancen. Ihre Klientel entstammt weitgehend den Mittelschichten, so mag es sein, dass die Grünen in Westdeutschland teilweise oder ganz die FDP beerben. Vielleicht gelingt es den Grünen, ihre Identität zu wechseln wie ein Chamäleon. Dafür spricht, dass sie einen geringeren Wählerstamm besitzen als die SPD. Mehr als zehn Prozent bei Wahlen empfinden Grüne mittlerweile als gigantischen Erfolg. Für die SPD wäre es das Ende. Ein erheblicher Teil der Wählerschaft der SPD ist mittlerweile für eine erneuerte CDU/CSU erreichbar, das haben Wahlen gezeigt. Die Arbeiter wählen keineswegs mehr automatisch SPD.
Schröder ist der ideale Medienkanzler. Das spricht für ihn. Wenn das Spektakel aber vorbei sein wird, dann wird die Sozialdemokratie ohne Identität und ohne Medienkanzler dastehen. Es ist unbestreitbar, dass politische Parteien sich an die objektiven politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen anpassen müssen, auch an die Mediengesellschaft. Passen sie sich nicht an, dann sterben sie aus. Die Gesetze der Evolution gelten auch für soziale Organismen. Wenn sie aber bei der Anpassung ihr Wesen, ihre Identität verlieren, dann sterben sie auch, weil sie mit ihrer Identität ihren Daseinsgrund und die Unterschiede zu konkurrierenden sozialen Organismen einbüßen. Solche Prozesse dauern lange, und Erfolge scheinen der Prognose zu widersprechen. Und doch ist die SPD auf dem Weg, sich überflüssig zu machen.
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Nachtrag
Mein Experiment SPD ist zu Ende. Ich habe viele interessante Menschen in der Partei kennen gelernt, die etwas Besseres verdient hätten als Schröder und seine Getreuen in der Parteiführung. Für Menschen, deren politische Maxime Ökologie und soziale Gerechtigkeit ist, ist die SPD längst die falsche Partei. Das Dilemma ist nur, dass es eine richtige Partei nicht gibt. Das aber war für mich kein Grund, Mitglied der SPD zu bleiben. Warum soll ich weiter Wahlkampf machen für Leute, die zu oft das Gegenteil von dem tun, was ich für sinnvoll halte?
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Ende der Reise durch die SPD