Christian
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2000 307/352 Seiten detopia |
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Vorbemerkung: (Seite 7)
Nachdem sich die Wogen um den Spendenskandal der CDU geglättet haben, richten sich alle Blicke wieder auf die SPD und die Arbeit der Regierung. Nach zwei Jahren des freien Falls unter die 30-Prozent-Marke scheint sich die SPD wie Phönix aus der Asche zu erheben. Doch die kurzfristigen Erfolge lenken ab von den eigentlichen Problemen der Partei: programmatischer Dürftigkeit und politischer Orientierungslosigkeit.
Das Zauberwort der Stunde heißt »Modernisierung«. Sozialdemokraten, die sich als »modern« verstehen, wollen den demokratischen Sozialismus aus dem Parteiprogramm streichen. Also soll der Leser erfahren, was der demokratische Sozialismus ist und woher er kommt. Um diese Frage zu beantworten, müssen wir zu Eduard Bernstein zurückgehen, der die erste große Identitätskrise, gewissermaßen die Urkrise der SPD, verursachte. Wir werden dann die folgenden Identitätsbrüche betrachten, um schließlich zu fragen, ob die SPD sich nicht überflüssig macht, wenn sie auf das verzichtet, was sie wesentlich von allen anderen Parteien unterscheidet.
Im Interesse der Lesbarkeit habe ich in diesem Buch auf Anmerkungen verzichtet. Wie andere historische und politische Bücher stützt sich auch meine Arbeit auf die Ergebnisse vieler Historiker und Archivare. Ich bitte um Verständnis, dass ich sie in der Regel nicht namentlich zitiere. Welche es vor allem sind, mag der Leser dem Literaturverzeichnis im Anhang entnehmen. Wer eine der zitierten Werke oder Quellen nicht findet, schicke mir bitte eine E-mail: cditfurth (a) cditfurth.de. Weitere Informationen zu diesem Buch finden sich unter: cditfurth.de.
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Verlag:
Christian v. Ditfurth zeigt in seinem spannend zu lesenden historisch-politischen Essay, wie sich die Identität der deutschen Sozialdemokratie seit ihrer Gründung durch August Bebel verändert hat. Der erste tiefe Wandel geht zurück auf den heute fast schon vergessenen sozialdemokratischen Publizisten Eduard Bernstein. Dessen Revisionismus begründete im Streit mit den Marxisten den demokratischen Sozialismus der SPD.
Erster Weltkrieg, deutsche Revolution 1918/19, Verbot und Verfolgung durch das NS-Regime, Wiedergründung und Verschmelzung mit der KPD in der Sowjetischen Besatzungszone, sozialliberale Koalition und Friedensbewegung: Bei allen Wandlungen war es der SPD gelungen, ihre Identität zu wahren trotz mancher Einbußen.
Sie überlebte und hatte Erfolg, weil sie auf ihren Grundsätzen beharrte. In dem Maß aber, in dem wichtige Unterschiede zu anderen Parteien wegfallen, wird die Existenz der Sozialdemokratie gefährdet. Unter dem Kanzler und Parteivorsitzenden Schröder verändert sich die vermeintlich modernisierte SPD zur Wirtschaftspartei — in der altliberalen Hoffnung, bei der Bereicherung der Reichen fielen Arbeitsplätze ab. Mittlerweile ist von den sozialdemokratischen Grundsätzen aber nur das billige Pathos des Schröder/Blair-Papiers geblieben.
Laut Gerhard Schröder gibt es keine sozialdemokratische Wirtschaftspolitik. Innenminister Otto Schily sieht sich in der Kontinuität seines christdemokratischen Vorgängers Manfred Kanther. Als die NATO mit dem sozialdemokratischen Verteidigungsminister Rudolf Scharping Krieg gegen Jugoslawien führte, mahnte die konservative Opposition die rot-grüne Bundesregierung zur Mäßigung.
Wenn es keine sozialdemokratische Politik mehr gibt, warum muss es dann noch eine sozialdemokratische Partei geben?
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