Christian v. Ditfurth

Ostalgie oder 
linke Alternative

 

   Meine Reise
durch die PDS  

1998 by Verlag Kiepenheuer & Witsch 
Umschlag: Rudolf Linn, Köln 

Christian v. Ditfurth -  Ostalgie oder linke Alternative - Meine Reise durch die PDS - 1998  

1998    278 (311) Seiten 

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Wikipedia PDS 


detopia: 

Start cDitfurth

SPD-2000     CDU-1991

Die Presse zum PDS-Buch  

Dahn    Gysi 

Lafontaine  

Wagenknecht  

 

detopia-2005: Buch gefällt mir gut. Ich hatte mehrere Quellen für den Text; deshalb läuft das Layout mit Fehlern.


Was ist die PDS? Die neue linke Partei in Deutschland oder eine Vereinigung Unbelehr­barer, die der SED-Diktatur nachtrauern? Sollen SPD und Grüne mit der PDS zusammen­arbeiten in Bonn und in Ost­deutschland? 

Helmut Kohl kann wahr­scheinlich nur mit PDS-Stimmen abgelöst werden. Im Osten ist die PDS eine Volkspartei, und vielerorts geht längst nichts mehr ohne sie. Zeit also für einen Bericht aus dem Innenleben von Deutschlands interessantester Partei. 

Christian v. Ditfurth zieht in seiner spannenden großen Reportage das Resümee einer mehr­jährigen politischen, ideo­logischen und historischen Recherche. 

Er hat seit 1990 an Sitzungen von Basis­organisationen, Kreisvorständen, Landtags­fraktionen, Landes­vorständen, Parteitagen und Partei­vorstands­tagungen teilgenommen und mit vielen Mitgliedern und Funktionären der PDS gesprochen. Er hat Archive besucht und unzählige Quellen ausgewertet sowie Gegner und Freunde der PDS interviewt. 

Das Ergebnis sind Wahrheiten über die PDS, wie sie sonst noch keiner vorgelegt hat. Ditfurths brillant geschriebenes Buch enthüllt bisher unbekannte Fakten und nimmt den Leser mit auf eine Reise durch Geschichte, Gegen­wart und Ideologie einer Partei, die in Wirklichkeit in mancher Hinsicht gar keine Partei ist, sondern ein Lebens­gefühl.

Inhalt

1   Reisefreiheit bedeutet mir nichts - Ein Streit unter Genossen (9)

2   Lieber Äpfel als Bananen - Die Kommunistische Plattform (23)

3   In großer Sorge - Das Marxistische Forum  (47)

4   Es filbingert - Die sozialistische Alternative und der Unrechtsstaat  (71)

5   Vorwärts und nicht vergessen - Die Debatte über die Stasi  (111) 

6   Ich stehe dazu - Der Streit um die Geschichte   (139) 

7   Weil nicht sein kann, was nicht sein darf - Stalin und Thälmann (157)

8   Der Verantwortung nicht ausweichen - Auf dem Weg zu Rot-Rot (199)

9   BRD etwas dunkler und kalt - Der Weg und das Ziel   (229)

10  Ladenhüter - Die PDS im Westen  (259) 

11  Kleine sozialistische Oasen - Die Tragödie der deutschen Linken  (269)

Anmerkungen (279)        Personenverzeichnis  (307)

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Lesebericht von Rainer Eppelmann im <Focus> 21/1998

Wenn einer eine Reise tut, kann er was erzählen! Christian von Ditfurth ist ein besonders reisefreudiger Zeitgenosse. Zuerst schaute er bei den CDU-"Blockflöten" rein. Dann beehrte er die SPD mit seinem Besuch, um sich nach Kontakten zu SED-Politikern zu erkundigen. Von den ostdeutschen Kirchen wollte er wissen, was denn mit der "Kirche im Sozialismus" wirklich gemeint war und begegnete eisigem Schweigen. FDP und die Bündnisgrünen blieben bis jetzt unbesucht; aber das kann ja noch kommen. 

Mit dem neuen Buch "Ostalgie oder linke Alternative" meldet sich der Publizist von einer langen Reise durch eine noch immer gegenwärtige Vergangenheit zurück. Ich kann nur raten: Lesen Sie dieses Buch gerade jetzt, wo man in Magdeburg um jeden Preis neue Formen des vertrauensvollen Miteinanders von SPD und PDS erzwingen möchte. In der linken Szene kennt sich Ditfurth bestens aus. Von 1973 bis 1983 gehörte er der DKP an. Der gelernte Historiker erkannte jedoch, linke Politik und SED-Hörigkeit passen nicht zusammen.

Er versteht sich aber auch heute noch als Linker: Darum hat er die "Erfurter Erklärung" mit unterschrieben. Voreilig!? - Als er das tat, kannte er die PDS wohl noch nicht richtig, sonst hätte er diesem Dokument in der Tradition der kommunistischen "Volksfrontpolitik" nicht zustimmen können.

Das PDS-Bild, das der Autor entwirft, ist von schmerzhafter Genauigkeit. Die PDS als die "Partei Der Sozialismusvertriebenen" hat sich nicht erneuert, "sie leistet sich Erneuerer in der Führung". Originalton Ditfurth: "Betrachtet man die Mitgliedschaft, dann ist die PDS im Osten nicht entstalinisiert und im Westen eine Sekte. Auf diesem Fundament stehen die Genossen Bisky, Gysi und Brie und führen dem staunenden Publikum den demokratischen Sozialismus vor. Bei aller guter Absicht, das grenzt an Roßtäuscherei."

"Die PDS", so der Publizist, "ist die Partei der einstigen Träger des SED-Systems, der Militärs, der Ideologen, Wissenschaftler, Lehrer oder Künstler." Zusammengehalten wird "diese Milieupartei ( ... ) lediglich durch Ressentiments und die Absicht, ostdeutsche Biographien zu verteidigen". Seit dem 26. April wissen wir, daß mit dieser Masche auch Parteien vom rechten politischen Rand in den neuen Ländern beängstigende Prozentzahlen erreichen.

Allerdings: Bei der PDS geht es um die Ressentiments der Greise. Daran ändert auch die jugendliche PDS-Genossin Sahra Wagenknecht nichts - "die hübsche Frau mit den häßlichen Gedanken". Die DVU dagegen schlachtet die Frustrationen der Jugend aus.

Der Historiker fragt die PDS nach der Überwindung des Stalinismus, dem Unrechtsstaat DDR, aber auch nach dem Stasi-System, dessen Mitarbeiterschaft achtzigmal so groß wie die des Verfassungsschutzes war. Unmißverständlich heißt es auf entsprechende Anfragen auch: "Doch, man kann umsonst gelebt haben. Nämlich dann, wenn man einer schlechten Sache gedient hat, auch wenn man dafür die besten Gründe nennt."

Ditfurth träumt von einer Integration der Sozialismusvertriebenen in das demokratische System der Bundesrepublik. Er züchtigt die Genossen so grausam, um sie zu bessern! Da muß sich die PDS allerdings noch grundlegend ändern. In seinem Buch ist im Detail nachzulesen, weshalb diese Partei für Demokraten bis auf weiteres nicht akzeptabel sein kann. #

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Lesebericht

Wir hier oben, ihr da unten. Eine nicht ganz unvoreingenommene Innenbetrachtung der PDS

 Ostalgie oder linke Alternative? Meine Reise durch die PDS. KiWi 1998

 faz.net  rezension-sachbuch-wir-hier-oben-ihr-da-unten-11309210.html  Rezension  30.03.1998

 

Im Januar 1997 wurde vor dem Schweriner Parteitag der PDS eine von einem "Bündnis linker Schriftsteller, Theologen, Wissenschaftler und Gewerkschafter" gemeinsam erarbeitete "Erfurter Erklärung" veröffentlicht, in der für ein breites "Bündnis für soziale Demokratie" unter Einschluß von SPD, Bündnisgrünen und PDS geworben wird. Christian Ditfurth gehört zu den Unterzeichnern des Manifests und wirbt in seinem Buch für dessen Einlösung. Koalitionen würden zur Erhaltung der "linkssozialistischen Alternative" PDS beitragen und ihr den Weg ebnen, "sich ganz von Stalin zu befreien".

Wie die verquere Formulierung zeigt, steht der Verfasser der PDS keineswegs vorbehaltlos gegenüber. Der Leser entnimmt dem mit persönlichen Erlebnisschilderungen unterhaltsam angereicherten Erfahrungsbericht, daß Ditfurth viele Jahre lang der DKP angehörte, dabei die DDR kennenlernte und an der Ost-Berliner SED-Parteischule "Franz Mehring" als Kader weitergebildet wurde. Später hat er der DDR und der DKP den Rücken gekehrt und sich als Journalist mit den ehemaligen Blockparteien und der PDS kritisch auseinandergesetzt. Nun kamen ihm seine persönlichen Kontakte zu DKP-"Erneuerern", die zur PDS übergelaufen waren, seine Kenntnis der DDR und der dort verbreiteten Mentalitäten zugute.

Ditfurths Reise durch die verschiedenen Strömungen und Ebenen der PDS ähnelt einer Fahrt mit der Geisterbahn. In den mitgliederstarken Landesverbänden "Neufünflands" grassiere nicht nur DDR-"Ostalgie", sondern spuke gar das Gespenst Stalins. In dem Bestreben, die eigene Biographie zu retten, flüchte man sich nicht selten in abstruse Legitimationskonstrukte.

Als Beispiel zitiert Ditfurth in einem der über den Band verstreuten Dokumenteneinschübe die "ökologische" Rechtfertigung der Mauer und der mit Minen, Selbstschußanlagen und Stacheldraht bewehrten Grenzstreifen aus der Feder eines ND-Lesers: "Weil ja keiner raus und rein kam, konnte sich die Natur völlig geschützt entwickeln."

Sahra Wagenknecht, die junge Pasionaria der Kommunistischen Plattform (KPF), beschreibt Ditfurth als "die hübsche Frau mit den häßlichen Gedanken". Ihre Anhänger unterhielten ein "taktisches Verhältnis zur Wahrheit". Die PDS-Führung trenne sich nicht von der KPF, weil deren Meinungen "in der gesamten PDS verbreitet sind" und "ideologische Mehrheiten finden".

Auch das gegenüber der KPF stärker gewordene Marxistische Forum bleibt nicht verschont. Dessen Aufruf "In großer Sorge" charakterisiert der Autor als das Produkt all jener, "die als Parteiintelligenz jeden Winkelzug des Politbüros mit akademischen Weihen versehen hatten". Hart geht er mit dem K-Gruppen-Sektierertum der schwächlichen westlichen PDS-Verbände ins Gericht. Und am Beispiel eng mit der PDS verflochtener Interessenvereinigungen wie ISOR, GRH und GBM wird gezeigt, daß sich die Partei in der Masse ihrer Mitglieder als "Rächerin der entmachteten DDR-Eliten" versteht.

Zu diesem ungeschminkten Bild von den Stimmungen, Anschauungen und Mentalitäten der "Basis" steht das der Parteiführung in grellem Kontrast: Der Mannschaft um Gysi, Bisky, Brie und Bartsch bescheinigt Ditfurth großzügig, sie habe sich "aus der geistigen Sklaverei des Stalinismus" befreit, sei - mit vielen anderen in den Vorständen der Partei - inzwischen "in der Bundesrepublik angekommen" und stehe auf dem Boden des Grundgesetzes. Sie habe mit dem demokratischen Zentralismus gebrochen und erscheine "pluralistischer als alle anderen Parteien". Von der "Diktatur des Proletariats" habe man sich ebenso verabschiedet wie von der "historischen Mission der Arbeiterklasse".

Ditfurth bringt es auf folgende Formel: "Die Partei hat sich nicht erneuert, sie leistet sich Erneuerer in der Führung. Sie leistet sich einen demokratischen Sozialismus, den an der Basis kaum einer kennt oder kennen will." Eine weithin "stalinistische" Basis und eine demokratisch-reformistische Führung: Wie reimt sich das zusammen? Ditfurths Buch ist offenbar das Produkt eines schmerzhaften Lernprozesses, den der Leser über die Kapitel hinweg rekonstruieren kann. Das ehemalige DKP-Mitglied ist sich inzwischen des diktatorischen Charakters des DDR-Regimes bewußt, er würdigt demokratische Errungenschaften der Bundesrepublik. Er streicht Parallelen zwischen Stalinismus und Nationalsozialismus heraus und geht in seiner Würdigung der Verbrechen des Kommunismus so weit, deren Negation mit der Auschwitzlüge auf eine Stufe zu stellen. Offengelegt wird auch der Mißbrauch, den Kommunisten mit dem Begriff des "Antifaschismus" getrieben haben. Doch so manches Versatzstück des Marxismus-Leninismus hat die ideologische Entrümpelung überlebt. Die "Enteignung des Finanzkapitals", meint Ditfurth, sei nach 1945 versäumt worden, und man habe die "alten Eliten weitgehend ungeschoren" davonkommen lassen. Die "Organisierung des praktischen Widerstandes gegen die bestehenden kapitalistischen Verhältnisse" gilt ihm auch heute als Gebot der Stunde.

Ob er die Vergangenheit seiner ehemaligen politischen Freunde ausreichend aufgearbeitet hat, erscheint bei allen unleugbaren Fortschritten zweifelhaft. Der "demokratische Impetus der Partei Rosa Luxemburgs" erstrahlt nur in hellem Sonnenschein, wenn man ihn mit dem unter Thälmann vergleicht. Daß der großzügige Umgang mit dem Stalinismusbegriff die Zustände in den ersten Jahren nach der Oktoberrevolution ausblendet und die Verantwortung Lenins und Trotzkis verkleinert, schiebt der Autor beiseite. Auch wer ihm zustimmt, wenn er Marx und Engels gegen die völlige Vereinnahmung durch den "realen Sozialismus" in Schutz nimmt, muß die Nichtbeachtung aller totalitären Elemente in deren Lehren monieren.

So entgeht Ditfurth auch die für das Selbstverständnis der PDS-Führung entscheidende Rolle des Gramscismus und der Lehre von der "kulturellen Hegemonie". Darüber hinaus wird vieles ausgespart, was die PDS-Führung in anderem Licht erscheinen lassen könnte (wie die Bündnispolitik mit kommunistischen Parteien aus aller Welt). Doch mindern all diese Einwände nicht den Wert des Buches in seiner Eigenschaft als ehrlicher, kurzweiliger und in seinen Beobachtungen vielfach treffsicherer Erfahrungsbericht über die "Strömungen", "Arbeitsgemeinschaften" und "Plattformen" an der Basis der PDS. UWE BACKES

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