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1980
Spitzenzeit. Lebenszeichen aus einem gewesenen Land (260 S.)
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1994
Wir bleiben hier oder Wem gehört der Osten
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1996
Westwärts und nicht vergessen - Vom Unbehagen in der Einheit
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1998
Vertreibung ins Paradies
-
1999
In guter Verfassung —
Wieviel Kritik braucht die Demokratie?
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2005
Demokratischer Abbruch — Von
Trümmern und Tabus
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2009
Wehe dem
Sieger! - Ohne Osten kein Westen Templin-Rezension in pdf
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2013
Wir sind der Staat! Warum Volk sein nicht genügt (176
Seiten)
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2018
Warum wir Frieden und Freundschaft mit Russland brauchen. Ein Aufruf
an alle!
Von: M. Platzeck, P. Gauweiler, A. Vollmer, Peter Brandt, O.
Lafontaine, D. Dahn und vielen anderen (208 S.)
-
2019
Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute. Die Einheit
- Eine Abrechnung
192 Seiten
Rezension:
Wir sind der Staat (2013)
Von:
Ulli Gellermann 2013 rationalgalerie.de
index_2_404.html
Noch
ist die dringend notwendige Bewegung zur Änderung der Verhältnisse nicht
auszumachen, da denkt Daniela Dahn gründlich
darüber nach wie denn die Herrschaftsverhältnisse der neuen Gesellschaft
aussehen könnten. Das ist so bei Revolutionären: Sie denken vor.
Und dass die Autorin schon einmal an einer Revolution beteiligt war,
jener, die mit der Losung "Wir sind das Volk" hoch gesprungen
war und dann mit der Bitte um "Ein Volk" kläglich landete,
schärft das Denkvermögen. Und an diesem Vermögen lässt uns Frau Dahn
mit ihrem neuen Buch WIR SIND DER STAAT großzügig teilhaben.
Vielleicht
weil sich das DDR-Volk mit seiner kühnen Behauptung es sei
"das" Volk, antagonistisch gegen eine Parteiführung gewandt
hatte - die zwar allüberall das Etikett "Volk" auf ihre
Liegenschaften klebte, aber das Volk eher selten fragte was denn zu tun
sei und den Antworten dann kaum zuhörte - am neuen Staat gescheitert
war, wendet sich die Autorin auf dem Weg zu neuen Formen der Herrschaft
eben diesem Staat zu. Und es gelingt ihr schon zu Beginn, mit Hilfe des
US-Milliardärs Warren Buffet, die richtige Flagge für die vor uns
liegenden Auseinandersetzungen um den Staat zu finden: "Es herrscht
Klassenkampf", hatte Buffet in der New York Times gesagt,
"aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg
führt, und wir gewinnen."
Und
sieht man sich die aktuellen Vermögens- also Machtverhältnisse an, dann
haben die Buffets schon gewonnen: "Die absolute Mehrheit der
Menschen", schreibt Daniela Dahn, besitzt nur ein Prozent aller
Vermögenswerte. Vor zehn Jahren, vor der Krise also, besaß sie wenigsten
noch fast fünf Prozent." Und Dahn vergisst
nicht, den Kollateralschaden des Kriegs der Milliardäre gegen das Volk zu
erwähnen: Alle fünf Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind an
Hunger. Auch deshalb kann sich die Autorin die Verhältnisse nicht mit
Gleichmut und Duldung ansehen.
Auf
dem Weg zur Herrschaft über das Volk, der natürlich nicht erst jüngst
begonnen hat, haben sich die Reichen den Staat gekapert. Er ist, so
weist die Autorin mit einem wichtigen Exkurs in Geschichte und
Staatsrecht nach, längst in den Händen der Wenigen, auch wenn den
Vielen mit ständigem Wahltheater vorgespielt wird, sie seien an der
Findungen von Entscheidungen irgendwie beteiligt. Hatte es eine
Volksabstimmung über das bundesrepublikanische Grundgesetz gegeben? Gab
es eine Abstimmung über die deutsche Vereinigung? Wurde und wird zu den
Grundlagen der Europäischen Union jemals das Volk befragt? Selbst wenn
es, wie in Holland und Frankreich, mal befragt wurde, hat man seine
Meinung gründlich ignoriert. Wer sich an die Empörung der diversen
europäischen Regierenden über eine Beinahe-Volksabstimmung der
Griechen zum EU-Banken-Rettungspaket erinnert, der weiß, was die
Staatsspitzen von der Volksmeinung halten: Nichts.
Weil
der Besitz am Staatsapparat - getarnt durch die vorgebliche
Gewalten-Teilung und die alle paar Jahre veranstalteten Placebo-Wahlen -
ein wesentliches Instrument der Macht ist, schaut sich Daniela Dahn die
Staatsfunktionen an, um zu beweisen, dass die wichtigste Aufgabe des
Staates die Sicherung des Eigentums ist.
Natürlich
darf, schreibt sie, "Der Gürtel der Habenichtse unbegrenzt enger
geschnallt werden." Offenkundig sind die Vielen nicht "too big
to fail", die darf man ruhig scheitern lassen: Ihre Löhne und
Sozialleistungen genießen keinen Bestandsschutz. Das ist bei den Wenigen,
die Banken entsprechender Größe besitzen, natürlich anders. Dort
springt der Staat, der das Steuer-Geld der Vielen angeblich
treuhänderisch verwaltet, gerne ein, um das Eigentum zu schützen.
Auf
dem Marsch zu den neuen Institutionen der Herrschaft, findet die Autorin
eine Fülle schönster Zitate und Fakten. Da ist Gustav Heinemann, der
schon 1950 wusste, dass die dominierende Weltanschauung im "viel
verdienen" besteht. Auch entdeckt sie eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofes, der die kleine Lücke im Grundgesetz - die
Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit zulässt - schnell mit der
Beschwörung der "rechtlich streng gesicherten Sphäre des
Eigentums" schließt.
Und
wenn sie eine FORSA-Umfrage zitiert, nach der 84 Prozent der Deutschen
gegen Privatisierungen sind, dann merkt sie auch die Wirklichkeit an:
"Von 1991 bis 2007 hat der Staat der Deutschen zwei Drittel seiner
großen Beteiligungen verscherbelt: Post, Telekom, Lufthansa und vieles
mehr." Das sollte, so wissen wir, modernisieren, den Staat schlanker
machen und die Staatsschulden abbauen. Die erfreulich penible Daniela Dahn
erkennt statt dessen den Anstieg der Staatsschulden auf über zwei
Billionen Euro. Der Staat, der angeblich zwischen Kapital und Arbeit,
zwischen Besitzenden und Besitzlosen steht und vermittelt, ist zur
Umverteilungsmaschine von Unten nach Oben verkommen, ist zu einem sozialen
Unwesen geworden.
So
spannend die im Buch beschriebene Aufdeckung der Personalverflechtung
zwischen Goldman-Sachs, der mächtigsten Bank der Welt und den diversen
Staaten auch ist, so bitter ist sie zugleich: Der Chef der Europäischen
Zentralbank war Vizepräsident bei Goldman-Sachs, der ehemalige Chef der
Welthandelsorganisation (WTO) ging den umgekehrten Weg und steht heute
Goldman-Sachs-International vor. Da kann es nicht ausbleiben, dass der
Chef von Goldman-Sachs Deutschland der finanzpolitische Berater von
Angela Merkel ist.
Doch
der vorläufige Höhepunkt der Symbiose von Bank und Staat findet sich
mit Robert Rubin, der fast dreissig Jahre in leitender Postion bei
Goldman-Sachs gearbeitet hat: Er war Finanzminister bei Bill Clinton, um
dann wieder als Berater mit einem Salär von 126 Millionen Dollar zur
Bank zurück zu wechseln und berät heute Barack Obama in
finanzpolitischen Fragen. Natürlich ist Goldman-Sachs kein Einzelfall.
Überall sitzen die freundlichen Helfer der Politik aus der Wirtschaft,
schreiben Gesetze, entwickeln Steuerparameter und buchen so gern vom
Staatskonto auf das Privatkonto. Sie sind der Staat.
Für
einen kurzen Moment hatten die Revolutionäre in Ost-Europa die Macht in
den Händen: "Beliebtestes Möbel in Polen, CSSR, Ungarn,
Bulgarien und der DDR wurden die Runden Tische", ist im Buch zu
lesen. Und weil diese höchst demokratische Machtausübung - in der DDR
gab es diese Tische von der kleinsten Gemeinde bis zum zentralen Tisch in
Berlin - ein Modell für morgen sein könnte, sucht und findet Daniela
Dahn bei Hannah Arendt, in deren Buch "Über die Revolutionen",
einen Hinweis: Das Rätesystem, so Arendt, sei "die künftige
Staatsform". Mit diesem Rat ausgestattet, sucht die Autorin die
versunkene Bayerische Räterepublik auf, stattet Lenin ein Besuch ab und
will auch den Rat der Kronstädter Matrosen nicht ausschlagen.
Und
auf den möglichen Einwand, das sei doch alles längst vergangen,
erwidert sie den denkwürdigen Satz: "Zukunft ist zu Ende gebrachte
Geschichte." Dem darf ich mich mit einer Bitte an die Leser
anschließen: Kaufen Sie das Buch, lesen Sie es, reden Sie darüber,
geben Sie es weiter! Sie können so ihren Enkeln später sagen, dass Sie
einen vernünftigen Beitrag zur Revolution geleistet haben. Wann immer
sie auch kommen mag. Für die Zeit vor der Revolution liefert Daniela
Dahn ein sprachliches und intellektuelles Lesevergnügen, das neben der
radikalen Analyse der jetzigen Gesellschaft einen wunderbaren Plan für
deren Perspektive liefert.
2019
Schnee von gestern
Drei
Jahrzehnte ist der Fall der Mauer her, aber die innere Spaltung zwischen
Ost und West ist nicht überwunden. Trotz der Anpassung an das westliche
Lebensmodell zeichnen sich auf der sozialen, mentalen und politischen
Landkarte die einstigen Staatsgrenzen der DDR noch trennscharf ab. Warum?
- Es wird Zeit, so Daniela Dahn, nicht mehr nur das DDR-Erbe
aufzuarbeiten, sondern auch die 30 Jahre danach. Denn so manche Kluft ist
mit der Vereinigung überhaupt erst entstanden, ob es um Integration,
Medien und Kulturindustrie oder den Verfall unserer Werte geht. Daniela
Dahn sieht keinen Anlass für ein "Weiter so"; sie plädiert
vielmehr für "Vernunftmaximierung statt Profitmaximierung".
INHALT
2019 Inhalt
pdf
TEIL
I
GEHT EIN KAMEL DURCHS NADELÖHR 9
Wie
der Mauerfall Himmel und Hölle öffnete 13
Was will dieses Buch? 17
Erfülltes
und Unerfülltes 20
Besser scheitern: Vereinigungslegenden 25
Unheilbares Deutschland 28
Wahlbeeinflussung und endgültiger Bruch mit dem Sozialismus 30
Eine größere Misswirtschaft als die der Treuhand hat es nie gegeben 35
WAS
AM MEISTEN FEHLTE: BALANCE 40
Kein Anschluss unter dieser Nummer 44
Narben gehören zum Leben - Ein Streitgespräch mit Wolfgang Schäuble 47
Dramatische
Unterschiede zwischen Ost und West 55
Aufbruch nach Kohlrabien 58
Der nie aufgearbeitete Jahrhundertbruch der Arbeiterparteien 61
REVOLUTION
DER DUCKMÄUSER? 68
Schlechte Gutachten, gute Schlächter 69
Orgien persönlicher Herabwürdigung 74
Kein Marxist über diese Schwelle 77
Bürde statt Würde 80
«Alles schwachsinnig, nicht mal intelligent» 82
Gendern - Wir Ostfrauen 86
TEIL
II
KEINE GEMEINSAME ERINNERUNGSKULTUR (89)
Stasi
forever? 92
Der Waschzwang des Staates 98
Gedenkstätten mit doppelter Gegenwart 101
Ein Wegbereiter des Holocaust als Chef des Kanzleramtes 103
RECHTSLASTIGE SIGNALE AUS ALLEN STAATLICHEN INSTITUTIONEN 110
Polizei, Geheimdienst, Justiz, Universitäten, Schulbücher, Bundesbahn,
Auswärtiges Amt, Bundeswehr, staatliche Versorgungsträger 110
Skins mit Schlips und Scheitel 130
HISTORISCHES
GEDÄCHTNIS IM OSTEN BEREINIGT 132
Kapitulation
oder Befreiung? 134
Zwei Männer in Betrachtung des Zwingers 138
Aufregung in Chemnitz 140
Monarchie in Sachsen 142
MYTHOS DDR-ANTIFASCHISMUS 145
Pro-und-Contra-Verordnung 148
Holocaust in der DDR angeblich verschwiegen - Filme und Bücher 153
Der
Schatten des Zeugen Schattmann 160
Antisemitismus in der DDR? - Grundweg falsches Bild 165
Israel und die zwei «Täterstaaten» 168
Geächteter Antifaschismus 173
Verordneter Kapitalismus 177
TEIL
III
NEUE SCHÖNE WELT 183
MILITARISIERUNG
DES DENKENS 186
11.9. - der Tag, der die Welt veränderte 188
Forschungsverbot für Historiker 189
CIA-Kampfbegriff: Verschwörungstheoretiker 193
Bin Ladens Kopf und der Rechtsstaat 195
Die Einheit im Jemen und bei uns - Ähnlichkeiten und Unterschiede 197
Schlimmste Leidenszone der Welt 201
MEDIEN
ALS WAFFE 206
Mein erster Angriffskrieg - Jugoslawien 206
Die Gegenseite zum Schweigen bringen 210
Gab es keinen Widerspruch? 212
Das Fest des ewigen Lebens 215
Beteiligung an Staatsverbrechen? 217
Humanitäre Intervention als kulturelle Barbarei 223
DEMOKRATIE
HEISST AUCH SELBER SCHULD SEIN (225)
Die Autorität von Wahlen schmilzt wie Polkappen 225
Toskana-Fraktion versus Balaton-Klub 230
Von metus punicus zu metus putinus 231
Deutsche Einheit: Modell für Europa 238
Europas Einigung: Modell für Neokolonialismus 240
Geflüchtete: Willkommen und Abschiebung 246
Offene Wunde der kapitalistischen Gesellschaft 256
Linke Illusion: Allmende 266
Kapitalismus mit Ewigkeitsgarantie: Eine Warnung 271
Anmerkungen
283
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