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     Gesellschaftliche Prioritäten   

 

 

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Es gibt so viele gleichzeitig stattfindende Krisen auf der Welt, und es gibt so viele Versuche, mit ihnen fertig zu werden, daß sich die Menschen überall in dem Bedürfnis einig sind, »wieder Prioritäten zu setzen« — aber hier endet auch schon die Gemeinsamkeit.

In den Vereinigten Staaten gibt es einen gewissen Konsens darüber, was nicht getan werden sollte, wie zum Beispiel Duldung weiterer Umweltbelastung, Zerstörung der Wildnis, Ausdehnung des Super-Highway-Systems, Erweiterung der Exekutiv- und Verwaltungsmacht in Washington, ausschließliches Stützen auf die amerikanische Militärgewalt zur Lösung internationaler Probleme. Doch während es leicht ist, sich über die Kritik an einer fehlgeschlagenen oder als überstürzt angesehenen Politik zu einigen, ist es ungleich schwerer, gesellschaftliche Prioritäten zu formulieren, die zu neuen konstruktiven Projekten führen.

Gewisse Prioritäten scheinen auf den ersten Blick durch die brennenden Probleme unserer Zeit klar auf der Hand zu liegen, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Inflation, sinkende industrielle Produktivität, mangelhaftes Gesundheitswesen, Kriminalität auf den Straßen, Umweltverschmutzung, schlechtes Erziehungs- und Transportwesen und alle anderen offensichtlichen Übel des heutigen Lebens. Jedoch entpuppen sich Handlungsweisen, die formuliert wurden, um mit Notlagen fertig zu werden, langfristig eher als fragwürdige Weisheit, weil sie das Gegenteil bewirken und gewöhnlich neue Probleme für die Zukunft aufwerfen.

Wenn die Wirtschaft darauf zielt, die Auto- und Flugzeugindustrie anzukurbeln, wird dies zwar dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit im Moment zu mildern, gleichzeitig werden aber neue Voraussetzungen für eine massive Arbeitslosigkeit geschaffen, wenn kein Erdöl mehr vorhanden ist oder wenn vernünftigere Transportmittel entwickelt werden — ganz zu schweigen von den weitreichenden Umweltproblemen, die sich aus dem übermäßigen Einsatz von Autos und Flugzeugen ergeben. Ein verstaatlichtes Gesundheitswesen mag für Menschen sinnvoll sein, die jetzt eine medizinische Versorgung entbehren müssen, aber es wird wahrscheinlich für einen großen Prozentsatz der Bevölkerung die Qualität der medizinischen Leistungen senken. Eine größere Polizeimacht mit besseren Waffen und Überwachungstechniken mag vielleicht die Verbrechensrate senken, kann aber auch zu einer Bedrohung der bürgerlichen Freiheiten führen. Ein umfassendes und leistungsfähiges öffentliches Transportwesen wird den Berufsverkehr verbessern und vielleicht erfreulicher machen, wird aber der städtischen Zersiedelung Vorschub leisten, wie zum Beispiel in Paris.

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Es gibt darüber hinaus grundsätzliche Meinungsunterschiede über die Art der Projekte, die Priorität verdienen. Vor wenigen Jahrzehnten gab die mexikanische Regierung der Errichtung des prächtigen Museums für Anthropologie in Mexiko-Stadt äußersten Vorrang, einem Museum, das vielleicht das beste und schönste der Welt ist. Dieses Museum wurde aber zu einer Zeit gebaut, als die ungeheure Mehrzahl der Mexikaner akut unter dem Mangel an lebensnotwendigen und annehmlichen Dingen des Lebens litt — was auch heute noch bei vielen der Fall ist. Die Erklärungen der mexikanischen Beamten bei der Einweihung des Museums, die auch auf den Museumswänden verewigt wurden, zeigen, daß diesem Projekt Vorrang gegeben wurde, um den verschiedenen ethnischen Gruppen des modernen Mexiko zu helfen, mehr Sinn für nationale Identität und Einheit zu entwickeln.

Die Volksrepublik China fällte anfangs Entscheidungen, die vom unmittelbar ökonomischen Standpunkt aus kaum gerechtfertigt werden können. Der Lebensstandard der meisten Menschen in China gehörte damals zu dem niedrigsten auf der Welt. Dennoch hat das kommunistische Regime, kurz nachdem es die Kontrolle über das Festland errungen hatte, sorgfältig ausgearbeitete archäologische Projekte finanziert, die bis dahin unbekannte Kunstschätze aus der Zeit zwischen dem Neolithikum und dem 14. Jahrhundert ans Licht brachten. Die Ausstellung dieser Schätze in Europa und Amerika hat wahrscheinlich mehr zum Ansehen des modernen China beigetragen als die Kernwaffenproduktion, die landwirtschaftlichen Errungenschaften der Kommunen oder die Rolle der Barfußärzte bei der Verbesserung des Gesundheitswesens.

Ähnliche Fragen könnte man zu den Motivationen stellen, die dem Bau von Kathedralen im mittelalterlichen Europa Priorität einräumten, obwohl die Städte, in denen sie gebaut wurden, weniger als 30.000 Einwohner hatten, von denen die Mehrheit unter primitiven Verhältnissen lebte. Jede Nation, jede ethnische Gruppe, jede soziale Schicht, wirklich jede Person hat eine bestimmte Auffassung davon, was für ein befriedigendes Leben am wichtigsten ist.

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Prioritäten vom rein ökonomischen und politischen Gesichtspunkt aus zu diskutieren heißt zu übersehen, daß viele Werte, die am meisten zur Qualität der Lebenserfahrung beitragen, nicht faßbarer Natur sind. Die gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung in Manhattan mögen wichtiger sein als die Schwierigkeit, den Anblick der Sterne in einer wolkenlosen Nacht genießen zu können, oder die Unmöglichkeit, jemals die Milchstraße zu sehen. Ebenfalls wichtig, jedenfalls für mich, ist die Tatsache, daß die Luftverschmutzung das Wachstum der Flechten auf den Baumstämmen und Felsblöcken im Central Park verhindert. Glück hängt in hohem Maße von bestimmten Umwelt- und Sozialwerten ab, die auf der Prioritätenliste selten ganz oben angesiedelt sind.

Die Menschen haben sich zum Beispiel immer gegen die Lärmbelästigung in den großen Städten gewehrt — von denen Manhattan aus dieser Sicht einer der unangenehmsten Orte ist. Die Lärmbekämpfung war unter anderem ein Problem, das von einer Gruppe von Reformern gewälzt wurde, die um 1870 ihre Arbeit zur Verbesserung der Lage der amerikanischen Städte aufnahmen. Einer von ihnen stellte jedoch fest: » Wenn der Mensch an erster Stelle stünde (nach unseren Überlegungen), dann würde die Lärmbekämpfung innerhalb einer Woche Erfolg haben. Aber die Maschine steht an erster Stelle, und die Maschine darf eben ungeniert Krach machen.« Die »New York City Noise Abatement Commission« wurde 1932 aufgelöst, weil ihre Empfehlungen nicht in die Tat umgesetzt werden konnten. Lärm gehört daher für mich noch immer zur schlimmsten Erscheinung der städtischen Umweltverschmutzung, nicht nur wegen seiner schädlichen Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit, sondern auch weil er die Wahrnehmung angenehmer Geräusche, wie zum Beispiel Glockengeläut, stört, sich in unseren persönlichen Bereich hineindrängt und damit menschliche Begegnungen verhindert.

Da das Gefühl für Prioritäten eine solch persönliche Angelegenheit ist, werde ich meine Überlegungen nur auf diejenigen beschränken, an denen ich ein persönliches Interesse gewonnen habe.

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Für den Frieden und insbesondere gegen den Atomkrieg zu arbeiten sollte ganz klar höchsten gesellschaftlichen Vorrang einnehmen, aber ich sehe kaum eine Möglichkeit, wie ich zur Lösung dieser Probleme beitragen kann, und drücke deshalb nur meine Überzeugung aus, daß trotz aller Reden über Abschreckung der Einsatz von Atomwaffen möglich ist und daß keine medizinische Vorsorge wirklich effektiv sein wird.

Die Massenarbeitslosigkeit unter jungen Menschen scheint mir die größte gesellschaftliche Tragödie in Friedenszeiten zu sein. Obwohl ich nicht weiß, wie dieses Problem zu lösen ist, kann ich zumindest Meinungen vertreten, die von der gegenwärtigen Politik im gewissen Sinne abweichen. Es wird gemeinhin angenommen, daß die Notlage arbeitsloser junger Menschen durch Sozialhilfe, einschließlich verschiedener Formen der Freizeitunterhaltung, erträglicher gemacht werden kann, aber dies scheint mir eine falsche Herangehensweise an das Problem zu sein. Menschen können nur als Teile gegliederter sozialer Gruppen tätig sein. Wenn sie nicht Teil der normalen Gesellschaft werden, weil sie ständig arbeitslos sind, werden sie sich in ihren eigenen, sozialen Gruppen organisieren, was jetzt schon der Fall ist und unweigerlich in naher Zukunft zu katastrophalen Konflikten führen wird. Die Bereitstellung von Wohlfahrtsmitteln für Essen, Unterbringung und Freizeitgestaltung ist keine Lösung des sozialen Problems der Arbeitslosigkeit. Es besteht ein Bedarf nach grundlegender Umstrukturierung unserer Gesellschaft oder, als zeitweilige Überbrückungsmaßnahme, nach Programmen, die an die Verhältnisse unserer Zeit angepaßt sind.

Insofern kann eine Neusetzung von Prioritäten nicht auf rein ökonomischen Gründen basieren. Obwohl Geld weiterhin in der einen oder anderen Form für die meisten gesellschaftlichen Transaktionen verwendet werden wird, gibt es sogar jetzt schon Anzeichen dafür, daß immaterielle Lebensaspekte zunehmend wichtiger für individuelle und selbst nationale Erfolgsberechnungen werden. Es ist sehr unsinnig, in die Berechnungen des Bruttosozialprodukts (BSP) solche negativen Faktoren einzuschließen wie die hohen Kosten für

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die Verwaltung übervölkerter Gemeinden, für die Kontrolle ihrer verschiedenen Umweltverschmutzungsarten und für die Unterhaltung größerer Polizeieinheiten. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat bereits eine alternative Formel ausgearbeitet, den sogenannten Index für Nettosozialleistungen, der qualitative Werte in die Berechnung des wirklichen nationalen Vermögens einbezieht. Japanische Behörden versuchen ebenfalls, einen ähnlichen Index für die langfristige Planung zu entwickeln. Der Formulierung eines solchen Indexes kollektiven Wohlstands sollte überall auf der Welt höchster Vorrang eingeräumt werden.

Es gibt für die Definition und Messung des Wohlstands und Wachstums neben der Bemessung des materiellen Verbrauchs viele Möglichkeiten. Persönliche Freiheit, bildende Künste, der Bildungsstand, Drogenkonsum, die Häufigkeit von Verbrechen, Selbstmord oder Krankheit — all diese und viele andere Punkte, die einem rasch einfallen, sollten Bestandteil eines Wohlstandsindexes sein, der dem, was die Menschen für die bedeutenderen Faktoren der Lebensqualität halten, viel mehr entspricht als das BSP.

Versuche, Prioritäten auf der Basis nichtökonomischer Kriterien zu überdenken, laufen der vorherrschenden Entwicklung der Industriegesellschaften zuwider, und es könnte sich als schwierig erweisen, jungen Menschen die Erziehung zu geben, die sie auf Lebensweisen vorbereitet, in denen Gemeinschaftssinn und ein gewisses Maß von Selbständigkeit genauso wichtig sind wie der Erwerb und die Anhäufung von Geld. Die Lösung wird nicht durch einfache Veränderungen der traditionellen Lehrpläne oder pädagogischen Methoden erfolgen, sondern statt dessen eine neue Auffassung von Erziehung überhaupt erforderlich machen.

Die Selbständigkeit gehört zu den erworbenen Charakterzügen. Sie entwickelt sich häufig dann, wenn ein Individuum mehrere Orts- und Berufswechsel erlebt, am besten in der Jugend. Früher fand dieser allgemeine Aspekt der Erziehung üblicherweise in der Familie statt, wo das Kind nach und nach in verschiedene soziale Beschäftigungen einbezogen wurde und zunehmend Verantwortung übernahm.

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Heutzutage jedoch gewährleistet das Familienleben kaum die Vielfalt von Erfahrungen und Verantwortlichkeiten, die für die individuelle Reife notwendig sind. Das gegenwärtige Schulsystem ist auch nicht derart organisiert, daß es auf befriedigende Weise den Prozeß der Sozialisierung unterstützen könnte, der früher in der Verantwortung der Familie lag.

So wie Schulen gegenwärtig arbeiten, stellen sie geschlossene Anstalten dar, in denen es schwierig ist, das Kind für die mannigfaltige und komplizierte Umwelt des Erwachsenenlebens vorzubereiten. Sie könnten die Familie als zentrale Lerninstanz nur dann voll ergänzen, wenn es ihnen gelänge, an praktische Arbeit gebundene Unterrichtsstunden einzugliedern oder zwischen ganz verschiedenartigen Einrichtungen übertragbare Leistungsnachweise zu akzeptieren. Qualifikationsmessungen müßten darüber hinaus Befähigungen anerkennen, die die Beurteilungen traditioneller Prüfungen und akademischer Grade ergänzen. Unsere jetzige Form des institutionalisierten Lernens war für eine ziemlich stabile Gesellschaft gedacht, schlägt aber zunehmend in das Gegenteil um, wenn wir weiterhin, was wahrscheinlich ist, in sich schnell entwickelnden, offenen Gesellschaften leben.

Erziehung und Lernen müssen nicht nur noch mehr als momentan die gesamte Gesellschaft durchziehen; sie müssen auch kontinuierlich über die gesamte Lebensspanne verteilt werden, um mit den sozialen und technologischen Veränderungen Schritt halten zu können. Die Notwendigkeit ständigen Lernens, um kompetent zu bleiben, hätte den Vorteil, die Menschen mittleren Alters an die humanistische Bildung heranzuführen, die sie in ihren früheren Schuljahren verachtet haben — ein Angebot, das für die moderne Welt immer wertvoller werden könnte.

Technologische Gesellschaften wissen, wie man materiellen Reichtum schafft, aber ihr Erfolg wird am Ende von ihrer Fähigkeit abhängen, eine postindustrielle humanistische Kultur zu formulieren. Der Wechsel von der Besessenheit quantitativen Wachstums zu einer Suche nach einem besseren Leben wird ohne radikale Verhaltensänderungen nicht möglich sein. Die industrielle Revolution setzte eine Belohnung für die Art von Intelligenz aus, die für die Erfindung industriel-

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ler Güter sowie ihrer massenhaften Produktion und Vermarktung am geeignetsten war. Im Gegensatz dazu würde eine humanistische Gesellschaft eher solche höheren Fähigkeiten auszeichnen, die bessere menschliche Beziehungen und ein schöpferisches Ineinandergreifen von Menschheit, Natur und Technologie erleichtern. In den zukünftigen Gesellschaften sind die wertvollsten Menschen vielleicht nicht die mit den größten Fähigkeiten, materielle Güter zu produzieren, sondern eher die, die die Gabe besitzen, guten Willen und Glück durch Einfühlungsvermögen und Verständnis zu verbreiten. Solch eine Gabe mag teilweise angeboren sein, könnte sicherlich aber auch durch Erfahrung und Erziehung gefördert werden.

Grundlegende Veränderungen im Erziehungssystem werden nicht durch Verordnungen der Zentralinstanzen erreicht. Sie werden ein größtmögliches Angebot verschiedener experimenteller Programme erfordern, getragen von der Hoffnung, daß die erfolgreichen als Beispiele dienen und endlich einen neuen Konsens herbeiführen können. Technologische Gesellschaften sind so kompliziert, daß sie das Risiko menschlicher Irrtümer fürchten. Aus diesem Grunde belohnen sie gerne solche Spezialisten, von denen man am wenigsten erwartet, daß sie Fehler machen, ob sie nun Flugzeuge steuern oder Computer bedienen. Sie entmutigen gerne diejenigen, die sich wirklich in ein Wagnis stürzen wollen, das vielleicht sehr risikoreich ist und die soziotechnischen Pläne über den Haufen werfen könnte.

Eignungs- und Intelligenztests messen hauptsächlich die Zuverlässigkeit und nicht die Kreativität des menschlichen Verstandes. Aber Gesellschaften können sich nur dann an neue Verhältnisse anpassen und wirkliche Fortschritte machen, wenn sie Experimente unterstützen und es zulassen, daß Risiken eingegangen werden — sei es im Bereich der Technologie, Landnutzung, Gesundheit oder Erziehung. Tatsächlich ist dies der von der Natur eingeschlagene Weg, um Anpassung und Evolution zu erreichen. Die Natur ist nicht rationell, sie ist unmäßig. Sie geht immer auf verschiedene Weisen vor, manchmal auch ungeschickt, und strebt in erster Linie nicht nach perfekten Lösungen. Zur Verbesserung des

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menschlichen Lebens werden die Industriegesellschaften nicht einfach die Güterproduktion steigern können, sondern viele verschiedene Möglichkeiten ausprobieren müssen, wie mit zukünftigen Situationen umzugehen ist, statt sich auf die Entscheidungen von ein paar Experten zu verlassen. Denn Experten beschäftigen sich eher mit Mitteln und Effizienz statt mit Zielen und der schöpferischen Vielfalt, die für ein reicheres Leben und die kontinuierliche Entwicklung der Zivilisation von grundlegender Bedeutung sind.

Warren Johnson verteidigte kürzlich in seinem Buch »Muddling Through Frugality« (Der schwierige Weg zur Genügsamkeit) die reizvolle These, daß das Bedürfnis nach bescheideneren Formen uns die Gelegenheit gibt, neue Lebensstile zu entwickeln, die glücklicher, weil reicher an persönlichen Erfahrungen sein werden. Wie ich schon vorher einmal angedeutet habe, könnten zum Beispiel wirkliche Energiemängel langfristig ein Segen sein, weil sie uns dazu ermutigen, einige unserer physischen und geistigen Fähigkeiten zu kultivieren, die unentwickelt bleiben würden, wenn wir sie durch mechanische Geräte zu ersetzen versuchen; viele von uns würden imstande sein, zu singen oder ein einfaches Musikinstrument zu spielen, wenn die Musikkonserven nicht so leicht erhältlich wären. Engpässe würden uns dazu bringen, unsere Lebensräume vielfältiger zu gestalten und damit auch befriedigender, wenn es nicht so einfach wäre, auf der Suche nach attraktiven Umgebungen lange Reisen zu machen.

Das Bedürfnis nach einer anderen Landnutzungspolitik ist eine andere gesellschaftliche Priorität, die eine Möglichkeit zur Umweltverbesserung in sich trägt. Außer in der eigentlichen Wildnis kann man die ansprechendsten Merkmale der Natur gewöhnlich in den wenigen öffentlichen Parkanlagen finden, aber im allgemeinen mehr in landwirtschaftlichen Gebieten und auf großen privaten Gütern. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen jedoch ist die Landwirtschaft in der Nähe städtischer Ballungsgebiete ökonomisch nicht mehr vertretbar, und die meisten großen Güter sind zur Aufgabe gezwungen, nicht nur aufgrund der Steuerlasten, sondern auch weil sie dem Geschmack der jüngeren Generation nicht mehr entsprechen. Sobald Ackerland nicht mehr bearbeitet

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wird oder große Güter nicht mehr von ihren Besitzern bewirtschaftet werden, wird das Land schnell verkommen und viel von seinem ästhetischen Reiz einbüßen. Die Größenordnung, in der sich diese Art von Landnutzung bewegt, kann daran gemessen werden, daß es um den Stadtkern von Manhattan im Umkreis von 30 Meilen rund 323 km2 freies, offenes Land gibt und damit auch die Möglichkeit zu einer wahllosen und im allgemeinen scheußlichen Bebauung mit fast einer Million Wohneinheiten. Da es ähnliche Verhältnisse in vielen Teilen des amerikanischen Kontinents sowie in einigen Teilen Europas gibt, genießt die Landnutzungspolitik in mehreren entwickelten Nationen gesellschaftliche Priorität.

Man kann sich viele Möglichkeiten der Nutzung großer, offener Ländereien vorstellen, die es immer noch in der Nähe städtischer Ballungsgebiete gibt, wie zum Beispiel bewußt geförderte und allmähliche Rückkehr zur Wildnis; Errichtung von Grüngürteln; Gestaltung von öffentlich zugänglichen Parklandschaften; Entwicklung von Siedlungen unter Einbeziehung von großen, weiten, öffentlichen Räumen. An den meisten Orten wird es wahrscheinlich erstrebenswert und möglich sein, irgendeine Art der landwirtschaftlichen Produktion wiederzubeleben, besonders den Anbau von leicht verderblichen Feldfrüchten, und sei es nur, um den Städter wieder mit frischem und wohlschmeckendem Obst und Gemüse zu versorgen. Wahrscheinlich wird es auf eine Mischform dieser verschiedenen Bewirtschaftungstypen hinauslaufen.

Die Aufteilung dieser Regionen in Zonen zielt im allgemeinen auf die Errichtung sozioökonomischer und berufsbezogener Sektoren ab, wenngleich sie zunehmend Überlegungen aus dem Bereich der Ökologie und des Umweltverständnisses einbeziehen sollte. Die neue Philosophie der umweltgemäßen Zoneneinteilung sollte nicht auf gesonderten Sektoren basieren, sondern auf die Schaffung von Gebieten gerichtet sein, in denen eine angemessene Zahl von Nutzern in einem passenden Rahmen zusammenwirken können. Diese Einstellung wurde von Nan Fairbrother mit folgenden amüsanten Worten ausgedrückt: »Landnutzung auf isolierter Basis schafft so selten eine Umwelt, wie getrennte Häufchen But-

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ter, Zucker und Mehl einen Kuchen entstehen lassen, denn wie Kuchen, so stellt auch eine Umgebung ein kompliziertes Ganzes dar, das durch geschicktes Vermischen und Vereinigen der Grundstoffe erzeugt wird.« Idealerweise sollte die Aufteilung in Zonen nicht als einschränkender, sondern als konstruktiver Prozeß betrachtet werden; es sollte sein Ziel sein, verschiedene Arten der Landnutzung zu integrieren, die in einer geplanten Umwelt auf interessante Weise zusammenwirken könnten.

Insofern muß die langfristige Planung der Landschaftsgürtel um die großen Städte nicht nur die gegenwärtigen Verhältnisse und Bodennutzungen, sondern auch ihre Entwicklungsmöglichkeiten berücksichtigen. Wir benötigen umfassende Karten, in denen die sogenannte »Bodenbonitierung« eingetragen ist, die nicht die bestehende Nutzung, sondern die dem Boden, der Topographie, dem Klima und dem Feuchtigkeitsgehalt innewohnenden Möglichkeiten betont. Solche Kenntnisse könnten Wege zur Entwicklung einer Nahrungsmittelproduktion und anderer erstrebenswerter Bodennutzungen in bestimmten urbanen Zentren aufzeigen. Dies wiederum würde dem Ganzen Sinn für umfassende und methodische Planung verleihen, was ausdrückt, daß die Gesellschaft mit ihrer Umwelt in einer Weise umgehen kann, die mit dem Wohl sowohl der Menschheit als auch der Erde vereinbar ist.

Es gibt nur wenige Bereiche der Natur, die eine so große Vielfalt der Umwelt und so viele Möglichkeiten der Zerstreuung bieten wie die Flüsse, Seen oder Meeresstrände, an denen die meisten Städte liegen. Obwohl viele Flüsse und Seen heute verschmutzt sind, ist dies kein Grund zur Verzweiflung, weil die Umweltschäden in den meisten Fällen rückgängig gemacht werden können. Die Widerstandskraft der Natur ist so groß, daß immer dort, wo Schritte unternommen worden sind, um die weitere Verschmutzung zu verhindern, die von Industrie und Haushalten verursacht wird, sich die Gewässer mit Hilfe ihrer eigenen natürlichen Mechanismen regeneriert haben.

Der Umweltschutz stellt nur einen Aspekt der umfassenden Politik zur Umweltverbesserung dar. Ein anderer Ge-

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sichtspunkt ist die Ausnutzung der Wasserwege und Ufergebiete zur Schaffung reizvoller Gebiete, die für die Stadtbewohner leicht erreichbar sind. Solche Attraktionen werden von zunehmender Wichtigkeit sein, sobald die Verkehrsprobleme die Menschen zunehmend dazu zwingen werden, ihre Freizeit in der Nähe ihrer Wohnorte verbringen zu müssen.

Europäische Städte haben eine lange Tradition bei der Einbindung ihrer — sogar trüben und unbedeutenden — Gewässer in eine Umwelt, die sehr zum Charme und zu der Mannigfaltigkeit des städtischen Lebens beiträgt. Maler der Schule des Impressionismus haben viele Abbildungen festlicher Anlässe hinterlassen, die im Zusammenhang mit kleinen Flüssen oder Seen stehen. Natürlich ist es einigen amerikanischen Städten ebenfalls gelungen, ihre Ufergebiete zur allgemeinen Erbauung nutzbar zu machen. Ein berühmtes Beispiel ist die eindrucksvolle Pazifikküste in San Francisco. Darüber hinaus sind höchst wünschenswerte Errungenschaften sogar dort möglich, wo die natürlichen Bedingungen offensichtlich nicht so vorteilhaft sind. Während meiner Zugehörigkeit zur »Harvard University Medical School« vor dreißig Jahren verbrachte ich glückliche Stunden am Ufer des Charles River. Sogar ein kleines, unbedeutendes Gewässer wie das in San Antonio in Texas kann einen wesentlichen Beitrag zum städtischen Leben leisten, vorausgesetzt, es ist gut in die Stadtlandschaft integriert, noch nicht vom Autoverkehr verdorben und von Fußgängern leicht zu erreichen. Schließlich, und für das städtische Leben wahrscheinlich am wichtigsten, darf die Wasserlandschaft nicht nur vom szenischen Gesichtspunkt her attraktiv sein, sie muß auch so angelegt sein, daß sie als Bühne für die erfreulichen Unternehmungen der Menschen dienen kann: Angeln, Bootfahren, Picknicken, Singen, Tanzen, Spielen und auch »Tagträumen«.

Ökonomen werden einwenden, daß die Verbesserung von Wasserstraßen und Ufergebäuden ausschließlich dem Vergnügen dient und nicht als eine ernst zu nehmende zwingende Priorität anzusehen ist. Aber das war auch nicht der Fall beim Bau des Anthropologischen Museums in Mexiko, beim archäologischen Programm im kommunistischen China und auch nicht beim Wiederaufbau des alten Warschau nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

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Die heftige Opposition gegen die Pläne des Central Park zur Zeit seiner Entstehung erteilen in dieser Hinsicht eine Lektion. Es gab keinen zwingenden Grund für so ein ehrgeiziges Unternehmen wie die Errichtung des Central Park in einer Zeit, als die Stadt immer noch lediglich aus dem unteren Teil Manhattans bestand. Und dennoch, um wie vieles ärmer wäre New York ohne diesen Park?

Die Bereicherung des städtischen Lebens mit den täglichen kleinen Freuden, die über phantasievolle Nutzung von Wasserwegen und Uferanlagen entsteht, hat einen ungeheuren Wert, obwohl er nicht in Mark und Pfennigen ausgedrückt werden kann. Wenn Ökonomen nicht wissen, wie sie diesen Wert messen und in ihre Aufstellung sozialer Prioritäten einbauen sollen, dann ist die Ökonomie sogar eine noch elendere Wissenschaft, als ihr gemeinhin nachgesagt wird.

 

      Tagträume über die Zukunft   

 

Beim Schreiben dieser Zeilen bin ich achtzig Jahre alt. Obwohl ich überdurchschnittlich viele organische Krankheiten durchgemacht habe, bin ich noch immer vital genug, mich nicht nur über viele Aspekte der modernen Zivilisation zu ärgern, sondern die Welt überwiegend zu genießen und Vertrauen in ihre Zukunft zu haben.

Da ich so lange an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Bedingungen gelebt habe, kam ich zu der Überzeugung, daß Elastizität ein universales Merkmal aller lebenden Organismen ist — vom natürlichen Ökosystem bis hin zu den individuellen Menschen; sie ist auch eins der wichtigsten Merkmale. Bei lebenden Organismen beinhaltet Elastizität die Fähigkeit, sich sowohl von traumatischen Erfahrungen zu erholen als auch neue Werte während des Erholungsprozesses zu schaffen.

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Ich glaube auch, daß wir das menschliche Leben und die Umwelt nicht verbessern können durch das Unterfangen, eine zum Scheitern verurteilte Rückkehr zu der hypothetischen Welt des Rousseauschen »edlen Wilden« zu versuchen, sondern nur durch soziale und technologische Erneuerungen, die bisher unerweckte innere Kräfte der menschlichen Natur und der Erde freisetzen und aktivieren. Aufgrund unserer Unbeholfenheit, sich diesem Problem zu nähern, möchte ich verzweifeln, aber meine Einschätzung der Geschichte und unserer Kräfte gibt mir genug Hoffnung, daß ich für mich den Begriff der verzweifelte Optimist — Titel meiner Kolumne, die ich für den »American Scholar« schrieb — in Anspruch nehme.

Ich weiß, daß ein sehr großer Prozentsatz zeitgenössischer, aufgeklärter Menschen fühlt, daß jegliche Form von Optimismus praktisch unvereinbar mit den gegenwärtigen Realitäten ist, und ich muß zugeben, daß in meiner Beurteilung einiger sozialer Probleme der Optimismus vom Pessimismus überschattet wird, insbesondere angesichts eines Atomkrieges und der Arbeitslosigkeit unter jungen Leuten.

Im Gegensatz dazu bin ich ziemlich optimistisch hinsichtlich der gesellschaftlichen Prioritäten sowie hinsichtlich der Ressourcen- und Technologieprobleme, die die Industrieländer im Moment haben oder in Zukunft erleben werden. Wie bereits erwähnt, entwickeln wir Fertigkeiten, die uns dazu befähigen, einige der möglichen Folgen natürlicher Geschehnisse und Handlungsverläufe, die wir ins Auge fassen, vorauszusehen. Darüber hinaus befähigen uns wissenschaftliche Erkenntnisse, zu lernen, wie wir die meisten praktischen Probleme der modernen Welt lösen können — angefangen bei einem Nahrungsmittel- oder Energiemangel bis hin zur Umweltverschmutzung und wahrscheinlich sogar Übervölkerung.

Die meisten Feststellungen, die ich bisher getroffen habe, beziehen sich auf Themen, bei denen ich zu Schlußfolgerungen kam, die für mich nahezu die Qualität von Überzeugungen besitzen. Ich werde jetzt einige Tendenzen berücksichtigen, die in modernen Gesellschaften anscheinend hochkommen und die ich mit noch mehr Wunschdenken beobachte, als ich in vorangegangenen Teilen dieses Textes hervorhob.

Langfristig am wichtigsten sind wahrscheinlich die kürzlich erfolgten wissenschaftlichen Entdeckungen im Bereich

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des menschlichen Gehirns und seines Einflusses auf den Zustand des Körpers bei Gesundheit und Krankheit. Ich habe die folgenden Beispiele nur ausgewählt, um zu illustrieren, wie weit das Spektrum des Fortschritts auf diesem Forschungsbereich reicht.

Es ist seit einigen Jahrzehnten bekannt, daß zwar die rechte und linke Hemisphäre des Großhirns anatomisch identisch erscheinen, sie aber sehr verschiedene Funktionen ausüben, so als hätten wir nicht nur einen Geist, sondern zwei. Im allgemeinen scheint die linke Hemisphäre im normalen Leben dominant zu sein, weil sie solche Eigenschaften wie Sprachvermögen, analytisches Denkvermögen und die für Rechenvorgänge erforderlichen Fertigkeiten kontrolliert. Im Gegensatz dazu ist die rechte Hemisphäre an Prozessen beteiligt, die Gefühle, künstlerisches Schaffen, Kunstverständnis und Gestalterleben betreffen.

Es sieht so aus, als ob bei den meisten von uns die linke Hemisphäre für die irdischen, praktischen Arbeiten des Lebens zuständig ist, während es der rechten Hemisphäre überlassen bleibt, sich mit anderen, weniger entscheidenden Dingen auseinanderzusetzen. Obwohl funktionale Unterschiede zwischen der linken und der rechten Gehirnhälfte bei allen normalen Prozessen tatsächlich bestehen, haben Entdeckungen jüngeren Datums bewiesen, daß die Situation komplizierter ist, als immer angenommen wurde. Zum einen ist die Arbeitsteilung zwischen linker und rechter Hemisphäre nicht genau definiert. Zudem können bei Kindern, die infolge von Krankheit, Unfall oder Operation eine teilweise oder totale Zerstörung einer der Hemisphären erlitten haben, die Funktionen, die normalerweise von der verlorenen Hemisphäre ausgeführt wurden, nach und nach von der anderen übernommen werden. Es gibt sogar einige Anzeichen dafür, daß in geringerem Umfang auch bei Erwachsenen eine funktionale Regeneration stattfinden kann. Einige Neurophysiologen gingen sogar weiter und behaupteten, daß alle intellektuellen Funktionen des Gehirns und alle motorischen Funktionen auch nur von einer Hemisphäre allein richtig ausgeführt werden können und daß es keinen Unterschied macht, welche Hemisphäre es ist.

Obwohl dies sicher eine Übertreibung ist, kann man mit einigem

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Recht annehmen, daß zumindest in jungen Jahren beide Hemisphären fast dieselben Entwicklungsmöglichkeiten besitzen und daß ihre funktionalen Unterschiede das Ergebnis späterer Spezialisierungen sind. Wahrscheinlich geschieht dies im Alter zwischen zwei und drei Jahren, doch sind die Ursachen und die Vorteile dieses Umstands noch nicht geklärt worden.

Im Jahre 1978 behauptete der japanische Neurophysiologe Tadanobu Tsunoda, daß die Sprache, die man als Kind lernt, die Art beeinflußt, in der die rechte und linke Hemisphäre des Gehirns ihre spezifischen Begabungen entwickeln. Die Unterschiede zwischen westlichem und östlichem Geist könnten daher zum Teil Manifestationen dessen sein, wie durch externe Triebkräfte beeinflußte Aufbaumuster des Gehirns spezialisierte Beziehungsformen zur Umwelt bestimmen — von räumlichen und verbalen Aktivitäten bis hin zu musikalischen oder künstlerischen Gaben.

Eines der großen neurologischen Rätsel ist die Speicherung von Erinnerungen im Gehirn. Es sind viele Theorien aufgestellt worden, um das Erinnerungsvermögen in spezifischen Bereichen und in bestimmten chemischen Bestandteilen des Gehirns zu lokalisieren, aber alle diese Hypothesen haben sich als unzulänglich erwiesen. Im Moment entwickelt sich jedoch eine völlig neue Theorie über das biologische Gedächtnis — allgemeiner gesagt, über Nerveninformationen —, die einen besonderen Reiz besitzt, weil sie auf eine Theorie des Geistes selbst hinausläuft. Sie wird hologrammatische Theorie genannt. Meine einzige Rechtfertigung dafür, ein Thema anzusprechen, von dem ich keine wissenschaftliche Kenntnis habe, ist die, daß ich den Leser dieses Buches auf radikal neue Konzepte vom menschlichen Geist aufmerksam machen will, die meiner Ansicht nach in der nächsten Zukunft äußerst wichtig sein könnten.

In der Optik verschlüsseln Hologramme durch Wellen übermittelte Informationen. Gemäß den Spezialisten dieses Fachs haben Hologramme aller Art die Tatsache gemein, daß sie Informationen über eine Eigenschaft der Wellen verschlüsseln, die man Phase nennt. So sonderlich es klingen mag, eine Phase hat keine bestimmte Größe oder absolute

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Maße; dies konnte man tatsächlich auch bis zur Entwicklung des Zweiges der Optik, den man als Holographie kennt, praktisch nicht wissen. Die Phase zu rekonstruieren, was mit Hilfe eines Hologramms möglich ist, heißt, die Gestalt einer Welle nochmals zu erzeugen und so jede Information oder jedes Bild wiederzugeben, das die ursprüngliche Welle auf das Aufnahme- und Speichermedium übertrug. Gemäß der hologrammatischen Theorie speichert das Gehirn das, was wir Gedächtnis nennen, in der Form von Codes der Wellenphasen.

Eine völlig andere Forschungsrichtung hat gezeigt, daß das Gehirn eine Vielfalt von bisher unbekannten Hormonen produziert, die als Endorphine oder Enzephaline bezeichnet worden sind. Der Begriff Endorphine wurde erstmalig eingeführt, um ein bestimmtes Hormon, das von einem Teil des Gehirns produziert wird, zu kennzeichnen, das ähnliche Eigenschaften wie das Narkotikum Morphium besitzt. Es gibt Anzeichen dafür, daß die Sekretion von Endorphinen unter bestimmten Streßsituationen zunimmt — vielleicht auch zum Zeitpunkt des Todes — und damit das Schmerzempfinden verringert. Diese Endorphine gehören zu den vielen Hormonen, die man jüngst entdeckt hat und die auf die eine oder andere Funktion des Gehirns einwirken und damit auch auf die Wahrnehmungsfähigkeit des Verstandes.

Es ist natürlich schon lange bekannt, daß die Art, wie wir auf die Umwelt, auf menschliche Kontakte, auf verschiedene Formen von Krankheit und eigentlich auf jede Erfahrung reagieren, sehr von unserem Geisteszustand beeinflußt wird. Und jeder weiß, daß fast alles, was den Körper betrifft, auch den Geisteszustand berührt. Insofern nähern wir uns vielleicht dem Tag, an dem es möglich sein wird, die Mechanismen zu verstehen und vielleicht bis zu einem gewissen Grade auch zu kontrolieren, mittels derer unser Gehirn mit dem Körper in einer Wechselbeziehung steht und die Reaktionen konditioniert, mit denen unser gesamter Organismus auf die Umwelt und die Geschehnisse antwortet. Tatsächlich wird das Verhältnis zwischen Körper und Verstand wahrscheinlich demnächst einer der wichtigsten Bereiche der Biologie und Medizin werden.

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Die Hauptschwierigkeit der modernen Wissenschaften der Biologie und Medizin liegt darin, daß sie zu einseitig sind. Sie werden nur dann wirklich wissenschaftlich sein, wenn sie sich dem Grundsatz verschreiben, daß in allen Bereichen des Lebens, besonders im menschlichen Leben, Körper und Verstand eng mit den Erscheinungsformen von Gesundheit und Krankheit verbunden sind.

Der Satz »Klein ist schön« erlangte wahrscheinlich deshalb eine so rasche und weitverbreitete Popularität, weil er einer tiefen menschlichen Sehnsucht entspricht — einem quasi universalen Wunsch in der industrialisierten Welt, den riesigen sozialen und technologischen Megamaschinen zu entkommen, die zunehmend die Bereiche unseres Lebens kontrollieren. Regionen werden gegenüber anonymen Ballungsgebieten bevorzugt, Kleinunternehmen gegenüber Fließbändern, Boutiquen und Tante-Emma-Läden gegenüber Einkaufszentren oder großen Warenhäusern.

Ob Dezentralisierung und Differenzierung wirklich die Wege in die Zukunft sind, muß noch bewiesen werden, aber jüngste technologische Tendenzen und die Ökonomie moderner Gesellschaften scheinen sich im Einklang mit der menschlichen Vorliebe zu befinden, die durch »Klein ist schön« symbolisiert wird. In Privatunternehmen und Regierungsbehörden eskalieren die Verwaltungskosten unproportional zur Größe. Viele Einrichtungen haben den Punkt rückläufiger Gewinnzahlen im Vergleich zur Größe erreicht, und nicht wenige sind in die roten Zahlen geraten. Glücklicherweise deuten Veränderungen in der gesamten technologischen und gesellschaftlichen Ordnung auf die Möglichkeit hin, daß bestimmte Formen kleinerer Einheiten mit einem technologischen und gesellschaftlichen Erfolg vereinbar sein können. Seit Beginn der industriellen Revolution gab es eine Tendenz, die Herstellung der meisten Produkte in immer größeren industriellen Einheiten zu konzentrieren und diese Produkte in immer entfernteren Orten zu vertreiben. Diese Politik, die bisher in wirtschaftlicher Hinsicht profitabel war, könnte infolge von Veränderungen, die durch die Revolutionierung des Informationswesens und eine neue Einstellung gegenüber der Arbeit bewirkt werden, in ihr Gegenteil umschlagen.

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Die Warentransportkosten werden mit ziemlicher Sicherheit schneller steigen als andere Kosten, und das nicht nur wegen des Mangels an fossilen Brennstoffen, sondern auch weil es keine große Chance zu geben scheint, daß sich die traditionellen Transportmethoden technisch weiter verbessern lassen. Im Gegensatz dazu werden die elektronischen Informationssysteme über den Äther ständig billiger, mannigfaltiger und praktischer. Die Unterschiede zwischen dem Warentransport und der elektronischen Kommunikation werden daher wirtschaftliche Anstöße geben, und zwar einerseits zur Zerlegung der Warenherstellung und andererseits zur elektronischen Verbindung der zerlegten Arbeitsvorgänge über zentrale Einrichtungen, die für Planung und Kontrolle verantwortlich sind.

Mit dem Auftreten der Mikroprozessoren-Technologie hat auch schon die Umwandlung brutaler Maschinen in menschliche Werkzeuge begonnen.Während der Arbeiter in den frühen Phasen der industriellen Revolution der Diener der Maschine war, wird er bei den modernen Technologien allmählich zum Verwalter oder gar Gebieter der Werkzeuge. Anders gesagt: Der industrielle Sprung gibt dem Fabrikarbeiter eine neue Chance, wieder Handwerker zu werden.

Kleine Computer und andere raffinierte Werkzeuge könnten zu einer hochstehenden »Do-it-yourself-Technologie« führen, die in kleinen Industrieeinheiten ausgeführt wird — in bestimmten Fällen sogar zu Hause. Die hochentwickelten Werkzeuge müssen natürlich an geeigneten Orten untergebracht werden, damit man sie angemessen warten kann, aber die Menschen erhalten im Vergleich zu den letzten beiden Jahrhunderten größere Möglichkeiten, ihre Arbeit genauso zu planen und zu bestimmen wie ihre Freizeit.

Zusätzlich zu ihren dezentralisierenden Einflüssen auf die technischen Abläufe der Industrie werden die Fortschritte in der Informationstechnik und in anderen Bereichen der Mikroelektronik dazu führen, daß sowohl die privaten als auch die staatlichen Verwaltungen mehr zerlegt werden können und sich zu Zusammenschlüssen kleiner halbautonomer Einheiten entwickeln.

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Die Arbeitsmarktpolitik wird wahrscheinlich noch grundlegendere Veränderungen durchlaufen. Zur Zeit besteht die allgemeine Politik darin, daß ein paar Fachleute für ihre geleistete Arbeit Honorar verlangen, während die meisten anderen Leute — ob Fachleute oder einfache Angestellte — für ihre geleistete Arbeitszeit Löhne erhalten. Da die Beschäftigung von Arbeitnehmern immer teurer und komplizierter wird, könnten die Arbeitgeber dazu tendieren, soviel Arbeit wie möglich auszulagern und Individuen oder Gruppen damit zu beauftragen. Auf jeden Fall wird die Zahl der Arbeitsplätze in der Produktion und Verwaltung wahrscheinlich sinken wie im Falle der Landwirtschaft, wo die Mechanisierung die Arbeitsplätze verringerte.

Da immer mehr Menschen im wesentlichen selbständig werden, werden sie eher zu Fachberufen denn Laufbahnkarrieren neigen; wenn sie Unterstützung brauchen, suchen sie diese nicht bei den Arbeitgebern, sondern bei Berufs- oder Handelsgenossenschaften, die die Gewerkschaften ersetzen werden. Die Auslagerung von Herstellungs- und Verwaltungsprozessen wird um so attraktiver, als elektronische Verfahren die Kontrolle sowohl der Quantität als auch der Qualität dieser Prozesse erleichtern. Das wird besonders auf sehr komplizierte Technologien zutreffen.

Sogar schon vor dem mikroelektronischen Zeitalter setzten Veränderungen in der Haltung der Arbeitnehmer und folglich auch der Beschäftigungspolitik ein. Die bekannteste dieser Veränderungen betraf die Fließbandverfahren in Autofabriken und anderen hochautomatisierten Betrieben. Rationalisierungsexperten haben versucht, den Industriearbeitern eine Maschinenmentalität aufzupfropfen, aber Menschen wollen nicht zu Maschinen gemacht werden; je automatisierter der Betrieb ist, desto größer ist die Häufigkeit unerlaubten Fernbleibens. Deswegen konzentrieren sich jetzt viele Experimente auf eine Veränderung der Fabrikorganisation.

Ein älteres Beispiel hierfür ist das Konzept, das die Volvo-Werke in ihre Produktion eingeführt haben. Nach diesem Konzept werden die Autos nicht am traditionellen Fließband hergestellt, sondern von kleinen Arbeitsgruppen, die selbst über ihre Kooperationsweisen und ihren Arbeitsrhythmus entscheiden. Das bemerkenswerteste an diesem Konzept ist, daß es aufgrund einer persönlichen Initiative der Arbeiter entstand und sich in dem Maße entwickelte, wie sie lernten, in kleinen Gruppen zusammenzuarbeiten.

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Die Tendenz zur Dezentralisierung wird von subtilen, aber wichtigen psychologischen Faktoren verstärkt. Um erfolgreich zu sein, muß die Autorität zunehmend personalisiert werden. Immer weniger Menschen sind bereit zu gehorchen, allerhöchstens kann man von ihnen erwarten, daß sie Anweisungen zustimmen. Verwalter werden bei der Anleitung und Motivierung der Menschen in ihren Organisationen keinen Erfolg haben, wenn sie sich ihnen nicht persönlich zuwenden. Solche persönlichen Beziehungen setzen einer effektiven Produktionseinheit bezüglich der Anzahl von Menschen Grenzen. Die geeignete Größe könnte ein paar hundert Menschen umfassen, aber bestimmt nicht Tausende. Die Bürokratie wird unzweifelhaft überleben, sie würde jedoch ein menschlicheres und weniger anonymes Gesicht bekommen, wenn sie weitgehend innerhalb von Gemeinschaften vernünftiger Größe eingedämmt werden könnte.

Es gibt vielleicht eine biologische Grundlage für die optimale Größe von Menschengruppen. Wie bereits erwähnt, bestanden die Menschengruppen des Steinzeitalters aus höchstens ein paar hundert Menschen genau wie die Bauerndörfer im Verlauf der Geschichte. Wenn unsere Zeitgenossen davon träumen, aufs Land zurückzukehren, hegen sie vielleicht Hirngespinste vom Reiz und der Sorglosigkeit des Landlebens, aber sie werden auch von einer tiefen biologisch bedingten Sehnsucht nach einer angemessenen Größe menschlicher Gemeinden geleitet, die im Verlauf der stammesgeschichtlichen Entwicklung determiniert wurde.

Die Unwirtschaftlichkeit der Größe fällt in riesigen städtischen Ballungsgebieten besonders auf. So wie die mittelalterlichen Städte gewöhnlich nicht über 50.000 Einwohner hinauswuchsen, weil das die höchste Anzahl von Menschen war, die von Bauernhöfen versorgt werden konnte, die innerhalb der für ein Fuhrwerk zuträglichen Entfernung lagen, so werden wahrscheinlich auch die Probleme der Verwaltung und der Abfallbeseitigung das weitere Wachstum der modernen Städte einschränken.

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Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, daß die Stadtgröße in Zukunft auch von den Transportkosten für Nahrungsmittel und den Versorgungsschwierigkeiten eingeschränkt wird, die das Ergebnis von Streiks und internationalen Konflikten sind. Die Nahrungsmittelknappheit, die an der Atlantikküste der Vereinigten Staaten nach einem nur zweiwöchigen Teilstreik der Lastwagenfahrer im Juni 1979 eintrat, warnt vor den Gefahren, die einer völligen Abhängigkeit von Nahrungsmitteln, die über weite Strecken herangeschafft werden müssen, innewohnen.

Der beeindruckende Preisanstieg bei Obst und Gemüse und ihr Geschmacksverlust rangieren vielleicht unter den ersten Faktoren, die die Größe der Städte eingrenzen und auch ein Wiederaufleben des Nahrungsmittelanbaus in den Städten ermutigen werden. Ich bin mir der Qualen traditioneller Methoden des Nahrungsmittelanbaus bewußt, und ich trete nicht für eine Rückkehr zu diesen alten Praktiken ein. Ich glaube aber auch, daß das moderne Wissen die Entwicklung praktischer Methoden zur Produktion bestimmter Nahrungsmittel in geeigneten städtischen Gebieten ermöglicht. Zum Beispiel werden in einem vom »British Glass House Crop Research Institute« entwickelten Projekt die Pflanzen in mit Polyäthylen überzogenen Rinnen gezüchtet, die eine kleine Neigung von einem Grad aufweisen. Die Nährlösung fließt aufgrund der Neigung durch die Wurzelmassen der Pflanzen, gelangt in ein Auffanggefäß, von wo aus sie zum Ausgangspunkt zurückgepumpt wird und danach wieder zirkuliert.

Diese Methode wird in über siebzig Ländern zur Produktion hochwertiger Exportprodukte wie Tomaten und Gurken angewandt. So werden 3,65 Meter hohe Tomatenstauden mit ungeheuren Wurzelmassen an mehreren Orten angebaut. Dieses Verfahren soll billig sein. Es ist vergleichsweise einfach und benötigt wenig Wasser. Kürzlich wurde es zur Herstellung von Grassoden für Weidezwecke angewandt und wird bald auf den Anbau von Reis und Weizen erweitert werden.

Der Aufbau von Gemüsegärtnereien um die Städte und Großstädte oder die Einführung neuer Gemüsebauverfahren würden dazu beitragen, die organischen Abfälle der Stadt zu verwenden. Man könnte damit auch die hohen Kosten umgehen, die beim Transport frischer Nahrungsmittel entstehen, sowie den Städter mit reifen Früchten und Gemüse versorgen.

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Heimarbeitsbetriebe, die hochentwickelte Technologien einsetzen, könnten bald die lokale Produktion einiger Nahrungsmittelarten erlauben und den gesellschaftsfeindlichen Import von Äpfeln, Salat, Kohl, Kartoffeln und bestimmten anderen Gemüse- und Obstsorten über Hunderte und Tausende von Kilometern brandmarken. Dasselbe könnte für Radio- und Fernsehgeräte, vielleicht sogar für bestimmte Autotypen gelten.

Während das menschliche Leben offensichtlich auf jeder Stufe von genetischen und umweltbedingten Faktoren beeinflußt wird, gehen seine interessanteren Aspekte über einfache deterministische Erklärungen hinaus. Im Jahre 1605, am eigentlichen Beginn des wissenschaftlichen Zeitalters, schrieb Francis Bacon: »Die Erfindung der Kompaßnadel, die die Richtung weist, ist für die Navigation von nicht weniger großem Nutzen wie die Erfindung der Segel, die die Bewegung verleihen.« Die Metapher bedeutete ganz klar, daß der Fortschritt ebensosehr auf der Formulierung von Zielen wie auf der Entwicklung von Techniken aufbaut. Bacon glaubte sicherlich darüber hinaus, daß Zielsetzungen immer von Wertvorstellungen beeinflußt werden. Seine Warnung besaß bis vor kurzem keinerlei Einfluß, weil eher die Bewegung als das Ziel die Hauptsorge derjenigen war, die für ökonomische und technologische Entwicklungen verantwortlich waren; aber das Meinungsklima beginnt sich zu verändern. Während Größe und Geschwindigkeit immer noch die meistakzeptierten Erfolgskriterien sind, haben wir schon erkannt, daß, etymologisch gesehen, das Wort Fortschritt nur Vorwärtsgehen bedeutet — und vor allem, wie wir wissen, vielleicht auch auf dem falschen Weg.

Das Fortschrittskonzept ist vielleicht undefinierbar, weil es sich auf einige verschiedene Veränderungsprozesse beziehen kann, die in keiner Beziehung zueinander stehen, und auf einige, die unvereinbar sind. Fortschritt kann logisches, folgerichtiges Vorwärtsgehen bedeuten, das in die Computersprache übersetzt werden kann; Fortschritt kann auch intuitive, mit Werturteilen verbundene Veränderungen bedeuten. Der Mythos der ewigen Wiederkunft hat häufig in der Geschichte das menschliche Zukunftsdenken beherrscht.

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Er wurde jedoch mehr und mehr von dem Glauben ersetzt oder wenigstens erweitert, daß sich alles auf den Endpunkt zubewegt. Während Ekklesiastes lehrte, daß es nichts Neues unter der Sonne gibt, tendieren wir zunehmend zu der Auffassung, daß es unsere Rolle auf der Erde ist, das Paradies zu bauen. Der Mythos der ewigen Wiederkunft besitzt eine große Anziehungskraft, weil er die Befriedigung beinhaltet, Vielfalt zu erleben, während man Teil der Ewigkeit ist. Aber die westliche Zivilisation ist schon lange auf eine dynamischere Betrachtung des Lebens festgelegt, die eine fortgesetzte Erzeugung nicht nur neuer materieller Güter, sondern auch neuen Wissens und neuer Werte beinhaltet. Die alte Prometheus-Sage verkörpert den Glauben, daß wir uns in einem ständigen Veränderungsprozeß befinden, der zu einem Stadium führt, das sich völlig von der Vergangenheit unterscheiden wird, obwohl es vielleicht nicht genau das ist, was wir wollen.

Während der letzten Jahrzehnte hat sich jedoch das Gefühl breitgemacht, daß das Neue nicht unbedingt dem Alten vorzuziehen ist und daß unser eigener Zivilisationstypus vielleicht dem, den wir immer noch primitiv nennen, nicht so überlegen ist, wie wir einst glaubten. Das ist besonders augenscheinlich, wenn wir uns von der Betonung ökonomischen Wohlstands und technologischer Macht wegbewegen und unser Augenmerk auf die Qualität des Lebens und der Umwelt richten. Wir haben auch zunehmend das Gefühl, daß eine greifbare Verbindung zur Vergangenheit, zumindest für die Menschen, ein wesentlicher Bestandteil des Glücks ist. Wir sehnen uns nach einem Ethos, der uns wie der Mythos der ewigen Wiederkunft sowohl den Reiz der Veränderung als auch die Sicherheit geben würde, zu einem Zustand und an einen Ort zurückzukehren, wo wir uns zu Hause fühlen.

Das Leben von Charles Lindbergh, wie es in seiner postum veröffentlichten Autobiographie geschildert wird, symbolisiert, wie die moderne Welt von ihrer oberflächlichen und unkritischen Faszination angesichts hochentwickelter Technologien zu der Angst gelangte, daß die exzessive Abhängigkeit von ihnen grundlegende menschliche Werte bedroht.

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Als er im reifen Erwachsenenalter eine Safari durch Kenia unternahm, berauschte er sich an den sinnlichen Qualitäten des afrikanischen Lebens, die er »in den Tänzen der Massai, der Lasterhaftigkeit der Kikuju, in der Nacktheit der Jungen und Mädchen« wahrnahm.

»Du fühlst diese Eigenschaften mit der Sonne auf deinem Gesicht und dem Staub auf deinen Füßen ... beim Jaulen der Hyänen und den heiseren Lauten der Zebras.« Gepackt von diesen sinnlichen Qualitäten fragte er sich: »Kann es sein, daß die Zivilisation dem menschlichen Fortschritt abträglich ist? ... Wird die Zivilisation am Ende eine solch überspezialisierte, so organisierte und künstliche, so von den Gefühlen getrennte Entwicklung des Intellekts sein, daß sie unfähig wird, weiter zu bestehen?«

Lindberghs Zweifel an der Zivilisation und dem Fortschritt waren um so überraschender für mich, weil ich ihn in den dreißiger Jahren als Kollege am »Rockefeller Institute for Medical Research« kennenlernte, wo er gerade in Zusammenarbeit mit Alexis Carrel eine Organperfusionspumpe entwickelte. Sein vorherrschendes Interesse galt zu dieser Zeit neben der Luftfahrt mechanischen Geräten zur Erforschung der »Mechanik des Lebens«, wie er es in seinem Buch nannte. Seine Autobiographie zeigt auf, wie sein Interesse an den mechanischen Fertigkeiten schließlich mit der Sorge um ihre sozialen und philosophischen Begleiterscheinungen gekoppelt wurde. Er bewahrte ein intensives Interesse an der modernen Wissenschaft und war zum Beispiel von der Weltraumforschung fasziniert, aber es bestürzte ihn auch zunehmend, daß die Technologie für unbedeutende und zerstörerische Ziele eingesetzt wurde.

Insofern drückten Bacon zu Beginn des wissenschaftlichen Zeitalters und Lindbergh mehr als zwei Jahrhunderte später mit verschiedenen Worten ihre Sorgen um eines der zentralen Probleme der modernen Zivilisation aus. Wissenschaft und Technik versorgen uns mit den Mitteln, fast alles, was wir wollen, zu erzeugen; aber die Entwicklung der Mittel ohne lohnenswerte Ziele schafft bestenfalls ein trostloses Leben und führt schlimmstenfalls zur Tragödie. Einige der eindrucksvollsten Großtaten der wissenschaftlichen Technologie erinnern an Kapitän Ahabs Worte in Melvilles »Moby Dick«: »Alle meine Mittel sind vernünftig, meine Absichten und Ziele verrückt.«

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Wie ich schon oben darlegte, ist nicht die wissenschaftliche Technologie selbst der Dämon, sondern unsere Neigung, Mittel als Ziele anzusehen — eine Haltung, die von der Tatsache symbolisiert wird, daß wir den Erfolg am Bruttosozialprodukt und nicht an der Qualität des Lebens und der Umwelt messen.

Während man leicht darin übereinstimmen kann, daß das Ziel der Technik eher die Verbesserung der Qualität des Lebens und der Umwelt sein sollte als die bloße Anhäufung produzierter Dinge, ist es wahrscheinlich unmöglich, sich qualitative Veränderungen vorzustellen, die jedermann als wünschenswert betrachten würde. Der Begriff »wünschenswert« beinhaltet Werturteile, die sich weitgehend dem Bereich wissenschaftlicher Überprüfung entziehen, weil sie auf der Basis individueller Geschmacksvorstellungen und Vorurteile entstanden sind.

Gelehrte, die ich sehr bewundere, glauben zum Beispiel, daß wir die Wissenschaftsforschung im großen Umfang auf die Besiedlung des Weltraums ausrichten sollten. Viele amerikanische Wissenschaftler und Technologen haben die theoretischen und praktischen Vorzüge dieses Unternehmens beschrieben, und einer meiner französischen Bekannten, ein Humanist, erblickt darin das unabänderliche Bedürfnis nach einer kontinuierlichen Entwicklung der Zivilisation, denn alle früheren Zivilisationen seien durch die Begrenztheit unseres Planeten eingeschränkt gewesen.

Ich höre ihnen zu, bin interessiert, aber nicht überzeugt. Meiner Meinung nach können wir von Sternen und anderen Welten träumen; wir können uns auf Flirts mit ihnen einlassen, aber wir sind Teil der Erde und können nur überleben, wenn wir mit ihr verbunden bleiben — wie durch eine Nabelschnur. Die Menschen in einem Weltraumlabor, ob Amerikaner oder Russen, könnten nicht überleben, wenn sie wirklich der Raumatmosphäre ausgesetzt würden! Die jetzigen Raumschiffe und ihre Atmosphäre sind so entworfen, daß sie ein Leben und Aktivitäten ermöglichen, die den auf der Erde vorherrschenden ähnlich sind.

Wir könnten die Technologie bis zum Bau von Weltraumkolonien entwickeln, aber diese könnten nur dann für Menschen wirklich bewohnbar sein, wenn wir in ihnen eine

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physikalisch-chemische und biologische Umwelt herstellen könnten, die im wesentlichen der Erde entspricht.

Um als menschlicher Lebensraum geeignet zu sein, müßte eine Weltraumkolonie ein vollintegriertes Ökosystem sein — einschließlich der Organismen, die aus der Photosynthese der Pflanzen atembare Luft erzeugen, bis hin zu der Vielfalt der Mikroben, die organische Substanzen wiederverwerten. Meiner Meinung nach, die vielleicht auf vom Alter verkrusteten Vorurteilen beruht, ist die Schaffung eines solch komplizierten und selbsttragenden und für den Menschen geeigneten Ökosystems völlig unmöglich und macht deshalb die Besiedlung des Weltraums zu einem technologischen Ziel von fragwürdigem Wert. Dies jedoch mindert in keiner Weise die Wichtigkeit und den Nutzen der Weltraumfahrt.

 

Die Tatsache, daß alle Menschen dieselben grundlegenden Bedürfnisse und Verhaltensmuster besitzen, scheint darauf hinzudeuten, daß es a priori leicht wäre, Utopia auf der Erde zu errichten, das imstande wäre, universelles Glück zu gewährleisten, aber das ist unrealistisch.

Utopien sind totgeborene Kinder oder sterben bald, weil sich die Umweltbedingungen und die menschlichen Bestrebungen ewig verändern werden. Zudem unterstellt das eigentliche Utopia-Konzept, daß wir das meiste, was wir zum Glück brauchen, kennen — wobei doch feststeht, daß das Wort Glück für verschiedene Menschen völlig verschiedene Bedeutungen hat, selbst wenn sie gleichaltrig sind oder derselben sozialen Schicht angehören. Für die einen ist Glück das einsame Wandern in der unberührten Natur, für die anderen bedeutet es, inmitten der Menschenmenge den Silvesterabend in der Gegend des New Yorker Times Square zu verbringen. Einige Wertvorstellungen, die in die Formulierung technologischer Ziele eingingen, haben ihre Grundlage in den universalen Merkmalen der menschlichen Natur, andere hingegen sind genauso vielfältig wie die kulturellen Traditionen und Bestrebungen der verschiedenen Gruppen der Menschheit.

Da alle Menschen ihre genetische Konstitution von denselben entfernten Vorfahren erhalten haben und da gerade das Zwischenspiel mit den verschiedenen Merkmalen unseres Planeten unsere Zivilisation geformt hat, können wir nur

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menschlich bleiben, wenn wir uns Ziele setzen, die mit unserer biologischen und irdischen Geschichte vereinbar sind. Die Atmosphäre der Erde, die wir atmen, und die kulturelle Atmosphäre, in der wir uns bewegen, müssen mit unserer frühen Vergangenheit vereinbar sein. Glück und die Kunst des Lebens hängen in großem Maße von der Befriedigung uralter Bedürfnisse in einem modernen Kontext zusammen.

Obwohl die Kunst des Lebens auf viele verschiedene Weisen ausgedrückt worden ist, haben die meisten bestimmte Faktoren gemeinsam, die wahrscheinlich von den Merkmalen der Landschaft herrühren, aus der die Menschheit hervorgegangen ist — ein Land mit Hügeln und Tälern, Flüssen und Seen, einer Vielfalt von Tieren und Pflanzen, abwechselnden Regen- und Trockenzeiten und damit verbundenen Wachstums- und Ruheperioden der Vegetation. Seit Jahrtausenden inspirieren mannigfaltige Umgebungen dieser Art die Themen der Mythologie und unsere Vorstellungen vom Paradies auf Erden. Unzählige Geschichten und Bilder haben Weiden und Äcker dargestellt, auf denen Bauern arbeiten, Bäume, unter denen Schäferhunde grasende Tiere hüten, Haine mit Teichen oder Springbrunnen, an denen sich junge Menschen den Spielen der Liebe hingeben und Erwachsene meditieren oder philosophieren. Wir mögen vielleicht Beduinen oder Tuaregs in unserer Vorstellung mit weiten, baumlosen Sandflächen identifizieren, aber in ihrer eigenen Vorstellung sehnen sie sich wahrscheinlich häufig nach einer Oase.

Die größten Schwierigkeiten bei der Formulierung technologischer Zielsetzungen sind auf die Tatsache zurückzuführen, daß die menschlichen Invarianten in den vielen verschiedenen Formen ausgedrückt worden sind, die wir Zivilisation nennen. Namen wie Sumerer, Mesopotamien, Ägypten, Indien, China, Griechenland, Islam und Europa mit seinen vielen verschiedenen Gesichtern — vom frühen Mittelalter zur Renaissance, von der Aufklärung und dem Zeitalter der Technik — rufen die unzähligen Versuche in uns wach, wünschenswerte Lebensweisen zu schaffen, wobei jeder Versuch auch spezifische Ziele der Technologie der jeweiligen Zeit beinhaltete.

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Wie auch immer die Ziele der Technologie aussehen mögen — alle ziehen Energieverbrauch nach sich. Die Nutzbarmachung des Feuers vor ungefähr einer Million Jahren stellt den ersten technologischen Sprung der Menschheit dar, symbolisiert in der Prometheus-Legende. Das menschliche Leben ist schon so lange um das Feuer herum organisiert, daß die Flamme für alle Menschen eine tiefe und mystische Bedeutung hat. Aus Satellitenbildern von der Erde, die von ihrer dunklen Nachtseite aufgenommen wurden, geht hervor, daß das vorherrschende Merkmal unserer Zeit das Vorhandensein des Feuers ist. Selbst in Afrika glänzen ständig Lichtpunkte, die von Buschbränden, Städten oder Ölraffinerien herrühren.

Bis zur industriellen Revolution wurden alle Maschinen ausschließlich von Muskeln, Holz, Wind- oder Wasserkraft angetrieben, deren Energie letztlich von der Sonne herrührt. Sogar Kohle, Erdöl und Erdgas, von denen die Industrieländer so abhängig geworden sind, stammen indirekt von der Sonne, da sie auf die photosynthetischen Aktivitäten der Pflanzen in geologischen Zeitabschnitten zurückzuführen sind.

Mit Anbeginn der Zeit waren wir also Kinder der Sonne. Wie das italienische Sprichwort sagt: »Wir können nicht alle auf der Piazza leben, aber jeder kann die Sonne genießen.« Wenn es in den vergangenen Jahrhunderten Beschleunigungen in der Entwicklung des Wissens und in der Produktion materieller Güter gegeben hat, dann deshalb, weil wir Reserven der Solarenergie benutzt haben, die als Bäume, Kohle, Erdöl und Erdgas angehäuft sind. Alle Arten des Wissens und der Kunst sind Hymnen auf die Sonne, und sogar nachts, wenn der Mond am Himmel scheint, ist seine poetische Schönheit eine Reflexion der Sonne.

Der Abbau der Solarenergie, die in Form fossiler Brennstoffe gelagert ist, wird irgendwann ein Ende haben. Diese Erkenntnis trägt zu einem großen Teil zu unserer Sorge über die Zukunft bei, aber wir sollten uns mit der Tatsache trösten, daß viele Zivilisationen eine ungeheure Größe erlangt haben und Jahrhunderte oder gar Jahrtausende überdauert haben, lange bevor es die Ära der fossilen oder nuklearen

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Brennstoffe gab — ein Zeitalter, das wahrscheinlich in Zukunft in der Erinnerung als unbedeutende Episode des menschlichen Abenteuers erscheinen wird. Jetzt, da wir ein größeres Wissen besitzen, können wir viel weiter in der Erschaffung neuer Formen der Zivilisation gehen, indem wir die endlos erneuerbaren Formen der Energie, die von der Sonne herrühren, nutzen.

Solarenergie kann natürlich neben der Nutzung der Biomasse mit Hilfe vieler Verfahren gewonnen werden, aber Solartechnologien, die in großem Stil anwendbar sind, müssen erst noch in der Praxis entwickelt werden und dürften wahrscheinlich erst gegen Ende des nächsten Jahrhunderts die Bedürfnisse der Industriegesellschaften befriedigen. Fossile Brennstoffe und Kernreaktoren werden deshalb noch einige Jahrzehnte die Hauptenergiequellen bleiben. Angesichts der allseits bekannten Gefahren, die mit diesen Quellen verbunden sind, gibt es berechtigte Gründe zum Pessimismus bezüglich der langfristigen Zukunft technologischer Zivilisationen. Meiner Meinung nach sind die Aussichten jedoch hoffnungsvoll, wenn wir die Solarenergie aus einem futuristischen Blickwinkel heraus betrachten.

Selbst wenn man ihre Nutzung durch alle Vegetationsformen bedenkt, wird nur ein winziger Prozentsatz der Solarstrahlen, die von der Erde aufgefangen werden, für menschliche Zwecke und andere Lebensformen genutzt. Ich besitze nicht das erforderliche Wissen, um diese ungenutzte Solarenergie in eine brauchbare Form umzuwandeln, aber ich habe genug Vertrauen in den menschlichen Verstand, um zu glauben, daß man geeignete Wissenschaften und Technologien innerhalb der nächsten hundert Jahre entwickeln wird, damit wir vollständig unabhängig von den fossilen Brennstoffen werden.

Paradoxerweise sehe ich für die zukünftigen Jahrhunderte die größten Gefahren nicht im Mangel an Energie, sondern in ihrem übertriebenen Verbrauch, sei es für unser eigenes individuelles Leben oder für die Umgestaltung der Umwelt.

Ausgehend vom Verhalten unserer Art seit der industriellen Revolution (die korrekterweise die »Fossile Brennstoffrevolution« genannt werden sollte) ist zu befürchten, daß wir einige Faktoren der menschlichen Entwicklung hemmen und die Qualität der Erde verderben werden, indem wir uns der physischen und intellektuellen Faulheit hingeben, zu der wir uns dann verleiten lassen, wenn Energie im Überfluß vorhanden ist und wir sie gedankenlos verbrauchen können.

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Was auch immer der Ursprung und die Form der Energie sein mag, ihre übertriebene Nutzung ist immer gefährlich, wenn wir uns nicht genügend um die Folgen sorgen, jetzt und in ferner Zukunft. Insofern sie von menschlichen Handlungen beeinflußt werden, hängen unsere Lebensqualität und das Wohl der Erde nicht von technischen Schwierigkeiten oder inneren Kräften ab, sondern von unseren Wertvorstellungen.

Die ethischen Probleme, die mit der Anwendung wissenschaftlicher Technologien verbunden sind, wurden in einem Brief, den Charles Lindbergh schrieb, in scharfer Weise angesprochen:

»Der menschliche Verstand wird sich der Verwundbarkeit, die seine Macht begleitet, bewußt ... und daß er zur Vermeidung der Selbstzerstörung Kontrolle über sein angehäuftes Wissen ausüben muß ... Wir können bestimmte Prinzipien festsetzen, von denen eins heißt, daß der Mensch mehr Wert auf den menschlichen Lebensstrom als auf sich selbst als Individuum legen muß, daß seine Erlösung und Unsterblichkeit in ihm (dem Lebensstrom) und nicht im Menschen selbst liegt. Dies wird möglicherweise eine vernünftige Religion zur Folge haben, die in den intuitiven Religionen der Vergangenheit wurzelt.«

Die von Lindbergh aufgeworfene Frage benennt eine der schwersten Zwangslagen der Menschheit, vielleicht das allerletzte Dilemma, nämlich in welchem Verhältnis Individuum und Gemeinschaft bei der Bewältigung menschlicher Angelegenheiten stehen.

Es gab viele Gesellschaften, besonders in der Vergangenheit, bei denen die Gemeinschaft Vorrang gegenüber der Einzelperson hatte. Ein Navajo, Left Handed , hat um das Jahr 1880 herum in einem detaillierten Bericht über sein Leben zum Beispiel erzählt, daß er und sein Volk kaum persönliche Entscheidungsfreiräume hatten. Tatsächlich kam es bei den Navajos damals offensichtlich nicht vor, daß sie ein anderes Leben führten als das ihrer Väter.

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Aber wo immer sie hingingen, bewegten sie sich unter Verwandten und den Verwandten der Verwandten; sie lebten in einer Welt von Menschen, die durch Blutsbande, Stammesverbundenheit und gegenseitige Verpflichtung zusammengehalten wurde.

Ein ähnlicher Sinn für Gemeinschaft ist heute immer noch bei den Habanern lebendig, einem christlichen Volk, das aus Europa stammt und mittlerweile 230 kleine Kolonien in den Vereinigten Staaten und Kanada gegründet hat. In diesen Kolonien besteht das Ziel der Erziehung darin, daß sich der Erwachsene freiwillig dem Wohl und Willen der Gemeinschaft unterordnet. Infolge des rigiden Trainings und der Erziehung wagen nur wenige junge Leute, die Gemeinschaft zu verlassen, obwohl dieses Leben viel härtere Arbeit und eine sehr viel strengere religiöse Disziplin erfordert, als es in der normalen Gesellschaft, mit der die Habaner in direktem Kontakt stehen, erwartet wird.

Fast überall sonst hat jedoch die gesellschaftliche Evolution der Individualität eine ständig steigende Bedeutung gegeben und das Individuum damit zum alleingültigen Wertmaßstab erhoben.

»Der Mensch, der sich seiner selbst bewußt ist, ist künftig unabhängig ... Er alleine lebt... Einmal angepaßt, einmal machen, was andere Leute machen, weil sie es machen, und eine Lethargie schleicht sich in alle feineren Nerven und Bereiche der Seele ein.« Diese Worte von Virginia Woolf drücken wunderschön den reichen Wert der Individualität aus, aber sie warnen den Leser nicht davor, daß die extreme Betonung der Individualrechte große Gefahren für unser Überleben als Spezies heraufbeschwören kann. Mit den Worten des Psychologen Robert Coles: »Das Ich ist unser Führer, unser Maßstab — diese psychologischen >Bedürfnisse<, die wir erfahren, diese psychologischen >Gänge<, durch die wir reisen, diese >Emotionen<, die wir überheblich einander verkünden.«

Als Mitglieder der Ich-Generation versuchen viele zeitgenössische Leute jeden Alters einen Ersatz für die Langweiligkeit ihrer individuellen Probleme zu Finden. Der Satz »Der Staat bin ich«, der dem französischen König Ludwig XIV. zugeschrieben wird, mag seinerzeit einen gewissen politischen Sinn besessen haben, aber in unserem Privatleben wird eine entsprechende Haltung sicherlich zu Katastrophen führen, besonders dann, wenn Millionen von Menschen sie übernehmen.

Letztendlich könnte das Wohl der Menschheit von unserer Fähigkeit abhängen, das Äquivalent für die Stammeseinheit zu schaffen, die zu Beginn des menschlichen Abenteuers existierte, während wir die individuelle Vielfalt, die für die weitere Entwicklung der Zivilisation grundlegend ist, weiterhin hegen und pflegen. Wir sollten eine politische Vereinigung der Menschheit anstreben, wobei die globale Einheit nur dann lebensfähig ist, wenn sie mit der Pflege der Vielfalt und des Pluralismus unserer Gewohnheiten, Geschmacksrichtungen und Neigungen im Einklang steht.

Es herrschen nicht gerade die besten Zeiten, aber es gibt trotzdem keinen Grund zur Resignation.

Wir sind uns zwar unserer Bedeutungslosigkeit als Teile des Kosmos und als einzelne Mitglieder der Menschenfamilie bewußt, wir wissen aber, daß jeder von uns ein Persönlichkeitsbild entwickeln kann, das einzigartig ist und dennoch Teil der kosmischen und menschlichen Welt der Dinge bleibt.

Menschen waren und bleiben einzigartig schöpferisch, weil sie den Pessimismus der Intelligenz mit dem Optimismus des Willens zu vereinigen vermögen.

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Ende

 

 

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