Karen Duve

Warum die Sache
schiefgeht

 

Wie Egoisten, Hohlköpfe und
Psychopathen uns um die Zukunft bringen

 

2014 bei Galiani, Berlin

2016 bei Goldmann-TB

 

Audio 2015  Buchgespräch im DLF 

Karen Duve Warum die Sache schiefgeht  Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen 2014 190 Seiten

2014 

180 Seiten

wikipedia.Autorin 
*1961 in Hamburg

DNB.Buch 

qwant.Buch


detopia   D.htm 

Umweltbuch  


Wolfgang Herrndorf

Inge Klöpfer (Unterschicht) 

 

 

 

detopia-2019:

Die Autorin war eine Freundin von W. Herrndorf - und daher ist sie hier.

Ja, das ist ein "Weltuntergangsbuch" - so nennt es die Autorin im dlf-Gespräch.

Ich selbst kann nun nichts Besonderes daran finden, wenn jeder Romanschreiber nun auch noch 'sein eigenes Weltuntergangsbuch' in die Verlage drückt. Das kann nicht die Lösung sein. Aber gut: wenn nur wenigstens eine neue Idee im Buch aufgeschrieben werden will, dann muss es wohl so sein, wenn es keine andere Mitteilungsmöglichkeit gibt (und meistens-momentan-aktuell ist es ja so, dass dem Mitteilungsbedürfnis nur noch das Sachbuch bleibt).

Sagen wir's mal so zur Güte:

Ich fände es nützlich und gut, wenn alle zukünftigen Weltuntergangsbüchler vorher das lesen würden, was schon Jahrzehnte 'da ist' - und nicht jedesmal das Leihfahrrad neu erfinden.


 

aus der Verlagsmeldung

 

Ohne Frage: Wir stehen näher am globalen Kollaps als die meisten glauben. Schade nur, dass in Politik und Wirtschaft immer noch meist diejenigen das Sagen haben, die am allerwenigsten dazu geeignet sind. In Zeiten von Klimawandel, Artensterben, Atombomben, Überbevölkerung, mulitresistenten Keimen und unregulierten Finanzmärkten ist das eine Katastrophe.

Karen Duve haut auf den Tisch und zeigt, dass kurz vor zwölf endlich mal andere dran sein sollten. 

 


 KLAPPENTEXT
Solange der technische Fortschritt und das Bankenwesen bloß ein überschaubares Maß an destruktiven Möglichkeiten boten, war es ein überschaubares Problem. In Zeiten von Klimawandel, Artensterben, Atombomben, Überbevölkerung, multiresistenten Keimen und unregulierten Finanzmärkten ist es eine Katastrophe. Karen Duve haut auf den Tisch und ihrem Leser die Fakten um die Ohren, die nicht nur zeigen, wie viel mehr in der hunderttausendjährigen Menschheitsgeschichte drin gewesen wäre, sondern auch, dass kurz vor zwölf endlich mal die anderen dran sein sollten.

https://www.perlentaucher.de/buch/karen-duve/warum-die-sache-schiefgeht.html
Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.11.2014
Karen Duves wütender Brandrede "Warum die Sache schief geht" kann Rezensentin Ursula Scheer nun wirklich gar nichts abgewinnen. In bester Stammtisch-Manier donnere die Autorin hier gegen Politiker, Banker, Bauern und was sich sonst noch als Stereotyp anbiete, um Umwelt-, Wirtschafts- und sonstige Sünder zu benennen, berichtet die Kritikerin, die hier zwar eine Vielzahl von eindimensional betrachteten Feindbildern vorfindet, leider aber nur wenig sachliche Argumente. Geht auch gar nicht, meint Scheer, denn die Autorin hat sich ja nicht mit einem der von ihr Angeklagten unterhalten. Lieber verliere sie sich in "weltverschwörerischem Vulgärmanichäismus" und schimpfe auf rücksichtslose, gewissenlose und nahezu psychopathische Männer in Führungspositionen, schreibt die Kritikerin, die diesem Buch außer einer gehörigen Portion Fatalismus nicht viel entnommen hat.

https://www.book2look.com/book/9783869711003  Lesen bis S. 20

sicher auch bei amazon lesen möglich

https://www.sein.de/warum-die-sache-schiefgeht/  Lesebericht

 

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27.10.2014

Tagesspiegel

 

 

tagesspiegel - karen-duve-im-interview - chefs-sind-oft-psychopathen  

 

Das Gespräch

 führte Gunda Bartels

 

 

 

 

1) Frau Duve, vor drei Jahren erschien Ihre Fleischkonsum-Anklage <Anständig essen>, jetzt folgt mit <Warum die Sache schief geht> die Abrechnung mit den Entscheidern in Politik und Wirtschaft, die die drohende Klimakatastrophe ignorieren: Wollen Sie sich als zornige Moralistin der deutschen Publizistik etablieren? 

Ach, ich komme mir schon selber vor wie jemand, der mit Weltuntergangs-Pamphleten am Hauptbahnhof steht. Dabei hätte ich viel lieber an meinen nächsten Roman weitergeschrieben. Eine Science-Fiction-Geschichte, die 2030 in Hamburg-Lemsahl spielt, wo ich aufgewachsen bin. Dafür habe ich recherchiert, wie es dort in der Zukunft aussehen wird. Aber wenn man sich mit einem Thema beschäftigt, radikalisiert einen das schnell. Die Fakten waren einfach dermaßen brisant, dass ich sie in ein Sachbuch auslagern musste. Der kurze Zeitraum, den die Wissenschaftler für das Ende unserer Zivilisation voraussagen, hat mich erschreckt.

2) Kommt es durch eine Naturkatastrophen oder den ökonomischen Zusammenbruch?

Durch den Klimawandel. Ein Finanzcrash bringt die Leute nicht in großem Stil um. Klar, müssen auch deswegen Menschen sterben, aber es ist nicht das Ende der Menschheit. Das wird eine Naturkatastrophe sein, die ein wirtschaftlicher Zusammenbruch eher noch etwas herauszögert.

3) In Ihrer Polemik reden Sie davon, dass es unter Politikern und Konzernchefs überdurchschnittlich viele Psychopathen gibt: Wie definieren Sie das?

Ich meine die ganz konkrete neurobiologische Definition - das, was man im Kernspintomografen feststellen kann. Dort ist zu sehen, dass bei Psychopathen die Gehirnareale, die für Empathie, Schuldgefühle, Reue und eigene Ängste – also das Gewissen – zuständig sind, deutlich weniger aktiv sind.

4) Welche bekannten Persönlichkeiten passen in dieses Entscheider-Raster?

Ich werde den Teufel tun und jetzt sagen, der und der Politiker oder Wirtschaftsboss ist ein Psychopath. Aber als Künstler fällt mir Klaus Kinski ein. Bei dem liegt der Verdacht schon sehr nahe. Menschen wie ihn zählt man gerne unter „verrücktes Genie“. Die Leute fanden ihn toll, weil sie glaubten, der traut sich was in den Talkshows, der ist mutig und unangepasst.

Aber ein Psychopath braucht für ein solches Verhalten keinen Mut, weil er überhaupt kein Schamgefühl besitzt. Kinski musste sich aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht überwinden, der hat einfach anders funktioniert. Ein unangenehmer Typ, der mit seinen Pöbeleien durchkam und dafür auch noch bewundert wurde. Solche Leute, die sich unglaublich mies benehmen, gibt es auch in den Führungsetagen. Dort gelten sie als durchsetzungsfähig und kühn.

6) Trotzdem hat wohl kaum die Mehrheit der Chefs eine Hirndeformation. 

Natürlich nicht. Aber die Eigenschaften von Psychopathen entsprechen fatal den klassischen Unternehmertugenden. Deswegen gibt es in den Führungsetagen und in der Politik so viele davon. Problematisch sind aber bereits die sogenannten Normalen, solange die Kriterien, nach denen Chefs ausgewählt werden, immer noch Selbstbewusstsein, Durchsetzungsfähigkeit und Risikobereitschaft sind.

7) Eigenschaften, die Sie im Buch „Voraussetzung für eine Verbrecherlaufbahn“ nennen: Wollen Sie die Welt lieber von entscheidungsunfähigen Konsensgläubigen regieren lassen? 

Ja, das wäre mir lieber! (lacht) Natürlich ist Selbstbewusstsein eine gute Sache, auch Durchsetzungsfähigkeit, aber nur in Verbindung mit Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein.

Fallen Ihnen bei diesem Entscheider-Typus nur Männer oder auch Frauen ein? 

Sicher. Ich kenne auch Frauen in Führungspositionen, die genauso ticken. Deswegen haben sie es ja bis dahin geschafft. Unternehmen stellen keine Menschen ein, die tolle Ideen haben, wie sich weniger Kohlendioxid verbrauchen lässt, sondern Leute, die dem Unternehmen kurzfristige Gewinne bringen, Gewinne, die auf der nächsten Aktionärsversammlung richtig Eindruck machen.

Aber prozentual gesehen ist der psychopathische Typus meist männlichen Geschlechts? 

Das ist so. Und bei den normalen, bloß überdurchschnittlich risikobereiten, rücksichtslosen und selbstverliebten Chefs ist das ebenfalls so. Man wird einfach nicht so viele Frauen finden, die so funktionieren. Übrigens werden Chefpositionen nicht nur nach rationalen Kriterien besetzt. Das ist ja auch das Argument der Quotengegner, die genau das behaupten und dann befürchten, mit den Quoten- Frauen nicht mehr die angeblich rein rational ausgewählten besten Manager zu bekommen. Das ist Unfug. Männer besetzen Posten auch mit dem Kumpel vom Golfplatz. Und ich glaube tatsächlich, dass eine richtig große Frauenquote etwas in den Chefetagen verändern könnte.

Sie glauben wirklich, was Sie schreiben: „Frauen sind die besseren Menschen“? 

Ja. Und in Wirklichkeit wissen das auch alle. Wenn irgendwo ein Bushäuschen zerstört ist, dann geht jeder davon aus, dass das ein junger Mann gewesen ist. Die Zahlen sind international gleich: Rund 95 Prozent der Gefängnisinsassen sind Männer. Männer sind signifikant gewalttätiger. Wenn man der üblichen Definition folgen will, dass gut sein bedeutet, gesellschaftlich erwünschte Eigenschaften an den Tag zu legen und nicht das zu tun, was andere Leute schädigt, dann ist die Sache doch eigentlich klar.

Ist die Unterteilung in dominante, egomanische Männer und empathische, sozialverträgliche Frauen nicht finsterer Biologismus?

Das ist allerfinsterster Biologismus, andererseits ist es aber auch sehr unwahrscheinlich, dass die Biologie überhaupt keine Rolle spielt. Was dafür spricht, ist, dass in keiner, aber auch wirklich keiner Gesellschaft jemals alle wichtigen Posten von Frauen besetzt waren. Es lässt sich wohl kaum mit Zufall erklären, dass es überall und zu allen Zeiten fast immer nur Männer waren. Ich lege aber keinen gesteigerten Wert darauf, recht zu behalten. Es ist das, was die Neurologen sagen, aber natürlich könnte es auch an der Erziehung liegen statt am Ypsilon-Chromosom. Ich würde mich freuen, wenn mir jemand das Gegenteil belegt.

Sie kreiden den Führungskräften auch „Generationenimperialismus“ an. 

Natürlich. Früher hat man Kolonien ausgebeutet und bis heute leben die Bewohner der Industrienationen auf Kosten anderer Ländern. Und jetzt müssen eben auch noch die eigenen Kinder – selbst in den Industrienationen – daran glauben. Die unter 20-Jährigen sollen ihre Zukunft als Tribut an ihre Eltern und Großeltern abtreten, damit die so weitermachen können wie bisher. Führungskräfte sind ja meistens so um die 60 Jahre alt.

Dass die Idee unbegrenzten Wirtschaftswachstums angesichts begrenzter Ressourcen Wahnsinn ist, weiß jeder. Wie erklären Sie sich, dass das trotzdem fast kein Entscheider thematisiert oder gar danach handelt? 

Das ist die Schwachstelle in der Demokratie, dass die, die man wählen kann, eben auch wieder gewählt werden möchten. Da macht sich Verzicht predigen nicht gut. 
Und dann gibt es in der Bevölkerung die Vorstellung, dass einem das so lange gelebte gute Leben einfach zusteht, dass es möglich sein müsste, das Problem Klimawandel zu lösen, ohne am gewohnten Luxus zu kratzen.

Dass das unmöglich ist, versteht jeder. Die Fantasie eines Chefs müsste doch so weit reichen, zumindest das Überleben eigener Enkel sicherstellen zu wollen. 

Sollte man glauben. Aber da greift, dass die Leute, die in Führungsetagen sitzen, nicht besonders sozial funktionieren. Politiker und Manager haben 16-Stunden-Tage und sind abgekoppelt von der Gesellschaft, Freunden und Familie. 
Hinzu kommt, dass Menschen nicht das glauben, was logisch ist und der Faktenlage entspricht, sondern was sich gut anfühlt, wenn man es glaubt. 
Zudem: Wenn man aus dem Fenster schaut, dann sieht doch alles normal aus. Ich habe selbst bei den Recherchen oft gedacht, spinne ich jetzt oder ist das wirklich wahr? Den Weltuntergang zu denken – das kommt einem so übertrieben, so irreal vor. 
Aber die Klimaforscher und Sozialwissenschaftler gehen davon aus, dass er kommen wird. In Jahrzehnten, nicht Jahrhunderten.

Sie vertreten die biologistische Position, dass der Planet ohne uns besser dran ist. Wieso machen Sie sich dann die Mühe, zur Verhaltensänderung aufzurufen? 

Weil sich das so leicht sagen lässt, wenn man über die Menschheit schwadroniert, die den Globus wie eine böse Krätze überzieht. Aber wenn ich dann Besuch von meiner Freundin mit ihren zuckersüßen und echt netten Kindern bekomme, dann denke ich: Ich will denen das nicht zumuten. Lasst uns Zeit herausschinden, damit es wenigstens die noch nicht trifft.

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TAZ

19. 10. 2014

Buch über den globalen Kollaps 

Jeder weiß es, keinen interessiert's 

Karen Duve warf ihren neuen Roman ins Eck und schrieb ein Sachbuch über das bevorstehende Ende der Menschheit. 

Was ist los mit der Autorin?

Karen Duves Roman sollte im Jahr 2030 spielen. Sie recherchierte, war fassungslos – und schrieb ein Sachbuch über den Weltuntergang.

taz 5030776 

https://taz.de/Buch-ueber-den-globalen-Kollaps/!5030776/

 

Die Schriftstellerin Karen Duve war beim Schreiben eines neuen Romans, aber irgendwann ging es nicht mehr. Sie hörte mittendrin auf und schrieb ein Sachbuch über das bevorstehende Ende der Menschheit. Für sie ein „erfrischender Gedanke“, wie sie auf der letzten Seite schreibt. „Es kann doch eigentlich nur besser werden.“

An einem ordentlichen Herbstmorgen betritt Duve, 52, die Räume ihres Verlages in Berlin-Mitte. Blond, Brille, casual wear. Sie kommt von ihrem Bauernhof in Brandenburg und sagt, sie brauche erst mal eine Cola Light, um schneller denken zu können. Es ist aber keine da, und sie will auch keine Diva sein, worauf sofort jemand lostrabt.

Woher kommt der Antrieb dazu, ein Buch wie „Warum die Sache schiefgeht“ zu schreiben (Galiani Verlag, 192 Seiten, 12 Euro)? Damit steht man in ihrer Branche immer noch sehr allein. Der Klimawandel und seine Konsequenzen sind dem deutschen Feuilleton-Milieu fremd. In der ersten Jahreshälfte beschäftigte man sich intensiv mit dem Kriegsjahr 1914. Inzwischen ist man bei aktuellen Kriegen und dem IS. Diese Themen sind imminent, keine Frage, aber sie sind auch kulturell vertrauter. Mit dem globalen Kollaps will man nichts zu tun haben. Das sollen mal schön die Ökofuzzis verwursten.

„Ich will damit auch nichts zu tun haben“, ruft Duve. „Ich hätte viel lieber einen Roman geschrieben.“ Es ist nur so, dass der im Jahr 2030 spielen sollte, sie daher die entsprechende Zukunftswissenschaft recherchierte und irgendwann fassungslos war. „Ich kam nicht drumherum, man muss sich dieser Sache stellen.“

Was sie erschütterte, war nicht, dass die Zivilisation durch die sich gegenseitig dynamisierenden Klima-, Energie-, Flüchtlings- und Kriegskrisen zusammenbricht, sondern dass das jeder weiß, der es wissen will. Und es keinen interessiert, vor allem nicht die sogenannten Entscheider.

„Es gibt viel Geschrei um Renten, Finanzmärkte oder Goldpreise, man doktert an kleinen Symptomen herum und lässt das größte Problem der Menschheit völlig außen vor.“

Das ist doch sehr menschlich?

„Ja, aber fatal.“

Sie will nicht ein weiteres Mal den wissenschaftlichen Stand und die Konsequenzen des Nichthandelns auflisten. Sondern „erklären, warum wir das nicht auf die Reihe kriegen“.

Also:
Selbstverständlich sind auch die Politik, der Kapitalismus und der Mensch als Gattung schuld. Vor allem aber ist es eine kleine Kaste ehrgeiziger, machtbesessener und risikobereiter Männer – teilweise echte Psychopathen –, die seit Urzeiten die Weltläufe und die Ideologien bestimmt und die langfristigen Interessen der Menschheit für den kurzfristigen Vorteil ihres Unternehmens aufs Spiel setzt, und zwar in jeder Staatsform, wie man am realen Kapitalismus sehen kann und am realen Sozialismus sehen konnte.

Ihre Erkenntnis:
Entscheiderpositionen bedeuten qua Karrieredefinition die Loslösung von gelebten sozialen und familiären Werten. Frauen sind zwar sozialer als Männer, allerdings nicht in Führungspositionen, solange die Strukturen nur asoziale Karrierefrauen nach oben lassen. „Diese Art von Charakter darf nicht länger in Führungspositionen vorherrschen. Sonst endet das in einer Katastrophe“, sagt sie.

Die Lösung:
Die überwältigend große Mehrheit von Frauen und nicht psychopathischen Männern müsste die Clique der asozialen Leader in Wirtschaft und Politik und deren Leitwerte ablösen.

Ein Aufstand der unter Vierzigjährigen
Lösung zwei:
Es braucht ein neues 1968. Einen Aufstand der unter Vierzigjährigen. Die müssten endlich kapieren, dass die Älteren alles jetzt auffressen, weil sie in dreißig Jahren ja schön tot sind. Dass es nichts bringt, sich jetzt brav, gut ausgebildet und gut vernetzt Minioptionen offenhalten zu wollen, wenn die globalen Maxioptionen in den nächsten fünf bis zehn Jahren rapide zusammenschmelzen. „Junge Menschen, überall auf der Welt, haben ja wohl mehr als einen Grund aufzustehen“, sagt sie.

Es gibt selbstverständlich schon Leute, die raunen, Karen Duve habe sich da in einen Furor reingesteigert. Aber damit ist man schon wieder im gutbürgerlichen Gegenwartsdenken, nach dem eine radikale Haltung als Folge einer intensiven inhaltlichen Beschäftigung keine Tugend ist, sondern eine Krankheit. „Überzeugungstäter“ gelten ja bereits semantisch als Verbrecher.

Dieses Denken ist ihr bereits begegnet, denn sie sagt: „Ich muss da aufpassen, es ist nicht so einfach, das Problem zu formulieren, ohne dabei zu wirken wie jemand, der mit dem Wachturm in der Hand am Hauptbahnhof steht.“ So wirkt sie gar nicht, bloß sehr, sehr wach, und das bereits ohne Koffein. Es könne allerdings schon sein, dass sie einen Nachholbedarf habe.

„Ich war ja nie Linke.“ Sondern? „Ich habe eine ignorante Vergangenheit.“

Verstärkung der Selbstradikalisierung

Sie wächst in dem kleinbürgerlichen Hamburger Außenbezirk Lemsahl-Mellingstedt auf. Ist in der Schule Außenseiterin. Die Eltern wollen, dass sie Steuerinspektorin wird. Sie fällt durch die Prüfung und fährt Taxi. Der Durchbruch als Schriftstellerin kommt mit einem Roman übers Taxifahren. Zuletzt hat sie einen bemerkenswerten Erfolg mit dem autobiografischen Sachbuch „Anständig essen“. Darin untersucht sie die vielen Problematiken der Massentierhaltung und wird dadurch zur Vegetarierin.

Das Buch wird stärker wahrgenommen als ein erfolgreicher Roman, aber trotzdem essen die Leute immer noch genau so viel Massentier. Sozialpsychologen sagen, dass eine solche Erfahrung zur Verstärkung der Selbstradikalisierung führen kann. Also legt sie in dieser Logik jetzt noch eine Schippe drauf. Andererseits: Womit darf man sich gemein machen, wenn nicht mal mehr mit der Verhinderung des Endes des Menschheit?

Duves Buch ist in einigen Bereichen eine sehr zutreffende Analyse der Blockaden. Dass sie an ihre Lösungsüberlegungen nicht glaubt, macht sie am Ende auch klar. Das sagt sie auch im Gespräch.

Aber man müsse es versuchen. Die große Frage wirft sie indirekt auf: Was sind die entscheidenden Konflikte, die in derzeit unüblicher Radikalität ausgetragen werden müssen?

Sie geht davon aus, dass diese Konflikte „Böse“ gegen „Gute“ und Alte gegen Junge sind. (Sich selbst sortiert sie unter böse Alte ein.) Es gibt ja eine weltweite Klimabewegung der Jungen, und der ist auch klar, dass es harte Konfrontation braucht, aber wenn man, nur zum Beispiel, Kohlekraftwerke in Nordrhein-Westfalen abgeschaltet haben will, muss man die SPD konfrontieren. Ü-50er wie Hannelore Kraft, aber auch die Jungsozialdemokraten.

Und gut ist man nicht, man kann nur gut leben, also sozial, verantwortungsbewusst und nicht entfremdet. Es spricht viel dafür, und das führt sie auch aus, dass der Gute nur gut leben kann, wenn der Schlechte herrscht. Auf keinen Fall, wenn er selbst herrscht. Konkret: Wenn ich mich an Entscheiderstelle um die Zukunft meiner Kinder und aller anderen kümmere, verliere ich sie und alle anderen in der gelebten Gegenwart.

Die zweite Frage ist, wie man Menschen sensibilisiert. Die einzige Rettungsmöglichkeit sei, sagt Duve: „Verstehen, wer wir sind – und gegen unseren Instinkt agieren.“ Duve versucht das Verstehen mit hochmoralischem Ton zu befördern, von rhetorischen Fragen („Sind die Stürme noch nicht verheerend genug gewesen?“) über Ekel („Widerwärtig“) zu dem nicht ironisch, sondern larmoyant und ungerecht daherkommenden Ende, das eine Welt ohne Menschen als bessere Welt feiert.

„Wie soll das denn sonst angegangen werden?“, fragt sie.

Hochmoral ist was für die Kanzel oder den Grünen-Parteitag, dafür kriegt man ein Nicken, aber damit kriegt man niemand für die Veränderung begeistert.

Duve irritiert: „Ist begeistern der richtige Ausdruck, geht es nicht darum, die Leute stinkwütend zu machen?“

Sie ist stinkwütend, so viel steht fest.

 

 

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Karen Duve - Warum die Sache schiefgeht - Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um die Zukunft bringen - 2014