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3.  Vorprogrammierungen

 

 

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Warum verhalten wir uns so, wie wir uns verhalten, und nicht anders? Diese Grundfrage aller Verhaltens­forschung (Ethologie) kann nach Interessenlage des jeweiligen Fragestellers auf verschiedene Weise beantwortet werden. Den Physiologen interessiert die Funktionsweise der den Verhaltensleistungen zugrundeliegenden physiologischen »Maschinerie«. Auf diesem Gebiet kann auch ein Fundamentalist, der das Evolutionsgeschehen leugnet, ein guter Physiologe sein. 

Biologen sind jedoch darüber hinaus an Fragen der stammesgeschichtlichen Entwicklung interessiert. Sie wollen verstehen, welche Selektionsdrucke die Entwicklung eines Verhaltens oder einer bestimmten Art, wahrzunehmen, in Gang setzten, und stellen damit die Frage, welche Aufgaben eine Verhaltensleistung im Dienste der Überlebenstüchtigkeit erfüllt oder, anders ausgedrückt, worin ihre spezifische Angepaßtheit besteht. Eine Frage übrigens, die sowohl für uns angeborene als auch für individuell erlernte und kulturell tradierte Verhaltensleistungen gestellt werden kann. Alles, was wir tun oder unterlassen, geht ja letztlich in die Bilanz einer Kosten-Nutzen-Rechnung ein, nach der sich Angepaßtheit bewerten läßt.

Von grundsätzlichem Interesse ist ferner die Frage nach dem Anteil des Angeborenen im menschlichen Verhalten. Alle Wahrnehmung und alles Verhalten ist ja letzten Endes auf die Aktivität von neuronalen Netzwerken im menschlichen (bzw. tierischen) Gehirn zurückzuführen, die miteinander und mit den Sinnes- und Ausführungsorganen zu funktionellen Einheiten verbunden und auf bestimmte Signale so abgestimmt sind, daß angepaßtes Verhalten möglich wird.

Soweit herrscht Übereinstimmung. Umstritten war lange Zeit die Frage, ob die Integration der Nervenzellen zu höheren funktionellen Wirkungsgefügen und damit die Programmierung zu verläßlich abrufbarem Verhalten ausschließlich über assoziative Prozesse aufgrund von Erfahrungen während der Embryonal- und Jugendentwicklung erfolgen oder ob sie auch in einem Wachstumsprozeß aufgrund der im Erbgut vorgegebenen Entwicklungsanweisungen reifen können.

In den Verhaltenswissenschaften vom Menschen galt es bis in die sechziger Jahre als ausgemacht, daß uns Menschen außer einigen Reflexen des Neugeborenen nichts angeboren sei. Es hieß, wir kämen quasi als unbeschriebenes Blatt zur Welt und würden erst über Lernprozesse programmiert. Daß diese Ansicht sich in unserem Jahrhundert entgegen den schon frühen Befunden der Biologen in den pädagogisch ausgerichteten Humanwissenschaften wie der Soziologie und der behavioristischen Psychologie so hartnäckig hielt, hat mehrere Gründe. 

Zunächst haben milieutheoretische Lehren, die einzig auf die gestaltende Kraft der Umwelt setzen, einen starken positiven Anreiz. Menschen möchten frei entscheiden und wählen können. Und sie möchten ihre Kinder frei nach ihrem Ermessen erziehen können. Der Gedanke an Vorgaben, die etwa als stammesgeschichtlich entwickelte Verhaltensdispositionen die Modifikationsbreiten ihres Handelns einengen können, stört sie. Außerdem erlebt jeder Mensch subjektiv, aus sich heraus, etwas frei entscheiden zu können, dies zu tun und jenes zu unterlassen, auch wenn Ärger oder etwa Verliebtheit uns gelegentlich zu unvernünftigem Handeln verleiten.

Der Wunsch, den heranwachsenden Mitmenschen nach eigenem Dafürhalten erzieherisch gestalten zu können, hat aber auch seine bedenklichen Seiten, manifestiert sich in ihm doch zugleich ein Machtanspruch, der den heranzubildenden Menschen in der Vorstellung der Erzieher allzuleicht zu Wachs in deren Händen degradiert. 

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Wenn jemand behaupten kann, daß uns Menschen außer einigen elementaren Reflexen des Neugeborenen nichts angeboren sei, dann kann man sich das auf Überzeugung begründete Recht herausnehmen, zu bestimmen, was als gut und erstrebenswert zu gelten habe, und danach die Normen zu setzen. Das verleiht politischen Führungen ungeheure Macht, und diese korrumpiert nicht selten. So kommt es, daß die Wirklichkeit oft gegen besseres Wissen schlichtweg ausgeblendet wird, wenn sie Grenzen der Belastbarkeit aufzeigt, die der Verwirklichung einer Utopie im Weg zu stehen scheinen.

In diesem Zusammenhang hört man dann oft auch, daß der Hinweis auf das Angeborene einem Fatalismus Vorschub leiste, denn gegen Angeborenes sei bekanntlich nichts zu machen. Ich habe darauf so oft geantwortet, daß ich mich hier nur ungern wiederhole. Grundsätzlich betrachten wir — ich muß es noch einmal sagen — den Menschen als Kulturwesen von Natur. Der Mensch kultiviert alle Lebensbereiche und legt sich damit Zügel an. Das erlaubt es ihm, sich an die verschiedensten Lebensbedingungen anzupassen. Nun engen Zügel sicher ein, aber dadurch, daß wir sie uns anlegen, erwerben wir Selbstkontrolle und damit Freiheiten auf einer höheren Ebene. Zügellosigkeit führt allzuleicht in die Irre und zu Zeit und Energie verbrauchenden Reibereien.

Die erzieherische Kultivierung unseres Verhaltens setzt ein Wissen um das voraus, was es zu zivilisieren gilt. Außer unseren prosozialen Anlagen, auf die sich viele unserer Hoffnungen begründen, steckt in unserem stammesgeschichtlichen Erbe auch höchst Problematisches, das sich, wenn unerkannt, in bestimmten Situationen als Stolperstrick erweisen kann.

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Da um den Begriff »angeboren« auch heute noch unklare Vorstellungen herrschen, möchte ich dazu an dieser Stelle ein paar Worte sagen. Man hört immer wieder, das Erbe spiele zwar sicherlich auch bei der Ausdifferenzierung von Wahrnehmung und Verhalten eine große Rolle, aber man könne die Anteile von Erbe und Umwelt nie auseinanderhalten, da ja eine Umwelt in allen Phasen der Entwicklung auf einen Organismus einwirke. Selbst wenn man ihn isoliert aufziehe, könne er Erfahrungen sammeln, daher sei auch die Aufzucht unter Erfahrungsentzug, die Ethologen bei Tieren zum Nachweis des »Angeborenen« führen, nicht beweisend.

Darauf ist zu antworten, daß ein Verhalten ebenso wie spezifische Wahrnehmungsleistungen als Anpassungen eignungsrelevante Facetten der Umwelt oder soziale Modelle kopieren. Ich kann daher im Versuch nach der Herkunft spezifischer Angepaßtheit forschen. Ich kann zum Beispiel eine Ästchen mimende Spannerraupe vom Ei an fern von Zweigen aufziehen. Mimt sie dennoch in Körperbau und Verhalten Ästchen, indem sie Zweige, auf denen sie gut getarnt erscheint, aufsucht und bei Gefahr sich wie ein Ästchen vom Zweig abspreizt, dann ist erwiesen, daß auf dieser Ebene der Passung die entscheidende Information stammesgeschichtlich über Mutation und Selektion erworben und genetisch kodifiziert wurde.

Ähnliches würde für den Fall gelten, daß ein vom Ei an isoliert aufgezogener Vogel beim Eintreten der Geschlechtsreife wie seine gleichgeschlechtlichen Artgenossen zu singen und zu balzen beginnt, denn auch in diesem Fall kann das Tier die Information, das spezifische Gesangsmuster betreffend, nicht während seiner Entwicklung erworben haben. Sollte sich etwa, was höchst unwahrscheinlich ist, herausstellen, daß die Koordination der Atembewegungen — eine Voraussetzung für das Singen — in der Jugendentwicklung gelernt wird, dann würde das an der Aussage der stammesgeschichtlichen Angepaßtheit auf der Ebene des Singens nichts ändern.

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Mittlerweile hat die biologische Forschung gezeigt, daß ein Nervensystem durchaus in der Lage ist, sich selbst zu »verdrahten«. Wir wissen durch die Untersuchungen von Roger Sperry (1971) und seinen Nachfolgern (siehe dazu Eibl-Eibesfeldt 1987), daß die auswachsenden Nerven auf ihre Endorgane chemisch abgestimmt sind und diese gewissermaßen erschnüffeln. Die wegweisende Entdeckung gelang Sperry, als er einem Froschembryo ein Stück Rückenhaut in die Bauchregion verpflanzte. Dort blieb es auch nach der Verwandlung durch eine dunklere Pigmentierung gut erkennbar. Kitzelte er den herangewachsenen Frosch später an diesem Stück in die Bauchregion verpflanzter Rückenhaut, dann kratzte sich der Frosch am Rücken. Die normalerweise die Rückenhaut innervierenden Nervenfasern hatten also das ihnen zugeordnete Stück Rückenhaut in der Bauchregion »erschnüffelt« und gefunden. Mittlerweile hat man herausgefunden, daß von den auswachsenden Nervenkegeln fadenartige Moleküle ausgehen, die selektive Affinitäten zeigen und den Nerv in eine bestimmte Richtung ziehen (Goodman und Bastiani 1984).

Auch an der Tatsache der partiellen Vorprogrammiertheit menschlichen Verhaltens durch stammesgeschicht­liche Anpassungen besteht heute kein grundsätzlicher Zweifel mehr. Schon früh wiesen die Gestaltpsychologen auf elementare Prozesse der Wahrnehmung hin, die deshalb interessant sind, weil sie erkennen lassen, daß sie Hypothesen über die uns umgebende Welt beinhalten. Das führt dazu, daß wir im Experiment eine Wahrnehmung oft fehlinterpretieren. So vermeinen wir in einer mondhellen Nacht den Mond gegen die Wolken ziehen zu sehen, weil unser Wahrnehmungsapparat von der Annahme ausgeht, daß es immer Objekte sind, die sich in einer im übrigen feststehenden Umwelt bewegen. Man kennt viele visuelle Illusionen dieser Art, und solche »Vorurteile« erweisen sich gegen besseres Wissen als ziemlich resistent.

Wir wissen ferner um die Existenz neuronaler Netzwerke, die eng auf ganz bestimmte Wahrnehmungs­leistungen spezialisiert sind, wie zum Beispiel auf das Erkennen von Gesichtern. Die darauf spezialisierten Neuronenpopulationen im temporalen Kortex sprechen beim Menschen und beim Rhesusaffen selektiv auf einfache Gesichtsattrappen an, nicht aber auf die Abbildung einer Hand oder eine unregelmäßige Anordnung von Gesichtselementen, die vordem als Gesicht starke Reaktionen auslösten (Abb. 7).

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Neugeborene reagieren auf einfache Gesichtsattrappen aus zwei Augenflecken und einem in der Mitte darunter befindlichen runden Fleck, die von einer Linie als Gesicht abgegrenzt sind (Abb. 8), mit aufmerksamem, anhaltendem Betrachten. Der Mundfleck muß sich jedoch unter den Augen befinden. Die gleiche Attrappe um 180° gedreht, daneben geboten, erfährt signifikant weniger Zuwendung.

Zu diesen offenbar auf ein angeborenes elementares Gesichtserkennen spezialisierten Neuronenpopulationen kommen beim Menschen noch solche, die darauf spezialisiert sind, sich durch Lernen persönliche Merkmale eines Gesichts einzuprägen. Wird diese Region zerstört, dann erkennen die betroffenen Personen zwar noch Gesichter, sie können diese aber nicht mehr einer bestimmten Person zuordnen und erkennen dann selbst nächste Angehörige nicht. Sobald die Person spricht, wird sie erkannt. Das Phänomen ist als Prosopagnosie bekannt.

In beiden Fällen liegen Referenzmuster vor, in denen gewissermaßen als Erwartung ein Wissen vorgegeben ist, gegen das einkommende Meldungen verglichen werden. Im ersten Fall handelt es sich um ein ganz allgemeines Gesichtsschema, das uns angeboren ist und das wohl auch älteres Erbe ist, da wir es ja bereits bei nichtmenschlichen Primaten vorfinden. Die Referenzmuster für das persönliche Erkennen von Gesichtern werden offensichtlich über Lernen programmiert. Als stammesgeschichtliche Anpassungen liegen aber eigens dafür abgestellte Hirnregionen bereit.

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Abb. 7   Antworten einzelner Nervenzellen aus dem temporalen Kortex eines Rhesusaffen. Unter den visuellen Reizmustern sind die neuronalen Antworten angegeben. Jeder Strich entspricht einem Nervenimpuls. Die Spezifität der Antworten auf Gesichtsreize ist bemerkenswert. Affengesichter und Menschengesichter mit Augen lösen die stärksten Antworten aus. Fehlen die Augen, dann sinken die Antworten dramatisch ab. Ein durcheinandergemischtes Affengesicht erhält kaum Antworten, ebensowenig eine Hand oder ein Arrangement unregelmäßiger Striche, wohl dagegen ein stark schematisiertes Gesicht. - Nach G. G. Gross et al. (1981).

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Abb. 8   Die den Neugeborenen gebotenen Gesichtsattrappen. Die um 180° gedrehte Gesichtsattrappe, bei der der Mundfleck über den Augen lag, fand bei den Neugeborenen, gemessen an der Fixierzeit, viel weniger Beachtung. - Aus E. Valenza et al. (1996).

Wir haben also uns angeborene von erworbenen Referenzmustern zu unterscheiden. Erstere nannte Konrad Lorenz (1935) angeborene Schemata. Man spricht auch von Leitbildern und Sollmustern. Im Englischen hat sich der Begriff template eingebürgert, der dem Lorenzschen Schema entspricht. Referenzmuster dieser Art sind oft so beschaffen, daß sie beim Eintreffen der Reize oder Reizkonfigurationen, auf die sie abgestimmt sind, ganz bestimmte Verhaltensweisen als Antworten freigeben. In diesen Fällen spricht man von angeborenen auslösenden Mechanismen.

Solche angeborenen Auslösemechanismen gibt es nicht nur für die visuelle Wahrnehmung, sondern auch für die geruchliche und akustische. Spielt man Säuglingen Tonbänder mit Lautäußerungen gleicher Lautstärke, aber verschiedener Qualität vor, unter anderem auch Weinen, löst nur das Weinen Mitweinen aus.

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Abb. 9 Teddybären: links aus den Anfangsjahren der Produktion (Firma Steiff 1905/06) und rechts in seiner weiteren Entwicklung zum Kuscheltier. Die Gliedmaßen wurden verkürzt, Kopf und Rumpf runder, und auch das Gesicht glich sich mehr dem Babyschema an. - Aus Chr. Sütterlin (1993).  

Allgemein bekannt dürfte mittlerweile das von Konrad Lorenz entdeckte Babyschema (Kindchenschema) sein. Säuglinge zeichnen sich durch eine Reihe von Merkmalen aus, die wir »herzig« finden. So haben Säuglinge einen relativ großen Kopf im Verhältnis zu einem kleinen Rumpf und kurzen Extremitäten. Fettpolsterung bewirkt rundliche Formen. Das Gesicht ist durch eine vorgewölbte Stirn, einen relativ zierlichen, kleinen Gesichtsschädel und durch Pausbacken charakterisiert. Die Attrappenversuche der Puppen- und Werbeindustrie lehren, daß man jedes dieser Merkmale einzeln bieten und dabei stark übertreiben kann, um für die verschiedensten Zwecke niedlich und damit freundlich stimmende Objekte zu schaffen. Die Entwicklung der Teddybären zeigt, daß der Kopf im Laufe der Zeit immer größer, Rumpf und Extremitäten dagegen immer kleiner wurden. Die Teddys wurden so immer niedlicher (Abb. 9). Der Kulturenvergleich lehrt, daß es sich beim Kindchenschema um eine Universalie handeln dürfte.

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Auch unsere ästhetische Bewertung der nichtmenschlichen Umwelt ist durch uns angeborene Leitbilder mitbestimmt. So fällt auf, daß Parkanlagen in aller Welt sich durch vereinzelte kleinere Baumgruppen und freie Wiesenflächen mit Kleingewässern auszeichnen und damit an die Savanne erinnern, in der sich die Menschwerdung vollzogen hat. Außerdem zeichnet uns eine ausgesprochene Vorliebe für Pflanzen, eine Phytophilie, aus, die sich bei naturfern lebenden Stadtbewohnern unter anderem darin ausdrückt, daß sie Ersatznatur in Form von Topfpflanzen in ihr Heim tragen. Es handelt sich wohl um archetypische Prägungen auf Merkmale eines Lebensraumes, der uns gute Existenzbedingungen verspricht. Wo Pflanzen gedeihen, haben auch wir Menschen Aussicht, genügend Nahrung zum Überleben zu finden. Mehrere Untersuchungen zeigten, daß es zu unserem Wohlbefinden beiträgt, wenn unser ästhetisches Bedürfnis nach Grün erfüllt ist. So fördert der »Ausblick auf Natur« den Heilerfolg von Patienten. 

In einem von Roger Ulrich (1984) zitierten Beispiel waren sechs nebeneinander liegende Zimmer mit Patienten belegt, die sich einer Gallenoperation unterzogen hatten. Der Heilerfolg in drei Zimmern, die Ausblick auf belaubte Bäume hatten, war deutlich besser als in den anderen, deren Ausblick durch ein Gebäude verstellt war: Die Aufenthaltsdauer in den Zimmern mit »Naturblick« war kürzer. Es gab außerdem weniger Komplikationen, und es wurden weniger Medikamente verbraucht. Das ist ein klarer Nachweis für die gesundheitsfördernde Auswirkung ästhetischer Umwelteindrücke.

Untersuchungen mit Hilfe von computergenerierten Bildern zeigten, daß Kinder vor der Pubertät Savannen­habitate vor anderen bevorzugen. Nach der Pubertät jedoch ziehen sie Landschaftsbilder vor, die ihrer Heimat entsprechen (Synek 1997). Wir kommen hierauf noch zu sprechen, wollen aber bereits an dieser Stelle darauf hinweisen, daß auch das Lernen durch uns angeborene Lerndispositionen so ausgerichtet ist, daß wir im allgemeinen das lernen, was unserem Überleben nützt.

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Das gilt zunächst einmal für unsere Begabung, eine Sprache zu lernen, wofür wir über eigene, darauf spezialisierte Hirnstrukturen verfügen. Wichtig für unsere Betrachtungen ist ferner eine von Konrad Lorenz entdeckte und als Prägung beschriebene Form des Lernens. Lorenz beobachtete, daß frischgeschlüpfte Gänseküken offenbar über keine angeborene Kenntnis ihrer Eltern verfügen. Sie laufen auf jedes Objekt zu, das rhythmische Locklaute äußert, und folgen ihm, wenn es sich fortbewegt, gleich, ob es sich um eine Kiste, einen Ball oder einen Menschen handelt. Sind sie einem solchen Objekt oder einem Menschen einmal gefolgt, dann bleiben sie dabei. 

Weitere Untersuchungen zeigten, daß solche Prägungen sich durch eine sensible Periode auszeichnen und daß sie, wenn einmal erfolgt, irreversibel sind. Elisabeth Wallhäuser und Henning Scheich (1987) fanden dafür eine Erklärung. Sie prägten die Folgereaktion von Hühnerküken auf reine Töne und stellten als Folge an den die akustischen Signale verarbeitenden Neuronen bemerkenswerte Veränderungen fest: Vor der Prägung hatten die zuführenden Äste dieser Nervenzellen viele vorbereitete Kontaktstellen mit anderen Nervenzellen. Nach der Prägung erwiesen sich die meisten dieser Kontaktstellen als eingeschmolzen und die Nervenzellen damit auf eine ganz bestimmte Reizqualität abgestimmt.

Stammesgeschichtliche Anpassungen bestimmen aber nicht nur unsere Fähigkeit, wahrzunehmen, zu erkennen und zu lernen, sondern auch — über besondere motivierende Systeme — unsere Gestimmtheiten, Gefühlsregungen und Sinnesempfindungen. Ihnen sind ferner oft ganz bestimmte uns angeborene Bewegungsfolgen zugeordnet, die vielfach Signalcharakter haben. Bereits Neugeborene reagieren zum Beispiel auf sauer, bitter und süß mit ganz typischen mimischen Ausdrucksbewegungen, die erkennen lassen, wie ihnen etwas schmeckt. Selbst großhirnlos geborene Kinder zeigen diese Ausdrücke (Steiner 1979).

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Ärger, Freude und Kummer drücken sich ferner in der Mimik der verschiedensten Völker auf die gleiche Weise aus, und das Studium von taub und blind geborenen Kindern lehrt, daß diese lachen, weinen und lächeln wie sehende und hörende Kinder, obgleich sie in ewiger Nacht und Stille heranwuchsen und daher keine Möglichkeiten hatten, von sozialen Vorbildern zu lernen. Kulturenvergleichende Untersuchungen haben in den letzten drei Jahrzehnten eine Fülle von Universalien im menschlichen Verhalten nachgewiesen. So stimmen viele Gesichtsausdrücke bis in Einzelheiten des Bewegungsablaufes über die Kulturen hinweg überein. Der »Augengruß«, ein schnelles Heben der Augen für etwa 1/6 Sekunde und meist von einem Lächeln begleitet, ist ein Beispiel dafür. 

Es gibt ferner Prinzipähnlichkeiten im Verhalten. Einander begrüßende Personen kombinieren oft Verhaltensweisen imponierender Selbstdarstellung mit befriedenden Appellen. Wie das allerdings geschieht, wechselt. Es kann sich um feste Rituale handeln, so wenn ein Staatsgast durch das salutierende Militär und ein Blumen überreichendes Mädchen begrüßt wird. Aber auch alltägliche Grußformeln und ein fester Händedruck können das ausdrücken.

Wie man imponiert und besänftigt, wechselt jeweils, aber die Antithese von Selbstdarstellung und Besänftigung ist in bestimmten Grußsituationen über die Kulturen hinweg zu beobachten. Es gibt vergleichbare elementare Interaktionsstrategien der Aggressionsabblockung, des Bittens, Werbens und anderes mehr, die ebenfalls bei oberflächlicher Betrachtung recht verschieden aussehen können, die aber bei genauerer Betrachtung erkennen lassen, daß es sich um nach gleichen universalen Regeln strukturierte Abläufe handelt. Das weist auf ein universales Regelsystem hin, eine Grammatik sozialen Verhaltens, die zu den menschlichen Universalien zählt. Darüber schreibe ich ausführlich in meiner Biologie des menschlichen Verhaltens.

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