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9. Die Herrschaft des großen Nicht-Ich

 

 

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Solovjoff  läßt seinen «kommenden Mann» ein aufsehenerregendes Theoriebuch schreiben: «Der offene Weg zum Weltfrieden und Wohlstand». Die erste Hälfte dieser «Theorie» ist im Lauf des 20. Jahrhunderts bereits geschrieben und praktiziert worden. Die Grundthesen darin lauten: 

Die dritte, die These «in Klammern», wird nie ausdrücklich aufgestellt, man handelt nur ihr gemäß, und sie ist in den beiden ersten implicite enthalten. Alle drei aber sind unwahr. Bereits die erste ist unwahr. Denn sie gälte nur in folgender Verengung: «Wenn alle satt sind, werden sie für kurze Zeit Frieden halten.» So lange nämlich, bis ihnen etwas eingefallen ist, was sie nun weiter tun wollen. Gerade die Satten verfallen auf überschüssige Gedanken.

Es gab schon früher Menschen, für die der Nahrungserwerb kein Problem mehr war. Zum Beispiel Fürsten und große Herren des Mittelalters, die beständig miteinander in Streit lagen und Krieg führten, eben weil sie satt waren. Wenn «alle» lange genug satt gewesen sein werden, so werden sie alle untereinander in Streit liegen, alle gegen alle.

Aber für eine kurze Zeit, die soeben zu Ende geht, hat die These vom «friedlichen Sattsein» überzeugt und gewirkt. Noch lassen sich die jugendlichen Verneiner der Sattheitsfriedens-These als Sonderlinge, Nonkonformisten und dergleichen abtun. 

* (d-2012)  Der Autor JWE meint hier wohl erneut "Der Antichrist" von 1899. 


Die zweite These, die von der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur-Umwelt und aller wertvollen Materien, läßt bereits heute ihren Pferdefuß sehen, denn es hat sich herumgesprochen, daß unsere irdische Umwelt weder so reich noch so unverletzlich ist, daß sie die Rücksichtslosigkeit vertrüge. Die Konsequenzen dieser Rücksichtslosigkeit gegenüber den Umständen, die uns leben lassen, hängen heute als Damoklesschwerter über uns.

Bewußtsein gibt es gleichwohl nur von einem dieser drohenden Verhängnisse — von dem gröbsten derselben, der unmittelbaren Vergiftung von Nahrung, Boden, Wasser, Luft. Es gibt daneben zahlreiche andere Drohungen, die sich fühlen lassen werden. Zum Beispiel die kommenden Auswirkungen der seit einigen Jahrzehnten geübten Brutalisierung der Haustiere, durch «künstliche Befruchtung», das heißt, widernatürlich Übertragung des tierischen Sperma auf das tierische Ovum, ohne daß das Tier sich mit seiner Freude am Generationsvorgang beteiligen darf. 

Ein Beispiel. Ein Freund des Verfassers wohnte neben einer Truthühnerfarm. Das war kein Vergnügen, denn diese Tiere schreien natürlicherweise laut und viel. Nun wurde die wider­natürliche Befruchtung eingeführt. Seither verstummten die Tiere und schleichen traurig hin und her. «Keine Tierquälerei», behauptet man.

Diese Menschen-Rohheit an den Tieren wird zu «Reaktionen der Art» führen. «Die Art» wird die Lebens-Freude verlieren und nicht länger in der Mühsal dieser Erde zu existieren begehren. Das bedeutet, daß die sämtlichen Nutztiere sukzessive aussterben werden. Es wird sich bereits in greifbarer Zeit vollziehen, denn die Brutalisierung durch die unnatürlichen Eingriffe in die Generations­organe ist dermaßen roh und für das Tier beleidigend, daß die Art es sich nicht lange bieten lassen kann und reagieren muß.

Glaubt man, das Tier hätte kein Ehrgefühl? Hat man nie einen Hund sich schämen sehen, wenn er eine Niederlage erlitt?  

Konsequenz wird sein, daß insbesondere die Tiere, die der Fleischnahrung dienen, in greifbar-naher Zukunft in Unfruchtbarkeit übergehen und dadurch aussterben werden. Wenn dieser Prozeß der Unfruchtbarwerdung bei bestimmten Tieren einmal eingeleitet sein wird, wird er bereits irreversibel sein. Denn er ist Reaktion der Art, die, sobald sie einmal eintrat, durch nichts mehr zu beeinflussen ist. Es wird sein, was man nennt: «Die Natur rächt sich.»

Ähnliche Reaktionen drohen in der Welt der Nutzpflanzen. Hier liegen die Verhältnisse besonders schwierig, weil die den Pflanzen zugefügten Mißhandlungen nicht so offensichtlich sind wie die den Tieren zugefügten. 

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Das materialistische Denken kann allenfalls verstehen, daß gewisse Chemikalien auch für die Nutzpflanze als Gift wirken. Daß aber die gesamte mineralische Düngung auf die Länge eine Mißhandlung der Pflanzen ist und Reaktion der Art hervorruft, Degeneration, Schwächung der Widerstandskraft gegen Schädlinge, Absterben der Art — diese Wahrheit ist dem materialistischen Denken schlichtweg unvollziehbar. Um so gefährlicher für die Zukunft der pflanzlichen Nahrung der Menschheit. Um so gefährlicher auch dadurch, daß die Pflanzen äußerlich resistenter erscheinen, da sie unter den Chemieeinflüssen zunächst oft ein Scheingedeihen entwickeln. Die Absterbereaktion der Haupt-Arten kommt bei den Nutzpflanzen später als bei den Nutztieren, aber sie wird kommen.

Bei den Pflanzen ist die Lage insofern komplizierter, als die Unterarten der Pflanzen selbständiger reagieren als die Unterarten der Nutztiere. Mit anderen Worten, die Gefahr, daß z.B. alle Rinder aussterben, kommt früher als z.B. die, daß aller Weizen verschwindet. Anderseits sind bei den Pflanzen die Sorten relativ hinfälliger. Bekanntlich gedeihen heute z.B. eine Anzahl von guten Getreide-Sorten nicht mehr, die vor 100 Jahren gang und gäbe waren.

Ehe die endgültige Reaktion der Art eintritt, also ehe die Art stirbt, reagiert sie zunächst mit Qualitäts-Einbuße der Nahrung, die wir dem Pflanzen- und Tierreich entnehmen. Die Nahrungsqualität kann man nicht messen. Das einzige reaktive Organ dafür ist des Menschen Gesundheit, in Jahrzehnten gemessen. Die gläubige und gehorsame Menschheit erleidet die Qualitäts­verschlechterung der Nahrung nur indirekt, darum bemerkt sie sie nicht. 

Der eigentliche Maßstab ist der beständig anschwellende Betrag an Heilkosten, den «fortgeschrittene» Nationen aufbringen müssen, denn dieser Betrag ist zu einem großen Teile eine Quittung für die Landwirtschafts-Chemie. Zu einem anderen Teil allerdings Quittung für die medizinische. Und für die direkte Umwelt­vergiftung, z.B. das Blei im Benzin und dergleichen.

Wer unter Bauern lebt, erfährt, daß diese allenthalben die künstlichen Düngemittel und die Spritzgifte nur für ihre Verkaufs- und Exportprodukte verwenden, nicht für ihren Eigenbedarf. Aus guten Gründen. Sie sind ja auch die nächsten, die es sehen, was für harte Gifte die chemische Industrie zur Anwendung bringt und empfiehlt.

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Hinzu kommen drittens auch die reaktiven Naturkatastrophen der elementarischen Umwelt, von denen bereits die Rede war. Piccard hat vor einigen Jahren festgestellt, daß ein geradezu riesiger Prozentsatz der ozeanischen Fischwelt teils enorm reduziert, teils ausgestorben ist, als Folge der ungeheuren Mengen von giftigen Ölrückständen aus der Schiffahrt und der Industriegift-Einspülung durch die Flüsse. Vom Mittelmeer heißt es, es werde in relativ kurzer Zeit ein «totes Meer» sein. Die Luft wird durch fortwährendes Giftausblasen belastet. Bisher noch vermochte die Atmosphäre ihre Regenerationskraft zu erhalten. Doch besteht eine permanente Durchsetzung mit feinverteiltem, hochgiftigem Blei aus den Abgasen der Autos, das allgegenwärtig ist und vom Wind bis nach Grönland geweht wird, wo man es im ewigen Schnee abgelagert wiederfand. Lagerte es sich sogar in Grönland ab, so lagert es überall!

Die elementarische Natur besitzt, wie jeder weiß, ein konservatives und ein regeneratives Vermögen, um alle Einwirkungen durch Gegenwirkungen auszugleichen und Gleichgewicht zu erhalten oder wiederherzustellen. Bisher noch befinden sich die Schädigungs-Einwirkungen in solchen Grenzen, daß die regenerativen Kräfte noch nicht überwältigt sind. Die elementarische Natur entwickelt gewissermaßen Langmut, langen Atem. Dies führt zu zweierlei Fehlbeurteilung. Die einen meinen, die Ausbeutung der Umwelt dürfe ruhig noch immer weitergetrieben und sogar immer gesteigert werden, es sei alles nicht so schlimm. Die ändern aber meinen, das Maß sei nun bald voll, und die Folge werde ein ebenso langmütig-wehrloses Absterben der Natur sein, wie es bisher ein stummes Ertragen war. 

Beiden Beurteilungen stehen Überraschungen bevor. — Die Wieder­herstellungs­tendenz in der elementarischen Natur ist nicht nur ein sinnberaubtes Naturgesetz, das aufhören müßte zu wirken, wenn die ihm entgegenwirkenden Kräfte übermächtig werden, sondern dieses «Naturgesetz» ist evident sinnvolle Wirksamkeit: Es ist Intelligenz, die wirkt, und sie wirkt den gegebenen Verhältnissen gemäß. Solange die Atmosphäre die Luftverschmutzung mit ihren «konventionellen Mitteln» bekämpfen kann — durch den Wind und die Verteilung und Ablagerung überallhin —, solange wirkt das uns bekannte atmosphärische Naturgesetz. 

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Sobald der Punkt erreicht sein wird, wo dies nicht mehr möglich ist, wird die Atmosphäre nicht etwa ihre Tendenz, sich zu reinigen, aufgeben, aber es wird ein neues, bisher unbekanntes «Naturgesetz» zu wirken beginnen, um eine gereinigte Atmosphäre gewissermaßen zu erzwingen, durch «reaktive Naturkatastrophe», wie das Phänomen hier bereits öfters genannt worden ist. Wichtige reaktive Katastrophen stehen auch im Bereich der Wassersphäre und in den Bereichen, wo Wasser und Land sich berühren, zu erwarten.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts kommt die jetzt noch wirksame dreifache Sattheits-«Theorie» (die oben, S. 137 genannte) in Krisis. Sie muß durch eine zweite «Theorie»-Hälfte ergänzt werden, welche lautet: Um die sich abzeichnenden Reaktionen des allzusatten Menschen hintanzuhalten, sind die Satten durch dosierte, kontrollierte Rezessionen in Atem zu halten. Die Insuffizienz-Reaktionen der ausgeplünderten Umweltsnatur aber sind rücksichtslos niederzuwalzen, wie man früher proletarische Rebellionen niederwalzte. — Den Menschen erklärt man zugleich, dies geschehe um ihrer Wohlfahrt willen, und man erklärt es ihnen so geschickt, daß sie es glauben. Etwa wie man ihnen heute mit Erfolg erklärt, die Tierquälerei, genannt Vivisektion, sei zum Heile der leidenden Menschheit. — Das Ganze wird betrieben, um Zeit zu gewinnen und die Zeit zur endgültigen Zerstörung der individuellen Meinungsbildungen um jeden Preis zu nutzen.

Es profiliert sich, wie man sieht, eine merkwürdige Art von Frontenbildung, für die es in der Vergangenheit kaum Parallelen gibt. Denn wenn man in früheren Zeiten Revolutionen verhindern wollte, so pflegte man die Leute entweder satt zu machen oder sie niederzuwalzen. Nun macht man sie vielmehr ein wenig hungrig — damit sie Ruhe geben, und man tut ihnen schön, um sie von den Umwelt­schutzideen möglichst abzulenken. — Die Natur aber suchte man früher sorgfältig zu pflegen, um ihr möglichst gute Erträgnisse abzulocken. Nun peitscht man sie vielmehr erbarmungslos — in der Hoffnung zu verhindern, daß sie in Produktions­streik tritt.

Alle diese Entwicklungen steigern und ballen sich von Jahr zu Jahr mehr, und sie konzentrieren sich mehr und mehr in der Hand jenes einen, auf den alle immer mehr blicken als den einzigen, der noch helfen könne. Denn die Repression nach beiden Seiten, gegen die rumorenden und die verdrossenen Elemente, in der Menschheit und in der Naturumwelt, wird immer schwieriger.

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Die überlegene Intelligenz des vaterlosen Menschen vollbringt das große Kunststück mit folgender Methode:

Das Handicap zur «umweltfreundlichen» Produktion war deren Unwirtschaftlichkeit. Diese war jedoch Folge davon, daß die Industrien sich nicht weltweit, nicht global verständigten. Wenn alle die zur «Umwelt­freundlichkeit» notwendigen Sonder­aufwendungen mitkalkulieren, so gibt es keine Unwirt­schaft­lichkeit mehr, vielmehr entsteht dann eben aus diesen Sonderaufwendungen eine enorme Arbeitsbeschaffung und ein ökologisch bedingtes enormes Binnenwachstum der globalen Industrie, mindestens ebenso groß wie die große, vom Nachholbedarf und von den Kriegszerstörungen bedingte Wachstumsperiode nach 1945, mit den gleichen wirtschaftlichen Fortschritts-Vorteilen wie jene. So weit, so gut.

Diese Vorteile werden der Menschen Egoismus massiv ansprechen, so daß sie — die gesamte ökologische Vernunft an den Nagel hängen und bei der brutalen Repression der ausgebeuteten Naturwelt begeistert mittun werden, unter der Flagge des Umweltschutzes.

Denn das materialistische Denken vermag eben einen wirklichen Umweltschutz nicht zu konzipieren. Es kennt nur jenen einen Weg: «Schaden ist durch Schädigung zu bekämpfen», Krankheit durch «Lebenszerstörung» («Anti-Biotik»!), mittels Gift. Acker-Schädlinge durch Giftstreuen auf den Acker, Pflanzen- und Tier-Degenerationen durch verstärkte Reizwirkungen, chemikalisch verschmutztes Wasser wird durch noch mehr Chemikalien wieder «trinkbar», auch Luft wird chemisch filtriert, und so weiter.

All diese Austreibungen des Satans durch den Beelzebub kosten Arbeit, kosten Geld — und wenn sie weltweit angewendet werden, so schaffen sie Arbeit und bringen Geld.

Für die lebendige Natur als solche bedeutet diese Art von «Ökologie» und «Umweltschutz» nur eine noch mehr ins Unerträgliche gesteigerte Mißhandlung, doch zugleich auch Hemmung der natürlichen Abwehrreaktionen oder reaktiven Katastrophen. Diese werden gleichsam gefesselt. — Für die Menschheit bedeutet das ingeniöse Vorgehen der globalen Autorität des vaterlosen Übermenschen soviel wie Einlullung nach oft exerziertem Vorbild. Nur daß alle früheren kaiserlichen oder Diktatur-Charismatiker immer nur über Teile des Globus, nie über die ganze Erde geboten. Alle werden nun finden, daß der Welt-Diktator zum Segen aller wirke, da er das Umweltschutzproblem «löse» und das nach wie vor als Frage von Vollbeschäftigung aufgefaßte soziale Problem dazu.

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Es wird «gelöst» nach dem seit 1945/48 bewährten Rezept des «immer» weiter getriebenen Wirtschafts-«Wachstums». So sehr es klar ist, daß es auch diesmal nicht ewig werde anhalten können, so wenig werden die Leute dies merken oder glauben wollen. Es war 1945, 1950, 1960, 1970, 1975 und so weiter nicht minder klar, und niemand merkte oder glaubte es.

Die von dem verblüffenden Homunculus geschaffene Konjunktur ist in Wahrheit gar nicht dazu da, um ewig zu dauern, und sie wird sogar nur eine recht kurze Entfaltung erleben. Sie erfüllt vielmehr jene ganz andere Aufgabe, die man mit kurzem Worte als Unternehmen zur Abtötung des Intelligenzorgans der Menschheit bezeichnen kann.

Es bedeutet nicht, daß die Menschen dadurch unintelligent werden, sondern es geht nur um Abtötung, so daß die gesamte Intelligenz der davon Betroffenen danach dann nur noch automatenhaft, computerhaft wirkt, so wie bereits heute der Verstand, so oft er sich rein intellektuell — unmenschlich, herzlos — betätigt. Aber der Mensch, wie er jetzt noch von Natur ist, ist immer auch höherer und eigentlich-menschlicher Regungen fähig, und er entfaltet immer wieder an ganz unerwarteten Stellen solche Regungen. Wer die «Abtötung des Intelligenzorganes» sich hat zufügen lassen, der vermag keine unerwarteten Regungen mehr zu entfalten. Er wird zum durch und durch berechenbaren Wesen. Zum Idealwesen des Materialismus also.

Betrifft dieses Ereignis einen hochintelligenten Menschen, so macht die Intelligenz-Abtötung aus ihm ein sehr gefährliches Halbwesen, das allen möglichen destruktiven Einflüssen unterliegt und diesen ein gut funktionierendes Instrument bietet.

Das Ereignis dieser generellen «Abtötung der Intelligenz» wird von den Missionaren und Mitläufern der materialistischen Religion bereits während dieses ganzen 20. Jahrhunderts vorbereitet, durch zahllose Attacken, denen die lebendige, menschlich wirkende und menschlich gehandhabte Intelligenz ausgesetzt ist. Unter diesen Attacken eine der wirksamsten ist das willenlose Haften am Fernseh­bildschirm, zumal dies heute bereits den insgesamten Kinder­generationen, wahrscheinlich bereits auch denen, die im Urwald leben, angetan wird.

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Die Abtötung geschieht dann durch ein ganz bestimmtes individuelles Ereignis, das in Massenversammlungen massenhaft-gehäuft, aber auch gewissermaßen im Kämmerlein unter der Wirkung von Massenmedien, insbesondere der Telekinematographie («Fernsehen») eintreten kann. Das Ereignis besteht in einem ganz bestimmten Devotionsakt gegenüber dem vaterlosen Welt-Charismatiker, dem Nicht-ich-Sager, der alle Leute, alle Völker, die ganze weltweite Menschheit aller Sprachen bis in die Grundfesten fasziniert, weil er das heimliche Ideal des materialistischen Denkens in Reinkultur darstellt: Mensch ohne des Menschen Fehlbarkeit. Mensch, der nicht Mensch ist. L'homme machine. Mensch ohne Ich.

Eben dies ist nun die Ursache des Charisma. Sie war es bereits bei den Pharaonen. Diese hatten gewissermaßen das Ich geopfert, um als inkarnierter Gott zu faszinieren. So war es bei den Cäsaren, denen das Opfer des Ich nicht mehr recht gelang und die gleichwohl faszinierten. So war es auch beim Phänomen des faszinierenden Cäsaren-Wahns und bei ähnlichen Fällen, wo eine defekte Persönlichkeit eben durch den Defekt des eigentlichen menschlichen Organs in ihr zum Charismatiker wurde. Zum Beispiel die Diktatoren des 20. Jahrhunderts, und gewisse, mit erdrückenden Majoritäten Gewählte, deren Defizit sich dann herausstellte. Mensch ohne Ich — es ist das Charisma. Das Ideal des Materialismus, der «Homunculus» erfüllt es.

Denn er ist eben ein Mensch mit dem vornherein abgetöteten Intelligenzorgan, weil er nicht aus dem Willen eines Mannes, sondern durch blasphemischen Mißbrauch von Chemie ins Leben trat. Darum hat er jene bewunderns-«werte» «Objektivität», womit er alle Probleme spielend meistert. Scheinbar sogar die menschlichen Probleme, weil er sie als psychologische behandelt und Psychologie — das ist: Manipulation — virtuos handhabt, wie der Violinist die Violine. Seine «Objektivität» ist es, was die Leute fasziniert. Er ist nie erregt, auch in den erregendsten Situationen nicht. Allen begegnet er lächelnd, für alle hat er entwaffnende Worte. Seine ganze Art erscheint den Leuten als die leibhaftige Gerechtigkeit, Vernunft, Energie und als der Gipfel des Menschentums. Und zahlreiche, unzählige weitere gute Eigenschaften werden die Leute in ihm entdecken. Kein Kunststück, denn sie entdeckten sogar an der Figur Adolf Hitler gute Eigenschaften. Eine Dame, da ihr sonst nichts einfiel, sagte 1938: «Aber er ist doch so fleißig.»Der kommende Vaterlose, wie gesagt, wird Adolf Hitler hierin und in allem übertreffen.

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Mit einem Worte, die alles überblendende Faszination, die vom Charisma des Vaterlosen ausgehen wird, wird die Leute dahin bringen, daß sie ihm gegenüber so etwas vollziehen wie weiland Faust dem Teufel gegenüber, als er «ihm seine Seele verschrieb». Goethes «Faust» macht einen Vorbehalt, der ihn rettet: Er will «nie zum Augenblicke sagen: <Verweile doch, du bist so schön>», sondern will «immer strebend sich bemühn». Hierdurch betrügt Fausts Mephistopheles sich selbst und wird um seinen Lohn geprellt. Voraussetzung dieses Goetheschen «Faust»-Schicksals ist jedoch, daß Goethe den Mephistopheles nicht als eine für sich einnehmende, ansehnliche Person, zu der man aufblickt, gezeichnet hat, sondern als humorige Figur und als Diener. Auch ist der Mephistopheles keineswegs ein Automat mit abgetötetem Intelligenzorgan. Er hat Herz, trotz Sphinx.

Ganz anders, wenn die Leute ihre Seele einer alle faszinierenden Person verschreiben, welche ihrerseits ein Nicht-Ich ist, dem das Organ für lebendige Intelligenz vom Mutterschoß an mangelt. Ihm gegenüber wird die faszinierte Selbstaufgabe zu dem Wunsche: «Ach, könnte ich sein wie dieser!»

Die generationenlangen Präparierungen, die das 20. Jahrhundert allen einimpfte, von aller möglichen «Gehirnwäsche» und vom Massenmedium (manipulierte Zeitung, Radio, Fernsehen) bis zur Schul-«Reform», von der Umweltzerstörung bis zum Psycho­pharmakon, haben die Nervensysteme und Gesamt­organismen seelisch dermaßen geschwächt, daß viele Menschen das Bewußtsein vom eigenen Dasein und insbesondere jede Selbstverantwortlichkeit wie eine unerträgliche Last empfinden werden, der sie sich zu entledigen trachten.

Diese Selbstbefeindung im geschwächten Nervensystem führt dann in jener Kulminationszeit des fantascience-Menschen dazu, daß die bloße Faszination und der Wunsch — «Ach, könnte ich sein wie dieser!» — genügen werden, um etwas wie eine innere Feuersbrunst zu provozieren, die den betreffenden Menschen das körperliche Organ, das die Intelligenz braucht, um initiativ einzugreifen, wie mit glühenden Eisen ausbrennt. Was übrig bleibt, ist nicht mehr im vollen Sinne Mensch. Denn um Mensch zu sein, muß einer mindestens prinzipiell in der Lage sein, selbst zu denken, und wenn er sogar dieses Selbstdenken nicht oft anwendete. Diese Voraussetzung entfällt jedoch bei den Menschen, die sich durch die Faszination bis zu jener Selbstbefeindung und «inneren Feuersbrunst» haben hinreißen lassen.

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Ist es dahin gekommen, so ist in diesem Leben keine Reue und keine Umkehr mehr möglich, denn nur wer im vollen Sinne Mensch ist, vermag zu bereuen. Aber es hülfe sogar nicht mehr, denn das zerstörte körperliche Organ ist nicht wieder herzustellen. Erst in einer anderen Existenz wird auf Umwegen eine Wiederherstellung möglich werden. Hiervon war bereits kurz die Rede, und es wird gegen Schluß dieses Buches wieder davon die Rede sein.

Sehr viele Menschen, Millionen, werden auf den großen Nicht-Ich hereinfallen und werden «sein wollen wie er», und es wird ihnen gelingen. Sie sind es, die dann im 21. Jahrhundert die früher dargestellte degenerierte Nachfolgekultur des 20. Jahrhunderts repräsentieren werden, die nicht mehr eine menschliche Kultur, wie die heutige auch in ihren ärgsten Auswüchsen es nicht ist, sondern ein neues Naturreich sein wird, entstanden durch Absinken der jetzigen Menschennatur um eine halbe Stufe zum Tiersein hin, ohne im vollen Sinne Tier zu werden, aber auch ohne Menschentum.

Findet jemand diese Perspektive schlimm und bedrückend, trostlos? Sie ist doch nur Erfüllung des Ideals von Millionen der jetzt Lebenden, die mit aller Macht sich einreden, daß der Mensch in Wahrheit «doch nur das höchstentwickelte Tier» sei. Manche versuchen neuerdings sogar die angeblich-tierische Höchstentwicklung des Menschen als Fehlentwicklung zu demonstrieren, «das hypertrophische Großhirn des Menschen als die Wurzel aller Übel». Alle diese Ideale und Gedanken werden doch nur die erwünschte Erfüllung finden, weit geschwinder als gedacht. Die Menschen, die dies wollen, eben diese und keine anderen. Sie werden zu «intelligenten Tieren» gemacht werden — aber sie werden fast zugleich einen Teil ihrer Intelligenz verlieren. Doch dies ist ein zweiter Akt, von dem gleich zu reden sein wird.

Der Verführung des chemiegezeugten Nichtmenschen widerstehen mühelos diejenigen, die sich beizeiten für das Ereignis gerüstet haben. Sie sehen ihm die Ichlosigkeit gewissermaßen an der Nasenspitze an, und seine größten Kunststücke machen ihnen nicht mehr Eindruck als die Parterreakrobatik eines dressierten Zirkusaffen.

Es wird Auseinandersetzungen geben. Diejenigen, die dem Halbroboter widerstehen, sehen sich vor der paradoxen Aufgabe, daß sie um des Umweltschutzes und des Weltfriedens willen, ihm seine Art von «Umwelt­schutz» und «Friedenssicherung» aus der Hand nehmen müssen — um die durch ihn gefesselten Lebens-Reaktionen der Natur und der Menschheit zu befreien. Sobald dies gelingt, hat es zur Folge, daß sowohl die Natur als auch die bildsam gebliebene Menschheit sich selbst zur Wehr setzen. Es bewirkt das Losbrechen von nun nicht mehr gehemmten reaktiven Natur­katastrophen und rebellierenden Jugendbewegungen, wie es früher beschrieben worden ist. In der Natur­katastrophen geht der große Weltherrscher ruhmlos unter, wie jeder, der seinen Krieg verlor: «Die Erde verschlingt ihn.»

Die Führer der rebellierenden Jugendbewegungen sind zumeist Menschen, die von der Katastrophe der großen inneren Feuers­brunst zwar gestreift, aber nicht völlig zerstört worden sind. Dies ermöglicht ihnen, nach dem Untergang des lebenden Fetisch, des Nicht-ich-Charismatikers, sich gegen ihn zu empören und gewissermaßen auf die Seite der rebellierenden Naturkräfte, als deren anderes Heer, zu treten. Die Massen der rebellierenden Jugend aber rekrutieren sich aus den früher als die «Unzufriedenen und Unbefriedigten» Beschriebenen. Die Jugendbewegungen dauern, solange deren Führer nicht ermüden, was aber eintreten muß, weil diese Bewegungen vorwiegend negativen Inhalt haben. Diejenigen, die sich dessen bewußt werden, suchen Anschluß an die Flucht-Kultur des 21. Jahrhunderts, die in den Wildnissen.

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