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21. Eine Hand voll Joker (drei Szenarien)

 

Die Bedeutung positiver Rückkopplungsschleifen. - Das Konzert der drei Szenarien. - Das Pentagon kümmert sich um den Golfstrom – und sieht in seinem Versiegen den Untergang der Zivilisation. - Genügend viele Sverdrup. - Die Geschichte von HadCM3LC und TRIFFID. - Wenn Stomata sich schließen: Tod am Amazonas. - Die Clathrate sind los! Die Zeitbombe vor Ihrem Strand. - Die positive Rückkopplung der Klimaanlagen.

 

Vielleicht ist die abnehmende Salinität der subpolaren Meere, die an den Nordatlantik grenzen,
die größte ozeanische Veränderung, die je in der Ära der modernen Instrumente gemessen wurde.

(Daniel Glick, National Geographic, 2004)

 

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Bis jetzt haben wir nur in Betracht gezogen, was passieren könnte, wenn sich die momentanen Trends fortsetzen. Aber die Fossilien zeigen, dass auf dem Planeten Erde nicht alles glatt verläuft, selbst wenn die Ursachen für den Klimawandel sich nur langsam und stetig verändern. Vielmehr rasten die irdischen Systeme manchmal aus, und plötzlich entsteht eine neue Weltordnung, an die sich die Überlebenden anpassen müssen — oder sie gehen zugrunde.

Den Wissenschaftlern sind im Wesentlichen drei Ereignisse bekannt, die das irdische Klima umkippen lassen können: die Verlangsamung oder das Versiegen des Golfstroms, das Verschwinden der Regenwälder am Amazonas und die Freisetzung von Gashydraten vom Meeresgrund.

Alle drei Ereignisse kommen gelegentlich in den virtuellen Welten der globalen Zirkulationsmodelle vor, und es gibt ein paar geologische Hinweise, dass jedes von ihnen im Verlauf der Erdgeschichte schon einmal passiert ist. Das ist ein starkes Argument dafür, dass solche Ereignisse möglich sind und bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit und Richtung der Veränderungen eins, zwei oder vielleicht alle drei noch in diesem Jahrhundert eintreten können. 

Was führt zu diesen schlagartigen Klimawechseln, was sind die Warnzeichen, und wie wirken sie sich wohl auf uns aus?

 

   Szenario 1:  Versiegen des Golfstroms  

 

Der Golfstrom hat für die Länder rings um den Atlantik eine enorme Bedeutung. Im Jahr 2003 beauftragte Andrew Marshall, Architekt des <Star- Wars>-Verteidigungs­programms und graue Eminenz im Pentagon, Peter Schwartz (den ehemaligen Chef der Szenarienplanung bei Royal Dutch Shell) und Doug Randall von Emeryville (einer auf Szenarienplanung spezialisierten Firma), einen Bericht zu verfassen, der umreißt, was es für die Sicherheit der USA bedeuten würde, wenn der Golfstrom verschwinden sollte.  [deto: Long Boom von P. Schwartz]

Sinn des Reports war, wie seine Autoren formulierten, »sich das Undenkbare vorzustellen«. Zu diesem Zweck entwarfen sie »ein Szenario des Klima­wandels, das zwar nicht das Wahrscheinlichste ist, aber dennoch plausibel, und die Sicherheit der Vereinigten Staaten auf eine Weise heraus­fordern würde, die unverzüglich bedacht werden sollte«.39

Ihr Szenario geht von einer Verlangsamung des Golfstroms aus, hervorgerufen von dem Süßwasser, das sich infolge der Eisschmelze im Nordatlantik ansammelt. Die Autoren nehmen an, dass sich der Planet noch weitere sechs Jahre lang (bis 2010) langsam erwärmen, es dann aber zu einem dramatischen Umschlagen kommen wird, einem »magischen Tor«, durch das sich das Weltklima abrupt ändern wird.

Als Folgen dieses Umkippens prognostiziert ihr »Wetterbericht« für 2010 anhaltende Dürre in wichtigen Agrargebieten und einen durchschnittlichen Temperatursturz von über 3°C für Europa, knapp unter 3°C für Nordamerika sowie einen Anstieg von 2°C für Australien, Südamerika und Südafrika.

Um sich ein Bild von den menschlichen Reaktionen auf einen so rapiden Wandel zu machen, ziehen die Autoren die Arbeiten des Harvard-Archäologen Steven LeBlanc heran, der den Zusammenhang zwischen menschlicher »Belastungsfähigkeit« und Krieg wie folgt beschreibt: »Menschen kämpfen, wenn sie die Belastungsfähigkeit ihrer Umwelt überschreiten«; und: »Immer wenn sie die Wahl zwischen Hunger und Raubzügen haben, gehen Menschen auf Raubzüge.«

Vielleicht dachten Schwartz und Randall an ihre Leser im Pentagon, als sie auch die zunehmende Verbreitung von Nuklearwaffen und den Zusammen­bruch der globalen Kooperation infolge des wachsenden Überlebens­drucks antizipierten. Nur die kampfkräftigsten Gesellschaften - sagten sie - würden überleben, und innerhalb dieser Gesellschaften ständen die Dinge kaum besser. 

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Die Einstellungen würden sich wandeln:

Wenn Hungersnöte, Krankheiten und wetterbedingte Katastrophen zuschlagen ... werden in vielen Ländern die Bedürfnisse die Belastungs­grenzen überschreiten. Das wird Verzweiflung hervorrufen ... Das frustrierendste Gefühl ... ist, dass wir niemals wissen werden, wie ... viele weitere Jahre (10, 100, 1000) noch vergehen werden, bis es wieder zu so etwas wie einer Wende zum Wärmeren kommt.40

Das Ganze wird noch schlimmere Folgen nach sich ziehen, weil die Nationen im Angesicht der Katastrophe vermutlich nicht zusammenarbeiten werden; massenhaften Hungersnöten werden massenhafte Wanderungsbewegungen folgen, da so unterschiedliche Regionen wie Skandinavien, Bangladesch und die Karibik ihre Bevölkerung nicht mehr ernähren können. Bei dem sich daraus ergebenden Gerangel um Ressourcen werden neue politische Allianzen geschmiedet werden, und das Kriegspotenzial wird sich enorm erhöhen.

Wenn in den Jahren 2010 bis 2020 die Energie- und Wasservorräte knapp werden, dürften sich Australien und die USA zunehmend darauf konzentrieren, ihre Grenzen dicht zu machen, um die wandernden Horden aus Asien und der Karibik fern zu halten. Die Europäische Union, sagt der Report, könnte zwei mögliche Wege beschreiten: Entweder schließt sie sich zum Schutz ihrer Außengrenzen noch fester zusammen, oder sie bricht unter inneren Querelen zusammen und versinkt im Chaos. Und die Autoren glauben, dass Russland, das dank seiner riesigen Energiereserven plötzlich ein akzeptabler Partner wäre, der EU beitreten könnte. Der Bericht unterbreitet der US-Regierung sieben Vorschläge, wie sie sich auf solche Eventualitäten vorbereiten könnte, wozu auch die Erforschung geotechnischer Optionen gehört, die den Klimawandel verlangsamen könnten (etwa CO2-Endlagerung). 

Unglaublicherweise vergaßen Schwartz und Randall aber die Option zu erwähnen, die am Kern des Problems ansetzt: die Verwendung fossiler Brennstoffe zu reduzieren!

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2004 schilderte der Hollywood-Katastrophenfilm <The Day after Tomorrow> ebenfalls die Konsequenzen eines möglichen Versiegens des Golfstroms. Aus dramaturgischen Gründen ist der zeitliche Verlauf des Kollaps stark komprimiert, und die Veränderungen sind noch viel gigantischer als die in dem Pentagon-Report. Inzwischen arbeiten Wissenschaftler daran, die Folgen eines Golfstrom-Zusammenbruchs für die Biodiversität als Ganzes abzuschätzen, und die sind katastrophal. Die biologische Produktivität im Nordatlantik wird um 50 Prozent zurückgehen, die der Ozeane weltweit wird um über 20 Prozent sinken.41

Wie wahrscheinlich ist es nun, dass der Golfstrom im Verlauf dieses Jahrhunderts versiegt? 
Unter welchen Bedingungen kann es dazu kommen, und wie sähen die Warnsignale aus? 

Die Seefahrer kannten den Golfstrom zwar seit Kolumbus' Zeiten, die erste Karte davon ließ aber erst Benjamin Franklin im Jahr 1770 drucken. Heute wissen wir, dass der Golfstrom die schnellste Meeresströmung der Welt ist, dass er sehr komplex ist und sich, während seine Wasser nach Norden drängen, in eine Reihe von Strudeln und Nebenströmungen aufspaltet. Das von ihm transportierte Wasservolumen ist einfach unglaublich. Sie werden sich daran erinnern, dass Meeresströmungen in Sverdrup gemessen werden und ein Sverdrup einem Durchfluss von einer Million Kubikmeter Wasser pro Sekunde entspricht. Vor Kap Hatteras, wo der Golfstrom von der amerikanischen Küste in Richtung tieferes Wasser abdreht, hat er 87 Sverdrup, und als Spitzenwert erreicht er bei etwa 65 Grad westlicher Länge 150 Sverdrup. Im Durchschnitt beträgt die Transportrate rund 100 Sverdrup, was dem Hundertfachen des Amazonas entspricht.42

In seinem nördlichen Abschnitt ist der Golfstrom weit wärmer als das Wasser in seiner Umgebung. Zwischen den Färöer-Inseln und Schottland beispielsweise beträgt seine Temperatur milde 8 °C, die des umgebenden Wassers jedoch liegt am Nullpunkt. Seine Wärme bezieht der Golfstrom aus dem tropischen Sonnenlicht im Mittelatlantik, und er ist ein hoch effizientes Transportmittel. Alfred Russell Wallace schrieb 1903: »Da Luft siebenhundert­undsiebzigmal leichter als Wasser ist, folgt daraus, dass die Hitze von einem Kubikfuß Wasser über 3000 Kubikfuß Luft erwärmen kann.«43 

Im Nordatlantik gibt der Golfstrom seine Wärme ab, und das Klima Europas wird dadurch um so viel wärmer, als würde der Kontinent ein Drittel mehr Sonnenlicht abbekommen.

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Wenn das Wasser des Golfstroms seine Wärme abgegeben hat, sinkt es und bildet mitten im Ozean einen großen Wasserfall. Dieser Wasserfall ist das Kraftwerk und zugleich die Achillesferse aller Meeresströmungen auf unserem Planeten, denn die Geschichte zeigt uns, dass er immer mal wieder unterbrochen wurde.

Während sich das Erdklima vom Höhepunkt der Eiszeit vor 20.000 Jahren zu den milden Verhältnissen von heute wandelte, destabilisierte sich der Golfstrom wiederholt — am spektakulärsten vor 12.700 bis 11.700 Jahren, als die Wintertemperaturen in den Niederlanden auf unter -20°C fielen und die Sommertemperaturen im Durchschnitt bloß 13°C bis 14°C betrugen. Vor 8200 bis 7800 Jahren kam es zu einem weiteren Kollaps, und möglicherweise hat sich der Golfstrom vor 4200 bis 3900 Jahren noch ein Mal verlangsamt. 

Bei den zwei früheren Vorkommnissen war die Unterbrechung von riesigen Mengen Süßwasser ausgelöst worden, die sich in den Nordatlantik ergossen: Das erste Mal durch das Brechen eines Eisdamms, hinter dem sich ein enormer See aufgestaut hatte (von dem die Großen Seen in Nordamerika Überbleibsel sind), und die Umleitung des Schmelzwassers vom Mississippi zum Sankt-Lorenz-Strom; dann durch den Zusammenbruch der Überreste des nordamerikanischen Laurentischen Eisschilds und dem Abfließen des Lake Agassiz in die Hudson Bay.44 Süßwasser unterbricht den Golfstrom, weil es dessen Salzgehalt verringert und somit verhindert, dass das Wasser in die Tiefe sinkt, wodurch weltweit die Zirkulation in den Ozeanen zum Stillstand kommt.

Ob der Golfstrom sich wieder einmal verlangsamt, hängt von der Menge des einfließenden Süßwassers ab. Zuflüsse von einem Sverdrup mögen eine gewisse Auswirkung haben, doch sind einige Sverdrup oder mehr Süßwasser erforderlich, um den Golfstrom ernsthaft zu gefährden. Der gefrorene Norden enthält genügend Eis, um eine solche Flüssigkeitsmenge zu produzieren, und zu diesem müssen wir noch die zunehmenden Niederschläge addieren, die sich bereits überall in der Region bemerkbar machen.

Seit den siebziger Jahren ist eine stete Frischwasserzunahme an der Oberfläche des Nordostatlantiks zu verzeichnen: Der Salinitätsgraph beschreibt eine anmutige Kurve nach unten, was Bände hinsichtlich des sich abzeichnenden Trends spricht. 

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Vor drei Jahrzehnten lag der mittlere Salzgehalt der Strömung bei 34.960 Teilen pro Million, bis zum Jahr 2000 war er auf rund 34.900 gesunken. In der Dänemark-Straße fiel der Rückgang noch stärker aus — von 34.920 Teilen pro Million auf 33.870 —, obwohl hier der Graph eine Reihe von Spitzen und Dellen aufweist, die auf lokale Süßwasserzuflüsse zurückzuführen sind. Die durchschnittliche Salinität des Meerwassers liegt bei rund 33.000 Teilen pro Million, und folglich geben auch so geringe Veränderungen Anlass zur Sorge, denn es ist der Unterschied im Salzgehalt — momentan bloß 1900 Teile pro Million —, der den Golfstrom in Bewegung hält.

Beweise für größere Veränderungen im Atlantik wurden 2003 von Ruth Curry und ihren Kollegen vom Woods-Hole-Labor vorgelegt.45 Sie haben im Rahmen einer umfassenden Untersuchung den Salzgehalt des Atlantischen Ozeans von Pol zu Pol über zwei Vierzehnjahres-Perioden hinweg analysiert, von 1955 bis 1969 und von 1985 bis 1999. Sie entdeckten Veränderungen von »bemerkenswerter Amplitude«, was daraufschließen lässt, dass »Süßwasser in niedrigen Breiten verloren ging und in hohen Breiten hinzugefügt wurde, und zwar mit einer Geschwindigkeit, die die Fähigkeit der Meeresströmung zur Kompensation übersteigt.«46 Anders ausgedrückt: In allen Tiefen wird der tropische Atlantik salziger, während er in der Nord- und Südpolarregion immer weniger Salz aufweist. Die Veränderung, schlussfolgerten die Wissenschaftler, ist auf eine vermehrte Verdampfung in der Nähe des Äquators und stärkere Niederschläge in der Nähe der Pole zurückzuführen. Als sie in anderen Ozeanen ähnliche Veränderungen feststellten, wurde ihnen klar, dass irgendetwas — höchstwahrscheinlich der Klimawandel — die Verdunstungs- und Niederschlagsraten der Welt um fünf bis zehn Prozent beschleunigt hat.

Diese bemerkenswerte Entdeckung birgt möglicherweise noch ein größeres Gefahrenpotenzial für den Golfstrom. Die zunehmende Salzigkeit in den Tropen, vermuten die Forscher, wird zu einer vorübergehenden Beschleunigung des Golfstroms führen, die paradoxerweise sein abruptes Versiegen einleitet. Das ist der Fall, weil die zusätzlich zu den Polen transportierte Wärme mehr Eis schmelzen und damit dem Nordatlantik mehr Süßwasser zuführen wird, bis die kritische Menge von Sverdrup hineinfließt und das System als Ganzes kollabiert.47

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Der Golfstrom ist nur ein Teil des weltumspannenden Systems von Meeresströmungen, und Wissenschaftler haben auch anderenorts Veränderungen beobachtet.

Anfang 2004 vermeldeten Forscher vom CSIRO in Australien, sie hätten im subantarktischen Tiefenwasser eine Abnahme des Sauerstoffgehalts von rund drei Prozent entdeckt. Unser Wissen über Schwankungen des Sauerstoffniveaus des Tiefenwassers im Lauf der Zeit ist noch dürftig, und gleich mehrere Faktoren könnten diesen Rückgang erklären (eine Phytoplanktonblüte, die zum Grund sank und dort verrottete, wäre eine Möglichkeit); doch die Zahlen beunruhigen einige Klimaforscher, weil ein solcher Sauerstoffrückgang genau das ist, was man erwarten sollte, wenn die thermohaline Zirkulation des Ozeans sich verlangsamt, was verhindert, dass sich Sauerstoff aus den oberen Schichten des Meeres mit dem Tiefenwasser vermischt.

Wie schnell könnte der Golfstrom versiegen? 

Eisbohrkerne aus Grönland lassen darauf schließen, dass es bei früheren Verlangsamungen des Golfstroms auf der Insel zu einem massiven Temperatur­rückgang von 10°C in bloß einem Jahrzehnt kam.48 Vermutlich erlebte ganz Europa eine ähnlich rapide Veränderung, auch wenn keine feinrastrigen Klimadaten übrig sind, die uns das sagen könnten. Folglich ist vorstellbar, dass man binnen weniger Winter extreme Veränderungen in Europa und Nordamerika zu spüren bekäme, sollte der Golfstrom langsamer werden. Es ist sogar möglich, dass es abermals zu einem sägezahn­artigen Klimaverlauf wie am Ende der letzten Eiszeit kommt.

Wann wird sich so ein Ereignis vermutlich einstellen? 

Angesichts der Unsicherheit, wie schnell die Eiskappen schmelzen, und der Komplexität anderer Faktoren ist es schwierig, dazu Genaues zu sagen. Einige herausragende Klimatologen glauben, sie hätten bereits Anzeichen eines Vorspiels zum Versiegen bemerkt. Müsste ich eine Einschätzung abgeben, würde ich sagen, dass um 2080 Grönland vielleicht 4°C wärmer ist als heute, wodurch genügend Eis schmelzen würde, um den Meeresspiegel um fünf Zentimeter zu heben; das würde ausreichend viele Sverdrup liefern, um den Golfstrom für ein paar Jahrhunderte zu stoppen. 

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Die Kälte aber würde dem Abschmelzen des grönländischen Inlandeises Einhalt gebieten, sodass der Strom schließlich wieder in Gang käme, und damit würde das Schmelzen des Eises ebenfalls wieder einsetzen, was ein Sägezahnmuster auslösen könnte, das sich fortsetzen würde, bis die Eisvorräte an einen Grenzwert kämen und nicht mehr genügend Süßwasser produzieren könnten, um den Golfstrom zu unterbrechen. Nicht alle Experten stimmen jedoch zu, dass ein Kollaps oder auch nur eine Verlangsamung des Golfstroms unmittelbar bevorsteht. Wissenschaftler des Hadley Centre in England bewerten die Wahrscheinlichkeit einer größeren Störung des Golfstroms in diesem Jahrhundert mit fünf Prozent oder weniger. 

Was abrupte Veränderungen angeht, gilt ihre Hauptsorge einem Ereignis, das zwar weniger bekannt ist, sich aber noch katastrophaler auswirken könnte als eine Unterbrechung des Golfstroms: der Zusammenbruch der Regenwälder am Amazonas.

 

    Szenario 2: Das Verschwinden der Amazonas-Regenwälder    

 

In den neunziger Jahren arbeiteten die Hadley-Wissenschaftler mit einem globalen Zirkulationsmodell namens <HadCM3LC>, das als Erstes sowohl den Kohlen­stoffzyklus als auch ein Modell der großen irdischen Vegetationsgemeinschaften berücksichtigte. Mit diesem leistungsfähigen neuen Hilfsmittel kamen die Forscher zu erstaunlichen Ergebnissen, die deutlich machen, wie wichtig positive Rückkopplungsschleifen sind.49

Der wichtigste Aspekt des Kohlenstoffzyklus, wie er sich im Modell darstellt, ist die Kohlenstoff-Reserve im Boden, denn das ist eine so enorme potenzielle Kohlendioxidquelle, dass die in der lebenden Vegetation gespeicherte Menge dagegen winzig wirkt. Und der dort eingelagerte Kohlenstoff ist so fein ausbalanciert, dass auch eine kleine Temperaturveränderung in der Lage ist, die Böden von CO2-Absorbern in Emitter großen Stils zu verwandeln. Dafür ist die bakterielle Zersetzung verantwortlich. Bei niedrigen Temperaturen verläuft sie langsam, was es ermöglicht, dass sich der Kohlenstoff ansammelt; erwärmt sich aber der Boden, beschleunigt sich auch die Verrottung, und CO2 wird in gewaltigen Mengen freigesetzt.50 Das ist ein Bilderbuchbeispiel für positive Rückkopplung, weil hier ein Temperaturanstieg direkt zu einer gewaltigen Vermehrung des CO2 in der Atmosphäre führt.

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Das Vegetationsmodell des Hadley Centre trägt den ulkigen Namen TRIFFID (Top-down Representation of Inactive Foliage and Flora Including Dynamics) und ist bloß eine grobe Annäherung an die Realität, denn es berücksichtigt nur fünf Pflanzenkategorien: Laubbäume, Nadelbäume, die zwei Haupttypen von Gräsern (C3 und C4) sowie Sträucher. Nichtsdestotrotz werden mit den fünf Kategorien die umfassenden funktionalen Vegetationstypen der Erde dargestellt. Steigt die Konzentration von atmosphärischem CO2 in dieser virtuellen Welt, beginnen die Pflanzen — vor allem im Amazonasbecken — sich ungewöhnlich zu verhalten.

Am Anfang des Problems steht die Eigenart der Niederschläge über dem Amazonas

Erinnern Sie sich an die Sauerstoffisotopen 16-O und 18-O. Von den beiden ist 16-O das leichtere, und deswegen wird es bei der Verdunstung eher emporgetragen. Als Wissenschaftler das Regenwasser im westlichen Amazonasbecken untersuchten, stellten sie fest, dass sein 18-O-Gehalt sehr niedrig lag. Das Wasser war nämlich so viele Male in der Atmosphäre recycelt worden, dass der größte Teil des 18-O weit im Osten geblieben war. Dies zeigt uns, dass die Pflanzen am Amazonas de facto sich ihre eigenen Niederschläge machen, denn das von ihnen verdunstete Wasser stellt eine so ungeheure Menge dar, dass es Wolken bildet, die weiter nach Westen geweht werden, wo ihre Feuchtigkeit wieder als Regen fällt, nur um abermals verdunstet zu werden und so weiter.

Die botanische Transpiration ist für die Niederschläge in den Amazonas-Regenwäldern lebenswichtig, und es hat sich herausgestellt, dass CO2 wesentliche Auswirkungen auf die pflanzliche Transpiration hat.

Pflanzen wollen im Allgemeinen ihr Wasser natürlich nicht in Form von Dampf verlieren, denn es hat ihnen einige Mühe bereitet, es von den Wurzeln bis in die Blätter zu pumpen. Aber unvermeidlicherweise verlieren sie etwas davon, wann immer sie die Spaltöffnungen ihrer Blätter (Stomata) zum Atmen öffnen. Der Hauptzweck dieses »Atmens« besteht darin, CO2 aus der Atmosphäre zu gewinnen, und sie lassen ihre Stomata nur so lange offen wie nötig. Wenn also das CO2-Niveau steigt, halten die Pflanzen der Amazonas-Regenwälder ihre Stomata länger geschlossen, und die Transpiration wird reduziert. Und bei weniger Transpiration gibt es auch weniger Niederschläge.

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Die TRIFFID-Ergebnisse lassen darauf schließen, dass um 2100 das CO2-Niveau so weit gestiegen sein wird, dass die Niederschläge am Amazonas drastisch reduziert werden, wobei 20 Prozent des Rückgangs verschlossenen Stomata zuzuschreiben sind. Der Rest des Rückgangs wird den Vorhersagen des Modells zufolge auf ein ständiges El-Nino-ähnliches Klima zurückzuführen sein, das sich im Lauf der Erwärmung unseres Planeten ausbildet.

Leider schaltet sich in diesem Stadium eine weitere positive Rückkopplungsschleife ein: Die Erforschung der Auswirkung El Ninos auf die Kohlenstoffeinlagerung hat gezeigt, dass dadurch die Landmassen der Erde von Kohlenstofflagern zu Kohlenstoffquellen umgewandelt werden, was die CO2-Akkumulation in der Atmosphäre im Durchschnitt um 0,6 Teile pro Million erhöht hat.51

Die kumulierte Folge all dieser Veränderungen ist ein Rückgang der Niederschläge im Amazonasbecken von den heute durchschnittlichen fünf Millimetern pro Tag auf zwei Millimeter pro Tag bis 2100; im nordöstlichen Amazonasbecken werden sie sogar auf fast null zurückgehen.52 Diese Umstände werden zusammen mit einem Temperaturanstieg von 5,5°C im gesamten Amazonasbecken die Pflanzen so sehr unter Stress setzen, dass der Kollaps der Amazonas-Regenwälder unvermeidlich sein wird. Mit dem Verlust des Blätterdachs werden sich die Böden aufheizen, und die Zersetzungsprozesse in ihnen werden sich noch mehr beschleunigen, was wiederum noch mehr CO2 freisetzen wird. 

Das stellt eine massive Störung des Kohlenstoffzyklus dar: Die Einlagerung von Kohlenstoff in lebende Vegetation wird um 35 Gigatonnen reduziert, die in Böden um 150 Gigatonnen.53 Das sind gewaltige Zahlen — in der Summe rund acht Prozent allen Kohlenstoffs, der in der Vegetation und in den Böden der Welt gespeichert ist!

Letztlich wird diese Reihe von positiven Rückkopplungsschleifen dazu führen, dass die Erdatmosphäre um 2100 eher 1000 Teile CO2 pro Million aufweisen wird und nicht die 710, die frühere Modelle vorhersagten.54 Die Oberflächentemperaturen am Amazonas werden um 10°C steigen und nicht um die prognostizierten 5,5°C; die Niederschläge werden um 64 Prozent zurückgehen, 78 Prozent des in der Vegetation gespeicherten Kohlenstoffs und 72 Prozent des Kohlenstoffs im Boden werden freigesetzt.55

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Mit zu den beängstigendsten Aspekten dieses Modellversuchs zählt die Antwort auf die Frage, was im Amazonasbecken nach diesem Wandel bleibt. Der größte Teil des Waldbestands wird durch Gräser, Sträucher und bestenfalls Savanne mit einem gelegentlichen Baum dazwischen ersetzt. Weite Gebiete werden jedoch so heiß und verbrannt sein, dass sie noch nicht einmal diese reduzierte Vegetation ernähren können und sich folglich in eine unfruchtbare Wüste verwandeln.56)  

Dennoch bleibt das Hadley-Team irgendwie optimistisch, was das Schicksal dieser Region angeht, denn in TRIFFID lassen sich zwar keine Pflanzen finden, die dort wachsen würden, die Wissenschaftler glauben aber, dass »selbst bei mittleren Jahrestemperaturen von annähernd 40°C eine spärliche Decke von Halbwüsten-Pflanzen« möglich sein könnte.57

Wann könnte all dies eintreten? 

Wenn das Modell richtig ist, müssten wir um 2040 erste Anzeichen für einen Kollaps der Regenwälder sehen, und der Prozess müsste noch in diesem Jahrhundert abgeschlossen sein; die Regenwalddecke wird dann von ihren gegenwärtigen 80 Prozent auf weniger als zehn Prozent reduziert sein. Die Hälfte des entwaldeten Gebiets wird Grasbewuchs aufweisen, die andere Hälfte Wüste sein.58) Weitere Regenwälder rund um die Welt können bis dahin ebenfalls Anzeichen für vergleichbaren Stress aufweisen, denn die meisten von ihnen hängen in gewissem Umfang von Niederschlägen ab, die aus der Verdunstung resultieren.

Erschreckend an diesem Szenario ist, dass es den Klimawandel erheblich beschleunigen wird und damit viele seiner allerschlimmsten Konsequenzen unaus­weichlich werden.

 

Die dritte der möglichen großen Veränderungen wird sich wahrscheinlich im Nordpolarmeer als Erstes zeigen. In diesem speziellen Szenario ist die Ursache etwas, das bislang in den Arbeiten der mit Modellen arbeitenden Klimaforscher noch keine sonderlich große Rolle spielt, das aber, wie die Frühgeschichte zeigt, unsere ganze Aufmerksamkeit verdient: eine plötzliche Freisetzung der Clathrate.

 

  Szenario 3: 
    Methanfreisetzung vom Meeresgrund  

 

»Clathrat« ist von lateinisch clatratus, »vergittert« abgeleitet, und der Name bezieht sich auf die Struktur jener Kombination von Eis und Methan, bei der Methanmoleküle in winzigen »Käfigen« aus Eiskristallen gefangen sind. 

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Man kennt die Kombination auch als »Eis, das brennt«. Clathrate enthalten viel Gas unter hohem Druck, und deswegen zischen und platzen an die Oberfläche geholte Stücke dieser eisigen Substanz, und wenn man sie anzündet, brennen sie.59

Ungeheure Mengen von Clathraten lagern überall auf der Welt unten am Meeresgrund — in Energieeinheiten gemessen vielleicht doppelt so viel wie alle anderen fossilen Brennstoffe zusammen. Optimale Bedingungen für die Bildung von Clathraten herrschen, wenn der Ozean über 400 Meter tief ist und am Grund Temperaturen von unter 1°C herrschen. Die Substanz bleibt nur wegen des Drucks der Wassersäule darüber und wegen der Kälte fest. 

Die meisten Clathrate liegen in mehreren Kilometern Tiefe unter der Meeresoberfläche, große Mengen finden sich aber auch im Nordpolarmeer, denn dort sind die Temperaturen selbst nahe der Oberfläche niedrig genug, um Clathrate stabil zu halten.

Es ist bezeichnend für den grenzenlosen Einfallsreichtum des Lebens, dass einige Meereswürmer sich von dem Methan in den Clathraten ernähren. Sie leben in Gängen unter der Eismasse, die sie für ihren Energiebedarf »abbauen«, und da es weltweit auf dem Meeresboden zwischen 10.000 und 42.000 Billionen Kubikmeter von dem Zeug gibt (das somit im Vergleich zu den 368 Billionen Kubikmetern verwertbaren Erdgases auf der Welt günstig abschneidet), ist es keine Überraschung, dass sowohl Würmer als auch die Energiewirtschaft in diesem paradoxen Material eine Zukunft sehen.60

Sollte je der Druck von den Clathraten genommen werden oder die Temperatur am Meeresgrund steigen, könnten kolossale Mengen Methan freigesetzt werden. Was dabei passieren kann, haben wir am Beispiel der Nordsee vor 55 Millionen Jahren gesehen, aber Paläontologen vermuten mittlerweile, dass die Freisetzung von Clathraten möglicherweise für einen viel schwerer wiegenden Wandel verantwortlich war: das größte Artensterben aller Zeiten.

Vor 245 Millionen Jahren starben rund neun von zehn der damals auf der Erde lebenden Spezies aus. Dieses Perm-Trias-Massenaussterben riss eine frühe Form säugetierähnlicher Kreaturen mit sich und ebnete damit der Dominanz der Dinosaurier den Weg — was zu einem Treppenwitz der Evolutionsgeschichte werden könnte, falls ein weiteres, ähnliches Ereignis die Zivilisation der bislang erfolgreichsten Säugetierspezies zerstört.

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Der Grund für das Massenaussterben ist heftig umstritten, es gibt aber zwei Favoriten: 

Die Kollision eines Asteroiden mit der Erde und massive Spalteneruptionen in Sibirien, bei denen bis zu zwei Millionen Kubikkilometer Lava und Milliarden Tonnen CO2 und Schwefeldioxid freigesetzt wurden. Diese zweite Hypothese findet zunehmend Anhänger, und wie diese Gase vulkanischen Ursprungs der Theorie nach mit den Clathraten interagiert haben, verdient hier unsere Aufmerksamkeit.

Die Einleitung der Treibhausgase in die Atmosphäre war von so gewaltigem Ausmaß, dass man glaubt, sie habe zunächst zu einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um rund 6°C geführt. Hinzu kam weit verbreiteter saurer Regen, an dem das Schwefeldioxid Schuld war und der noch mehr Kohlenstoff freisetzte. Im Endeffekt lösten die dadurch immer weiter steigenden Temperaturen ungeheure Mengen Methan aus der Tundra und aus den Clathraten am Meeresgrund.61

Nebenbei: 

Wir konzentrieren uns hier zwar auf Vorgänge im Ozean, aber das Methan und das CO2, das in den Permafrostböden gelagert ist, darf nicht vergessen werden. Große Mengen dieser Gase sind in ganzjährig gefrorener Erde eingeschlossen, und sie werden vom Klimawandel mit noch größerer Wahrscheinlichkeit freigesetzt als die Clathrate.

Eine spannende Frage ist, warum die Atmosphäre zur Zeit des Massenaussterbens so wenig Sauerstoff enthielt. Vor 280 Millionen Jahren waren es 21 Prozent (so viel wie heute), aber vor 260 Millionen Jahren war sein Anteil auf 15 Prozent gefallen und dann auf nur noch zehn Prozent zur Zeit des Perm-Trias-Massenaussterbens. Das, glaubt zumindest ein Wissenschaftler, könnte von der plötzlichen Freisetzung des Methans herrühren, denn das Gas wäre in der Atmosphäre rasch zu CO2 und Wasser oxidiert worden, und dabei wären große Mengen des freien atmosphärischen Sauerstoffs gebunden worden.62

Clathrate sind wichtige Strukturelemente für die Stabilität des Meeresbodens, und ihre plötzliche Sublimation könnte zu ozeanischen »Erdrutschen« und Tsunamis von nie geahnter Gewalt führen. Ja, man glaubt, dass so ein Ereignis vor der Küste von Carolina vor 15.000 Jahren genug Methan freisetzte, um die atmosphärische Konzentration um vier Prozent steigen zu lassen.63

Es ist ernüchternd, darüber nachzudenken, dass nicht weit von dem Strand vor Ihnen eine instabile Clathraten-Zeitbombe lauern könnte!

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Von den hier vorgestellten drei Szenarios ist die Freisetzung von Clathraten im Verlauf dieses Jahrhunderts am wenigsten wahrscheinlich. Nur eine massive Erwärmung, so wird vermutet, könnte sie auslösen.

Von den Möglichkeiten, die wir uns hier ausgemalt haben, ist das Versiegen des Golfstroms insofern die Ausnahme, weil es sich dabei um eine sehr starke negative Rückkopplungsschleife handelt, die zumindest für die Länder rund um den Nordatlantik — und vielleicht für den Planeten insgesamt — den Erwärmungs­trend zeitweilig und drastisch umkehren wird. Aus Gaias Sicht ist eine Unterbrechung des Golfstroms daher zu vergleichen mit dem Amputieren eines brandigen Gliedes, ehe der Brand den ganzen Körper befällt. 

Im Gegensatz dazu handelt es sich bei den beiden anderen Szenarios um positive Rückkopplungsschleifen, von denen die eine die gewaltigste in der Erdgeschichte ist. Denkt man über diese potenziellen Katastrophen nach, muss man sich klarmachen, dass wie beim Abfeuern eines Schießeisens die Möglichkeit eines menschlichen Eingriffs nur ganz zu Anfang besteht — ehe wir abdrücken.

Ich möchte hier noch eine weitere Rückkopplungsschleife erwähnen — nicht, weil sie von ihrer Größenordnung her mit den drei großen, oben ausgeführten Klimaumschwüngen vergleichbar wäre, sondern weil sie uns selbst betrifft, bereits am Werk ist und der Auslöser weiterer Veränderungen sein könnte.

Im Verlauf unserer gesamten Geschichte haben wir ständig darum gekämpft, in angenehmen Temperaturen zu leben, was, in Zeit und Energie ausgedrückt, sehr kostspielig ist. Denken Sie nur an die Hunderte von kleinen Körperbewegungen und -verlagerungen, die wir Tag und Nacht vollführen — das An- und Ausziehen von Mänteln, Hüten und so weiter — und die einfach ein Ausdruck jenes Kampfes sind. Ja, auch der Hauskauf — unsere größte persönliche Ausgabe — dreht sich primär darum, unser lokales Klima zu regulieren. 

Heute können wir mit fossilen Brennstoffen unsere nähere Umgebung aufheizen oder kühlen, und dieses Unterfangen ist, was den Energieverbrauch und die Umwelt angeht, äußerst kostspielig. In den USA werden 55 Prozent des gesamten Energie-Etats für das Heizen und die Klimatisierung der Häuser aufgewendet — das Heizen allein kostet die Amerikaner 44 Milliarden Dollar pro Jahr.64

Wenn unsere Welt dank des Klimawandels immer ungemütlicher wird, ist kaum vorstellbar, dass die Nachfrage nach Klimaanlagen zurückgeht. Im Verlauf von Hitzewellen könnten sie de facto über Leben und Tod entscheiden. Aber solange wir unsere Methoden nicht ändern, wird dieses Bedürfnis mit dem Verbrennen fossiler Energieträger befriedigt, was eine sehr starke positive Rückkopplungsschleife ist. In den USA und Australien ist die Nachfrage nach Klimaanlagen bereits kaum zu befriedigen — in Ländern, in denen bis vor kurzem die Bauvorschriften hinsichtlich der Energieeinsparung erschreckend lax waren. 

Es könnte sich daher die Situation ergeben, dass wir, um unsere Häuser zu kühlen, letzten Endes unseren Planeten kochen.

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Flannery 2005