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  Fuchs-1984

 

 

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Unterhalb des Lagers, am Fuß einer Wismut-Halde, in einem Tal, üben wir Krieg, Angriff. Spaziergänger kommen vorbei, sie sehen kurz herüber und bleiben nicht stehen. Wir springen über einen kleinen Bach und versuchen, einen Hügel zu nehmen, auf dem Weidauer steht und die Befehle gibt. «Gleitend» und in kurzen Sprüngen bewegen wir uns fort, um die «Sturmangriffslinie» zu erreichen.

«Höchstens zehn Sekunden oben bleiben, dann runter, in Stellung gehen, nach links abrollen und zielen. Knarren gibt's später, aber die Bewegung einprägen! Nicht so lange oben bleiben, der Gegner schläft nicht! Denkt an die kleinen runden Löcher!»

Karausche muß vormachen, was es heißt, «in Stellung» zu gehen. Er wirft sich auf den Boden, rollt ab, zielt mit der nicht vorhandenen MPi... So üben wir die «Fortbewegung im Gelände». Weidauer steht breitbeinig und vergnügt auf seinem Hügel:
«Sturmangriff!»

Da rennen wir los und hetzen den Abhang hoch, bis wir die Höhe seiner Stiefelsohlen erreichen.
«Das war nur eine Kostprobe», sagt Weidauer und läßt antreten. «Zigarettenpause.»
Sturmangriffslinie, Stellung, Fortbewegung im Gelände, dieser Wortmüll ... Ich habe keine Zigaretten. Wir hocken im Gras, Weidauer hat sich auf einen Stein gesetzt. Bauer, Hartmut Bauer aus Jugels Zimmer, hält mir eine Schachtel «Juwel» hin und gibt mir Feuer. Ich nehme einen Zug. Der Tabak, die Waldluft, jetzt eine Pause nach dem Rennen und Kriechen, das tut gut. Bauer hat mir eine Zigarette gegeben. Er kommt aus der Umgebung von Aue. Ist also fast zu Hause. Kraftfahrer ist er, glaube ich, oder aus der Landwirtschaft. Groß, stämmig, schwarzhaarig, verlobt, ein Bauer.

Weidauer raucht auch.

«Bei mir gibt's Pausen, wenn die Ausbildung klargeht. Das können die vor euch bestätigen ... Ich bin nicht so. War lange vorn an der Grenze, das ist natürlich was anderes als hier. Aber gegen eine Versetzung kann man nichts machen. Bald ist Heimgang, meine Tage sind gezählt. Als Vize ...»

Er lächelt, zieht gierig an seiner Zigarette, hackt mit einem Stiefelabsatz ins Gras.

«Ach so», sagt Bauer, «uns kommandierst du. Und dann nur noch vom Heimgang reden. <Vize>, <EK>, ich weiß das von meinem Bruder. Der war ja auch hier, ist jetzt an der Grenze Hundeführer. Der hat mir einiges erzählt. Ich weiß doch Bescheid.»

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Wir hören zu, rauchen, reden kaum. Weidauer hält seine Stiefel jetzt ruhig, grinst, widerspricht nicht.
Nach einer Weile sagt er: «Vorsicht, Bauer, Vorsicht.»

Bauer zuckt mit den Schultern, nimmt sich noch eine Zigarette. Weidauer steht auf, schlägt die Stiefel aneinander, hüpft, geht hin und her und befiehlt dann: «Antreten!»
Wir marschieren ins Lager zurück.

Im Gehen muß ich an den geprobten «Angriff» denken. Weidauer hatte es sich bequem gemacht auf seinem Hügel. Gut, dann hat er eine Zigarettenpause erlaubt, das mußte er nicht. Er hätte uns weiterscheuchen können. Wir sind den Berg hochgekrochen. Aber da war noch etwas anderes. Ein Blitzen und Stürmen war da, es ging los! Nach all den kleinlichen, blöden Ordnungsvorschriften, nach Bettenbau und Musterspind ging es los. Noch fehlten Waffen und Munition, dafür konnte man rennen, sich hinwerfen, abrollen, zielen und weiterstürmen ... Wann und wo man in Deckung ging, wie schnell man rannte, das war die eigene Entscheidung. «Huuur-raaaa» ... Räuber und Schanzer, peng, peng ... das reichte weit zurück in die Kindheit.

Die Spiele auf der Hohle und unter den Brücken des Raumbachs. Filme und Bücher, «Lederstrumpf» und «Die Söhne der Großen Bärin», «Tschapajew», «Pawel Kortschagin» und «Rauchende Colts», Indianer, Rotarmisten und Cowboys, im Nebel, mit Holzgewehren und Hirschfängern ... sich verteidigen, die Feinde besiegen, das ist doch nichts Schlechtes! Und wenn man selbst zu den Guten gehört, dann ist es auch eine gute Tat, vielleicht sogar eine Heldentat ... Kam daher das Blitzen?

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Und die Lust, ein Krieger zu sein, ein Angreifer? Kam daher das Blitzen in den Augen? Muß jetzt von Befrei-ungs- und Weltkriegen gesprochen werden, von Diktaturen und Demokratien, von Völkern und Führern, von Lebenden und Toten? Oder vom Aggressionstrieb, der Tiere und vielleicht auch uns Menschen beherrscht? Von Rassen und «Lebensraum», von Weltrevolution und Klassenkampf? Nein, jetzt nicht. Jetzt sind wir auf dem planmäßigen Rückzug. Es ist gegen zwölf, irgendwo läuten Kirchenglocken.

Ich habe Hunger und will nicht mehr grübeln.

Der Weg hoch zum Lager ist steil und glitschig. Wir gehen in Zweierreihen, einige keuchen. Biellau hustet laut und vorwurfsvoll. Ich trete auf Steine und Wurzeln, um besser voranzukommen. Was gibt es zum Mittagessen? Andere Fragen fallen mir nicht mehr ein. Das Lager erreichen, nicht zurückbleiben, solche Gedanken. Jede Begründung wird mir gleichgültig, jeder Zweifel lästig. Ich habe Hunger. Ich will nicht an Eva denken, nicht an zu Hause, nicht an Borchert, nicht mehr an die Spiele auf der Hohle. Ich will diesen Berg hochkommen und möglichst nicht ausrutschen oder zurückbleiben. Ob ich Biellau helfe? Er wird es schon schaffen ... Wut habe ich ... Auf die anderen, die jetzt in Straßen und Städten herumgehen! Geht nur schön, bleibt vor den Schaufenstern stehen und trinkt Kaffee! Ihr werdet schon noch sehen! Wut habe ich, neidisch bin ich auf alle, die jetzt nicht diesen steilen, zerfurchten Haldenweg hochkeuchen. Das frißt innen und hat keinen Trost und nicht viele Worte, das flucht leise, spuckt, macht Tempo und verzieht keine Miene, wenn Bauer oder Jugel ihre Bemerkungen machen. 

Die Zivilisten, die Sorglosen haben keine Ahnung, was hier geschieht — und die anderen sagen: «Was ist das schon! Wir lagen vor Stalingrad in der Kälte, wir waren im Krieg! Das sind doch alles bloß Kinderspiele, seid froh!»

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Aber ich bin nicht froh.

Ich werde zu etwas gezwungen und erlebe, daß ich mich zwingen lasse. Bin unglücklich, unter Druck, wie das Tier im Zirkus, das eine Nummer beigebracht bekommt von trickreichen Dompteuren, die auch mal zur Peitsche greifen. Ich kann nicht weglaufen.

Scheißgedanken!
Der Stahlhelm drückt ... Gleich bin ich oben ... geschafft.
Weidauer läßt antreten. Biellau ist etwas zurückgeblieben.
«Im Gleichschritt! Marsch!»

Ich stoße auf das Freiwillige dieser Unterwerfung, auf das eigene Mittun und Mitmarschieren. Und möchte ausweichen. Was gibt es heute? Suppe? Sturmangriffslinie! Macht es auch Spaß? Mitunter... Wir haben das oft gespielt ... Auf dem Hügel lag dann ein Schatz. Heute war Weidauer der Schatz, seine Stiefel. Immerhin hat er Pause gemacht. Was Bauer sagte, paßte ihm nicht ... Scheißgedanken! Das Geschrei der Unteroffiziere ist das eine. Aber wenn wir aus dem Lager marschieren und über hundert junge Männer von zwei oder drei unbewaffneten Aufsehern, die sich «Genossen Unteroffiziere» nennen, durch eine bewaldete Gegend geführt werden und alle Befehle mehr oder weniger willig ausführen, kommt noch etwas hinzu: Existieren Mächte und Grenzen, die nicht nur dieses Lager umzäunen, sondern auch den Wald und das Land in Schach halten? Ja. Erklärt das alles? Nein. Es muß eine Macht, eine Grenze, einen Unteroffizier geben in uns, in mir, einen Sklaven, eine Angst, die dazugehört. Die dieses Spiel erst möglich macht. Oder ein Ideal? Nein, kein Ideal.

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Eine verordnete Überzeugung vielleicht, die Meinung, nichts Schlechtes zu tun. Diese 3. Kompanie des Jahres 68 hatte Einberufungsbefehle erhalten und war ihnen gefolgt, weil sonst ein grüner Kübelwagen der Volkspolizei vorgefahren wäre. Und jetzt trabt man durch eine Gebirgslandschaft und ist schon etwas beeindruckt vom gleichen Schritt und Tritt. Vorn In-Stellung-Gehen, vom Anlegen, vom Losstürmen. Weidauers Stiefel sind das eine, das andere ist das Gefühl, wirklich etwas zu erleben. Jetzt und in Zukunft. Besonders am gefürchteten und heimlich herbeigesehnten Tag X, an dem alles beginnt und endet: das Leben, der Krieg, der Frieden. Und der wunderbarste aller Tage: der Tag der Entlassung, auch er wird kommen ...

Wenn wir doch schon da wären. Ob wir gleich zum Essen marschieren? Unwahrscheinlich. Erst das Eßbesteck holen. Hunger habe ich. Wut. Keine Empörung.

Und jetzt dünn, von weit her, aber gut hörbar, wieder diese Glocken. Und eine Sirene. Hochzeit, Mittagspause. Verfluchte Hochzeit, verfluchte Mittagspause!

Im GHG, in der Großhandelsgesellschaft, in der ich nach dem Abitur als Beifahrer arbeitete bis zur Einberufung, lachten die Kollegen, wenn einer Punkt eins, nach dem Ertönen der Hupe, den Essenraum verließ. «Willst wohl arbeiten?» höhnten sie und teilten noch einmal die Karten aus für eine Runde Skat. «Hast wohl Angst vor dem Kollegen Betriebsleiter», riefen sie und sahen den großen, stämmigen Mann an, der mit einem weißen Kittel gerade den Raum verließ oder auch noch sitzen blieb und sich am Spiel beteiligte, als gehöre er dazu. «So ist's recht, immer mit der Ruhe, genau so!» 

Große Eile gab es nicht in dieser Großhandelsgesellschaft für Lebensmittel, Getränke und Fette auf der Friedensstraße, in der ich

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als Abiturient und Beifahrer die Monate bis zur Einberufung verbrachte

Zuerst gingen die Lagerarbeiter, dann die Beifahrer, zuletzt die Fahrer der Lkws, der «W 50», «H3A» oder «H6». Sie tranken im Gehen noch schnell eine Tasse Kaffee am Ausgabeschalter, flachsten mit den Küchenfrauen und preschten dann los mit Zucker, Mehl oder Käse, belieferten die Verkaufsstellen zwischen Reichenbach, Zwickau und Lengenfeld. Ich fühlte mich wohl, war abends müde, hatte viele Kartons und Säcke getragen, verdiente ganz gut, die Fahrer schrieben immer eine Tour mehr auf: «Merkt keiner.»

Die Halde sind wir hoch, jetzt geht es die Straße entlang, dann auf den schwarzen Schlackeweg. Biellau keucht immer noch, er marschiert hinter mir. In Sechserreihen geht es durch das windschiefe, eiserne Tor. Dort steht ein anderer Posten. Er verzieht keine Miene, ist nur mit dem Öffnen und Schließen beschäftigt. Kommt sich wohl auch wichtig vor mit seiner Maschinenpistole.

Hoch in die Stube, Eßbestecks holen, Geländeanzug ausziehen, Käppi aufsetzen, antreten. Endlich Mittagessen.
Sprechverbot, ständige Aufsicht.
Es gibt Kartoffeln, Sauerkraut und Bockwurst. Wir stehen am Schalter, holen uns Nachschlag, die meisten haben Hunger.

Nach dem Essen zurück ins Kompaniegebäude, umziehen, «fertigmachen zum Marsch in die Stadt, in den Kinosaal zur Politschulung».
«Stiefel säubern, tipptopp, Lederkoppel und Stahlhelm, Ausgangsuniform, wir werden gesehen!» erläutert Unterfeldwebel Riedel im Flur.
«Keine Mittagspause?» fragt Bauer unvermittelt und gegen alle Dienstvorschrift, wir stehen im Stillgestanden an der «Linie».

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«Wie?» Riedel ist verdutzt.
«Gar keine Mittagspause ... die steht im Dienstplan, wenn ich richtig gelesen habe ...»
«Wann Pause ist, bestimmen wir», sagt Riedel lächelnd. «Beeilung!»

Und wieder fummeln wir an den Stiefeln herum, reiben und bürsten, bereiten uns auf den nächsten Marsch vor. Ich möchte mich einen Augenblick aufs Bett legen und die Augen schließen. Aber ein Blick auf die straffen Kanten, die mühsam glattgezogenen Bezüge genügt, um mich auf den Holzhocker fallen zu lassen. Meine Kleidung liegt im Koffer, den sollen wir in Kürze nach Hause schicken als Postpaket. Soldaten sollen wir sein und keine Zivilisten, die Klamotten auf dem Schrank liegen haben und vielleicht zur Fahnenflucht verleitet werden vom Heimweh. Das eigene Zimmer, in dem ich gern allein war, las oder schrieb, ist weit. Die Freunde sind nicht erreichbar. Dort ist Karausche, aber Karausche ist kein Freund. Er ist ein Soldat, ein Bettnachbar, ein Zimmergenosse. Er hat schon wieder das befohlene Koppel umgebunden und richtet den Stahlhelm gerade. Gefährlich sieht er aus, ernst, gefährlich und komisch. Er tut mir nichts, nein. Er hilft mir. Er tut, was ihm befohlen wird, fluchend, aber er tut es. Ein treuer Arbeiter ist er, der auch von der «deutschen Wertarbeit» schwärmen könnte, denke ich. Ein treuer deutscher Soldat. Er ist nicht naiv, er weiß auch, wo's hier langgeht. Aber er kann nicht anders. 
«Pflicht ist Pflicht, Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps.» Vielleicht haben sie auch zu ihm gesagt: «Achten Sie mal bißchen auf diesen Studierten, der soll was ausgefressen haben. Augen und Ohren auf, Genosse Karausche.» Da wird er genickt haben. 

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Und wenn sie «Kollege» gesagt haben und «du», «hör mal zu, Manfred, die Sache ist die und die ...», da wird er gelächelt und zugestimmt haben wie ein Freund, wie ein guter Kumpel: «Die wollen nichts Schlechtes ...»

 

Warum denke ich an so etwas? Ist das schon das Durchdrehen, der Spitzelwahn, die chronische DDR-Krankheit, die Seuche aller Diktaturen? Haben sie es schon geschafft? Und wenn Karausche in Ordnung ist? Und wenn nicht? Woher soll ich wissen, was stimmt? Ich muß ihn ja erst kennenlernen. Und er mich. Er ist auch unsicher und denkt womöglich, ich kontrolliere ihn. Wir hocken seit gestern auf engstem Raum zusammen, sind beide in einer neuen Lage und werden gestriezt. 

«Draußen» würde man sich anders kennenlernen. Da würde man sich ab und zu sehen, eine gemeinsame Arbeit machen vielleicht. Wieder nach Hause gehen, mit anderen sprechen, ihre Meinung hören. Das ist hier unmöglich. Das Gewollte, Unsoziale dieser neuen Lage ist besonders daran zu merken, daß sich sofort das Mißtrauen meldet. Der Mitmensch auf derselben Stufe, im selben Zimmer, der Leidens-Genosse Soldat Karausche wird dann zum wildfremden Menschen, der er ja auch ist, zum Unsicherheitsfaktor einer erzwungenen Bettnähe. So ein Zusammentreffen läßt kein angstfreies Kennenlernen zu. Die Frage taucht auf: Wer ordnete an, mit wem ich zusammenliege? Ist das Zufall? Ist es die alphabetische Reihenfolge, das Geburtsdatum, der Heimatort? Irgendein Hinter- oder Nebeneinander in einer Kartei? Wer mischt die Würfel? Gibt es welche, die sagen: der mit dem? Auf all diese Fragen gibt es vorerst keine Antwort. «Man wird sehen, die Zeit wird es zeigen», das ist die allgemeine Haltung. Und doch möchte man sich verbrüdern, anfreunden, gemeinsam diesen Alltag bestehen. Das ist ein starkes Gefühl, vielleicht stärker als die Vorsicht, als das Sich-in-acht-Nehmen. Sind wir Brüder, wir frisch gemachten Rekruten? Vielleicht Jugel. Jugel ist anders.

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Aber jetzt muß ich Koppel und Stahlhelm nehmen und einen marschbereiten Soldaten aus mir machen.
«Ein Kaffee wäre nicht schlecht nach dem Essen.» Karausche schnuppert zur Tür hin und sehnt sich offenbar sehr nach seinen Gewohnheiten. «Ein Kaffee mit Milch, Zucker brauche ich nicht...»
«Geh doch zur Kantine», sage ich, «es gibt doch eine.»
Karausche schüttelt den Kopf.
«Dürfen wir dahin?» frage ich.
«Ich glaube schon. Ich gehe aber später. Jetzt ist keine Zeit mehr. Ich frage morgen mal Riedel, den kenne ich, der ist aus meiner Straße. Geht im Frühjahr nach Hause, hat es hinter sich.»
«Du kennst ihn ... habe ich beim Stubendurchgang gar nicht bemerkt.»
«Muß nicht gleich jeder wissen. Der tut uns nichts. Hat auch in meinem Betrieb gearbeitet als Elektriker...»
«Was kann man da kaufen?»
Karausche verzieht das Gesicht und wird wieder dienstlich:

«Also, bei uns war es so: Kaffee, Tee in Beuteln, Kuchen, Bockwürste, andere Backwaren, Getränke, Seife, Rasierklingen, Schuhcreme. Was man so braucht eben.»
«Auch Alkohol?»
«Keine Ahnung, wie es hier ist», sagt Karausche, «vielleicht für die Offiziere und EKs, hintenrum. Ist möglich. Für uns bestimmt nicht ... Rück deinen Hocker zurecht, gleich kommt der Pfiff.»

Er steht am Fenster und horcht. «Was geht dich mein Hocker an», möchte ich fragen, lasse es aber. Er ist kein Bestimmer, gibt keine Befehle, er bittet fast. Ich füge mich, bin verändert, kann noch gar nicht glauben und richtig erkennen, wer ich jetzt bin. 

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Wenn Manfred Karausche seine Ratschläge gibt, dann schwingt auch mit: Denk daran, daß es uns beide trifft, wenn Kontrolle kommt. Wir sind dran, als Zimmer, als Gruppe, nicht nur du, nicht nur ich. Das kenne ich gut, das ist die «Erziehung im Kollektiv». Im Klassenzimmer die Tafel mit den Punkten, mit den «Bienchen», in der Hand des Lehrers der Stempel mit dem lachenden und dem weinenden Gesicht, gut oder schlecht, der Erste oder der Letzte oder im Mittelfeld ... 

«Lernbrigaden» wurden gebildet, die guten Schüler waren die Brigadiere, sie halfen den «Schwachen» und überwachten die voraussichtlichen «Sitzenbleiber». Ich war Brigadier, ich war verantwortlich in den Augen des Klassenlehrers. 

Also spielte ich Lehrer und Bewacher. Nichts Gutes entstand so, keine echte Hilfe, keine freundliche Gemeinschaft, eher Druck und Gegeneinander. Auch hier werden sie die «militärische Sauberkeit und Ordnung» kontrollieren und bewerten. Das eine Zimmer wird besser eingestuft werden als das andere, das eine Bett ordentlicher als das des Nachbarn. Das kann ich mir schon denken. Ein Diensteifriger sagt dann zum «schwarzen Schaf»: «Du hast die Ergebnisse versaut, bau gefälligst dein Bett besser! Jetzt können wir alle nicht in die Kantine ...» Vielleicht werden sie es so machen. Nicht in die Kantine, nicht auf Urlaub, nicht in den Ausgang, nicht zum Fernsehen, nicht zum Fußballspielen, nicht in die Bibliothek ... Davon hat der Lange Karl erzählt. Wenn ich das hier richtig sehe, wird genau das passieren. «Sozialistischer Wettbewerb Operation 70» habe ich auf Plakaten gesehen. Wettbewerb ... Die vorderen Plätze müssen gegen andere verteidigt werden. Der blitzende Fußboden muß immer blitzen. Die Tabellenspitze muß gehalten werden. Wenn sie verlorengeht, findet sich meist ein Schuldiger.

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Solche wie Biellau sind meist schuldig. Auf denen hackt man dann herum. Die wehren sich vielleicht, so geht es hin und her. «Aber das große Ziel, die ehrenvolle Aufgabe ...» Ja, ja, schon gut. Der besenreine Ofen wird ungeheuer wichtig, die blank­geriebenen Scheiben mit Blick auf die Umzäunung...

Nichtigkeiten bestimmen den Alltag und verschieben die Werte. Ich sehe es an mir. Alles hängt von einer Falte im Bettuch ab. Was soll man tun? «Leck mich» sagen? «Minuspunkte? Na und. Kein Ausgang? Juckt mich fast gar nicht, wir schmuggeln bißchen <Alk> rein. Rüge vor versammelter Mannschaft? Da kann ich nur lachen. Strafdienste? Ist mir eine Ehre, die anderen helfen vielleicht mir ...» Wenn man es so umkehren könnte. Aber wer kann das hier. Solche wie Riedel, den Karausche aus dem Betrieb kennt, werden sagen: «Dienst ist Dienst, das muß eben sein!» Mit dem Wort «eben» deuten sie eine gewisse Distanz zur eigenen Rolle an, das könnte gefallen: {Die wollen auch nichts Schlechtes», sagen wir dann und fügen uns, «die können nicht anders.» Dazu die ständigen Reden von «Sozialismus, Frieden und Vaterland ...» Kleine Hinweise auf mögliche Studienabsichten können folgen, Versprechungen ... Punkte werden berührt, an denen ein persönliches Interesse vorliegt: «In zwei Jahren wollen Sie auf Kosten unserer Gesellschaft studieren? Bin ich da richtig informiert?» Und Menschen wie Manfred Karausche, der jetzt schon wieder an seinen Stiefeln fummelt, muß man nur an ihre «Arbeiterehre» erinnern. Er möchte alles sein, nur kein Bummelant, kein Arbeitsscheuer. Das sitzt ganz tief. Das weiß ich auch von meinem Vater, dem Elektriker. Die Einstellung zum eigenen Beruf wird auf die neue Aufgabe übertragen. Karausche möchte lieber zu Hause sein, seine Frau bekommt ein Kind. Aber nun haben sie ihn eingezogen, daran ist nichts zu ändern, er funktioniert weiter.

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Solche wie Jugel und Bauer sind da vielleicht anders. Sie könnten sagen: «Wir arbeiten, klar, auch Überstunden, wenn's sein muß und wenn was rausspringt. Aber hier läuft so was nicht... Wir machen nicht jeden Blödsinn mit.» Sie werden es nicht so offen ausdrücken, aber möglicherweise denken und danach handeln. Das wird dann Folgen haben. Solche Arbeiter hat die «Arbeiter- und Bauern-Macht» nicht gern ... Dann kommen die Bespitzelungen und die Strafen, die besonderen Aufträge, eine Nerverei nach der anderen. Bis sie sagen «na gut», bis sie sagen «alles egal». Oder ein Urlaubstermin wird genannt. Da werden die Lebensgeister angeregt, jeder will nach Hause. Soll man es dann «auf die Spitze treiben»? Lieber nicht. Auch so kann es gehen. Der Lange Karl wollte in Urlaub fahren. Da hat er freiwillig Kantinendienst gemacht über Nacht, hat die Offiziere bedient. Einmal haben sie ihn doch nicht fahren lassen. Da hätte er alles zusammengeschlagen, die ganzen Möbel. Aber das wird er nicht gemacht haben. Er wird geweint haben, der Lange Karl. Er wollte nach Hause. Und später kam er an in unserem Städtchen mit seinen weiten Schlaghosen und hat nur traurige Geschichten erzählt und gesoffen ...

Und ich stehe mit Karausche, mit Koppel, Stahlhelm und geputzten Stiefeln am Fenster und warte auf den Pfiff, der den Abmarsch in den Kinosaal der Stadt signalisiert. Es geht zur Politschulung.
Beim Raustreten renne ich neben Biellau die Treppen hinunter. Er ist blaß, hat rote Augen. Der Stahlhelm rutscht ihm ins Gesicht.
«Der läßt sich innen verstellen», sage ich.

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«Ja, ich weiß», sagt er und hält ihn mit beiden Händen fest.
«Wie geht's dir?»
«Schlecht. Erkältung, Grippe wahrscheinlich ...»
Er sieht mich an, als müßte ich sofort etwas unternehmen.
«Geh doch zum Arzt...»
Wir sind auf der Lagerstraße, er fuchtelt mit den Armen:
«Wiedenn ... wo ...»

Jeder verschwindet in seiner Reihe nach diesem ersten Wortwechsel. Wenig später marschiert ein langer, grauer Zug durch Johanngeorgenstadt. Die Passanten sehen herüber, denken wohl «aha, die Neuen», sind nicht erstaunt, solche Züge haben sie schon oft gesehen. Sie gehören zum Straßenbild dieses Städtchens. Was mich am meisten beschäftigt, ist der Gedanke, «neu» zu sein, und das Bemühen, nichts falsch zu machen. Wenn ich nicht mehr neu sein werde, in einigen Wochen also, mit der Kalaschnikow vor der Brust, ist es dann ein anderes Ausschreiten? Vielleicht gar nicht mehr so unangenehm? Vielleicht mit dem Lächeln des alten Frontsoldaten, der erholungsbedürftig hinter den Linien ankommt und nach jungen Frauen Ausschau hält — wie es in Filmen zu sehen ist?

Das Kinogebäude präsentiert sich als bescheidene Ausgabe eines stalinschen «Kulturpalastes», wie er in den fünfziger Jahren, vor allem auf dem Lande, errichtet wurde. Wir beäugen die Schaukästen mit den Szenenfotos und Filmplakaten, bleiben aber in der Reihe. Ins-Kino-Gehen, das erinnert an das andere Leben, das kürzlich zu Ende ging.

«Was kommt denn?» fragt Bauer.
«Ein Western.»

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Jugel hat wieder seine schmalen Augen.
«Wirklich?»
Bauer sieht ihn an, lacht dann:
«Spinner.»
«Vielleicht ein Wildostler, Befreiung von Berlin ...»
«Kann sein, hoffentlich ein Film, keine Rede ...»
«Werden wir ja gleich sehen.»
«Was mit Frauen...»
«Kaum.»

Jetzt droht Weidauer mit dem Finger, die andere Hand steckt in der Uniformjacke zwischen dem zweiten und dritten Knopf, in Herznähe, auf Feldherrenart:
«Ruhe!»
Wir rücken ein, lassen uns auf die weichen Sitze fallen, strecken die Beine aus, sind im Kino.
«Stahlhelm ab!»

Der Kopf ist frei, der Vorhang kann sich öffnen, die Vorstellung beginnen. Auf der Bühne sind Worte angebracht, große Buchstaben aus Pappe, säuberlich, in gerader Linie auf rotem Tuch:

«Unser Kampfauftrag: Der Deutschen Demokratischen Republik, unserem sozialistischen Vaterland, aufopferungsvoll, treu und ergeben zu dienen.»

Zu sehen ist noch ein Rednerpult mit Mikrofon und Staatsemblem. Ein mittelgroßer, kräftig gebauter Offizier mit Hornbrille, ein Major, besteigt das Podium, mustert den Saal, wartet. Unruhe entsteht, Unteroffiziere sehen sich nach den Kompaniechefs um, einer rennt nach vorn, ruft:
«Stahlhelme auf! Stillgestanden!»

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Wir stehen auf, Helme klappern und werden auf die Köpfe gestülpt, Klappsitze kippen hoch, es geht nicht besonders schnell, ein Kinosaal ist kein Kasernenhof. Einige lachen, vereinzelte, halblaute Rufe:
«Licht aus!»

Dann ist es still, der Offizier auf dem Podium verzieht keine Miene, hebt langsam die Hand Richtung Schirmmütze, nimmt eine hastige Meldung entgegen, sieht weiter sehr aufmerksam in die Reihen. Ein starres Schweigen breitet sich aus. Der bebrillte Major stellt sich neben das Rednerpult, lächelt jetzt, macht eine legere Handbewegung, die «hinsetzen» bedeutet. Wieder klappen wir die Sitze in die Horizontale, vorsichtiger als beim erstenmal, nehmen die Helme ab, lassen kein Auge von diesem Offizier da vorn auf der Bühne.

«Genossen Soldaten», sagt er mit einer angenehmen, dunklen Stimme, die überall gut zu hören ist, «jetzt können wir ja beginnen.»

Er macht eine Pause, blättert in den Unterlagen, die er offenbar schon vorher bereitgelegt hat, und wendet sich erneut an das sitzende Bataillon, sicher, etwas amüsiert, aber nicht herablassend:
«Wie ist die Stimmung? Schon Blasen an den Füßen? Eine schwere Zeit jetzt für euch. Es ist noch kein Soldat vom Himmel gefallen. Kommt ihr einigermaßen klar?»

Aus der gespannten, vorsichtigen Aufmerksamkeit wird zuerst Verblüffung und dann eine diffuse, zwischen Erleichterung und Skepsis schwankende Sympathie für diesen streng aussehenden Major, der als «Politnik» eingestuft wurde und sich mit den ersten Sätzen als «Mensch» präsentiert. Nur Jugel behält seine schmalen Augen.

«Ich weiß, wovon ich rede, jeder hat mal angefangen. Ich mußte auch eine Grundausbildung absolvieren mit Härtetest und Gefechtsübungen. Na, das liegt noch vor euch. Jetzt lernt ihr erst das Laufen, das ist auch wichtig.

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Spind einräumen, Bettenbau, militärische Ordnung, das ist nun mal die Grundlage ... so ... warum gibt's denn im Sozialismus eine Armee? Muß das sein? Was meint ihr?»

Er wartet, sieht in die Reihen, einer von den vorderen Plätzen gibt Antwort:
«Das muß sein, zur Verteidigung ...»

«Richtig. Zur Verteidigung. Das habt ihr in der Schule gelernt, nicht wahr? Aber stimmt das wirklich? Stehen Sie mal auf, Genosse Soldat... ja ... Sie, da vorn ... Sie haben das doch gesagt...»

In der zweiten Reihe erhebt sich verlegen ein kleiner Rekrut und hält seinen Stahlhelm vor den Bauch ...
«Na?» fragt der bebrillte Major nach.
«Also ... meine Meinung ist...» stottert der Befragte, «eine Armee muß es geben. Wegen der Verteidigung des Vaterlandes. Das ist meine politische Meinung ...»

«So, so, das ist also deine politische Meinung. Ich will dir das mal ausnahmsweise glauben, Genosse.»

Er macht eine Pause, gibt dem Soldaten zu verstehen, er solle sich wieder hinsetzen, und mustert erneut das Auditorium. Wir starren ihn an. Bauer zischelt respektvoll:
«Der weiß Bescheid...»

«Also», setzt der Major seine Befragung fort, «wer von euch hat denn West gesehen? Keiner? ... Na, na, meine Herren, das glauben wir doch selber nicht.»

Solche Fragen stellt der Bebrillte. Wir hatten Phrasen erwartet, mit etwas Glück einen Zwei-Stunden-Film, bei dem man zusehen oder einschlafen kann auf weichen Kinosesseln. Und jetzt steht einer auf der Bühne und will wissen, ob wir Westfernsehen sahen zu Hause in der Wohnstube.
«Wer hat Mut? Keiner?»

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Einer aus der hinteren Reihe ruft:
«Ich.»
«Aha, einer ...» stellt der Major lächelnd fest.

Andere drehen sich um, tuscheln, lachen unsicher, wie ertappte Kinder. Einige melden sich kurz und verstecken ihren Finger wieder. Eine klare Antwort ist im Raum: alle, wir alle haben West gesehen ...

«Das ist ein heißes Eisen», bricht der Major die Befragung ab, «auf die <Tagesschau> müßt ihr hier verzichten. Hoffentlich bekommt der eine oder andere keine Entzugserscheinungen. Kanal 4 ist ja eine Droge, keine Arzenei... so ... ich wollte euch nur kurz klarmachen, daß ihr keinen Idioten vor euch habt, dem man die Taschen füllen kann. Ich bin Major Kraft vom Grenzregiment 10, Politstellvertreter. Genossen Soldaten, viele Probleme stehen vor euch. Eine Menge ist zu lernen, auf militärischem Gebiet, waffentechnisch, aber auch körperlich werden sie gefordert. Das politische Bewußtsein soll und darf dabei nicht zu kurz kommen, sonst wißt ihr gar nicht, wofür ihr das tut, was wir von euch verlangen.»

 

Er blättert in seinen Unterlagen, setzt die Brille zurecht und beginnt mit leicht veränderter Stimme zu referieren:
«Sie erfüllen Ihre in der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik festgelegte Ehrenpflicht, unser sozialistisches Vaterland und den Frieden gegen jeden Feind zuverlässig zu schützen. Damit beginnt für Sie ein neuer Abschnitt Ihres Lebens. Bereits an Ihrem bisherigen Arbeitsplatz haben Sie durch Ihre Taten das neue Leben in unserer Deutschen Demokratischen Republik mitgestaltet, haben Sie zum Wohle unseres Volkes, für Ihr eigenes Lebensglück gewirkt. Die entwickelte sozialistische Gesellschaft erfordert jedoch nicht nur gute Arbeit in Industrie und Landwirtschaft, sie verlangt nicht nur die Meisterung der Wissenschaft, Technik und Kultur. 

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Sie braucht auch eine Landesverteidigung, die dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Sie braucht eine moderne Armee, die in jeder Situation auf der Höhe ihrer Aufgaben steht. Sie, Genösse Soldat, werden lernen, technische Kampfmittel zu bedienen, sich den strengen, mitunter harten Gesetzen des militärischen Lebens unterzuordnen. Sie werden das Waffenhandwerk erlernen, um mit allen Bürgern unseres Staates gemeinsam schützen zu können, was wir gemeinsam schufen. Und es ist viel, was in unserer Republik entstand und des Volkes eigen ist. Noch nie in der deutschen Geschichte gab es eine verteidigungswürdigere Sache, für die deutsche Soldaten Waffen trugen ...»

Bauer beginnt zu gähnen, Jugels Augen sind fast geschlossen, ich spüre eine gewisse Enttäuschung: Es hatte aufregend begonnen, jetzt liest er vom Blatt ab und leiert auch nur seine Lektion herunter ...

«Unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer Partei lösen wir in unserem sozialistischem Staat deutscher Nation Aufgaben von geschichtlicher Größe, errichten wir auf deutschem Boden ein Reich des Menschen und einen Menschenstaat, wie es der Dichter des neuen Deutschland, Johannes R. Becher, nannte ...»

«Jetzt wird er lyrisch», flüstert Bauer und kramt in seinen Hosentaschen.

«Aber wir dürfen keine Minute vergessen, daß all unsere Erfolge in erbitterten Klassen­auseinander­setzungen mit den Kräften des deutschen Monopolkapitals errungen worden sind. Diese Kräfte herrschen noch in der westdeutschen Bundesrepublik. Sie haben dort ihre Staatsmacht wiedererrichtet und unternehmen alles, um uns auf dem Weg des gesellschaftlichen Fortschritts aufzuhalten und zurückzudrängen. Unaufhörlich versuchen sie, unseren Arbeiter- und Bauern-Staat politisch zu diffamieren, unsere Wirtschaft zu stören, unsere Gedanken und Gefühle zu verwirren. Sie provozieren an unserer Staatsgrenze und bereiten einen militärischen Überfall auf unser Land vor ...»

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Gähnendes Scharren greift um sich, diese vielgeübte, duldende Ignoranz. Ins eine Ohr rein, aus dem ändern wieder raus. Ich versuche, meine Füße etwas aus den Stiefeln zu ziehen und eine möglichst bequeme Sitzhaltung zu finden. Da geschieht etwas, die Köpfe schnippen nach vorn: Der Major hat sein Blatt weggelegt, sagt nichts mehr, sieht mit stechendem Blick in die Reihen:

«Und wie ist das, wenn die SPD die Regierung stellt? Die Sozialdemokraten? Ist es dann anders?»
Er tritt neben das Rednerpult.
«Die wurden ja auch von den Nazis verfolgt... nennen sich eine <Volkspartei>... was ist mit dem Monopolkapital?»
Keiner antwortet, Bauer flüstert:
«Der stellt Fragen ...»

Der Bebrillte kehrt hinter das Pult zurück und ruft in den Saal:
«Ist das Kapital etwa entmachtet? Sind sie aus der Nato ausgetreten? Na also. Das ist alles nur Kosmetik! Merkt euch das! Die reden schön daher in ihrem Bundestag, treten im Fernsehen auf, fahren in der Weltgeschichte rum. Aber es hat sich nichts geändert! Wir bleiben wachsam!»

Er nimmt seine Unterlagen wieder zur Hand und fährt leiser fort:
«Wenn es Fortschritte gibt, dann nur, weil wir stärker geworden sind. Und nicht, weil die andere Seite ihre Ziele aufgegeben hat. Es geht um Interessen, merkt euch das, um Interessen! Was sind denn unsere Interessen?»

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Ein Unteroffizier springt auf:
«Der Sieg des Sozialismus!»

Der Major lächelt, nickt:
«Jawohl, Genosse, der Sieg des Sozialismus. Das ist eine historische Notwendigkeit, das ist der Gang der Geschichte ...»

Glaube ich das? Das habe ich so oft schon gehört. Das ist die Antwort auf die gestellte Frage. Ein Bekenntnis, eine Überzeugung, wie in der Kirche. So ist es. So hat es zu sein. So und nicht anders. «Der Sieg des Sozialismus ist eine historische Notwendigkeit.» Und wenn das alles Blödsinn ist, Phrase? Wenn die Alternative «Sozialismus oder Barbarei» schon entschieden ist, wenn das hier kein Sozialismus ist... Wer kennt die Zukunft? Westdeutschland ist weit weg ... Sozialdemokraten ... Onkel Willi aus dem Haus, er wohnte über uns, war ein alter Sozialdemokrat. Hatte in Unterheinsdorf in einer Färberei gearbeitet. Kam aus dem Krieg zurück, wiederholte seither den Satz: «Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Herr geschlagen.» So ungefähr. Onkel Willi wurde in die SED übernommen, in die Einheitspartei. Hat sich aber nie mehr politisch betätigt, war heimlich «dagegen», redete aber nicht. Trat auch nicht aus. Onkel Willi war ein Sozialdemokrat. Er lag nach der Arbeit und später als Rentner auf seinem Sofa, las stundenlang Zeitung, vor allem den Lokalteil, war freundlich zu uns Kindern ... Er hatte keinen Mut, keine Hoffnung, keinen Rat. Nur stummes Abwinken und stundenlanges Aus-dem-Fenster-Sehen.

Jetzt hocken wir in diesem Kinosaal. Und sind etwas überrascht. Dumm ist der da vorn ja nicht. Er stellt Fragen, scheint an das zu glauben, was er zwischendurch sagt. Liest auch vom Blatt ab, das muß er wohl ... Er redet von Stärke und Interessen, vom Sieg des Sozialismus. 

113


Sein Sozialismus trägt Uniform, er macht Meldung. Ich weiß schon, daß es noch etwas anderes gibt... in der Tschechoslowakei, im vorigen Jahr, da wollten sie etwas anderes versuchen. Wir hörten davon, waren ganz aufgeregt. Welche aus unserer Klasse fuhren mit dem Moped an die Grenze, wollten nur mal sehen ... Dann kamen die Panzer. Sie fuhren an meinem Haus vorbei. Sie fuhren so, daß man denken mußte: Die hält keiner auf. Rissen Bordsteine weg, knickten Wegweiser um, zerfuhren Wartehäuschen. Ihre Motoren waren laut. Sie fuhren schnell, hatten offenbar ein festes Ziel, einen beschlossenen Plan. Im Fernsehen die Bilder, Menschen auf der Straße, Fahnen, Sprechchöre, «Dubcek ... Swoboda». 

Im Radio wurde etwas von Ernst Fischer verlesen. Auch eine Erzählung von Alexander Solschenizyn, die von einem Lager berichtete ... Ich weiß, ich habe es gehört. Meine Zweifel sind groß. Aber jetzt sitze ich als Soldat der «Nationalen Volksarmee» in diesem Kino. Ich habe mein Leben lang nichts anderes vernommen von «offizieller Seite», von der Partei, die nun einmal die Macht hat. Die Phrasen auf der Bühne, der Drill draußen, der Druck, das ist zwar schlimm, aber vertraut in einer gewissen Weise. Wirklich vorhanden. Die Zweifel, die Fragezeichen in mir, auch die Berichte im Westradio, sind etwas anderes. Sind nicht die Realität. Das hier ist ganz real. Wenn ich mich unterordne, wenn ich nicht offen rebelliere, ist die Angst weg. Da muß ich nicht alles glauben. Das verlangt keiner. Ich muß nur die Klappe halten. Und wo ist die Alternative ? Es fehlt der eigene Weg. Die eine Seite kämpft gegen die andere. Drüben werden sie auch schlecht über uns reden und nicht unterscheiden zwischen diesem Major da und mir. Sie werden in ihren Schulungen begründen, warum man schießen muß. Da wird bestimmt genauso allgemein geredet. Was bleibt mir übrig? Ich gehöre dazu, auch wenn ich Zweifel habe und kein Soldat sein will... f.

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Der Major ist wieder hinter das Rednerpult getreten. Jetzt spricht er davon, daß es für uns Bürger eines sozialistischen Staates nicht ungewohnt ist, in einer Gemeinschaft zu leben:

«In der Schule lernten Sie das Klassenkollektiv schätzen, im Betrieb arbeiteten Sie in der Brigade, in der FDJ-Gruppe oder in den Zirkeln des Klubs erlebten Sie die Gemeinschaft mit Freunden. Und dennoch: Die Gemeinschaft, in der Sie jetzt leben, die Soldatengemeinschaft, hat ihre eigene Prägung. Sie ist eine militärische Kampfgemeinschaft, im Frieden geschmiedet, um im Krieg zu bestehen...»

Im Krieg? Ich erschrecke. Er rechnet also mit Krieg: Ich sitze da, in Uniform, den Stahlhelm auf den Knien, und zucke zusammen, weil einer gut hörbar über ein Mikrofon das ausspricht, worauf wir uns vorbereiten.

«Diese Kampfgemeinschaft zu erleben, das gehört zu den schönsten Seiten der Soldatenzeit.»
«Eu, eu, eu», stöhnt Bauer.

Ich suche mit den Augen Biellau, Strobel und Kannengießer, kann aber nur Biellaus kleinen, eierförmigen Kopf entdecken drei Reihen vor mir. Er hat sich nach hinten gelehnt, betrachtet offenbar die Decken­beleuchtung. Ob er sich morgen zum Arzt meldet? Ob man ihn gehen läßt? Wie funktioniert das? Früh den Unteroffizieren Bescheid sagen? Beim Morgenappell? Keine Ahnung. «Im Frieden geschmiedet, um im Krieg zu bestehen ... Soldatengemeinschaft.» 

 

Meine Großmutter ging jeden Mittwochabend in die «Gemeinschaft», das war ein Zusammenschluß von Christen mit eigenem Gemeindesaal innerhalb der evangelischen Kirche. Sie nahm an Gottesdiensten teil, hörte

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Vorträge über die Missionsarbeit ... Sie erzählte mir dann kurz vor dem Einschlafen über Afrika, China, Südamerika, gab weiter, was sie aufgeschnappt hatte. Gläser mit eingewecktem Obst schleppte sie aus dem Haus, spendete auch Geld zum Ärger meines Großvaters. «Das muß sein», sagte sie, darüber diskutierte sie nicht, sie handelte. Wenn sie nach Hause kam, band sie ihre alte geflickte Schürze um, wusch noch ab und ging dann zu Bett. Früh war sie zeitig auf den Beinen. Das mußte so sein, weil es schon immer so gewesen war auf dem Lande, auch wenn sie schon vierzig Jahre in der Stadt lebte ohne Felder und Kuhställe.

Und dieser bebrillte Offizier spricht von der «Soldatengemeinschaft».
«Mit den Kameraden Ihrer Gruppe, Bedienung oder Besatzung vereint Sie nicht nur Gemeinschaft für einige Stunden des Tages. Mit ihnen erleben' Sie täglich, von Morgen bis zum Abend, das Soldatsein. Diese Gemeinschaft schweißt zusammen...»

Karausche sitzt rechts neben mir, fünf Plätze weiter. Er hört aufmerksam zu, der Schmelzer aus Schneeberg. Vielleicht hat er diese Rede schon einmal gehört in seiner Kampfgruppe ... er weiß ja über alles Bescheid. Vielleicht wartet er auch auf eine neue Frage und will die Antwort geben. Jugel verzieht keine Miene. Bauer verteilt Pfeffis und läßt die Reste der Bonbonrolle wieder in seiner Hosentasche verschwinden.

Jetzt ist der clevere Major weit weg.

Je schwülstiger und allgemeiner seine Rede tönt, desto gleichgültiger wird er uns. Ob er an das glaubt, was er vorliest? Wir fühlen uns überlegen und gewinnen so unsere Sicherheit und einen Teil der Selbstachtung zurück. Er weiß, was wirklich los ist, das beweisen seine Fragen. Aber er benutzt die Wahrheit als Mittel zum Zweck.

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Er will schlauer sein als sie. Er will sie kennen und weitermelden, er will solche Fragen stellen und im Dienste «der Partei» agitieren. Er will, daß wir dasitzen, ihm ohne Widerrede zuhören, hinnehmen, was er sagt, uns vielleicht sogar überzeugen lassen und ihm glauben. Er will uns besiegen.

Aber jetzt drischt er Phrasen.

«Bewähren muß sich diese Gemeinschaft letztlich im Gefecht, wenn Sie, Genosse Soldat, an der Seite Ihrer Genossen kämpfen, als ein ehernes Ganzes, fest zusammengeschweißt und unerschütterlich ...»

«Der denkt auch nur ans Schweißen», sagt Bauer leise, aber mit einem Gesichtsausdruck, als habe er das andere Wort gesagt. Das ist zuviel, jetzt trägt er zu dick auf, dieser Politmajor. Das ist keine gute Propaganda, kein gelungenes «Zusammenschweißen», jetzt ist er «unten durch» bei fast allen. Er macht zwar noch einmal eine Pause, aber die ist nicht mehr so locker, so leger-gefährlich wie die, als er unvermittelt nach dem Westfernsehen fragte. Jetzt wartet er nur mit fest verschlossenem Mund, bis völlige Ruhe eintritt ... und liest weiter. Zum Schluß sagt er, daß wir uns zu den «Siegern der Geschichte» rechnen können «an der Seite der ruhmreichen Sowjetarmee».

Auf dem Rückmarsch blasen die Unteroffiziere wie wild in ihre Trillerpfeifen, wir können kaum Gleichschritt halten, weil von hinten und vorn andere, manchmal entgegengesetzte Marschrhythmen getrillert werden.

«Auf, auf zum Kampf», knurrt Jugel, «zum Kampf sind wir geboren!» und setzt hinzu: «Die müssen doch bescheuert sein.»

Es wird dunkel.

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Hinter der kleinen, von hastig errichteten zwei- und dreistöckigen Neubauten umgebenen Stadt stechen zwei hohe, spitze Geröllhalden in die heraufziehende Nacht. Eine lähmende Unruhe überkommt mich auf dieser kleingepflasterten Straße, eine Verlorenheit, die etwas nachläßt, als wir das Lagertor passieren.

In den Stuben müssen wir uns umziehen, Koppel und Stahlhelm ablegen, die «Dienstkäppis» aufsetzen, die Bestecktasche und die Trinkbecher «aufnehmen».

Und wieder marschieren wir zum Essen. Und wieder wird dieser Weg zur Übungsstrecke für militärischen Schritt und Tritt. Zweimal umkreisen wir das Stabsgebäude und schwenken nicht zum Speisesaal ab ...

«Bis es klappt!»

Gegen halb sieben treten wir endlich «auf der Stelle» vor der Tür, hinter der es Abendessen geben soll.

«Kompanie ... halt! Einrücken! Kommando zurück, antreten! Stillgestanden!»

Was ist los? Müssen wir noch einmal das Stabsgebäude umrunden? Wer hat jetzt wieder etwas falsch gemacht? Unwille liegt in der naßkalten Novemberluft und der Geruch von heißem Kräutertee ... Irgendwie ist es genug, es reicht für heute ...

«Ruhe! Stillgestanden! Keinen Mucks!»

An uns marschiert eine größere Gruppe vorbei, vielleicht vierzig Mann, und rückt ein. Die Soldaten, die ansonsten aussehen wie wir, haben schmale grüne Bändchen auf den Schulterstücken und sehen uns kaum an.

«Unteroffiziersschüler», knurrt Bauer.

Da werden Rufe laut, «Hej, was soll das ...», «Wir waren eher hier» und «Schweinerei». Solche Wörter werden gerufen und dazu die Lieblingsvokabel der Unteroffiziere:

«Ruhe!»

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«Sind die was Besseres? Alles lassen wir uns nicht gefallen!»
Solche Reden kann man plötzlich hören.

«Hast du die grünen Bänder gesehen?» sagt Jugel. «Jetzt müssen wir die wohl auch noch grüßen ...»

«Einrücken!»

Haß ist plötzlich da. Er springt von Reihe zu Reihe. Welche, die mit uns in diesem Lager ankamen, also auch neu sind, marschieren an uns vorbei, dürfen den Essenraum eher betreten, weil sie grüne Bänder auf den Schultern haben...

«Diese Schweine!»
Bauer kann sich nicht beruhigen. Einer sagt:
«Haben sich eben länger verpflichtet...»
«Na und, wir waren eher hier!»

Diese Kränkung nehmen wir nicht hin wie fast alles bisher. Zu schnell, zu durchschaubar, dazu noch verbunden mit einer offensichtlichen Ungerechtigkeit, soll die militärische Hierarchie eingeführt werden. «Die sind keinen Tag länger hier als wir» und «wir waren eher da», das sind die Hauptargumente der Empörung. Angehende Unteroffiziere mit grünen Bändchen sind noch keine «richtigen» Unteroffiziere, sie sind Schüler, Anfänger wie wir. Sie dürfen sich nicht vordrängen beim Abendessen. Nach dieser Logik funktioniert unser kleines Aufmucken. Wenn es «richtige» Unteroffiziere wären, ja dann ... Und die Beaufsichtiger der Unteroffiziersschüler befinden sich offenbar auch in einem Zwiespalt: Sie dirigieren zwar ihre Schützlinge an uns vorbei, an der gewöhnlichen Truppe, aber ihresgleichen sind damit die frisch bebänderten Lehrlinge noch lange nicht. Vor allem sollen wohl diese Neuen zu spüren bekommen, was diese Lagerwelt an unangenehmen Seiten zu bieten hat. Zu ihnen gehören der Groll, die Stänkereien, die Ablehnung der Soldaten, der offene und verdeckte Haß der Untergebenen ...

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Am Tisch taucht ein Spitzname auf, ich weiß nicht, wer ihn gefunden hat, Bauer vielleicht. Oder sein Bruder. Welche vor uns werden ihn schon verwendet haben:

«Da drüben, seht mal rüber, da sitzen die Pfeffis!»

«Pfeffis» nennen wir ab heute die Unteroffiziersschüler. Das Papier der kleinen Pfefferminzriegel ist grün. Und Grün ist unsre Waffenfarbe. Und grün ist auch das gesichtete Band auf den Schulterstücken der künftigen Vorgesetzten.

Riedel hat Dienst. Er verzichtet auf «Ruhe»-Rufe und andere Maßnahmen. Zwodreivier, das Känguruhn, hat uns zum Essen geführt. Er ist verschwunden, sitzt wohl im Offiziersspeiseraum. Ob die Unteroffiziere noch einmal gesonderte Tische haben? Vielleicht mit Wachstuchdecken. Die Offiziere mit Stoffdecken und kleinem Blumenstrauß. Wo sitzt Major Wildgrube? In einem Einzelzimmer? Warten Tischdienste an der Tür, die jeden Wunsch von den Augen ablesen?

Wir reden leise miteinander, sind nicht mehr ganz so kuschig wie am Morgen. Ich habe Hunger, schmiere mir noch eine doppelte Schnitte mit Schmalz und verstecke sie in den Taschen der Uniformjacke. «Aus hygienischen Gründen» ist «das Mitnehmen von Eßwaren in die Unterkünfte verboten». Ich komme mir mutig vor bei diesem Übertritt. Es ist mir egal, ob Tabakkrümel in den Taschen liegen.

Biellau, feuerrot im Gesicht, polstert am Nebentisch seine Bestecktasche mit trockenem Brot. Er sieht fiebrig aus. Ich wickle Messer, Gabel und Löffel in mein rot-weißkariertes Geschirrhandtuch und warte auf den Befehl zum «Raustreten». Bauer trinkt seinen Tee aus und schnuppert am gelben Plastebecher:

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«Riecht komisch, ob die was drin haben? Strychnin oder so was?»

Karausche sagt in offiziellem Ton, als beträfe es ihn nicht:

«Das ist schon möglich. Vielleicht Soda.»

«Und was ist, wenn ich auf Urlaub fahre und keinen mehr hochbringe? Das darf doch nicht wahr sein ...» Bauer schlägt mit dem Becher auf den Tisch. «Also heute reicht's mir, im Kino gewesen und keinen Film gesehen, dann ums Stabsgebäude gerannt, diese Scheißpfeffis drängeln sich vor ... und dann noch Strychnin.»

«Achtung», warnt Karausche.

Riedel steht im Gang.

«Draußen antreten, Tischdienste wischen noch ab.»

«Zu Befehl, Genösse Unterfeldwebel!» ruft Bauer, etwas zu laut im Ton, und stapft zum Ausgabeschalter, um einen Lappen zu holen.

Im Zimmer angekommen setze ich mich an den Tisch und starre auf die Betten, auf ihr Stahlgerüst, die blauweißen Karos der Bezüge, die ich aus Jugendherbergen kenne, auf die absurden glatten Kanten des Lakens ... Karausche ist in den Waschraum geflitzt, um sein Besteck abzuwaschen. Als er zurückkommt, frage ich ihn:

«Und jetzt?»
«Freizeit», sagt er.
«Freizeit?»
«Laut Dienstplan bis 21 Uhr Freizeit. Briefe schreiben, lesen, gammeln, zum Fenster raussehen ... was das Herz begehrt.»
Ich antworte nicht.
«Is was?» fragt Karausche.
Ich schüttle den Kopf.
Er fügt hinzu:

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«Man kann sich auch aufs Bett legen. Am besten eine Decke drunter, dann hält die Bettwäsche länger...»

Ich ziehe Uniformjacke und Stiefel aus, werfe eine graue Decke mit den Buchstaben «NVA» im Gewebe über das Bettzeug und lege mich hin. Eine schwärzliche Leere mit hellen Flecken springt in die Augen.

«Schlaf aber nicht ein, um 21 Uhr ist Revierreinigen.»

«Revierreinigen?»
Ich fahre hoch.

«Ja», verkündet Karausche, «Stube kehren, Spind aufräumen, Flur und Toilette reinigen, da werden noch welche eingeteilt, denke ich.»
«Scheiße.»
Ich setze mich auf und lehne mich an den Ölsockel der Wand.
«Aber es ist noch Zeit», er sieht auf seine Armbanduhr, «erst halb acht... ich muß nach Hause schreiben.»

Er geht zum Spind, holt Kuli und Briefpapier und setzt sich an den Tisch. Er legt das Blatt schräg, berührt mit der Stirn fast die Tischplatte, drückt die Mine mit seiner großen, schweren Hand auf das Papier und beginnt zu schreiben, langsam, in einer winzigen, hilflosen Schrift.

Ich will ihm nicht zusehen, stehe auf, gehe zum Spind, nehme aus dem «persönlichen Fach» zwei unlinierte Bögen und setze mich aufs Bett. Eine Unterlage muß ich haben, etwas Festes. Ich will einen Brief an Eva schreiben. Bobrowskis «Wetterzeichen» ist zu schmal, nicht mal DIN-A 5-Format ... was nehme ich bloß ... doch Bobrowski, aufgeschlagen wird es gehen. Karausche sitzt am Tisch, da gehe ich nicht hin, will ihm nicht so nahe sein beim Schreiben. Das Buch auf die Knie, so wird es gehen.

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«Liebe Eva! Ich bin hier eingetroffen. Wir üben und marschieren viel. Ich weiß nicht, wie ich alles schildern soll. Ich darf auch nichts über den Dienstablauf schreiben. Du fehlst mir. Wie ist es in der Schule? Bald wird das schriftliche Abitur beginnen. Im vorigen Jahr mußte ich das Mathe-Abi eröffnen um 7 Uhr 30, mußte als erster rein. Hora hatte Aufsicht. Sie haben mich verwarnt wegen der Haare. War in diesem Monat eigentlich noch Schultanzabend angesagt? Hier ist alles anders. Die Zeit davor liegt weit zurück. Komisch, dabei sind nur einige Tage vergangen. Vorstellen kann man sich das von außen gar nicht. Ob und wann es Urlaub gibt, weiß ich nicht. Meine Adresse schreibe ich auf den Umschlag, bitte nicht <Kaserne> oder so was draufschreiben, nur das Postfach. Ich denke immer wieder an unseren letzten Spaziergang, an Dich ... Und wie die Züge vorbeifuhren. Mich überkommt jetzt ein Schmerz ... Meine Haare sind sehr kurz. Du wirst mich vielleicht gar nicht wiedererkennen. Schreib bitte sehr bald, ich warte jeden Tag. Jetzt ist es Abend. Wie lange wird ein Brief gehen? Ich umarme Dich.»

Ans Fenster gehen, hin und her gehen. Der Spind, der Stahlhelm, das Eisenbett, die karierten Bezüge, die Tür, die Hocker aus Holz, das kleine schwarze Buch mit der durchsichtigen Folie, Karausches winzige Schrift. Jetzt verschließt er den Umschlag, klebt eine Marke auf.

«Hast du noch einen Umschlag?» frage ich ihn.

Er nickt, bietet mir auch eine Briefmarke an mit dem Kopf von Walter Ulbricht. Ich gebe ihm die 20 Pfennig, er nimmt sie, steckt sie in sein schwarzes Portemonnaie.

«Ich gehe mal in den Waschraum», sage ich.

Er nickt, legt eine Decke über sein Bett. Im Gang ist es still. In der Nähe der Treppe läuft ein Fernsehapparat. Im Waschraum treffe ich Jugel, er rasiert sich.

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«Na», sagt er.
«Freizeit», sage ich.
Er nickt, wäscht sich, nimmt ein Frottiertuch.

«Warst du schon mal im Fernsehraum?»
Ich schüttle den Kopf.
«Gehen wir mal?»
«Meinetwegen.»
Er nimmt seinen Waschbeutel, legt das Handtuch über den Arm.
«Hemd ausziehen!» sage ich.
Er lächelt, winkt ab.
«Die spielen sich auf... Ich hab mich rasiert, weil früh meistens Nervereien sind ...»
Wir stehen vor dem Fernsehraum, hören Stimmen und Musik. Ich denke, «dürfen wir da rein», sage aber nichts. Auch Jugel zögert:
«Ich bring nur schnell meine Sachen ins Zimmer.»
Ich nicke, er geht den Gang hinauf. Soll ich hier auf ihn warten? Ich öffne wieder die Tür zum Waschraum, gehe zur Toilette, kehre um, sehe nach, ob er kommt. Er kommt, hat seine Uniformjacke angezogen.

Als wir eintreten, schlägt uns Zigarettenqualm und Kaffeegeruch entgegen. Der Fernsehapparat läuft, «Aktuelle Kamera». Ein größerer Raum mit Gardinen und einigen Gewächsen an der Wand ... Ich sehe nur Unteroffiziere. Sie sitzen in Clubsesseln, einige haben die Beine hochgelegt. Kaffeekännchen und Tassen stehen auf den Tischen. Wir werden gemustert. Kein Tisch ist frei, nur einzelne Stühle. Wir sehen uns um, bleiben unentschlossen stehen.

Eine Stimme fragt:
«Was ist?»
Jugel sieht sich um.
«Was möchten denn die Genossen Soldaten?»

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Jugel sagt:
«Nur mal sehen...»
«Möchten die Genossen Soldaten vielleicht die <Aktuelle Kamera> sehen?»
«Nicht unbedingt», sagt Jugel und dreht sich zur Tür.
«Das würde ich Ihnen aber empfehlen!»
Wir bleiben stehen, die Nachrichtensendung ist gerade zu Ende.
«Schade», sagt die Stimme im Hintergrund. «Is sonst noch was?»
«Nein», sagt Jugel und öffnet die Tür.
«Haben Sie schon Ihre Stiefel geputzt?»
Ich schüttle den Kopf, der weißgraue Zigarettenrauch wird zu einer feindlichen Wolke. Jugel sagt leise:
«Komm!»
«Sinnlos», sage ich auf dem Flur. «Dürfen wir nicht rein ...»
«Doch», sagt Jugel.
«Ich hau mich noch bißchen aufs Bett...»
«Ich auch.»
«Nachher Revierreinigen.»
Jugel grinst, macht ein Geräusch mit dem Mund. Jeder verschwindet in sein numeriertes Zimmer.

«Liebe Eva! In Korridoren gehe ich herum. Hier sind nur Männer. Weißt Du noch, wie ungern ich die Reichsbahn-Uniform anzog? Vor allem die Schirmmütze konnte ich nicht ausstehen. Hier erlebe ich, was ich nicht für möglich hielt. Ich will diesen Brief beenden, weil gleich etwas anderes beginnt. Bitte schreibe bald. Sonst geht es mir gut.»

125


Den Brief zukleben, Karausches Ulbricht-Marke nicht vergessen. Er liegt auf dem Bett und blättert in einer alten «NBI». Ich frage:
«Gibt es hier einen Briefkasten?»
«Ja, im Erdgeschoß, wenn du die Treppe runterkommst.»
«Wo denn?»
«Na, an der Treppe, den Kasten mußt du doch gesehen haben...»
«Das ist der Briefkasten? Der ist doch grau ... Ich denke, Briefkästen sind gelb. Wer leert denn den?»
«Der Schreiber oder der Spieß.»
«Und die Post?»
«Die Post?»
«Na ja, ich stecke da Briefe rein ...»
«Das wird von hier gemacht, Sache des Hauptfeldwebels. Der ordnet auch Kontrollen an. So war es jedenfalls bei uns ...»
«Und das Postgeheimnis?»
«Über hier darfst du nichts schreiben ... militärisches Geheimnis ... das geht von hier aus ... die Post hat da nichts zu sagen. Dann gibt einer vom Lager die Post im Ort ab. Bestimmt ist es so.»

«Und wann wird geleert?»

«Weiß nicht, vielleicht morgen früh. Ich hab meinen Brief schon reingesteckt.»

Ich nicke, gehe auf den Flur, die Treppe hinunter, stecke den Brief an Eva in den schmalen grauen Kasten. Durch den Schlitz könnte ich bereits eingeworfene Briefe herausziehen ... bleibe nicht stehen, die Treppe wieder hoch, schnell zurück; nicht gesehen werden, dieses Gefühl ist in mir. Auf halbem Weg kommt mir ein Unteroffizier entgegen. Ich hebe die Hand, mache «Grußerweisung». Er winkt ab.

«Haben Sie eine Mütze auf?»

Ich verneine.

«Nur grüßen mit Mütze, ansonsten Grußerweisung durch Kopfdrehung und Blickkontakt. Verstanden?»

126


«Jawoll!»
«Wie heißt das?»
«Jawoll, Genosse Unteroffizier!»
«Wegtreten!»

Bald bekomme ich einen Koller! Immer dieses Kommandieren! Gänge entlangschleichen, möglichst keinem begegnen. Grüßen, wieder was falsch machen ... Das geht immerzu so. Aber was soll ich machen? Ich kann mich dem nicht entziehen. Ich bin drin. Dabei war ich keiner von den Stillen, von den Angepaßten. In der Schule habe ich widersprochen, wenn Phrasen gedroschen wurden und Ungerechtigkeiten passierten. Als unser Deutschlehrer Hawel weggeekelt werden sollte 68, wollte ich einen Schulstreik organisieren. Wir hatten schon Komitees gegründet in einzelnen Klassen ... Wo ist denn das alles hin? Ich kann offenbar so und so sein. Schule, Pionierorganisation, vormilitärische Ausbildung, das sitzt tief. Tiefer, als ich wahrhaben will. Wenn Köppl, der als Flieger im Zweiten Weltkrieg herumflog und aus Westdeutschland in unser Kaff kam, weil er, wie er sagte, «in einem sozialistischen Land leben wollte», wenn der brüllte «jetzt ist Schluß», dann war eben Schluß, dann waren wir still. Selbst Krause, der kaum gehorchte, zog seinen Kopf ein, grinste, war aber still. Als Eckstein in die Klasse kam und keinen Respekt zeigte, hat ihn Köppl fast jede Pause am Kragen zum Direktor gezerrt. Und jetzt bin ich bei der Armee, es gibt Vorgesetzte ... Und die Bücher? Und mein Deutschlehrer? Ja, das sind Gegenstimmen. Aber gegen das, was ich jetzt erlebe, kommen sie nicht an. Ich bin drin. Wenn man drin ist, gibt es fast keine Auswege mehr. 

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Und wenn sie sagen: «Feuer, dort ist der Feind», werde ich wahrscheinlich schießen. Nicht einmal nur aus Feigheit. Auch weil es «so ist». Weil die anderen auch losballern ... Aber worauf, wer ist der Feind? «Der Grenzverletzer», hat Weidauer im Gelände gesagt. «Er trägt möglicherweise Waffen. Entweder er oder ich», hat Weidauer gesagt. Und wenn es wirklich so ist? Soll ich mich abknallen lassen? Aber es ist schrecklich, jetzt denke ich schon so etwas. «Zuerst auf die Offiziere der Bundeswehr schießen», hat Weidauer noch gesagt, «das sind die Hauptfeinde. Ihre Erkennungsmerkmale nehmen wir noch durch», hat er gesagt...

Kurz vor 21 Uhr pfeift es im Flur:

«1. Zug, raustreten! Dienstuniform, Stiefel, Käppi, ein Messer mitbringen!»

Wir schnippen hoch, ziehen das Bett gerade, legen die Decken zusammen, ziehen Stiefel und Uniformjacken an. Ich frage Karausche:
«Ein Messer?»
«Küche.»
«Warum?»
«Keine Ahnung.»

Im Laufschritt rennen wir zur Essenbaracke, die Messer in der Hand, gehen «hinten rein». In einem gefliesten Raum mit Badewanne wartet ein großer Kartoffelberg auf uns. Töpfe und Hocker werden verteilt, kleine Gruppen bilden sich, das Schälen beginnt.

Weidauer hat das Kommando. Nach zehn Minuten ist er verschwunden, vielleicht in die Kantine.

Es wird spät, halb zehn, halb elf. Nicht einmal die Hälfte haben wir geschafft. Weidauer sieht ab und zu herein, wirft skeptische Blicke auf den Berg:
«Das muß weg, Tempo, Tempo!»
Als einer fragt:

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«Sind die für das ganze Bataillon?» nickt er nur und zuckt mit den Schultern, als ein anderer wissen will, ob das jeden Abend so gehen wird.

Mit Messern haben sie uns losgeschickt. Daß es zum Kartoffelschälen geht, wurde nicht gesagt. Diese verrückten Minuten der Ungewißheit, in denen man alles mögliche denkt ... Wieder waren wir widerspruchslos, im Laufschritt, hinter einem Unteroffizier hergerannt, diesmal mit einem Messer in der Hand. Wirres, Kaputtes geht in einem vor, das beiseite geschoben wird. Jetzt sitze ich vor dem Kartoffelberg und will schon gar nicht mehr an die Minuten der Ungewißheit denken. Warum sagen sie nichts? Warum geben sie keine Erklärung? Aus Vergeßlichkeit? Aus Jux? Weil wir uns daran gewöhnen müssen, blind Befehle auszuführen? Da ist ein Berg Kartoffeln, nicht grübeln, lieber «durchschalten», es ist nichts passiert. Müde bin ich. Kartoffeln werden auch von uns gegessen, das muß wohl sein ...

Mit Bauer, Jugel, Karausche und drei anderen, deren Namen ich nicht kenne, sitze ich vor einem mit Wasser gefüllten Kochtopf und schäle Kartoffeln. Es wird nicht viel gesprochen. Dicke, grob abgesäbelte Schalen fallen auf den Fußboden.

«Für die Schweine», sagt Bauer.

Im Nebenraum, in der Nähe der großen Badewanne, beginnt einer zu singen. Erst englisch, dann deutsch, mit einer Jungenstimme, die verstärkt wird durch die gefliesten Wände und den Zementfußboden. Dominiak singt.

«Down by the riverside», dieses Anti-Kriegs-Lied, das wir im Englisch-Unterricht übten bei Lehrer Burghardt aus Oberheinsdorf. Er schrieb häufig Vokabeln an die Tafel, erklärte ihren Ursprung, die lateinische, italienische und spanische Version mit Schrägstrich daneben. Dann wischte er alles ab mit einer schnellen Bewegung,

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drehte sich enttäuscht zu uns um, schob die Hände in seinen graublauen Kittel und sagte: «Versteht ihr sowieso nicht!» 7. Klasse, Altstadtschule Reichenbach im Vogtland, «1. Polytechnische allgemeinbildende zehnklassige Oberschule».

 

«Junge, komm bald wieder, bald wieder nach Haus», singt Dominiak und «Einmal weht der Südwind wieder» und «Sag mir, wo die Blumen stehn» ... Laut singt er, ohne Hemmungen, laut und hell in diese militärischen Küchenräume hinein. Wir schälen Kartoffeln und hören zu, singen nicht mit. Oder nur ganz leise, in die wassergefüllten Töpfe mit geröteten Ohren. Dafür hat bei mir Lehrer Stöckigt gesorgt, Musikunterricht in der Aula, «Vortreten und Vorsingen!», Kichern, Gelächter im Rücken. Die Kehle ist zu, der Text wird im Sprechgesang heruntergehaspelt. «Noch Drei» schreibt Stöckigt ins Klassenbuch, setzt sich ans Klavier, verwarnt noch zwei, drei Ruhestörer mit Strichen auf einen bereitliegenden Zettel – drei Striche ein Eintrag, bei drei Einträgen werden die Eltern benachrichtigt –, Stöckigt setzt sich ans Klavier. Oder legt eine Platte auf, meist etwas von Richard Wagner. Das donnert dann los, ist stärker als wir. Da hängen wir mit runden, verhemmten Rücken in den langen Aulabänken, lassen die Klappsitze an die Holzrahmen schlagen, rufen etwas zu den Mädchen hinüber, spielen in den Hosentaschen herum, spießen Stecknadeln in die Tische und warten auf eine ruhige Minute, um schrille, zirpende Töne zu erzeugen: gegen Stöckigt und Wagner und die Aula und alle. Nur Weihnachtslieder sind willkommen kurz vor den Ferien. Und zu Hause die Rolling Stones aus dem Radio, volle Lautstärke, die Augen geschlossen: allein sein, bei sich sein und tun, was man will.

Dominiak singt, er ist mit in Biellaus Zimmer, ich habe ihn da rauskommen sehen, mittelgroß, dünn, bartlos, ein Junge aus Frankfurt an der Oder mit brauner Tolle und kleinem Kopf. Bestimmt will er Ingenieur werden, Diplomingenieur. Er wird immerzu Briefe schreiben, ich habe ihn auf dem Flur gesehen mit einer großen ledernen Schreibmappe. Er will es den Vorgesetzten recht machen, will gefallen und gelobt werden, das habe ich im Gelände gemerkt. Aber die große Klappe hat er auch, weil er aus dem Berliner Raum kommt. Dort sind vielleicht alle so. Als ihn Zwodreivier anschnauzte beim Einrücken in den Essensaal, hätte er fast geheult. Ganz naß waren seine Augen plötzlich. Er kann auch durchdrehen, dünn und sensibel, wie er ist. Mit seiner schönen Stimme ...

«Nicht schlecht», sagt Bauer und brummt ein wenig mit, «gar nicht schlecht.»

Gegen halb eins kippen wir die letzten Feldfrüchte in die Badewanne, zwei Bottiche stehen gefüllt daneben. Mit einem Wasserschlauch und einigen Schrubbern werden Fliesen und Fußboden abgespritzt. Weidauer lehnt gähnend in der Tür und läßt dann antreten. Gegen eins liegen wir in den Betten. Karausche hat noch seine Stiefel geputzt. Dominiaks Stimme singt im Kopf weiter, aber ich will sie nicht mehr hören. «I'm goin' to lay down my sword and shield down by the riverside», nein, wir werden unsere Schwerter nicht am Flußufer ablegen, auch nicht unsere Besteckmesser, auch nicht die Maschinenpistolen, die wir bald bekommen werden. Wir werden Kartoffeln schälen und einem zuhören, der singt. Und am nächsten Tag wird alles weitergehen wie bisher.

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