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Rödiger. Es ist vielleicht eine lustige Geschichte, und sie beginnt mit Gebrüll. Hauptmann Rödiger vom Nachrichtenzug stand am Rande des Fußballfeldes, es waren die Minuten nach dem Mittagessen. Die meisten hockten auf den Stuben, rauchten oder hatten Decken über die blauweißkarierten Bettbezüge geworfen und <ruhten ab>. Nicht lange, dann ging es weiter, reinigen, Marschübungen, Funken, Fernschreiber, Autos waschen, grüßen, Jawoll-Sagen und Zu-Befehl, all das. Es war die kurze Zeit nach dem Essen, als wir es hörten.

Ich trat ans Fenster und sah ihn stehen: in Regenkleidung, tapsig, triefend, seine lederne Motorradhaube auf dem Kopf, die Aktentasche an einem Riemen über Brust und Schulter, dazu die Brille, rund, braun, mit den starken Gläsern. Rödiger, immerhin Offizier und Zugführer, stand stramm in diesem Aufzug am Rande des Fußballfeldes, das umgeben war von der Baracke der Kfz-Kompanie, dem Zaun des Fuhrparks, einem dreistöckigen Neubau, im Erdgeschoß der Nachrichtenzug, im ersten und zweiten Stock <Aufklärung> und <Abwehr> des militärischen Geheimdienstes (Zivilisten gingen ein und aus, nur selten trugen sie Uniformen, sie taten wichtig und überlegen, beachteten uns kaum), im dritten der <Med.-Punkt> mit zwei Ärzten und vier Kranken­schwestern und wenigen Patienten.

Einer brüllte aus einem Fenster des Stabsgebäudes Befehle und Beschimpfungen. Rödiger hatte die Hände, sie staken in großen Handschuhen, flach an die dicke Gummihose gelegt und ließ etwas geschehen, eine Rüge, eine Weisung, einen Wutanfall, man konnte es nicht genau verstehen. Vielleicht kam er zu spät, hatte die Parteiversammlung verpaßt, und sein altes Motorrad, eine hundertfünfundzwanziger <MZ> aus den fünfziger Jahren mit erhöhtem, auf das Schutzblech montierten Rücksitz, war unterwegs stehengeblieben. 

Er wohnte auswärts, in einem Dorf, fünfzehn Kilometer von der Kaserne entfernt, im Grenzsperrgebiet. Am offenen Fenster stand ein jüngerer Kerl mit schwarzem, glänzendem Haar, beide Hände umklammerten das Fensterbrett, er drückte seine Arme durch, die Stimme trug, traf, belferte. Pabst hieß er, in der Mitte mit <b>, der Regimentskommandeur.

Rödiger wurde angebrüllt und stand stramm in zwanzig, dreißig Metern Entfernung, am Rande eines Fußballfeldes, zu ebener Erde. Viele hingen in den Fenstern, Rödiger tat uns leid. Er trank viel und bestrafte uns nicht, war kein scharfer Hund. Durch seine enorm dicken Brillengläser sahen gutmütige, alte, müde Augen.

Zum erstenmal sah ich ihn an einem Wochentag im Ausbildungslager Johanngeorgenstadt. Es schneite, wir rannten in Trainings­anzügen und Turnschuhen vor den Gebäuden herum, irgend etwas hatte nicht geklappt. Ich wurde gerufen, sollte ins Zimmer des Kompaniechefs kommen. Schweratmend, mit nassen Haaren, klopfte ich, hörte «Herein» und betrat das Zimmer. Zwei Unteroffiziere und ein aufgeschwemmter Mann, großer Schädel, dünne Haare, Brille, ein Offizier, starrten mich an. Sie erfragten meinen Namen, verglichen etwas. Der Hauptmann, es war Rödiger, trat einen Schritt auf mich zu, lächelte, sein Mund zuckte, halb Lachen, halb Heulen, ein komischer Mann, was will er von mir, aber Angst hatte ich nicht, er machte keine. Als ich mit einer Meldung beginnen wollte, winkte er ab und fragte, ob ich Ahnung von Telegrafie, Sprechfunk, Morsen und so was hätte. Ich bejahte, Betriebs- und Verkehrseisenbahner hatte ich gelernt, Rundruf an alle Bahnhöfe, herumhocken in den kleinen Haltepunkten der Strecke Plauen-Reichenbach, Zigarrenmief, Bohnerwachs, Telefone, die warme, stickige Trockenheit der Fahrkartenausgabe, der Geruch von Pappe, Stempeln und Wechselgeld...

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Er hielt eine Karteikarte in der Hand, musterte mich, las etwas, sprach vor sich hin, «sportlich, belesen, noch Unklarheiten ...». Was meinte er, gab es Eintragungen auf dieser Karteikarte, betrafen sie mich? Er winkte ab, «na ja, wollen mal sehen, Telefon­dienst hast du schon gemacht...». Ich konnte gehen. Eine Woche später mußte ich früh, kurz nach vier, die «gesamte Habe», wie Unterfeldwebel Weidauer sagte, in eine Zeltplane werfen, also den Inhalt des Spindes, ein Lkw wartete unten auf der Lagerstraße, mit ein paar anderen wurde ich nach Plauen gefahren, <versetzt>. Rödiger hatte mich genommen.

Einer behauptete, daß Spezialisten und unsichere Kandidaten ins Regiment nach Plauen kämen. Rödiger hatte auch Biellau rufen lassen, aber an diesem Morgen fuhr er nicht mit, vielleicht, weil er sich krank gemeldet hatte und Untersuchungen angestellt werden sollten im Wismut-Krankenhaus. «Ich Idiot», jammerte er im Schlafanzug auf dem Flur, «hätte ich nur nichts gesagt, ihr kommt weg und ich bleibe hier, dann ist es aus, dann ist es aus, mein Herz... wer weiß, was ich habe...» Er beauftragte Dominiak aus seinem Zimmer, der beim Kartoffelschälen <Down by the Riverside> gesungen und sich immer aufgeregt hatte über den langsamen Biellau, den dicken Offizier, falls man ihn träfe, an den Namen Biellau zu erinnern, «bitte sag meinen Namen,versprich es mir um Gottes willen...». Er wollte mit, egal wohin, schlechter als in Johanngeorgenstadt konnte es nicht werden, war seine Meinung.

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Die vielen Märsche, Langläufe und Gaseinsätze machten ihn fertig. In Plauen lag Schnee, als wir unsere großen Säcke mit steifen Gliedern vom Lkw zerrten, was wird sein, was haben sie mit uns vor...

Das erste, was auffiel: Keine Hektik, eher still war es, einige Soldaten gingen zum Essen, sie sahen herüber, mußten nicht marschieren, Garagen, große Gebäude, keine Trillerpfeifen. Ein Gefreiter holte uns ab, teilte die Zimmer ein, lange ließ sich niemand sehen, sollten wir einfach beginnen mit dem Einräumen der Schränke und uns die Betten aussuchen? Wir warteten auf Befehle, es war anders, ein Unteroffizier sah herein, verschwand wieder ... So begann die Zeit in Plauen. Einige absolvierten einen Funkerlehrgang, Unteroffizier Schombie, ein besessener Amateur­funker, der eigene Sender bauen wollte und im Ersatzteillager Röhren organisierte, wofür er später bestraft wurde, bildete sie aus.

Andere setzte man als Fernschreiber ein und ließ sie meterlange Parteitagstexte tippen aus Übungsgründen. Dominiak nannte Biellaus Namen, Biellau erschien eines Morgens wirklich, er wurde den Funkern zugeteilt, im Übungskabinett saß er bald neben mir, glücklich, erlöst, von allen Herzattacken befreit. Rödiger grinste, sein Mund zuckte in der bekannten Weise, wenn der kleine, dickliche Biellau im Flur an ihm vorbeiwatschelte, das Gesicht sah den Vorgesetzten an, die Hand am Käppirand. «Die unsicheren Kandidaten», sagte er, roch nach Schnaps, verkroch sich in sein Dienstzimmer oder die Bodenetage des Stabsgebäudes, wo er eine Schlafkammer hatte.

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Wir lernten das Morsealphabet und erreichten bald ziemliche Geschwindig­keiten. Die Versetzung nach Plauen, ins Hinterland, bewahrte uns vor der Grenze, dem Herumstehen vorn am großen Zaun mit Maschinen­pistole, scharfer Munition und sehr gemischten Gefühlen. Die meisten, die da stehen, sind ja keine Freiwilligen, es sind Wehrpflichtige, die keine Westverwandtschaft haben und nach Aktenlage und letztem Spitzelbericht als <zuverlässig> gelten. Eines Morgens um vier werden sie nach vorn gefahren, so geht das.

Bei der ersten kurzen Besichtigung in Johanngeorgenstadt hatte mich Rödiger noch gefragt, ich war schon am Wegtreten (Haltung annehmen, Grußerweisung, Drehung zur Türklinke): «Und sonst?» Ich stutzte, sagte dann: «Na ja...» Da nickte er, hörte wohl auch den Unterton, ließ mich gehen. Ob er getrunken hatte, weiß ich nicht. Zwei, drei Schnäpse, nehme ich an, bei der Kälte, es war schon dunkel, man war unterwegs mit einem Geländewagen, kam vom Regiment, von der vorgesetzten Dienststelle, konnte es sich leisten, mußte keine Pfefferminzbonbons lutschen in der Kantine...

Aber in Plauen stand er an diesem Tag stramm mit seiner ledernen Motorradhaube am Rand des Fußballfeldes und wurde angeschrien aus zwanzig, dreißig Metern Entfernung. Es gab Zuschauer hinter einigen Fenster­scheiben.

 

«Ich hab nur achte Klasse», hatte er einmal auf dem Flur gesagt, als ich ihm Ausarbeitungen für das Parteilehrjahr gab, Zeitungs­reden sollte ich für ihn lesen und Zitate rausschreiben in Druckbuchstaben, er wollte vorbereitet unter den anderen Offizieren sitzen und auch etwas Schriftliches vorweisen können. 

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«Ihr seid schlauer», sagte er, «die jungschen Offiziere, die von den Militärhochschulen kommen, <Hochschule>, das klingt doch nach was, oder? Wissen alles besser, nehmen mir die Kompanie weg, darüber dürfte ich gar nicht reden ... Die Familie mußte ich durchbringen siebenundvierzig. Vater tot, Mutter allein mit vier Kindern, ich der Älteste, nichts gelernt im Krieg, was sollte ich machen, bin dann zur kasernierten VP gegangen etwas später, wir wurden dann übernommen, so war das. Keine Militärhochschule, keinen Lehrgang in Moskau. Ganz klein angefangen, die ganzen Jahre abgedient, so war das. Und jetzt?» 

Er winkte ab, verzog wieder seinen Mund, es war wie ein Heulen, ein Greinen, putzte die dicken Brillengläser, roch nach Schnaps, aß Pfefferminzriegel. So redete er auf dem Gang, als ich ihm die Ausarbeitungen über den neuesten Parteitag der KPdSU überreichte. Zu lesen war, daß nun alles endgültig besser wird, obwohl alles schon bestens ist. Lesbare Schrift hatte er verlangt. Ich roch seine Fahne und die Pfefferminzbonbons. Als es um meine Beurteilung fürs Studium ging, rief er mich in sein Zimmer, schloß die Tür, zog mich in eine Ecke und fragte leise: «Was ist los?» Ich wußte es nicht. «Zu Hause, wo kommst du gleich her...» Ich sagte es ihm. «... ach ja, richtig... hattest du Ärger mit den Lehrern dort?» Ich war überrascht, erschrocken, nickte: «Ja, bißchen, aber nicht schlimm, Bücher, keine verbotenen, Christa Wolf...» Er kannte keine Christa Wolf, griff in den Schreibtisch, holte eine Flasche hervor. «Keine krummen Dinger?» Ich verneinte, schüttelte heftig den Kopf, bekam Angst, was war eigentlich los? «Die haben angerufen, aber ich lasse mir nicht von draußen reinreden, kommt nicht in Frage. 

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Das wäre das Neueste, wenn der Zivilbereich hier noch reinreden kann... Die oben», er zeigte mit dem Daumen zur Decke, sprach leiser, im ersten Stock des Neubaus residierte die Militär-Stasi, «genügen mir schon vollkommen ... jetzt rufen sie noch von draußen an... Ihr seid schlauer, redet immer irgendwelches Zeug, das kein Mensch versteht... dann kommt es zu Mißverständnissen ... Marschieren tust du auch nicht gern, Bettenbau mangelhaft... Aber was die wollen, mache ich nicht. Bist kein schlechter Kerl... Wie alt? Neunzehn Jahre... Schreibst mir Zitate raus... Von draußen reinreden, das ist das Neueste...» Und er schrieb keine schlechte Beurteilung...

Jetzt zog er den Kopf ein, tappte Richtung Neubau, das Fenster im ersten Stock des Stabsgebäudes wurde geschlossen, im Gang rief jemand «Achtung» und «Raustreten», der Mehrzweckraum sollte gebohnert werden. Rödiger kam die Treppe hoch, verschwand in seinem Zimmer mit eingezogenem Kopf, die Motorradhaube offen, in die Stirn geschoben, die braunen Klappen hingen auf die Schulter wie langgezogene Hundeohren.

Im Klubraum hatte er einmal abends zu uns gesagt, Biellau saß dabei und Dominiak: «Später, wenn ihr was geworden seid, studiert habt und so weiter, Doktor, Professor, Diplomingenieur, dann schreibt mir 'ne Karte. Das genügt. Vergeßt es aber nicht. Eine Karte, auf die schreibt ihr drauf, was ihr geworden seid, wo ihr arbeitet. Und vergeßt nicht den Titel, zum Beispiel Doktor... Dann kann ich es denen zeigen...» - «Denen», sagte er, und zeigte mit dem Daumen in Richtung Stabsgebäude

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Er meinte sicher Pabst und Müller, die jünger waren als er und ihn herumkommandierten. Mit seiner ledernen Kappe und der Umhängetasche hatte er auf dem Sportplatz gestanden, die Hände an der Hosennaht, die Augen starr auf ein Fenster im ersten Stock gerichtet.
Das ist meine Karte. Ob er sie bekommt und denen zeigt?

 

Marianne schrieb zwei kurze Briefe, als Absender ein Postfach... Die Feldpostnummer des Vaters, in der Bodenkammer fand ich Karten aus den Jahren 43 und 44... Zwei kurze Briefe schrieb sie... Postkontrolle... draußen in den Ortsbriefkasten werfen! Ob sie raus können? Vor dem Wegfahren nach Seelingstädt ging alles schnell, Marianne schnitt mir die Haare, die jüngere Schwester sah zu, abends noch nach Neulobeda, eine Feier der Seminargruppe. Wir sprachen kaum über die bevorstehende Zeit... Nicht zu ändern, so ist es eben... dauert nicht lange... unangenehm, aber nicht so schlimm. Ins Lächerliche ziehen, die kurzen Haare loben, «wollte sie sowieso kürzer tragen», ein Glas Wein mehr trinken, das Thema wechseln. Wie bei der Einberufung, den Koffer nehmen und ab, kein Wort, man geht weg, fährt los, jeder in eine Kaserne, ein Lager, das Postfach wird bekanntgegeben, «Kontakte mit dem kapitalistischen Ausland haben zu unterbleiben, auch Berichte über militärische Gegebenheiten» ... zwei kurze Briefe schrieb sie... Es ist eine Scheu, es ist Angst, auch die Annahme, <daß sowieso alles klar ist>... Wir sind an Termine gewöhnt, an Kampagnen und ulkige Wahlen, die fast jeder mitmacht, an ihre Gesichter in den Zeitungen, ihre Sprache... Ist es Dummheit, Untertänigkeit? Oder Abschalten, Kräfte sparen, Schutz? Abwehr, Vorsicht?

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Tante Frieda aus dem Haus Mühlgraben 13 wurde in ein Pflegeheim gefahren von ihrer Verwandtschaft, «wo sie es gut hat und in unserer Nähe ist». Der Sohn lebte im Westen, weit weg also, der Neffe trug ein Abzeichen und schlug eines Tages mit seiner Faust auf ihren Küchentisch, man hörte seine Stimme im Hausflur unten, «jetzt ist Schluß!». Sie war alt, einundachtzig, ihr Mann gestorben, Willi, der Sozialdemokrat. Sie wurde in ein Vierbettzimmer gebracht mit Aussicht auf ein Zweibettzimmer. «Wenn etwas frei wird...» Tante Frieda sagte nichts, als sie ins Auto des Neffen stieg... die Augen schrien, nahmen Abschied, einen schrecklichen, stummen Abschied. «Komm auf Besuch», sagten die Hausleute... die Treppe, der Hof, Starks Garten, Halbigs Haus, schrecklichen letzten Abschied. Arn nächsten Tag kam ein Lastwagen, die Wohnung wurde ausgeräumt, es war kein Platz im Seniorenvierbettzimmer für Möbel aus vergangenen Jahrzehnten. Ein halbes Jahr später war sie tot, lag nackt auf dem Bett, als Besuch kam am Sonntag. Sie hatte niemanden mehr sehen wollen zuletzt, auch nicht den Mühlgraben, auch nicht das Bild des Sohnes im Nachtschränkchen.

Mit achtzehn zum Wehrdienst, fast wärst du an die Grenze gekommen. Wohin geht die Reise? Zur Fahne... Oder «nur nach Seelingstädt, Militärlager, ich bin eigentlich Student»... Nur, nicht so schlimm, Unkraut vergeht nicht, die anderen ja auch, nichts zu machen, zum Glück Frieden, bloß eine Übung: 

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  verfluchte Beschwichtigungen, verfluchter Alltag, verfluchter läppischer Abschied... als wäre nichts. Dabei ist etwas. Zu sensibel? Sensible Wege heißt ein Lyrikband von Reiner Kunze. Die Möglichkeit, ein Mörder zu werden. Mit achtzehn, neunzehn, mit einer MPi, nicht irgendwo: hier. Du. Ich. Als Posten. Als Soldat.

L. sagte, daß die Frauen blaue Kampfanzüge tragen. Er telefonierte von draußen mit seiner Frau, hatte einen Arzttermin in Ronneburg. Bekam sie wirklich an den Apparat. Er hatte das Fernamt angerufen, Bergen auf Rügen verlangt, dort wußten sie Bescheid. Er gab mir die Nummer, zu spät. In Jena sehen wir uns. Marianne schrieb: «Täglich absolvieren wir zur allgemeinen Erbauung militärische Übungen, Märsche und so weiter, Du weißt das ja als Soldat. Wir werden zu Sanitätern ausgebildet. Große Stoffpuppen, über die wir lachen müssen, ersetzen die Verwundeten. Unsere Aufgabe ist es, sie unter Gefechts­bedingungen zu verbinden und wegzutragen... Mehr möchte ich darüber nicht schreiben, sonst könnte es Mißver­ständnisse geben... Aber Verwundete kommen ja bei jedem Rot-Kreuz-Lehrgang vor. Ansonsten vergeht die Zeit, wir machen kleine Kulturprogramme, auch Tanzveranstaltungen und Kabarett. Du siehst, ganz schön was los. Auch drei Tage Arbeits­einsatz im Fischkombinat Saßnitz liegen hinter uns, in der Büchsenproduktion. Ob ich jemals wieder Hering mit Tomaten­soße esse, weiß ich nicht. Der Geruch... Seife hilft nicht...»

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Ich schrieb nur zwei Karten und wartete jeden Tag auf Post. Man ist wie gelähmt. Es ist ein Warten auf Rettung, auf ein Signal, auf die Erlösung. Vergebliches Warten, passiv, depressiv. Ich werde ihr meine Hefte zeigen, einiges vorlesen. Ob sie über die Schlacht im Speisesaal lacht? Es ist ja auch komisch und verrückt.

Als Kind bin ich zweimal an die Ostsee gefahren, Binz und Göhren, warmes Wetter, herrlicher gelber Sand, blauer Himmel, Wellen, Sommerferien. Es existiert nebeneinander. Auch damals die bläulichen Wachschiffe am Horizont. Attraktiv. Drohend.
«Andererseits habe ich die nördliche Landschaft sehr gern, im Ausgang spazieren wir viel herum. Dann ist es wie Kartoffeleinsatz oder Seeurlaub», schrieb sie.
Große Stoffpuppen,
Über die wir lachen müssen, ersetzen die Verwundeten.

 

Hertwig stand am Tor, als wir nach Hause gingen: das Bandmaß zerschnitten, der Laufzettel abgehakt, die Uniformen und Ausrüstungs­gegenstände abgegeben, «macht's gut, Leute, haltet die Ohren steif, letzte Grüße an die Hinterbliebenen, eure Tage werden auch noch vergehen, hundertachtzig oder dreihundert­sechzig, je nachdem, Hilfe, so viele Tage... Barras, nie wieder, den Abflug machen, die Mücke...».

Ich hatte die schwarze Dederonkutte an, die etwas zu kleinen Cordschuhe (es gab nur noch Größe vierzig, aber unbedingt mußten es solche Cordschuhe sein, sie waren ganz leicht, leichter als Turnschuhe), dazu das hellblaue, verwaschene Hemd aus dem Westen, den Personalausweis in der Tasche, keine Ausgangskarte, keinen Urlaubsschein, den kleinen blauen Ausweis für Zivilisten hatte ich wieder in der Tasche. Krüger ging neben mir, der Fernsehmechaniker aus Potsdam.

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Da stand Hertwig. «Durchhalten», rief Krüger. Hertwig lächelte, hob leicht die Hand, die Maschinenpistole vor der Brust, uniformiert, behelmt, gezwungen, als Posten am Tor.

Es war kein Zufall, daß er dort stand an diesem Tag. Man wollte ihm wohl etwas zeigen, an etwas erinnern und seine Müdigkeit verscheuchen. Hertwig mußte nachdienen, die hatten ihn an der Grenze erwischt, als er wachsam sein sollte, schlafend, zwischen hohen Tannen, im Moos, der Wald ist schön bei Bad Blankenburg vor und hinter dem Zaun, vor und hinter den Minenfeldern und Signalzäunen, im Sommer passierte es, als die Sonne schien, zur Mittagszeit kam die Kontrolle. Nach Schwedt mußte er für drei Monate, es hätte länger werden können, danach wurde er ins Hinterland versetzt, Regimentskaserne Schöpsdrehe, und dem Nachrichtenzug zugeteilt. Vom Militärknast erzählte er nichts, winkte ab im Klubraum und trank seinen Kaffee unter dem Ulbricht-Porträt, «lieber Tag und Nacht Wache schieben bei Schnee und Regen», sagte er. Hertwig war ziemlich klein, seinen Vornamen habe ich vergessen, Winfried oder Werner. Sein strähniges, graubraunes Haar ließ sich schlecht kämmen, er drückte die Spitzen zuerst auf die Stirn und versuchte sie dann hinter das rechte Ohr zu biegen, wie Draht war sein Haar. «Ich bin auch EK», sagte er, wenn wir am Abend Bandmaß schnitten, einen Tag, eine Zahl im Papierkorb begruben oder ins Klo warfen und die Spülung zogen, «meine Tage sind auch bald um, der Gefreitenbalken ist zwar weg, Schicksal, aber die sollen nicht denken, daß sie mich rumscheuchen können wie einen Bunten...» 

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So redete Hertwig und hatte seine eigene Rechnung, sein eigenes Zählsystem. Als wir unsere Sachen packten am vorletzten Tag, ist er ziemlich still geworden und im Flur herumgeschlichen, hat auch keinem geholfen beim Einpacken, wer hilft mir, wird er gedacht haben. Dann wurde er von Müller zur Wache eingeteilt, mußte sich beim Diensthabenden melden in voller Montur, mit Waffe und scharfer Munition. So stand er am Tor an diesem Mittag, als Krüger und ich an ihm vorbeigingen, die anderen auch, die gingen auch an ihm vorbei, ziemlich viele, auch die von den Grenzkompanien hatte man nach Plauen gefahren zur Ausmusterung, sie alle gingen an Hertwig vorbei an diesem Vormittag. «Hoffentlich dreht er nicht durch», sagte Krüger. Die meisten kannten Hertwig nicht, hatten keine Ahnung, was mit ihm los war.

An der Abzweigung Syrau stiegen wir in den Linienbus, der gerade kam, andere kletterten auf bereit­gestellte Militärlaster, nur schnell in die Stadt, zum Bahnhof oder zu den Fernbussen, einige hatten auch vor, Bierkästen und Weinkartons zu leeren. Als der Bus losfuhr, bogen dunkelgrüne <W 50> zur Kaserne ein, die Neuen, der Nachschub, das «bunte Laub», «vollgepackt mit Tagen», so redeten wir, schadenfroh und fröhlich. Die Dienstzeit war vorbei und eine andere, herbeigesehnte Zeit brach an, in diesem Augenblick brach sie an, der Bus fuhr, wir drehten uns nicht um, wir lachten, redeten irgendwelches Zeug. Hätten wir uns umgedreht, die Kaserne wäre nicht mehr zu sehen gewesen, es gab Kurven und Straßenbäume, das hellbraune Stabsgebäude, der Antennenmast, der Zaun,

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das Tor, an dem Hertwig stand und die Schranke öffnete, um die dunkelgrünen Lkws einzulassen, all das wäre nicht mehr zu sehen gewesen auf dieser kurzen Fahrt in die Innenstadt, zum oberen Bahnhof. Lange hatte jeder von uns auf diesen Tag gewartet. Auch Hertwig hatte lange auf diesen Tag gewartet.

 

Die Goethe-Schule wollte wachsam sein. Ein Schüler der elften Klasse* hatte Verbindungen zu einem Abiturienten, der seinen Armeedienst ableistete. Man schrieb sich einige Briefe, sah sich, wenn Gelegenheit war, es war wenig Gelegenheit.

Gezählt waren die Urlaubstage, ein paar Gespräche über Bücher, Eva Blau wollte lieber allein Spazierengehen mit dem kurzhaarigen Armisten, Diskussionen über Linksradikalismus und demokratische Opposition langweilten und ängstigten sie.

Nachdenken über Christa. T., Stücke von Sartre, Lenins Revolutionsschriften, der Name Nietzsche fiel. Aufsätze von Havemann und Gedichte von Wolf Biermann wurden mit der Schreibmaschine abgetippt ... Und ein Lehrer bekam viel Besuch von ehemaligen Schülern, er hatte die Arbeitsstelle wechseln müssen im Jahr achtundsechzig, als Klarheit gefordert wurde in der Frage der <tschechischen Konterrevolution>, auf einem Güterboden war er gelandet, Kisten verladen. 

Und eine Mutter zeigte Briefe vor auf Wunsch des stellvertretenden Direktors, die einwandfrei bewiesen: Hier wurde etwas ausgebrütet zwischen einem Schüler und anderen Kreisen, einer befand sich in einer Kaserne. Der Schüler flog, weil er keine Einsicht zeigte, die Postzustellung der Mutter hatte nicht geholfen, der Lehrer wurde beobachtet, weil er viel-

 

* OD, 2005: Utz Rachowski ?

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leicht kleine Mädchen verführte, wovon Männer in Anzügen redeten an verschiedenen Orten der Stadt, zum Beispiel in der Milchbar. Der Soldat wußte lange nichts, dann fragte der betrunkene Hauptmann, redete von <denen> und <draußen>. Da wußte er es. 

Dann fuhr ein stellvertretender Schuldirektor in wichtiger Mission nach Jena. Die Universität machte die Immatrikulation rückgängig, der Soldat erfuhr es im Mai, als er gerade zwei Wochen auf freiem Fuß war, es kam ein kleiner, unscheinbarer Brief in grauem Umschlag: «Durch Kontakte verschiedener Art haben Sie vor allem nach Entlassung aus der EOS einen äußerst negativen Einfluß auf Schüler genommen. Seitens der Schule werden die Dinge für so gravierend angesehen, daß an die Leitung der Friedrich-Schiller-Universität der Antrag gestellt wurde, die ausgesprochene Zulassung zum Studium rückgängig zu machen. Nach reiflicher Überlegung haben wir uns in Übereinstimmung mit der Aufnahmeordnung vom 1. September 1966, § 19, Abs. 2, diesem Antrag angeschlossen und ersuchen Sie hiermit, Ihren Zulassungsbescheid umgehend zurückzureichen. Eventuelle Rückfragen zu dieser Veranlassung richten Sie bitte an die Direktion Ihrer ehemaligen Schule. Hochachtungsvoll! Dr. Fließ. Direktor für Erziehung und Ausbildung. Jena, den 12.5.1971.» 

Der ehemalige Soldat schrieb Beschwerdebriefe an hohe Stellen und sprach am 25. Mai bei seiner ehemaligen Schule vor. Die Mutter weinte, zweifelte, hatte Angst. Der Vater schwieg, wollte Zeuge sein, kam mit.

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Direktor: Es haben sich beinahe staatsfeindliche Gruppen gebildet mit einer seltsamen Haltung zum Marxismus-Leninismus. Sie standen in Verbindung mit einem Schüler, der durch radikales Auftreten und die Ablehnung von verantwortlichen Funktionären und Lehrern immer wieder auffiel und provozierte. Wir hatten viel Geduld, dann mußte er unsere Schule verlassen. Er hat sich auf Sie berufen, Sie haben ihm Bücher empfohlen, ihn angestiftet. Nietzsche, bürgerliche Renegaten, auch zweifelhafte Leute, wie ein gewisser Kunze aus Greiz und die Wolf.

Und Lenin...

Stellvertretender Direktor: Er hätte sich lieber mit Mathematik beschäftigen sollen. Lesen ohne Anleitung, dann verdreht man alles und wird zum Staatsfeind...

Direktor: Sie tragen Mitschuld, sind der Ältere. Davon mußten wir die Universität unterrichten, das war unsere Pflicht.

Wie können Sie beweisen, was Sie sagen?

Stellvertretender Direktor: Sie haben ihm eine Karte geschrieben, auf der stand sinngemäß: «Ich stehe am Zaun und bewache mich selbst.» Sie bezeichnen den Ehrendienst bei der Nationalen Volksarmee also als Zwang.

Haben Sie die Karte hier?

Stellvertretender Direktor: Nein, die ist bei den Unterlagen ... bei den zuständigen Stellen...

Direktor: In einem anderen Brief schrieben Sie vom Schriftstellerkongreß. Christa Wolf wäre kritisiert worden und hätte selbst nicht antworten können...

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Es ging um Veröffentlichungen... 

Direktor: Dann folgt ein Abschnitt über Brecht, was vom 17. Juni 53, also wissen Sie, dann können wir gleich die Konterrevolution zulassen.

Stellvertretender Direktor: Das genügt eigentlich. 

Ein anwesender Funktionär der Bezirksleitung, der bisher geschwiegen hatte: Die Nationale Volksarmee hat ihn nicht schlecht beurteilt. Vielleicht liegt hier Arbeit mit Briefen und Papier vor, aber nicht mit jungen, suchenden Menschen, die Fehler machen können. 

Danke, betrunkener Hauptmann, danke. Der Parteitag Nummer acht fand statt, ein neuer Generalsekretär sah aus der Zeitung und sagte neue Worte. «Jeden gewinnen, keinen zurücklassen.» Da wurden der Direktor und der stellvertretende Direktor der Goethe-Schule in der kleinen Kreisstadt R. zurückgepfiffen von höherer Stelle. Dem ehemaligen Soldaten wurde eine <Entwicklung> bescheinigt. Auch der ehemalige Lehrer sollte wieder Lehrer sein und keine Güterwagen mehr beladen in trotziger Art mit weißen, gestärkten Hemden. Eine Kommission erschien zwischen den Gleisen und sprach freundlich. Der ehemalige und zukünftige Lehrer und der ehemalige Soldat und zukünftige Student saßen zusammen und tranken Rotwein, eine Platte wurde gespielt: <Am Grunde der Moldau wandern die Steine...> Die Universität schickte einen neuen Zulassungsbescheid, unterschrieben von Dr. Fließ, Direktorat für Erziehung und Ausbildung.

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«Glück gehabt», sagte Specht, als ich ihm die Geschichte erzählte, nachts, beim Wachestehen vor dem Munitionsbunker. «Sie werden sich rächen. Beim nächsten Kurswechsel... oder wenn du einen Fehler machst... Komm in die Partei... den nächsten Kurswechsel verhindern... wir müssen von innen her was ändern...»

«Ist das dann mein Fehler?»

Specht lachte, wußte es nicht, erinnerte an Herrn Keuner, der auch seinen nächsten Irrtum vorbereitete.

Ich redete gern mit Specht.

Wozu, wozu. Als er die Lagerstraße hochkam, stand ich gerade mit einer Kehrschaufel an der Barackentür... Es war diesig, ein Scheißtag, Mitte November, der sechzehnte, glaube ich. Das zweite Studienjahr rückte an, die <Ungedienten>, um vier Wochen lang erste Sprünge zu vollführen im militärischen Zirkus, die Frauen auf Rügen, die Studentinnen... Auch einige höhere Dienstgrade waren dabei, es wird Zeit, wir sind schon vierzehn Tage hier, die leeren Baracken und die paar ausrangierten Gewehre zu bewachen, den Munitionsbunker ... als Auszeichnung wahrscheinlich, weil wir es schon wissen und Reservisten sind... Die Ungedienten trafen ein, wir sahen zu mit schadenfrohen Gesichtern, es war ein Donnerstag, wenn ich mich recht erinnere. An diesem Tag sah ich auch meinen Freund Reinhold Lammke die Lagerstraße hochkommen mit Offiziersstiefeln und Ohrenhosen, solche, die Ausbuchtungen haben an den Oberschenkeln... Es gab keinen Zweifel, er war es, der gelaufen kam, einen silbernen Stern auf jeder Schulter, ein Feldwebel. Als ich ihn so sah, wußte ich, daß es zwischen uns nicht mehr viel zu reden gab.

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Wir musterten aus einiger Entfernung unsere Verkleidung, so kannten wir uns nicht, er nickte mit Kopf und Schirmmütze, ich nickte mit Kopf und Käppi, an beiden Stirnen klebte das gleiche Emblem. Der <Solda-tendienstgrad>, der Gefreite beim Revierreinigen, und der plötzliche Vorgesetzte, der in der fünften Kompanie, eine Baracke weiter, für diese Wochen den Spieß spielen sollte, wie ich wenig später erfuhr, <zuständig für den Bereich Bekleidung und Ausrüstung), auch für Stubendurchgänge und Ordnungsmaßnahmen, mit eigenem Dienstzimmer und einer Tür zum Anklopfen und Lauschen, ob der Genösse Feldwebel <Herein> ruft oder nicht. Reinhold Lammke bewegte ein wenig die Hand und ging weiter, ich blieb an der Tür stehen.

Feldwebel! Es hätte uns einer hören müssen in der Mensa: endlose Diskussionen, Zigarettenrauch, <Juwel 72> oder <F 6> wurden gepafft, dazu Kaffee und Kuchen, Biermann, Trotzki, er sprach lange nur von Mark Aurel und seiner Weisheit, ich zitierte aus dem Me-ti-Buch von Brecht, das bis dahin nur im Westen erschienen war, eine Schreibmaschinenkopie kursierte... dazu neueste psychologische Erkenntnisse über Staat und Partei, Ulbricht ein Stalinist im Altersstarrsinn, die Partei ein zentralistisches Gebilde in der Hand von rivalisierenden Cliquen, man muß reingehen und Öffentlichkeit herstellen, Honeckers neuen Kurs stützen, solange er anhält ... «Die Demokratisierungsprozesse unumkehrbar machen... Prag achtundsechzig, Dubcek, die Stasi als Mafia und geheimer privilegierter Orden, der sich seine Kandidaten schon in der Grundschule aussucht...»

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Lauter solche Sachen redeten wir laut und leise, kauend oder Kaffee schlürfend, der gut in der Mensa war... Feldwebel! Er mußte etwas unterschrieben haben.

Wir lernten uns an einem <Kulturnachmittag> in Neulobeda kennen, Neubau, sechster Stock mit Fahrstuhl, Internatswohnung, bei einer <Aktivität>, veranstaltet von der Seminargruppe zum besseren Kennenlernen, es war der Anfang des ersten Studienjahres. Gedichte wurden vorgelesen, die ein literaturinteressierter Psychologiestudent ausgesucht hatte, wer, darf geraten werden, viel Brecht, Kunert, Volker Braun, Sarah Kirsch, auch <neue, progressive westdeutsche Lyrik>, Degenhardt, Husch, Süverkrüp, gerade war ein Buch erschienen im Aufbau-Verlag, Und wenn der Mond dann rot ist...

 

Es klingelte, ein Neuer stand im Korridor, er kam frisch von der Armee, war im Mai eingezogen und deshalb erst im Herbst entlassen worden, anderthalb Jahre später wohlgemerkt, einer hatte für ihn mitgeschrieben in den Vorlesungen, viel hatte er nicht versäumt, der September war vergangen mit Politschulungen und Formalitäten. Er stand im Zimmer, alle sahen ihn an, etwas verlegen grüßte er, doch sichtbar erfreut, daß er Weg und Wohnung gefunden hatte, nun gehörte er dazu, war Student. Er diskutierte gleich mit, kannte sich aus, las offenbar viel, das kurze blonde Haar nach hinten gekämmt, groß, hager, sehr blaß, wache Augen, weicher Mund. Merkwürdig war die schwarze Brille, die eckig und groß auf seiner Nase hockte und aus irgendwelchen Gründen das Kommando übernommen zu haben schien. Sah man auf sie, war Reinhold Lammke alt, müde, in irgendeinem Schatten.

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Sah man auf seinen Mund und die Hände, hörte auf das, was er sagte und wie, sein sanftes, ironisches Sächsisch, das durchaus ins Hochdeutsche wechseln konnte, hatte man einen fröhlichen, klugen Jungen vor sich, der zwar schon einmal verprügelt worden war, aber weiterhin gerne lachte und heraussagte, was er dachte.

Wir wurden gleich Freunde.

In der Straßenbahn nach Zwätzen erzählte er mir von Dresden, vom frühen Tod seines Vaters, der als Buchhalter gearbeitet und in Büchern gelebt hatte... von der endlosen, quälenden Trauer seiner Mutter, vom zwei Jahre jüngeren Bruder, vom Auftrag, der einfach da war: du mußt es schaffen, bist der Älteste. Und dann sagte er, ich weiß noch die Stelle, in Höhe des Westkrankenhauses, die Bahn fährt dort eine lange Rechtskurve, man kann über den Bretterzaun in das Wohn- und Kasernengelände der <zeitweilig in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte> sehen, auf Exerzier- und Volleyballplätze, in gardinenlose Fenster, die Glühbirnen an der Decke, grüne Postenpilze an den Einfahrten... Soldaten in bräunlichen, ausgewaschenen Uniformen, Blusen, um die das breite Koppel geschnallt war, marschierend, rauchend, liegend unter hochrädrigen Autos, auf Bänken und Sturmbahnen, dazwischen Familien, kleine Jungen mit sehr kurzen Haaren und Dreirädern, weit über den Lenker gebeugt, Lautsprecher, Fahnenmaste... in Höhe der <Russenkasernen>, vor Wohnhäusern und Panzergaragen, im zweiten Anhänger der Straßenbahn Richtung Zwätzen, sagte Reinhold Lammke zu mir, er hatte im Wohnheim schon ein Bett bezogen, in einem anderen Zimmer, aber auf dem gleichen Gang: 
  «Ich habe Gedichte geschrieben.»

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Ich lachte, freute mich, war nicht überrascht. Einen Freund hatte ich gefunden, der auch Blätter vollkritzelte. «Aus Wäschekörben haben wir gelesen an einem Sonntagvormittag, wollten die Zuhörer provozieren. Einer brüllte auf russisch Majakowski-Poeme in den Saal, zog eine Spielzeugpistole und hielt sie sich an die Stirn... War ganz schön was los... Arbeitsgemeinschaft junger Autoren...» Das erzählte er in der Straßenbahn. Wenn ich ihn nach seinen Gedichten fragte, winkte er ab, sah aus dem Fenster, wollte sie mir später zeigen, zitierte nur Zeilen... «Später», sagte er, «Ärger genug gehabt, das ist jetzt ein neuer Abschnitt...» Still wurde er, wenn ich nach seinen Gedichten fragte. «Das ist auch vorbei... vorläufig zumindest... das Schreiben hat auch nichts genützt... Gedichte... wozu?» Ich widersprach, redete davon, daß Literatur wichtig ist. Manchmal nahm er dann seine unheimliche Brille ab und sah mich an. «Gedichte haben mir nicht geholfen, verstehst du... es gab Schwierigkeiten... zuletzt haben sie mir Unteroffiziersschüler ins Zimmer geschickt, da wäre ich fast durchgedreht... Handgreiflichkeiten ... Literatur... lassen wir das... zumindest vorläufig...»

So sprach er, wir lernten uns kennen. Er war sehr ordentlich, fast pedantisch, versäumte keine Veranstaltung an der Universität, hatte eine deutlich lesbare Schrift, fast Druckbuchstaben, wusch sich jeden Abend lange und gründlich im Waschraum... Freitag abend nach Hause, zu seiner Mutter und zu seiner Verlobten, die er <demnächst> heiraten wollte und von der er wenig sprach, nur ihr Bild zeigte er bereitwillig vor:

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eine junge Frau mit blondem Dutt neben einem Vorhang, ein Fotografen-Porträt. Welche Schwierigkeiten es nach der Lyriklesung aus dem Wäschekorb gegeben hatte, deutete er nur an, «Gespräche... der Einberufungsbefehl im April... das Studium wackelte... zuletzt schickten sie Unteroffiziersschüler ins Zimmer...». Wir sprachen oft über Politik, Bücher und neue Gedichte. Er war sehr genau in seinem Urteil, prüfte, lobte, kritisierte, hielt sich lange bei einem Wort auf, einer Zeile... machte Änderungsvorschläge, eigene Texte zeigte er nicht. Doch mußte ich ihm immer wieder sagen, daß Schreiben einen Sinn hat, wenn auch vielleicht keinen, der sofort alle überzeugt. Er lächelte, schwieg.

In solchen Augenblicken schien seine Brille unruhig zu werden, ein leichtes Zucken begann, die Pupillen vergrößerten sich, sein Blick wurde traurig und lastend. Er nahm den Feind von der Nase, lächelte, die Stirnfalte blieb, leer sah er aus, enttäuscht, verzweifelt, rieb sich die Augen, schüttelte den Kopf.

«Wozu, wozu...»

Die Tage im Militärlager verstrichen, kein Gespräch, kein Besuch, wir gingen uns aus dem Weg. Das fiel nicht schwer: Gegessen wurde in verschiedenen Speiseräumen, er saß bei den höheren Dienstgraden. Zu Anfang hatte man einige Soldaten der Kantine verwiesen und bestraft, sie hatten Bier kaufen wollen, es gab einen Tadel vor der angetretenen Front mit Eintrag in die Personalbögen. Die so durchgesetzte Unterschied­lichkeit der Menschen erleichterte unser Versteckspiel.

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Wenn ich in der Marschordnung an ihm vorbeitrabte, entfiel der Gruß ohnehin laut Vorschrift, der die Kolonne begleitende Unteroffizier mußte grüßen... es gab Seitenblicke, ein verhuschtes, distanziertes Mustern... mein Freund Reinhold Lammke... Er hatte wohl auch zu tun, sortierte in der Kleiderkammer Uniformen, überprüfte die Stückzahl, schrieb lange, exakt numerierte Listen und abends zwei Briefe nach Hause, einen an die Mutter, einen an die Freundin.

Ob er Soldaten bestrafte, den Bettenbau bemängelte, Sonderdienste einteilte? Möglich war es schon, sogar wahrscheinlich. Von einem Spieß wurde etwas erwartet. Ich konnte es mir dennoch kaum vorstellen, schob die Gedanken an ihn weg, hinter Mensa und Botanischen Garten, wo wir ab und zu auf Bänken gesessen und diskutiert hatten, ziemlich weit weg.

Am vorletzten Tag kam es dennoch zu einer unausweichlichen Begegnung.

Am frühen Nachmittag, gegen zwei, holte ich die Zeitungen von der Poststelle des Lagers, unser Zimmer hatte diese Aufgabe, ich war an der Reihe, keine Briefe, dafür das Zentralorgan in zehnfacher Auflage... unerbittlich gleich wie immer, noch einige Illustrierte, im Gehen überflog ich Überschriften. Als ich aufsah, stand Reinhold Lammke vor mir in der beschriebenen Uniform, allerdings trug er an diesem Tag ein Käppi. Er streckte die Hand vor, ich hielt meine Zeitungen, ein kurzes Zögern entstand, da berührte er nur meinen Unterarm, also den Stoff des Ärmels der Uniformjacke.
«Wie geht's?»
«Ach danke», sagte ich.

In der rechten Hand trug er ein Buch, ich kannte es, Marcus Aurelius Antonius, Selbstbetrachtungen, bei Reclam erschienen.

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Wir sahen uns an. Ich hielt meinen Packen mit beiden Händen, er sein Büchlein. Zwei Offiziere der Politabteilung kamen aus dem Stabsgebäude. Er nickte, rückte die Brille zurecht. Dann sagte er:
«Du verachtest mich.»
Ich schüttelte den Kopf, es klang nicht sehr überzeugend: «Nein, das ist es nicht...»
«Doch», sagte er, «aber du hast keine Ahnung.»
«Wieso?»
«Du hast keine Ahnung», wiederholte er, machte ein paar Schritte, hob die linke Hand, winkte wie aus großer Entfernung. «Mach's gut», rief er, es klang klagend und bittend zugleich, auch wütend, sein Büchlein hielt er in der Hand, jetzt kamen die Politoffiziere, er grüßte sie, entfernte sich.

Ich hielt mein bedrucktes Papier im Arm, das Neueste vom Hofe, vor ein paar Tagen war es, letzten Donnerstag oder Freitag. Abends, die anderen spielten Karten, Stefan Specht, der über mir schlief, stand vor dem Spind und sortierte seine Wäsche, packte wohl schon ein, die Tasche stand bereit, ging die Tür auf und Reinhold Lammke kam herein. Er trug einen Trainingsanzug. Schenck piepste mit verstellter Stimme: «Achtung», Reinhold Lammke winkte ab und sagte zu mir: «Können wir reden... vielleicht draußen eine Zigarette rauchen...» Ich stand rasch vom Bett auf, steckte meine Schreibsachen unter die Decke. Wir gingen hinter die Baracke, lehnten uns an das Geländer der Kellertreppe. Er begann sofort zu reden, hielt die Zigarette in der Hand, zündete sie nicht an.

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«Ich will dir was sagen... weil ich es nicht mehr aushalte, kein Gruß, kein Wort in den Wochen... wie Fremde... Ja, ich bin ein Feldwebel, sie haben mich befördert... wir haben nie richtig darüber gesprochen. Gefragt hat mich auch keiner, richtig gefragt. Hier ist es nicht einfach, muß den Vorgesetzten spielen... man hat die Kompanieunterlagen überprüft, zum Glück stimmte alles... Die Soldaten sehen einen blöde an... bei manchen spürt man Haß... wir sind alle Studenten in Jena, und hier? Glaubst du, das geht spurlos an mir vorbei... Von Dresden habe ich dir erzählt, von der Zeit im Lyrikzirkel, ich fühlte mich als Poet. Ganz große Pläne. Saß jeden Tag an der Schreibmaschine, ging im Park spazieren auf der Suche nach Einf allen... es fiel mir auch was ein. Meine Mutter machte sich Sorgen, du lebst in den Tag hinein, sagte sie, aus mir sollte <was werden>, du kennst das. Bei dir war es nicht viel anders. Das Studium, du weißt, die Lesung am Sonntagvormittag aus Wäschekörben... Einer war dabei, der sitzt im Gefängnis. Warum genau, weiß ich auch nicht, bestimmt irgendwas Politisches. Er redete immer von Biermann, besorgte sich Westbücher. Nach der Lesung wurde ich in die Bezirksleitung bestellt, obwohl ich kein Genösse war. Sie redeten stundenlang auf mich ein, welche Absichten wir gehabt hätten, Rädelsführer und so weiter. Ich verteidigte mich, pochte auf mein Recht als Dichter... Sie haben gedroht und <Reinhold> gesagt, <Reinhold, überleg dir das gut...> 

Irgendwie waren sie am Ende nicht zufrieden, zuwenig Einsicht, ich weiß nicht. Dann kam der Einberufungsbefehl, im April. Ich rannte ins Wehrkreiskommando, zeigte meine Vorimmatrikulation für Jena, Studienbeginn im September. Sie stellten sich stur, die Uni antwortete ausweichend... ob ich später hinzukommen könnte im Herbst einundsiebzig müsse erst noch geprüft werden... Jemand hatte die Finger drin, das spürte ich. 

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Stell dir das vor, Schwierigkeiten in Dresden, das Studium futsch, kannst du dir meine Mutter vorstellen... Die wäre durchgedreht. Da habe ich zu ihr gesagt: alles o.k., auch der Studienbeginn, alles geregelt. Habe sie angelogen. Nach Erfurt kam ich, zur Infanterie. Erfurt ist ja eine schöne Stadt. Die Grundausbildung, das übliche Herumhetzen, das ging eigentlich. Als der Parteitag in Moskau stattfand und die Reden im ND abgedruckt wurden, es gab ja neue Töne, wir diskutierten in den Politstunden... ja, da begann ich wieder Gedichte zu schreiben, schickte auch Briefe ab an die Universität, ich wollte, daß es klappt, eine klare Zusage... Gedichte und kurze Prosa schrieb ich... Ein Unteroffizier, ein ganz ruhiger Typ, hätte ich ihm nie zugetraut, der wühlte und fand <verbotene Aufzeichnungen>.

Tatsächlich darf man ja kein Tagebuch führen. Der ganze Zirkus begann von vorn, selbst die Sonntagslesung wurde noch mal aufgewärmt <im Vorfeld>. Ich war fix und fertig. <Ermittlungs­verfahren> und <Spionage>, was das hieß, muß ich nicht erklären. Dabei konnte man mir eigentlich absolut nichts vorwerfen, die Gedichte, na ja, ich wollte sie dir mal zeigen ... was soll's, überwiegend Naturlyrik, traurige... Staatsverleumdung ganz sicher nicht. Und rausgeschriebene Zitate vom KPdSU-Parteitag. Da sagten sie: <Wollen Sie auf eigene Faust operieren, aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen der sowjetischen Genossen zu fadenscheinigen Diskussionen mißbrauchen ...> Eine verdammte Lage, in der ich war. Dabei brauchte ich vor allem eine einigermaßen gute Beurteilung, wenn es mit dem Studium noch klappen sollte.

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Ich war verzweifelt, hatte keinen, mit dem ich reden konnte. Wollte schon aus dem Fenster springen, unten auf den Betonweg. Soweit war ich. Dann noch eine Verlegung, sie steckten mich in eine Bude mit Unteroffiziersschülern. Die dachten wahrscheinlich, ich bin ein Spitzel. Oder hatten selber den Auftrag, mich zu beobachten, ist auch egal. Jedenfalls die Hölle, Mißtrauen, Nervereien am laufenden Band, es gibt dann ja tausend Anlässe. Sie zerwühlten mein Bett, zählten mich beim OvD an, wollten sogar, daß ich täglich die Bude saubermache, jeden Tag bohnern... als EK, das mußt du dir vorstellen. Einmal bin ich durchgedreht. Mir haben sie dann die Brille zerschlagen. In der Meldung stand: <Gefreiter L. hat provoziert und staatsfeindliche Äußerungen gemacht.> 

Da konnte ich nicht mehr, bin zum Politoffizier gegangen, habe einfach an sein Zimmer geklopft. Es war schon Abend, ich weiß noch ganz genau. War total fertig, völlig am Ende, wollte nur raus aus dieser Scheiße. Der Druck war einfach zu groß geworden, verstehst du. Die Brille zerschlagen... Er hörte zu, war so ein Feinerer, nicht übel, musikalische Interessen, hatte es aber hinter den Ohren, lächelte, bestimmt war er auch Verbindungsoffizier. Er hörte sich alles an. Was ich geredet habe, weiß ich gar nicht mehr. Mir kamen sogar die Tränen. Ich erzähle das ungern... aber ich will, daß du es weißt. Er hörte jedenfalls zu und fragte mich dann: <Wollen Sie Kandidat der Partei der Arbeiterklasse werden?> Ganz unvermittelt diese Frage. Und ich habe <ja> gesagt, ohne Zögern <ja>. Seine zweite Frage war: <Wollen Sie Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten als Reserveoffizier zur Verfügung stellen, Ihr Studium wäre damit auf jeden Fall gesichert. An die Übernahme in den aktiven Dienst wird nicht gedacht.>

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Da habe ich wieder <ja> gesagt. Hinterher war ich erleichtert, irgendwie war der Druck weg. Wie besoffen war ich im Kopf. Am nächsten Tag sagten die Uffz-Schüler kein Wort mehr zu mir, einer war sogar scheißfreundlich. Ich kam zurück in meinen alten Zug, der Kompaniechef schrieb eine bombige Beurteilung, Jena sagte zu, ich konnte später kommen, meine Mutter freute sich, den Rest kennst du... So war das. Und vierzehn Tage vor Seelingstädt teilten sie mir die Beförderung mit: Feldwebel der Nationalen Volksarmee. Zuvor hatten sie mich zum Unteroffizier und etwas später zum Unterfeldwebel ernannt. Davon wußte ich gar nichts, habe es erst später erfahren, kurz vor dem Lager. Was sollte ich machen? Natürlich haben sie mich so angebunden, meine politische Meinung kennst du. Die hat sich nicht verändert. Aber ich habe wirklich unterschrieben. So ist die Lage... Gedichte haben mir nicht geholfen, der Druck war zu groß... du verachtest mich... das wollte ich dir erzählen...»

Er bot mir eine Zigarette an, ich nahm sie.

Auf dem gegenüberliegenden Barackendach schlug der Wind ein Blech gegen die Dachrinne. Es war kalt geworden, die Luft roch nach Diesel und Schnee. Am Bahndamm unten fuhr ein Zug, gut konnte man die hellen, harten Schläge der Räder hören: Wozu, wozu...

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Pilz möchte jeden Abend Bier trinken. «Drei, vier Flaschen», sagt er. Jeden Abend überlegt er, ob es sich lohnt, über den Zaun zu steigen. Schenck schüttelt den Kopf. Pilz beschimpft Schenck und geht sich waschen. Viele Zigaretten werden geraucht. Im Speisesaal steht ein Automat. Die Offiziere trinken täglich. Einmal hörte ich Wiegand grölen, nachts gegen eins. Er sang ein Lied, noch andere waren dabei. Es könnte <Wenn alle Brünnlein fließen> gewesen sein.

Grundwehrdienst, Dezember neunundsechzig. Nach sechs Wochen der erste Ausgang. Ich zeigte am Tor die entsprechende Karte vor, die meinen Namen trug. Der Schreiber hatte sie mir ausgehändigt, nachdem das Ausgangsbuch genehmigt worden war von Rödiger. Ich war berechtigt, die Kaserne zu verlassen. Allein stand ich auf der Straße, ein Soldat, uniformiert, mit schwarzen ledernen Halbschuhen und dem etwas zu großen Armeemantel, der Pferdedecke, es war ziemlich kalt, etwas Schnee lag schon. Ich zeigte die Karte, den Dienstausweis und war draußen, vor dem Tor. Und was nun? Ich rannte, Richtung Innenstadt, rannte, rannte. Bis abends stürzte ich durch Plauener Straßen, führte Selbstgespräche, Diskussionen über literarische Themen, sagte Gedichte von Bobrowski auf, fluchte, schrie von einer Steinbrücke in einen Park, kehrte nicht ein, rannte durch Straßen, wollte wohl weg, wegrennen...

Gegen elf fuhr ich mit der Straßenbahn zurück. Wohin sollte ich, was sollte ich wagen, wozu und warum? Das wußte ich nicht. So fuhr ich zurück und atmete auf, als ich wieder auf der quietschenden Eisenmatratze lag im letzten Vierbettzimmer rechts, Parterre Neubau, Nachrichtenzug. Ich war wieder drin, dahinter, eingesperrt, ein Rekrut, der auf Ausgang und Urlaub wartet, auf den Heimgang, sehnsüchtig und wütend.

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Biellau kaufte sich jeden Eulenspiegel, las und lachte. Das ganze Wochenende ging es so. Jeden kleinen Artikel las er und lachte. Er war der einzige in der Kompanie, der diese Zeitung kaufte. Manche liehen sie kurz bei ihm aus, blätterten, nie lange, nie sonderlich amüsiert. Ich weigerte mich, empfahl hochmütig die Originallektüre des Eulenspiegel, nicht «so ein laues Blatt». Biellau ließ das über sich ergehen und verminderte die Intensität seiner Lektüre nicht. Zu mir sagte er: «Du weißt gar nicht, worüber ich lache.» Auf dem Transparent am Tor steht:

«Die souveräne sozialistische
Deutsche Demokratische Republik -
sie ist das einzige und wahrhafte Vaterland
der Jugend, ihr gehört unsere ganze Liebe und Treue.»

 

Die Aufteilung der Zeilen entspricht dem Original. Ist das die unbesiegliche Inschrift, die ein sozialistischer Soldat mit Kopierstift in die Wand kratzte?

*

Später Nachmittag. Viel Laub war gefallen von drei Kastanienbäumen, die neben dem Schulungsgebäude standen. An einem Nachmittag sollte ich mit Specht die Blätter «beseitigen», wie Major Lindner sagte, der mit vorgestrecktem Bauch herumlief und einen Ledergürtel trug, der zur Uniform gehörte, aber bei ihm wie eine Trophäe aussah, wie ein Judogürtel.

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Gehörte die Farbe Braun zur Meisterklasse? «Nicht nur hier», fügte er hinzu und tippte auf die Muskulatur seines Oberarms, die durch den Stoff der grauen Jacke verdeckt wurde, wir wußten es schon und äfften ihn auf den Stuben nach, «auch hier», sein Zeigefinger berührte die Stirn. «Beseitigen» hieß also, sich etwas einfallen lassen, «verbrennen» schlug Specht vor, aber es nieselte.

Langsam kratzten wir mit einer Schaufel und einem Eisenrechen auf Wiese und Sandwegen herum. Es war vier Uhr, kurz vor fünf gab es Abendessen, dreiviertel mußten wir los, um die Bestecktaschen zu holen. So war unser Zeitplan.

«Vietnamveranstaltung», sagte ich.

Specht zerrte an einem Grasbüschel herum.

«War doch gut... is irgendwas...?» Er suchte in seinen Hosentaschen herum, zückte ein Feuerzeug. «... war doch gut, oder?»

Ich nickte. «Auch Lüge.»

«Wieso?» Specht suchte die Wiese etwas schneller nach Blättern ab, «hör doch auf», sagte er. Und nach einer Weile: «Willst du das auch noch in den Dreck ziehen?» Das rief er ziemlich laut.

Wir lästerten oft, waren einer Meinung in vielen Dingen, flachsten herum über alles mögliche, es machte Spaß, mit Specht aufsässige Reden zu führen. «Komm doch in die Partei, sonst schlaf ich da ein», riet er mir. Auf die Frage, warum er eingetreten ist, sagte er einmal zu mir: «Um dafür zu sorgen, daß die Idioten nicht ganz unter sich sind beim Bestimmen.»

So einer war Specht, aber jetzt war er ganz wild geworden, sein Gesicht lief rot an.
«Vieles ist Mist, wir haben oft darüber geredet, aber diese Veranstaltung war gut und wichtig, wir müssen solidarisch sein, der Krieg der

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Amerikaner ist wirklich ein schmutziger Krieg. Die vielen Toten, Frauen und Kinder... Da stimme ich mit dem Staat überein... wenn das nicht mehr wäre...»

Stefan Specht regte sich ziemlich auf, so kannte ich ihn gar nicht.

«Was ist los?» fragte ich.

«Nichts!» brüllte er.

Er wollte etwas richtig gemacht haben... beim Laubrechen unter drei Kastanienbäumen im Militärlager Seelingstädt, kurz vor dem Abendessen... sein Freund war aus Leipzig gekommen zur Solidaritätsveranstaltung, ein Schauspielschüler mit kurzen roten Haaren und einem prägnanten, fast brutalen Gesicht, bestimmt wollte er ans Berliner Ensemble... er sprach Texte von Volker Braun zu Kriegsfotos, Vierzeiler, anklagend sprach Spechts Freund, laut und anklagend, im Besitz der Wahrheit, es gab viel Beifall, auch für die Szenen einer Theatergruppe aus dem Stück Vietnamdiskurs von Peter Weiss, viel Beifall für Gedichte von Rainer Kirsch und Günter Kunert, viel Beifall für die Gruppe <Bayon> aus Weimar, Rock und Folklore mit deutschen und zwei langhaarigen, zarten Musikern aus Kambodscha, die lieber Geige spielten und an der Musikhochschule studierten als bei den Roten Khmer mitzukämpfen, «viel Krieg in Heimat», riefen sie mit weicher Stimme durch die Mikrofone, «hoffentlich bald Frieden», viel Beifall, auch für ein blondes dickes Mädchen im Blauhemd, das treuherzig und unsicher aus dem Neuen Deutschland vorlas, du hast das mit organisiert, Specht auch, sein Freund kam aus Leipzig, auch der Liedermacher Pannach, der schon fast verboten war...

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«Es war eine Antikriegsveranstaltung... die laufen in der ganzen Welt, überall... auch in Amerika...», er konnte sich gar nicht beruhigen.

«Und dann stiegen wir auf einen Armeelaster... ab ins Militärlager...» sagte ich.

«Was hat denn das damit zu tun, dieses beschissene Pißlager hier... Solidarität mit dem vietnamesischen Volk... darum geht's... Ich bin außerdem kein Pazifist.» Specht wollte wirklich böse werden, das war zu sehen und zu hören. «Es geht um Tote, um Frauen und Kinder... daß da Frieden wird... Napalm, jahrelanger Krieg, Bombardierungen...»

Ich sagte Specht, daß ich auch gegen den Krieg bin und mitgemacht habe bei der Veranstaltung. Und daß er nicht agitieren soll am späten Nachmittag, in der Dämmerung, wenn fast alle Blätter am Boden liegen und viele Vögel abgezogen sind in wärmere Länder, daß er nicht agitieren soll, ich hatte die Idee zur Veranstaltung, mal was selber machen ohne Befehl von oben, das war meine Idee, sagte ich, es ging nur das Thema Vietnam, ist ja auch wichtig, sagte ich, aber eben auch Lüge, weil wir nicht von uns gesprochen haben, von hier. Soll in Hanoi dasselbe sein wie hier, wenn die Amis weg sind? fragte ich Specht.

Er antwortete nicht, hackte im Gras herum, sah weg. Mir fiel allerhand ein, Verbotenes und Gemeines: «Dir ging es um dein Bärtchen, das sollte dranbleiben. Mir ging es um die Haare, meine schönen langen Haare müssen wieder ab, o weh... das wollten wir nicht haben ... Die Veranstaltung lief gut, ganz große Themen, gute Organisation, Geld sammelten wir, rasten rum, Vietnam, die bösen Amerikaner, gut... und am übernächsten Tag, was war da? Ab nach Seelingstädt, das war da...»

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Specht fuchtelte mit den Armen, wollte das nicht hören. Erinnerte mich daran, welche Schwierigkeiten es gegeben hatte: «Die wollten uns nicht alleine machen lassen... die Parteileitung bremste... Riebel... du weißt es doch ganz genau, die bremsten... Eigeninitiative ... es hat doch Spaß gemacht, was war denn daran schlecht... alles ist nicht möglich... sogar Pannach trat auf, mein Freund kam extra aus Leipzig, ließ eine Vorstellung ausfallen, das war doch Einsatz... o.k., o.k., wir wollten auch mal 'ne große Demo machen... Vietnam... dagegen konnten sie nichts haben... es war aber nicht nur taktisch, verstehst du, nicht für mich!»

«Für mich auch nicht», sagte ich.

Das Abendbrot war in Sicht, kurz vor fünf, wenn meine Uhr richtig ging.

Wir stritten weiter darüber, warum wir nichts gesagt hatten auf unserer ehrlichen, wichtigen Veranstaltung über das hier, über diese Lagerkacke, darüber, was uns erwartete. Wir waren ja nicht ahnungslos, wir kannten den Ablauf, hatten schon viele Monate mitgespielt beim erstenmal... Hübsche Fragen fielen mir ein beim Laubrechen an diesem Nachmittag... wir hatten uns ja schon mal ziemlich lange in Kasernen herumgedrückt nach dem Abi, als der Befehl ins Haus flatterte... Den verbrannten wir nicht auf dem Marktplatz, in Amerika verbrannten welche ihre Wehrpässe und wurden dafür bestraft. Wir verbrannten unsere Dokumente nicht, wir trabten los und dienten ab, solche waren wir, Specht, ich und die anderen... solche... keine Blöd-

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männer, keine gläubigen Idioten... auch keine von der Firma mit unruhigen Augen... auch nicht. Über Krieg im Frieden wußten wir was... und haben wir das gesagt zur Vietnamveranstaltung, mutig, deutlich, klar? Mit dem ganzen US-Imperialismus wollten wir es aufnehmen in Jena, im großen Mensa-Saal... und das eigene Kapitel, wo war das? Lauter hübsche rhetorische Fragen fielen mir ein. Ich konnte sie beantworten, recht gut beantworten. Specht auch, er auch... Fragen, Antworten, Fragen... ich stichelte herum kurz vor fünf, Specht wollte glauben, nicht das noch relativieren. Ich verstand ihn. Ganz und gar verstand ich ihn. Eine richtige Politdiskussion zogen wir ab neben dem Schulungsgebäude, es gab keine Zensuren, keine Zuhörer. Gewissensbisse waren zugelassen, blaue Flecken am Rande der Seele... Wie wir eigentlich darauf gekommen waren, weiß ich nicht. Ich hatte angefangen. Das Laub oder das Feuerzeug oder der leichte Regen haben an irgend etwas erinnert. Oder es war Langeweile. Oder es war der Muni-Bunker, den wir vor der Nase hatten. Noch aus dem Zweiten Weltkrieg, mit so einer Bunkerschutzfarbe und dem Putz des vorletzten Reiches... Ich kannte ihn von Kasernen und Hitlerbauten, mit dem Pfeil, der um die Ecke bog...

«Es geht um die Selbstbestimmung der Völker, was wollen die Amerikaner in Asien, herrschen wollen sie...» Specht redete wieder ganz ruhig. Die Gefahr eines Kampfes mit diversem Gartengerät hatte sich verringert. Ho Tschi Minhs weißer dünner Bart sah sympathisch aus, es war sein Land, wie ein Diktator sah er nicht aus, eher wie ein guter Onkel. Aber vielleicht sieht kein Diktator wie ein Diktator aus. Man weiß es immer erst hinterher.

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Und die Westberliner Studenten, die untergehakt durch die Straßen rannten und seinen Namen riefen... Specht und ich in der ersten Reihe neben Rudi Dutschke und Cohn-Bendit, das wäre doch was! Und wenn nicht in der ersten, dann mittendrin, richtig dabei! Das wollten wir gern, mit unserer richtigen guten zahmen Veranstaltung.

Und am nächsten oder übernächsten Tag auf einen Militärlaster steigen mit duldendem Gesicht. Irgendwie dagegen und auch recht aggressiv, man will was und so weiter. Ach, hör auf, Stefan Specht, und du selber auch, hör auf, es ist so zum Kotzen.

Einer hatte mal halblaut «Dubcek-Svoboda» gerufen, achtundsechzig in der Milchbar, da waren die noch Parteiführer im Bruderland, Stöckigt aus der elften, er wurde anschließend nicht mehr gesehen, seinen Erdbeer-Sahne-Shake muß er noch getrunken haben. U-Haft in Zwickau. Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh, was ist denn, Stefan Specht? Sind das wieder ganz verschiedene Dinge, die nur in unseren Köpfen durch­einander­wirbeln? Wie Laub, wie wirres, buntes Laub? Das hier ist grau, naß, zumindest feucht. Anbrennen wollen wir es, <beseitigen>. Lindner, zu Befehl, Genösse Major. Und wenn es nicht brennt? Dann gehen wir erst mal essen. Und wenn es brennt? Gehen wir auch essen. Das Schulungsgebäude für Marxismus-Leninismus in deutscher, demokratischer Auslegung mit den Angriffsarten im Gelände als Lehrbild an der Tafel wird nicht gleich Feuer fangen, so hoch werden die Flammen des Laubs der drei Kastanienbäume im November zweiundsiebzig nicht schlagen, so hoch nicht.

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Nachts in Plauen, wenn ich Funkdienst hatte, war oft Zeit zum Lesen. Ich brühte mir Bohnenkaffee in einer Tasse auf und suchte in Lenins Gesammelten Werken nach Zitaten, Autoritätsbeweisen, nach Munition... wollte Widersprüche entdecken... gedacht war es so, und das ist daraus geworden... Bestätigungen wollte ich finden für mein Unbehagen, meinen Verdacht, meinen Ekel vor dieser kasernierten, engen Welt. Lenin kam mir als einer vor, der auch <dagegen> war zu seiner Zeit. Zuletzt hatte er sich gegen Stalin gewandt, vielleicht ahnte er das Böse... Bei Marx und Engels fand ich: «Der Sozialismus ist deutsch geworden, er ist verloren...» Das gefiel mir, hatte nichts mit <Politschulung> zu tun, <M/L> oder dem <Abzeichen für Gutes Wissen>. Die <Klassiker> standen auf dem Regal im Funkraum, Müller musterte ihre breiten blauen oder braunen Rücken immer mißtrauisch und ein wenig lächelnd, wenn er seinen Kontrollgang machte. Gegen sie konnte er aber nichts haben... sie mußte er erlauben und gut finden... Selbst die Bemerkung: «Verpassen Sie auch keinen Funkspruch, wenn sie Bücher lesen», mußte er sich eigentlich verkneifen, Marx, Engels, Lenin, Gorki waren mehr wert als Müller, waren abgesichert, gehörten zum <Erbe>, zum <Staat>, zur <Partei>, so gewichtig standen sie auf dem Regal des Dienstraumes. Den Leser solcher Schriften zu behelligen war schwer... man mußte einen Mißbrauch nachweisen, eine Gotteslästerung. Ich war auf der Hut. Müller spürte etwas, und eigentlich hatte er ein richtiges Gefühl. Nur beweisen konnte er es nicht. Auch nicht an Hand der Stellen, die auf Zettel geschrieben worden waren in irgendeiner Absicht... ein lernender, lesender

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Soldat, der sich mit den Klassikern des Marxismus-Leninismus beschäftigt und auch noch Gedichte liest... warum nicht... sie wurden ausgeliehen in der Regimentsbibliothek. ..

Lesend vertrieb ich mir die Zeit, wechselte in eine andere Welt, suchte auch Halt und Richtung, Freundschaft, Nähe... Schriftsteller wollte ich werden. Konnte ich das jemandem sagen? Nein. Den Schlüssel zur Bibliothek, die sich unter dem Dach des Stabsgebäudes befand, hatte mir die Leiterin in die Hand gedrückt, eine blonde, freundliche Frau, mit der ich manchmal über Literatur sprach. An einem Vormittag hatte ich geklopft, Firle suchte Leute für einen Reinigungseinsatz, man mußte sich abseilen... also eilte ich in Richtung Funkraum und dann eine Treppe höher... es roch nach Büchern. Der Mann der blonden Frau, ein kleiner, korpulenter Major, ging im Neubau ein und aus, er gehörte zu den <Heimlichen>, Aufklärung oder Abwehr... Manche sagten, er wäre der Chef. Aber das war eine Vermutung. Man grüßte ihn besonders unterwürfig, das stimmte. Ich durfte alle Bücher ausleihen und auch am Wochenende aufschließen, wenn Kartoffelschäler gesucht wurden oder Tischdienste. Schnell verschwinden, ein Schlupfloch haben, nicht viel reden, keinen fragen, entschlossen einem Ziel entgegenstiefeln, einen Befehl ausführen, «besondere Aufgaben im kulturellen Bereich...». Ich zückte meinen Schlüssel und verschwand, die Bibliothekarinnen hatten ihn mir in die Hand gedrückt nach drei, vier Besuchen, am Wochenende war keine von ihnen in der Kaserne... Von innen schloß ich zu, zog den Schlüssel ab, verzog mich hinter Bücherregale, machte kein Licht... stöberte Ge-

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dichtbände auf, die keinen einzigen Datumsstempel trugen, also nie ausgeliehen worden waren, die Seiten klebten oft noch zusammen. In mein zweites schwarzes Heft, auf kleinkariertes Papier, notierte ich gewisse Zeilen, Zitate, nur Zitate, keine Bemerkungen, keine eigenen Wertungen oder Stellungnahmen... Das Heft versteckte ich in der Wandpolsterung hinter dem Funkgerät ... Bekam die Zitatsammlung mit nach draußen am letzten Tag... habe sie bei mir als <Briefpapier>... 

 

Eintragungen der Monate Januar bis März einundsiebzig:

«Lege ab den Flitter, das feierliche kommunistische Gewand, lerne ganz einfach die einfache Sache.»  Lenin

«Die Massen haben sich daran gewöhnt... das ist ein Argument des Festhaltens am Gewohnten, ein Argument der Lethargie, ein Argument der Trägheit. Wir aber wollen die Welt umgestalten... Und wir fürchten uns vor uns selber. Wir wollen das <gewohnte>, <liebgewonnene>, schmutzige Hemd anbehalten... Es ist an der Zeit, sich des schmutzigen Hemdes zu entledigen, es ist an der Zeit, saubere Wäsche anzuziehen.»  Lenin

«... eine viel stärkere Schicht einer beruflich beschränkten, bornierten, selbstsüchtigen, verknöcherten, eigennützigen, spießbürgerlichen, imperialistisch gesinnten... Arbeiteraristokratie hat sich herausgebildet.» Lenin

«Schreiben mit geschlagenen phosphorleuchtenden Händen auf die unendlichen Wände der Nacht.»  Neruda

«Zukunft der Agonie.»  Eluard

«Gedanken, so schwarz wie Fliegen.»  Gorki 

«Ich bin ein Mensch - nicht zu leugnen, zu unterdrücken oder zu verstümmeln.» 1964, Losung der Studenten von Berkeley

«Ich hasse jene Subjekte, die die Sonnenseite der Straße meiden, weil sie Furcht davor haben, daß ihr Gesicht einbrennt oder das Jackett ausbleicht - ich hasse alle, die aus dogmatischen Gründen das freie kapriziöse Spiel ihres inneren Ich abwürgen.» Leonid Andrejew

«Keiner weist dich mehr vom Weg mit fremden Worten. Du fürchtest nicht mehr die Hand dir zu verbrennen an der Tür des eigenen Hauses.»  Aragon

«Volksfeinde. Dieses billige Schlagwort könnte er eigentlich weglassen. Das ist ein billiges Schlagwort, das er sich schenken wird. Abstinenz ist der Feind der Ketzerei. Wie wird dieser Satz sich behaupten, wenn ich ihn prüfe? Deshalb wahrscheinlich fallen die Kommunisten immer über Bohemetum her. Wenn du dich betrinkst oder herumhurst oder Ehebruch begehst, gestehst du ein, daß du persönlich nicht unfehlbar bist, soweit es sich um das reichlich wandelbare Substitut für den Apostelglauben, die Parteilinie, handelt. <Nieder mit dem Bohemetum, der Sünde Majakowskis>, heißt es dann...»  Hemingway 

«Wladimir Lenin war der Mann, der die Menschen hinderte, ihr gewohntes Leben zu leben, so wie es vor ihm noch niemand vermocht hatte.» Gorki

«Zu schreiben kann man erst beginnen, wem die Realität nicht mehr selbstverständlich ist.»  C. Wolf

«Nur der Gleichgültige ist frei.» Th. Mann
«Wachstum ist Widerstand gegen die Umstände.»   Gorki 
«Weil sie den Schatten nicht hinnahmen.»   Eluard

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