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   Teil 4 — Glaubenskriege — Europäisches Mittelalter   

 

Uns ist in alten mæren wunders vil geseit 

von beiden lobebæren, von grôzer arebeit;

von vreude und hohgezîten, von weinen und von klagen, 

von küener recken strîten muget ir nu wunder hoæren sagen.   

(Nibelungenlied)

145-151

Von Heldentaten und Leid spricht die erste Strophe des Nibelungenliedes, und von den Tragödien ganzer Völker und Stämme wie von dem Glanz großer Ideen und Ideale berichtet uns die Geschichte des Mittelalters, in dem die Germanen das Christentum übernahmen und für lange Jahrhunderte die Führung in der westlichen, europäischen Welt. Aus den schönsten und zugleich blutigsten Liedern kennen wir die Namen der Helden dieser Epoche, und wenn sie darin auch der Heldentaten gerühmt werden, die auf Ereignisse lange vor dem Mittelalter zurückweisen, so tut das der Tatsache keinen Abbruch, daß sich in ihnen das Lebensgefühl sowohl der wandernden Germanenstämme als auch der ritterlich-höfischen Welt widerspiegelt. 

Wann aber begann und wann endete das Mittelalter? Für jede der von der Geschichtswissenschaft vorge­schlagenen Einteilungen gibt es gute und gewichtige Gründe. Aus reiner Zweckmäßigkeit für unser Thema lassen wir das Mittelalter im 4. Jahrhundert n.Chr. etwa mit dem Hunneneinfall von 375 beginnen und im 15. Jahr­hundert mit der Eroberung Konstantinopels von 1453 durch die Türken enden.

Hinsichtlich des Kriegs­wesens fällt also der Anfang mit dem Aufkommen der großen Reiterheere und das Ende mit Einführung der Feuerwaffen zusammen.

Es ist auch zu bedenken, daß der im deutschen Sprachgebrauch seit dem Erscheinen der »Geschichte der Deutschen« von M.J. Schmidt im Jahr 1778 gebräuchliche Begriff »Völkerwanderung« von den meisten anderen Kulturvölkern zu Recht nicht übernommen worden ist. Schließlich handelt es sich bei dieser Völker­wanderung im wesentlichen nur um die Wanderung ost- und westgermanischer Völker und Stämme; mit gleichem Recht könnten andere Wanderungen, wie etwa die der Seevölker in der zweiten Hälfte des 2. Jahr­tausends v.Chr. oder die Zeit der im vorigen Kapitel beschriebenen Wanderungen der Kelten, als Völker­wanderungen bezeichnet werden. Und das sind noch nicht einmal alle.

Gekennzeichnet ist die neue Epoche durch die innere Auflösung des antiken Staates und seiner Gesellschaft, die entstehende enge Verbindung von politischer Reichsgewalt und institutionalisierter Kirche und das allmähliche Zurücktreten der Laien im geistig-kulturellen Leben, den immer geringer werdenden Schriftverkehr im Rechtswesen und die Verminderung des Geldverkehrs im Vergleich zum Tauschhandel. 

»Wer ein Weltbild des europäischen Mittelalters zu zeichnen unternimmt und den Begriff >Welt< nicht nur geistig, sondern auch geographisch, wirtschaftlich, im ganzen gesehen strukturell sieht, kann nicht darauf verzichten, auch die Umwelt zu sehen, mit der menschliche, politische, geistige Kontakte von einem Ausmaß bestanden, daß man von Kulturströmen reden muß. Deshalb wird in einem Weltbild des europäischen Mittelalters Byzanz nicht nur eine Rolle spielen, weil sein Machtbereich sich auch auf den Balkan erstreckte, und wird die Welt des Islam nicht nur bei der Abhandlung der Kreuzzüge zu streifen sein. 

Es gibt keinen Aufbruch der europäischen Vernunft in der Scholastik, ohne den von Arabern und Juden vermittelten Aristoteles, keinen Anfang dei Naturwissenschaft ohne die Muselmanen, keinen Handel und Wandel irr Mittelmeer und Osteuropa ohne Byzanz und die Muselmanen. In ein Weltbild des Mittelalters gehören schließlich auch die Slaven, und zwar nicht nur, weil der hier zugrundeliegende Europabegriff auch deren Staaten- und Völkerwelt umfaßt, sondern weil auch ihre Kultur, besonders soweit sie in den westlich-christlichen Kreis eingegliedert ist (Ostmitteleuropa), zur ganzen Kulturbewegung Europas zählt.«145

Der einstmals so freiheitliche Rechtsstaat des alten Rom, wenigstens insoweit es seinen Senat und die Bürger betraf, kehrte sich vornehmlich durch die ungeheuren Steuerlasten, die vor allem durch die Heeres- und Verwaltungsreform Diokletians im 3. Jahrhundert n.Chr. verursacht worden waren allmählich in sein Gegenteil um. Reichsadel, Großgrundbesitz und Kirche genossen in zunehmendem Maße Steuerimmunität. Es bildete sich so ein Staat im Staat. Die mittleren und unteren Klassen hatten alle Lasten zutragen Dies führte zu einer Proletarisierung und Nivellierung besonders im städtischen Bürgertum. 

Wollte das Römerreich in dieser Lage überleben, so mußte es zu einem Zwangsstaat werden, in dem jeder Bürger und die im Dienste des Staates stehenden Soldaten und Beamten durch Gesetze erblich an ihren Beruf gebunden blieben. Es entstand so eine Art Staatskapitalismus mit den römischen Staat als Eigentümer aller Großunternehmen, besonders aber der Bergwerke, Waffenfabriken und Münzstätten. Dies wiederum führte zu einer Lähmung der Privatinitiative in der Wirtschaft.

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Dem zwangsläufigen Rückgang des Geschäfts sowie dem Niedergang und der Einschränkung des freien Marktes konnte der Staat nur dadurch begegnen, daß er als Abnehmer einsprang. Am schlimmsten aber wirkte sich das Nachlassen der Moral aus. Nicht die Erschöpfung der Erde oder ein Klimawechsel verursachten den Rückgang der agrarischen Produktion und Bodenkultur, sondern das Nachlassen der Arbeitsmoral und die sinkende Kinderzahl entmutigter Menschen. »Menschenmangel und Entvölkerung ganzer Landstriche in Ost und West verursachten Masseneinfuhr und Ansiedlung von Barbaren und Orientalen; Freie und Sklaven nahmen zahlenmäßig ab. Pest, Revolution, Kriege, Geburtenbeschränkung, auch im Proletariat und sogar beim gallischen Bauerntum, dezimierten die Bevölkerung. Moskitos und Malaria in Latium und in der Toskana forderten weitere Verluste an Menschenleben.«146

Der Zusammenbruch des zentralisierten Wirtschaftssystems führte zu erstarkenden und selbständigeren Provinzen, in die sich auch das militärische und politische Schwergewicht verlagerte. Heerführer in den Provinzen begannen, mit dem Kaisertum zu rivalisieren. Ihre aus Provinz- und Barbarenverbänden bestehenden Armeen verteidigten nicht mehr die Heimat und die eigenen Götter, sondern kämpften für Sold und Beute.

In der römischen Bevölkerung gab es kein Vertrauen in die eigene Kraft und keinen Stolz mehr auf die persönliche und staatliche Leistung, es machten sich Zynismus, Kinderlosigkeit, Feigheit und Lebensangst vom Proletariat über die Senatoren bis zu den herrschenden Kaisern breit. Der Wille zur Verteidigung des Reiches oder gar zu dessen Mehrung schwand dahin, bis man diese Aufgaben fast ganz angeworbenen Söldnern, vornehmlich Germanen, überließ. Diese Söldner dienten nun nicht mehr allein bei den Hilfstruppen oder den Sonderregimentern (numeri), sondern auch in den regulären Legionen. Vom 3. Jahrhundert ab empfanden es die Römer als ganz selbstverständlich, daß Germanen ihre Schlachten schlugen und ihre Kriege führten. 

So wandelte sich das römische Heerwesen durch die angeworbenen Germanen von innen her grundlegend. Zwar konnten sich die Römer in der Anfangszeit der Germanenwerbung nicht über Fahnenflucht, Ungehorsam oder Verrat beklagen, die germanischen Söldner taten treu und brav ihre soldatische Pflicht, wenn auch an die Stelle des römischen Kurzschwertes mit der Zeit das germanische Hiebschwert getreten war und der Legionsrock der Kniehose weichen mußte. Entscheidender war, daß die schwere Infanterie der ehemals römischen Legionen allmählich an Bedeutung verlor. Dagegen stieg die Bedeutung der Leichtbewaffneten, die mit Speerwurf und Pfeilschuß das Gefecht einleiteten und die feindlichen Reihen zu erschüttern suchten, unter dem Einfluß der Sarmaten und Hunnen, die eine schnellbewegliche Kavallerie besaßen, auch diejenige der Reiterei.

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Am Ende des 3. Jahrhunderts begann daher Diokletian mit einer Heeresreform, die dann Konstantin der Grosse um 330 n.Chr. vollendete. Dabei wurde die Zahl der Legionen erhöht, die Gesamtstreitkräfte aber in ein Grenzheer (limitanei) und eine rasch bewegliche Einsatzarmee (comitatenses) unterteilt. An den Grenzen führten Militärbefehlshaber, die Duces, das Kommando über die Grenztruppen, die im wesentlichen aus den in den betreffenden Gebieten wohnenden Grenz- oder Wehrbauern bestanden. Die bewegliche Einsatzarmee, die eigentliche Feldarmee, die die größte Schlagkraft besaß, wurde von den Heermeistern der Infanterie und der Kavallerie geführt. Mit Sicherheit standen diese hohen Generalsstellen bereits unter Konstantin dem Grossen Germanen offen.

Die kurz vor 400 aufgestellte »Notitia dignitatum« gibt uns einen Überblick über die Gesamtstärke des römischen Heeres: Im Osten betrug die Truppenstärke etwa 350.000 Mann, im Westen etwa 250.000. Allerdings handelt es sich hier wohl um Soll-Stärken. Im Lauf der Zeit kamen nämlich die Gutsbesitzer, die die Rekruten aus dem halbfreien Bauernstand der Kolonen zu stellen hatten, ihren Verpflichtungen nur noch mangelhaft nach. Die meisten sandten nur diejenigen zum Militär, die sie bei der Feldarbeit nicht mehr brauchen konnten; d.h. also Alte, Lahme, Schwachsinnige und Verkrüppelte.

Im übrigen zeigt ein Gesetz Kaiser Valentinians I. (364-375), daß viele der zum Kriegsdienst Bestimmten sich durch Selbstverstümmelung dem Dienst mit der Waffe zu entziehen suchten. Daneben gab es die Befreiung vom Militärdienst durch Geldzahlungen, wodurch der Staat die Mittel erhielt, Barbaren anzuwerben. Daß damit der Korruption Tor und Tür geöffnet wurde, liegt auf der Hand.

Ebenso ist es offensichtlich, daß die Schlagkraft dieser Grenztruppen, um die es sich dabei im wesentlich­en handelte, außerordentlich gering war. Das zeigte sich auch sehr bald bei den Germanen­einfällen, wie etwa beim Angriff der Vandalen, die unter König Geiserich kaum mehr als 20.000 Krieger ins Feld stellen konnten. Auch Alarich dürfte bei seinem Siegeszug durch Italien wohl kaum mehr als 35.000 Krieger mit sich geführt haben. 

Noch verheerender für das römische Imperium wirkten sich aber Gesetze aus, die es bis zum Beginn des 5. Jahr­hunderts den in römischem Sold stehenden Germanen verboten, Römerinnen zu heiraten. Wer zuwider handelte, mußte mit der Todesstrafe rechnen. Darüber hinaus sah man auch jede Fraternisierung als Verbrechen an. Von diesen Gesetzen ausgenommen waren lediglich die in römischen Diensten stehenden germanischen Fürsten. Aufgrund dieser »Apartheidgesetze« bildeten die germanischen Söldnerverbände allmählich einen Staat im Staate. Da sie die Waffen besaßen, besaßen sie auch die Macht. Nur der Glanz, der das römische Kaisertum umgab, hielt sie anfangs noch davon ab, die Macht auch wirklich zu ergreifen.

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Dennoch blieb es nicht aus, daß sich die germanischen Heerführer mit der hinter ihnen stehenden Macht entweder in die innenpolitischen Streitigkeiten einmischten oder den Verlockungen des viel freieren Lebens unter den eindringenden germanischen Wanderstämmen erlagen, die keine Unterdrückung der Armen und Machtlosen kannten.

Fast noch verheerender als die sozialen Mißstände, die politischen Streitereien, die Pestepidemien und der moralische Verfall mit seiner Selbstaufgabe wirkten sich die Religionskämpfe für das römische Imperium aus. Sie lassen sich in ihrer Schärfe in etwa mit den Kämpfen im heutigen Nordirland, denjenigen während der letzten iranischen Revolution oder den unsrigen im Dreißigjährigen Krieg vergleichen. Es kam nicht mehr darauf an, ob der Nächste Angehöriger des eigenen oder anderen Volkes war, sondern ob er den gleichen Glauben besaß. Hier bahnte sich eine Auffassung an, die das ganze Mittelalter beherrschen sollte: Der Gegensatz zwischen Heiden und Christen, wobei Heiden alle Andersgläubigen waren — also auch die Mohammedaner —, wog schwerer als derjenige zwischen verschiedensprachigen Völkern.

 

Die äußeren Gründe für die rasche Ausbreitung des Christentums im römischen Imperium wurden bereits dargelegt. In immer stärkerem Maße ergriff das Christentum auch das Heer und löste den Mithraskult ab, der besonders bei den Soldaten Eingang gefunden hatte. Doch hier entstand ein Problem, mit dem die noch heidnische führende Schicht Roms nicht gerechnet hatte. Die christlichen Soldaten verweigerten den Treueid auf den vergöttlichten Kaiser. Das war Gehorsamsverweigerung und wurde nach geltendem römischen Recht mit dem Tod bestraft. Hier liegen die Gründe für so manche Christenverfolgung.

Die Lage änderte sich schlagartig nach dem Sieg Konstantins des Grossen an der Milvischen Brücke bei Rom über seinen Gegner maxentius im Jahr 312. Vor der Schlacht hatte konstantin im Traum das Kreuzeszeichen und die Schrift »in hoc signo vinces« geschaut. Im Jahr darauf erließ er das Mailänder Toleranzedikt, nach dem alle Religionen vom Staat toleriert wurden. In der Praxis aber verband sich der römische Staat immer stärker mit der christlichen Religion. Dies wiederum förderte die Institutionalisierung der christlichen Kirche, die bald nicht nur religiöse, sondern auch staatlich-politische Funktionen erfüllte. Dieser Bund von Kirche und Staat, den Kaiser Theodosius im 4.Jahrhundert sanktionierte und dabei das Christentum zur alleinigen Staatsreligion erhob, rettete noch einmal für eineinhalb Jahrhunderte den Bestand des Imperiums. Darüber hinaus aber war damit die Grundlage für die christliche Welt des Mittelalters gelegt.

Bei den vorangegangenen Religionsstreitigkeiten hatten sich Heidentum und Christentum gegenseitig die Schuld am Niedergang des Reiches gegeben.

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Die Heiden betrachteten jede Niederlage römischer Heere als Rache der alten heidnischen Götter, während die Christen solche Ereignisse als Zeichen des Christus ansahen, der es nicht dulden konnte, daß neben ihm noch die vielfältigen heidnischen Götter verehrt wurden. Aber die Christen bekämpften sich auch untereinander unbarmherzig. Während die christlichen Kaiser sich abwechselnd zu Arius oder zu Athanasius bekannten, gab es unter den Gläubigen zeitweise bis zu achtzig christliche Heilslehren. Verheerend wirkte es sich auf das Schicksal aus, besonders der Ost- und Westgoten sowie der Vandalen, daß diese Stämme sich zum arianischen Christentum bekannten. Damit zogen sie sich nicht nur den Haß als landfremde Eindringlinge im römischen Imperium zu, sondern, was viel schwerer wog, den Haß als Ketzer, denen gegenüber die orthodoxen katholischen Christen im Römischen Reich kein Erbarmen kannten.

Um den durch das Sibyllinische Orakel vorhergesagten Untergang Roms abzuwenden, gründete Konstantin der Grosse im Jahr 330 Konstantinopel, und zwar an der Stelle, an der das uralte Byzanz gelegen war. Dorthin ließ er auch das Palladium überbringen, mit dem Ziel, den ewigen Impuls Roms auf diese seine neue Hauptstadt zu übertragen.147

Während im Westen des römischen Imperiums vor allem die Oberschicht und die Stadtbevölkerung das Christentum angenommen hatte und das Land weitgehend heidnisch geblieben war, wurde der Osten überwiegend christlich und damit zum Schauplatz heftiger Massenausschreitungen gegen das Heidentum. Nach Anschauung der Byzantiner waren die wirklichen Kräfte, die die Welt regierten, weder die Wirtschaft noch der Krieg oder die Staatskunst, sondern allein die Mächte der geistigen Welt, die himmlische Ordnung der Heerscharen und Geister. Diese unsichtbare Ordnung hatte ihr Gegenstück und ihre sinnenfällige Erscheinung in der sichtbaren kirchlichen Hierarchie und in der sakramentalen Ordnung der göttlichen Geheimnisse.148 

So erscheint es einleuchtend, daß in Byzanz die Auseinandersetzung über religiöse Streitfragen wichtiger war als über politische Probleme, letztere gerieten sogar immer mehr in den Hintergrund. Der oströmische Kaiser empfand sich als oberster Richter auch in kirchlichen Fragen, so daß eine Trennung zwischen Staat und Kirche unmöglich erschien. Im Gegensatz dazu wandten sich die Bischöfe in Rom in allen Glaubensfragen entschieden gegen die Macht der weltlichen Herren.

Das wohl entscheidendste Ereignis des frühen Mittelalters, das die größten Auswirkungen auch auf Europa hatte, war jedoch der Vorstoß des Islam im 7. und 8. Jahrhundert. Die Staaten im Osten mit ihrer hohen hellenistischen Kultur brachen zusammen. Lediglich teilweise wurde diese Kultur von den Arabern übernommen. Dafür aber blühte das einheimische orientalische Schrifttum auf.

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Im Jahr 529 hatte Kaiser Justinian die Hohe Schule von Athen schließen lassen. In Alexandria und Gaza war inzwischen der neue Typ des christlichen Professors entwickelt worden und ein neuer Bildungsbegriff entstanden. So wurde eine christliche Gesellschaft geboren, in der nichts mehr rein weltlich sein konnte. 

Bereits im 5. Jahrhundert, in der klassischen Zeit der monophysitischen Kultur in Ägypten, waren die Werke des Aristoteles und des Galienus in die syrische Sprache übersetzt worden. Dadurch hatten monophysitische Gelehrte die Voraussetzungen für die Übermittlung der griechischen Natur­wissenschaften an die morgenländische Welt geschaffen, ein Vorgang, der die Geschichte des mittelalterlichen Denkens weitgehend bestimmen sollte. Denn dadurch wurde den erobernden Mohammedanern die hellenistische Gedankenwelt, besonders die des Aristoteles, erschlossen, die sie dann wiederum auf dem Umweg über das eroberte Spanien an die christliche Welt des Hochmittelalters im Westen Europas vermitteln konnten. So wurden gerade durch Krieg und Eroberung die wichtigsten Voraussetzungen für die Kontinuität der kulturellen Entwicklung geschaffen.

 

Es wurde bereits gesagt, daß militärpolitisch das Römerreich seinen Expansionsdrang verloren hatte. Sichtbarstes Zeichen dafür ist der Limes, eine leicht befestigte Demarkationslinie aus einem Erdwall bzw. einer Steinmauer mit Palisadengraben und in regelmäßigen Abständen angelegten Wachttürmen, hinter denen in angemessenem Abstand Kastelle zum raschen Heranführen von Eingreifreserven lagen. Gegenüber dem freien Germanien begann der Limes zwischen Remagen und Andernach bei Rheinbrohl und führte über den Westerwald und Taunus bei Hanau zum Main bis nach Miltenberg. Von dort verlief er durch den Odenwald zum Neckar. Von Lorch führte der rätische Limes über die Fränkische Alb bis nach Kehlheim an der Donau. Einen ähnlichen Wall gab es in Britannien, den Hadrianswall, der bis zum Firth of Forth reichte. 

Ähnliche Grenzwälle gab es auch gegenüber den arabischen und Sahara-Stämmen. Solange das Römische Reich über eine intakte und schlagkräftige Militärmaschinerie verfügte, verhinderte diese befestigte Grenze gegenüber dem freien Germanien jeden Einfall der germanischen Stammeskrieger. Der Limes war nur insofern durchlässig, als er einzelnen Germanen oder kleineren Trupps das Überwechseln in römisches Gebiet erstattete, wo die meisten in den Legionen oder den Hilfstruppen Kriegsdienste nahmen. Immer wieder kam es auch vor, daß sich Gruppen von Bauernfamilien mit Erlaubnis der Römer in deren Gebiet ansiedelten. Doch tief im Innern Germaniens, im Norden und Nordosten, entstand bei den dort siedelnden Stämmen eine Bewegung, deren Bedeutung die Römer zu Anfang wohl nicht in vollem Umfang erkannten.

Z.T. lag das auch daran, daß diese im 2. Jahrhundert n.Chr. infolge einschneidender Sparmaßnahmen ihren bis dahin vorzüglichen militärischen Geheimdienst in seinen Wirkungsmöglichkeiten eingeschränkt hatten; wie noch oftmals in der späteren Geschichte sollten diese Maßnahmen verheerende Folgen haben.

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