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   Unsere Erde vor dem Jahr 2000 

Schlußwort-1984 von Herbert Gruhl

Schlusswort-1986       Schlusswort-1987

 

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Wir sind in eine Zeit hineingeboren, in der sich das Schicksal der menschlichen Gattung entscheidet. Wir werden zu Mitspielern einer einmaligen Epoche und zugleich ihre Zeugen. Für diesen Vorzug ist uns aber die ganze Bürde der Verantwortung dafür aufgeladen, ob und wie Leben auf dieser Erde weiter geht.

Den notwendigen Entscheidungen möchten fast alle ausweichen; sie verschließen die Augen. Doch gerade deshalb werden uns die Ereignisse umso schneller einholen, und die Folgen werden umso schrecklicher über uns herein­brechen. In blinder Gier taumeln die anschwellenden Massen dahin und wollen nichts von dem wissen, was doch das Allernötigste wäre; sich auf dieser Erde im Überleben zu üben.

Politiker aller Richtungen betätigen sich als Narkositeure, und die Medien verbreiten ihre Narkotika von frühmorgens bis Mitternacht. Zu den beliebtesten Einschläferungs­mitteln gehört die Redewendung, man dürfe den Bürger nicht mit Schreckens­bildern konfrontieren, weil man ihm damit allen Mut nehme.

Ich suche seit Jahren den erschreckten Bürger, der aus lauter Angst gar nichts mehr tut, vergebens. Im Gegenteil: Alle sind so rastlos geschäftig, ihren Teil an der Zerstörung der Erde zu besorgen, daß sie gar keine Zeit zum Nachdenken finden. Die Straßen und Häuser sind voller Menschen, die bei den Horror­visionen ein wenig blinzeln, um dann an ihre Verdauung zu denken. Und wenn sie schon den Mund auftun, dann schreien sie nur, daß sie nicht genug hätten, daß irgend etwas »besser werden« müsse.

Wären die Zeitgenossen wirklich erschreckt, dann würden sie etwas für ihr Überleben tun, aber dazu sind sie nicht einmal zu überreden. Sie sitzen vielmehr in ihren bequemen Sesseln und lassen sich Komödien vorspielen, die sie für die Wirklichkeit halten. Und die servilen Lakaien unserer ökonomischen Systeme achten peinlich darauf, daß sich kein Spalt zur Wirklichkeit auftue, denn der könnte in der Tat ihre Anhänger sehr »beunruhigen«. Da lassen sich vor allem die Politiker in ihrer »Fürsorge für den Menschen« von niemanden übertreffen — und die besteht im Einschläfern.

Soweit aber das Volk unterhalten werden muß, wird es mit Komödien bedient. Die größte Komödie, für ständige Neuauf­führungen gut, heißt »wirtschaftliches Wachstum«; die zweite, ironischerweise damit verbunden, nennt man »Markt­wirtschaft«. Seit 1973 spielt man die »Energiekrise«, kurz nachdem alle Parteien entdeckt hatten, daß die Komödie »Umweltschutz« sehr öffentlichkeits­wirksam sein kann. Wenig beachtet, dennoch für ein gewisses Publikum unverzichtbar, muß man ab und zu die »Entwicklungshilfe« aufführen. Auch »Bildungspolitik« und »Bürgernähe« müssen immer mal wieder gebracht werden, denn sie haben ihr Stammpublikum. Das und vieles mehr wird die Leute noch lange beschäftigen.

Auf der anderen Seite gibt es eine noch sehr kleine Minderheit, die tief beunruhigt, aber auch aktiv ist, die auf keinen Fall resigniert. Wir finden sie in allen Altersklassen, wenn auch in der jungen Generation am stärksten. Auf dem Zuwachs dieser Minderheit beruht alle Hoffnung der Welt. Doch selbst diese noch schwache Minderheit wurde schnell zersetzt und vergiftet von den Utopien einer heilen Welt, die wieder einmal auf dieser Erde »eingerichtet« werden soll.

Wiederum glauben viele, bei Null anfangen und ihre erdachten Weltkonstruktionen verwirklichen zu können. Denn von Technik verstehen sie ja nun alle etwas, leider nichts mehr von der Natur. So kommt es zu den völlig unökologischen Kopfgeburten moderner Machart, und die enden in einer perfekt organisierten globalen Gesellschaft. Da sieht sich der Mensch immer noch selbstgefällig im Mittelpunkt der Welt und bezieht alles auf sich, was ja auch in dem Wort »Umwelt« zum Ausdruck kommt.

Nur wenn der Mensch erkennt, daß er selbst eine höchst bescheidene Rolle spielt, wird er sich wieder bereitwillig der Natur unterordnen, deren hilfloser Teil er im Grund stets geblieben ist. Zwar hat die Fülle des auf­bereiteten Wissens gigantische Dimensionen erreicht, ist aber gerade damit unbrauchbar geworden. Und an den weit vorgeschobenen Grenzen des Wissens stößt jede neue »Enthüllung« auf die nächsten Hüllen der Naturprinzipien. Soviel wir auch im einzelnen »verstehen«: das, was die Welt »im Innersten zusammenhält«, wird nicht deutlicher; es bleibt uns verschlossen. Somit entspricht die Bescheidenheit früherer Generationen der wahren Bedeutung des Menschen weit mehr als seine spätere Arroganz.


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In diesem Jahrhundert ist unser Auge allerdings in weitere, unfaßlich entfernte Sphären des Weltalls vorge­drungen. Der von Radio­teleskopen durchtastete Raum reicht bis zu Entfernungen von zehn Milliarden Licht­jahren, und einzelne Galaxien können noch in einer Distanz von 18 Milliarden Lichtjahren wahrgenommen werden (1 Lichtjahr = 9.460.500.000.000 Kilometer).

Die Zahl der Galaxien, von denen unsere Milchstraße eine ist (mit einer Ausdehnung von »nur« 100.000 Lichtjahren), wird auf drei Milliarden geschätzt. Die Leuchtkraft einzelner Galaxien beträgt das Millionen­fache unserer Sonne, kann aber auch noch bis zu zehn Milliarden mal stärker sein. Während ich diese Betrachtung entwerfe, lese ich in der Tageszeitung, eine Berechnung habe ergeben, daß das Objekt NGC 4151, ein sogenanntes »schwarzes Loch«, 50 bis 100 Millionen Sonnenmassen enthalte.

Angesichts des Weltalls ist unser Planet Erde nicht mehr als ein Sandkörnchen. Und was bedeutet dann ein Mensch unter den Milliarden, die zur Zeit auf dem Erdball immer dichter wimmeln?

Aber auch in der entgegengesetzten Richtung, zum immer Kleineren hin, dringt die Forschung weiter vor. Im Atom werden fortwährend noch winzigere Partikelchen oder Wellen ermittelt. Wir können aber auch beim Nahe­liegendsten, dem menschlichen Körper, bleiben. Er hat zehn Billionen Zellen, und darüber hinaus leben in ihm 100 Billionen Einzeller mit einem Gesamtgewicht von eineinhalb Kilogramm. Diese verbrauchen für ihren eigenen Stoffwechsel 30% der Energie, die wir unserem Körper zuführen; ohne sie könnte aber kein Mensch leben.

Der menschliche Körper wie der jedes Tieres ist ein verkleinerter Kosmos. Dieser steuert in wundervollster Weise sich selbst automatisch. Jedes Gehirn und jeder Computer wäre hoffnungslos überfordert, wenn sie die Lebens­vorgänge steuern müßten; denn in jeder Sekunde müssen Millionen Entscheidungen getroffen werden. Von diesen unendlich komplizierten Vorgängen merken wir nichts, solange der Körper gesund ist, nur die Störung äußert sich in einer Krankheit.

Der Ausschnitt zwischen dem unendlich Großen und dem unendlich Winzigen, den ein Mensch sich im jeweiligen Augenblick erhellen kann, gleicht einem schmalen Lichtstrahl, den er mal hierhin mal dorthin wirft; doch das Zusammenspiel der unendlichen Vielfalt ringsum bleibt im Dunkel.


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Die ernüchternde Erkenntnis läßt sich nicht mehr verdrängen: Je mehr Wissen wir insgesamt anhäufen, umso weniger vermögen wir zu unterscheiden, was für unser Leben auf der Erde wichtig und was unwichtig ist. »Nur immer grandioser erscheint die Tragik des forschenden, suchenden Menschen vor der Ganzheit der in Selbstvernichtung sich fortgebärenden Schöpfung — vor der Unendlichkeit des Großen wie des Kleinen«, formulierte der Dichter Reinhold Schneider.

Uns sind zwar eindrucksvolle wissenschaftliche Vorstöße gelungen, aber immer nur punktuell. Die Ergebnisse fügen sich nicht zu einem Gesamtplan zusammen, und die Folgen unseres Tuns bleiben unberechenbar. Wir erkennen immer deutlicher, daß jede von Menschen erdachte »Lösung« von Problemen von kurzer Dauer ist, und daß jede zwangsläufig ganze Ketten von Folgeproblemen nach sich zieht. Wenn heute täglich für sich betrachtet geniale Entdeckungen auf eng begrenzten Gebieten gemacht werden, dann schaffen sie auch neue Probleme; weil ihre Eigendynamik weitere ungezügelte Entwicklungen auslöst, deren vielseitige Aus­wirkungen sich meistens viel später herausstellen. (Die Eigendynamik in der Waffen­entwicklung ist nichts anderes als das Spiegelbild der Vorgänge auf allen anderen Gebieten auch.)

Somit gleicht die gegenwärtige Welt einem Labyrinth, das von der Forschung immer weiter verästelt und verkompliziert wird. Die meisten überblicken nur den winzigen Bereich ihrer unmittelbaren Interessen, einige dieses und jenes darüber hinaus; doch das gesamte Geflecht der gewachsenen und der künstlich geschaffenen Strukturen übersieht niemand mehr. Dennoch ist zu vermuten, daß die Spitzenleistungen von Wissenschaft und Technik weiterhin ihre Faszination ausüben werden. Aber das besagt nichts über ihren Wert; denn auch die Mücke ist vom Licht derart fasziniert, daß sie sich hineinstürzt und verbrennt. Auch die letzte Stufe der Philosophie kann mit dem Sturz in den Ätna enden, wie es Hölderlin in der Tragödie des Empedokles darstellen wollte. Der sterbliche Mensch hat sich nun so tief im selbstgeschaffenen Labyrinth verirrt, daß er den Rückweg zum Eingang nicht mehr findet, der in diesem Falle der einzige Ausweg wäre.

Inzwischen ist immer klarer geworden: Wie großartig unser Wissen auch erweitert werden konnte, im Charakter und Verhalten des Menschen hat sich nichts Grundlegendes gewandelt. Vor allem änderte sich so gut wie nichts daran, wie Menschen auf dieser Erde fühlen, denken und reagieren.

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Wenn wir von einigen Eigentümlichkeiten der Sprache absehen, dann könnte der Sonnengesang Echnatons oder die Klage Hiobs auch heute so vorgetragen werden. Die seelische Befindlichkeit bleibt im Grunde wie eh und je; sie wird weder von der Mondlandung berührt, noch von der Erkenntnis unserer offensichtlichen Nichtigkeit angesichts des Weltalls.

Eine große Diskrepanz hat sich aufgetan. Man kann sagen, daß die Natur dieser Erde unverändert bleibt, mithin auch die Natur des Menschen. Oder genauer gesagt, die Natur wandelt sich in Zeiträumen, die nach Zehntausenden von Jahren zu messen sind (biologische Evolution), während die technische Betriebsamkeit des Menschen (seit 200 Jahren) die Umwelt bereits in Jahrzehnten bis zur Unkenntlichkeit verwandelt. Da sich der Mensch niemals mit dieser Geschwindigkeit ändern kann — denn er bleibt biologisch dem unmerklichen evolutiven Wandel der Natur verhaftet — weitet sich die Diskrepanz zwischen der konstruierten technisch-industriellen Zivilisation und der physischen wie psychischen Natur des Menschen zur Kluft.

Der wissenschaftlich-technologische Fortschritt hat »Macht und Reichtum des Menschen gewaltig vermehrt, während die Kluft zwischen der physischen Möglichkeit, Böses zu tun, und der geistig-sittlichen Fähigkeit, diese Kräfte zu meistern, so klaffend weit geworden ist wie die mythischen Schlünde der Hölle«, schrieb der achtzigjährige Historiker Arnold Toynbee.

Die biologischen und die technischen Entwicklungen gleichen einem Wettrennen zwischen Schildkröte und Auto. Die vielen gutgemeinten Versuche, nun endlich dem Menschen »Beine zu machen«, damit er die technische Zivilisation einhole, sind zum Scheitern verurteilt. (Vor zehn Jahren habe ich selbst noch ein wenig gehofft, daß dies möglich werden könnte.)

Solange die Natur sich selbst überlassen blieb, hat sie über Hunderte von Millionen Jahren Überschüsse hervorgebracht. In verschwenderischem Wachstum schwelgend, kümmerte es sie zu keiner Zeit, was aus den wachsenden Pflanzen und Tieren werden würde. Sie verrotteten und wurden zu Humus, zur fruchtbaren Schicht der Erdoberfläche, die Jahrtausend für Jahr­tausend mal hier, mal dort ein wenig stärker wurde und sich ausbreitete. Überall, wo das Eis der Gletscher zurückwich und die Wärme ausreichte, stieß die Flora und die Fauna nach.


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Bei besonderer Gunst der geologischen Umstände wandelte sich der Überschuß der Jahrmillionen in dauerhafte Kohlenstoffe um, in Erdöl, Erdgas und Kohle, über die wir heute bedenkenlos verfügen, solange der Vorrat reicht.

Zwischendurch hat es stets kleinere und hin und wieder riesige Katastrophen gegeben. Vulkane spiehen Rauch und Lava aus, Erdbeben zerbrachen die Erdkruste und türmten sie zu Gebirgen auf. Sintfluten ertränkten die Lebewesen und die Gletscher rückten wiederholt vor. Aber die Natur konnte warten, bis das Eis wieder zurückwich und das Wachstum im erneuten Überschwang Länder und Meere eroberte.

Das alles geschah auf einem Planeten ohne Menschen. Alle Wesen — inzwischen waren es einige Millionen Arten geworden — lebten und gediehen, indem sie sich den äußeren Umständen anpaßten und, vom Selbst­behauptungswillen getrieben, ihre Fähigkeiten erprobten. Und die Menschen taten seit ihrem Auftreten vor etwa drei Millionen Jahren bis in die jüngste Vergangen­heit nichts anderes. Das heißt aber auch, daß sie erst im letzten Tausendstel der Naturgeschichte auftraten! Und erst im letzten Zehntausendstel von diesem Tausendstel ihrer eigenen Geschichte kam einigen von ihnen die Idee, daß nicht sie sich der Natur, sondern die Natur sich den Menschen anzupassen habe. 

Und erst in unserem Jahrhunden proklamierten die Nationen die planmäßige Steigerung der Ausbeutung des Planeten zum Ziel der Geschichte. Damit begann der Endkampf zwischen Mensch und Natur, für den der Mensch nicht gerüstet ist, denn seine gesamte Ausrüstung bezieht er nirgendwo anders her als aus der Natur. So ist das Überlebensproblem mit rasender Schnelligkeit über uns hereingebrochen. Und es geht jetzt nicht nur um das Überleben der menschlichen Gattung, sondern auch um die Überlebensfähigkeit der Natur insgesamt, die vom Menschen rücksichtslos auf die Probe gestellt wird.

Der mit der Schöpfung gesetzte Rahmen dieser Welt, der über unzählige Jahrmillionen gehalten hatte, ist vom Menschen für ungültig erklärt worden. Er glaubte, damit sein natürliches Gefängnis aufgebrochen zu haben und frei geworden zu sein. An diesem Gedanken hat er sich zunächst berauscht. Und der Ideenstreit der letzten zwei Jahrhunderte ist nichts anderes als der Streit um den »richtigen« Weg zu immer mehr Freiheit und immer vollkommenerer Beherrschung der Natur.


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Im Namen der Freiheit sind seit der französischen Revolution anschwellende Ströme von Blut geflossen und schließlich die ersten Atombomben gezündet worden. Nach dem Rausch, der oft bis zum Blutrausch gesteigert erscheint, greift nun die unvermeidliche Ernüchterung um sich. Die Erdenkinder entdecken, daß sie sich zwar von Gott befreit haben, sonst aber von nichts. Die Konsequenz dieser Befreiung konnte nicht ausbleiben: die Erde mußte damit in die Hand der Menschen fallen. Und die Atombombe ist das Symbol der Machtübernahme. Der Mensch zittert nun zwar nicht mehr vor den Göttern — umso mehr vor sich selber! Langsam beginnen wir zu begreifen, daß dies kein guter Tausch gewesen ist.

Noch vor wenigen Jahren war alles und waren fast alle darauf programmiert, den »unaufhaltsamen Fortschritt« voranzutreiben. Und nicht Wenigen erschien eine endgültige Welt zum Greifen nahe. Doch der Mensch konnte sich nur kurze Zeit im Glanze eines scheinbar freien Wesens sonnen. Das Ergebnis dieser Periode ist, daß er nun seine Grenzen umso deutlicher erkennt. In diesem Stadium befinden wir uns: Kurz vor dem Jahr 2000 stehen wir erschrocken am Ende unserer Möglichkeiten. Und wir sehen, daß uns das technisch-industrielle Zeitalter mancher Naturzwänge zwar enthob, aber in ungeahnte neue Zwänge hineinführte, die komplizierter und ebenfalls unausweichlich sind. 

In seiner vorausschauenden Weisheit hat Goethe auch dies gewußt, als er 1830 schrieb: »Es ist nichts trauriger anzusehen als das unvermittelte Streben ins Unbedingte in dieser durchaus bedingten Welt«. Die Bedingtheit war in den östlichen Philosophien und Religionen von jeher Allgemeingut. Der Westen wie neuerdings der kommunistische Osten wurde dagegen vom maßlosen Streben ins Unbedingte ergriffen, wobei der Mensch die Bedingungen selbst setzen zu können glaubte, und die Mehrheit glaubt es immer noch.

Unsere Gattung ist nicht so beschaffen, daß sie den Anforderungen der heutigen Zivilisation gerecht werden könnte. Ihr fehlt jedes Vermögen, die Welt im Ganzen zu steuern. Es ist bereits falsch, wenn wir von »der Menschheit« reden; denn eine solche gibt es als handlungsfähiges Subjekt nicht. Es gibt nur eine Vielzahl von Menschen — notdürftig gegliedert in Völker und Staaten.

Daß »die Menschheit« gar nicht gemeinsam handeln kann, beweisen zudem die »Vereinten Nationen«, die man besser die »Unver­einbaren Nationen« nennen sollte.


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Und die einzelnen Regierungen auf der Erde »regieren« zwar noch ihre jeweiligen Bevölkerungen, aber die Herrschaft über die Verhältnisse ist ihnen entglitten. Diese haben inzwischen eine technisch-industriell-ökonomische Eigendynamik entwickelt. Wohin man blickt, überall sind die »Lenker« der Staaten nicht Führer, sondern Getriebene. Sie lassen sich bewußt und unbewußt von den Tagesereignissen treiben, denn sie sind ja die Kinder dieser Zeit, unfähig etwas über den Tag hinaus zu konzipieren. Regierungen können nur noch verwalten, regeln, Interessen vorübergehend befriedigen — regieren können sie längst nicht mehr.

Soweit sie wirklich einmal Ziele zu setzen versuchen, scheitern sie ganz schnell im Gestrüpp der Paragraphen der exponentiell angestiegenen Gesetzesfluten und Verordnungen, im Gezerre der Interessenverbände und der Parteien, an der kurzfristigen Begehrlichkeit und auch an der globalen Interdependenz der Staaten. Die Völker sind unregierbar geworden, weil zu ihrer Regierung heute Allwissenheit erforderlich wäre — und das nicht nur bei den Regierungen, auch bei den Regierten, die da wählen und fordern. Die Gabe der Allwissenheit billigten jedoch frühere Generationen zu recht nur den Göttern zu.

Wenn schon der einzelne Mensch von vornherein unfähig ist und bleiben wird, die Vorgänge im eigenen Körper zu steuern, wie könnte es ihm da — oder auch einem Kollektiv solcher Einzelner — gelingen, alle Vorgänge des Planeten zu steuern? Der Anspruch allerdings, alles besser zu wissen und alles besser machen zu können, den der Mensch immer noch erhebt, kennt keine Grenzen und macht vor nichts Halt. Aber Millionen von Einzelentscheidungen ergeben zusammengenommen noch keinen Sinn, kein brauchbares Gesamtergebnis.

Das zeigt sich überall, aber besonders an den folgenden bedeutenden Beispielen.

Was Milliarden von Menschen, nach wie vor von der Natur getrieben, »in aller Unschuld« tun, nämlich Kinder zeugen, kann im Ergebnis von keiner menschlichen Vorsorge — und wäre sie noch so total — bewältigt werden; denn nach der fünften Milliarde von Erdenbewohnern wird sich noch vor dem Jahre 2000 die sechste über die Erde ergießen. Kann danach überhaupt noch die nach der Statistik unvermeidliche siebente und die achte Milliarde folgen? Es ist eine Täuschung, daß die Erdbevölkerung so extrem verdichtet leben könnte. Aus vielen Gründen wird es zu einer naturgesetzlichen Korrektur kommen müssen.


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Um die Jahrtausendwende wird die Vermehrung menschlichen Lebens in eine Vermehrung des Todes umschlagen; denn die Vermehrung des Lebens und die des Todes sind im natürlichen Regelkreis miteinander verbunden.

Die menschliche Gattung hat sich der natürlichen Regulation ihrer Anzahl, die von widrigen Naturkräften besorgt wurde, entzogen und steht jetzt vor der harten Notwendigkeit, sich selbst regulieren zu müssen, sich also freiwillig Beschränkungen aufzuerlegen. Deren kollektive Durchsetzung wäre nur mit Gewalt möglich, die Menschen gegen sich selber richten müßten. Da aber Menschen sich in dieser Hinsicht unter kein Gebot zwingen lassen, bleibt letzten Endes nur die zwangsläufige Regulation der Natur, die mit umso größerer Härte zurückschlagen muß, je länger die Völker die Probleme der Übervölkerung des Planeten vor sich her schieben. 

Jede aus der jetzigen Sicht scheinbar »erfolgreiche« Verzögerung der Katastrophe wird, solange die Menge der künftig nicht mehr Versorgbaren zunimmt, das kommende Verhängnis vergrößern. Die gegenwärtig Geborenen haben normalerweise 70 Jahre des Bedarfs vor sich, den sie immer noch zu erhöhen trachten! Die naturgegebenen Voraussetzungen auf dieser Erde reichen aber — auf Jahrtausende gesehen — nur für eine Population, die unter einer Milliarde bleibt. Die Zahl der Bewohner, die sich in die Erde teilen müssen, hat sich jedoch in den letzten 200 Jahren fast versechsfacht! Allein im Jahre 1982 kamen 82 Millionen hinzu, mehr als die gesamte deutsche Bevölkerung in Ost und West — und das in einem einzigen Jahr!

Solch extreme Vermehrungen haben sich im Tierreich hin und wieder ereignet. Aber nie erlangte die explosive Zunahme einer Population globale Ausmaße; denn jede Vermehrung schlug sehr bald in die Dezimierung um. Überdies ist die Generationenfolge der Tiere viel kürzer, so daß dort eine Überbevölkerung noch viel schneller wieder zusammenbricht als sie entstanden war. Beim langlebigen Menschen dauert eine Reduzierung bis zur Herstellung des ökologischen Gleichgewichts ohne Katastrophe Jahrhunderte. Außerdem ist der Mensch mit einem Eigengewicht von durchschnittlich um die 70 Kilogramm pro erwachsener Person ein Großverbraucher. Doch am Schlimmsten wirkt sich aus, daß er als einziges Lebewesen Verbrauchsgewohnheiten angenommen hat, die das Vielfache der Grundstoffmengen verschlingen als zu seiner Daseinserhaltung erforderlich wären.


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Bei solch ständiger Zunahme des Rohstoff- und Energieverbrauchs je Kopf müßte die Zahl der Menschen abnehmen, wenn das ökologische Gleichgewicht aufrecht erhalten werden soll.

Damit der Mensch jetzt bei zunehmender Zahl auch noch »besser« leben kann, müssen immer mehr Tiere und Pflanzen für seinen Bauch sterben, der ihnen zum Grab wird, wie Leonardo da Vinci das ausdrückte. Da der Nachschub längst nicht mehr ausreicht, werden Tiere zu Milliarden künstlich »fabriziert«, damit die Bäuche gefüllt werden können. So wurden Fließbänder für das Brüten und Schlachten installiert. Und als die Tiermengen für die Menschenmassen trotzdem nicht mehr ausreichten, wurden Massentierhaltungen eingerichtet, die jeweils Zehntausende von Tieren für das schnellstmögliche Ende im Menschenmagen mästen.

Aber nicht nur die Lebewesen, die er verzehrt, tötet der Mensch, sondern Millionen und Milliarden weiterer — lediglich, weil sie ihm »im Wege« sind. Die Industrialisierung und Betonierung der Länder rottet ganze Arten automatisch aus, »mit Stumpf und Stiel«, wie es in der deutschen Sprache heißt. Das entstehende Defizit an Lebewesen in der Natur wird sich schließlich als Defizit für die menschliche Gattung selbst erweisen. Letzten Endes kann das irdische Gleichgewicht durch nichts anderes als durch die Zunahme des Todes unter den Menschen wieder hergestellt werden.

Über Jahrhunderte nahm die Natur das Treiben des Menschen hin. Sie konnte so lange zusehen, weil bisher noch jedes Lebe­wesen gerade durch seine Überzahl hilflos geworden war. Jede Gattung hat mit dem Übermaß ihrer Vermehrung zugleich schon ihren eigenen Tod mitproduziert. Auch der Mensch unterliegt diesem Naturgesetz. Seine vorübergehende explosive Zunahme zieht die unweigerliche Abnahme nach sich.

Es gelingt der weit überwiegenden Zahl der Völker nicht, ihre Geburtenzahlen zu begrenzen, weil die einzelnen Individuen es nicht vermögen. Wie könnten Menschen dann hoffen, jemals die gesamte Welt steuern zu können? Schließlich ist die Vermehrung nur ein Beispiel dafür — wenn auch in den Auswirkungen das bedeutendste —, daß jedes irdische Wesen, welches es unternimmt, die Welt nach eigenen Vorstellungen einzurichten, scheitern muß.

Ein zweites Beispiel für die Unfähigkeit des Menschen, die Welt zu organisieren, ist der Komplex der Arbeit.


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Obwohl es als Unglück betrachtet wird, keine Arbeit zu haben, arbeiten in aller Welt Tausende von Instituten und Hundert­tausende von Technikern in Fabriken daran, daß Jahr für Jahr Millionen ihre Arbeit verlieren. Und das in einer Zeit, in der jährlich rund 80 Millionen Menschen über das normale Maß hinaus geboren werden und zusätzlich Arbeit suchen. Darum ist es trotz aller »Wachstumsprogramme« völlig unmöglich, zu den wegrationalisierten auch noch die darüber hinaus geborenen Millionen auf neuen Arbeitsplätzen unterzubringen. Und wenn das vorübergehend gelingt, dann nur um den Preis des noch schnelleren Kahlschlags der Erde.

Um »Arbeit zu schaffen«, stellt man unter anderem Waffen her und exportiert sie. Gewerkschaften fordern das sogar, denn damit werden Arbeitsplätze »gesichert«. Werden die Waffen eingesetzt, dann kommt nicht nur deren Produktion erst richtig in Schwung (der zweite Weltkrieg brachte die letzte Epoche ohne Arbeitslosigkeit), dann müssen auch zerstörte Länder wieder aufgebaut werden. Der Wechsel von Zerstörung und Aufbau würde offensichtlich für Vollbeschäftigung sorgen, aber auch die Lebens­grund­lagen total vernichten.

Aber auch ohne Kriege stellt die hochrationalisierte friedliche Arbeit in den modernen Industriegesell­schaften das Überleben auf diesem Planeten in Frage. Der einzelne »Werktätige« verbraucht inzwischen ein solch riesiges Quantum an Energie und an mineralischen Rohstoffen, daß nicht nur die Vorräte der Erde schnell aufgezehrt werden, sondern auch die Nebenwirkungen dieser industriellen Prozesse und des Weltverkehrs die Umwelt zugrunde richten.

In den 40 Jahren nach dem zweiten Weltkrieg wurden dessen Naturverwüstungen um das Vielfache übertroffen. Die moderne »friedliche« Wirtschaft verbraucht gigantische Mengen an Energie und Materie, schädigt Boden, Wasser und Luft und entzieht schließlich Tieren wie Pflanzen und damit zuletzt auch den Menschen die Lebensbasis. Und fruchtbare Böden verschwinden unter dem Beton, den Hunderttausende von Zement­mischern täglich ausspeien, um damit Quadratkilometer für Quadratkilometer zu versiegeln.

Und die Folgen der Energieerzeugung drohen unser Klima zu kippen. Nach neuesten Untersuchungen verursachen Abwärme und Kohlendioxyd eine schnellere Erwärmung der Erde als bisher angenommen. Die globale Durch­schnittstemperatur könnte bereits bis 2040 um zwei Grad Celsius und bis zum Jahre 2100 um fünf Grad steigen.

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An beiden Polen wird der Anstieg dann dreimal so hoch sein und die Eisgebirge zum Schmelzen bringen. Der ansteigende Salz-Wasserspiegel wird die niedrigen Küsten­regionen in allen Kontinenten unter Wasser setzen. Das wäre die Sintflut. Denn wenig über Null liegen nicht nur die fruchtbarsten Ebenen der Welt, sondern viele der größten Städte, die jeweils Millionen beherbergen; das heißt, einige hundert Millionen müßten auf die verbleibenden Festländer umgesiedelt werden, ohne dort das nötige Ersatzland zum Anbau von Nahrung, ja nicht einmal das nötige Trinkwasser erwarten zu können.

Es wird immer deutlicher, daß die Lebensplätze auf diesem Planeten dahinschwinden. Wenn aber keine Lebensplätze übrig bleiben, dann wird es auch keine Menschen geben, die Arbeitsplätze suchen. Die Lebensplätze entscheiden über unser Überleben, nicht die Arbeitsplätze!

Angesichts der tödlichen Bedrohung des Lebens auf der Erde setzen sich die Politiker aller Länder immer noch Ziele, die weit hinter der Erhaltung des Lebens rangieren müßten. So treffen sich zum Beispiel die Staatschefs der sieben führenden westlichen Industrienationen alle Jahre und bekräftigen sich gegenseitig das Ziel der Steigerung des sogenannten »wirtschaftlichen Wachstums« — und die östliche Welt entwirft gleichgerichtete »Pläne«. Alle setzen sich das Ziel der weiteren Erhöhung des »Bruttosozialprodukts«, zu dem fast nur die materiellen Quanten addiert werden, und proklamieren das »Schaffen von Arbeitsplätzen«, als ob allein die Arbeit der Zweck des mensch­lichen Daseins wäre. Für dieses Ziel wird der sinnlose Aufwand in allen Staaten gefördert und mittels Steuergesetzgebung sogar der Bevölkerung aufgezwungen. »Konjunktur­programme« werden aufgestellt, die sich längst als Selbstmordprogramme erwiesen haben.

Die Arbeitsplätze müssen heute herhalten, um die gängige Begründung für den totalen Krieg zu liefern, den die Menschen sogar verstärkt gegen die Natur führen. Doch der aussichtslose Versuch, für eine Erdbevölkerung Arbeit zu schaffen, die sich alle 40 Jahre verdoppelt, kann nur in einer Kettenreaktion von Katastrophen enden. Dennoch rufen Regierungen, Parteien und Interessen­verbände die Völker auf, ihre Anstrengungen zu erhöhen, womit sie nur schneller und unfehlbarer in die Apokalypse stürzen werden.


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Die Menschen scheinen von Schizophrenie geschlagen zu sein. Die Regierungen verkünden im Jahre 1984 wieder stolz ihre erreichten oder angeblich bevorstehenden Steigerungsraten, die sie trügerisch »wirtschaft­liches Wachstum« nennen, — und gleichzeitig behaupten sie, die Umwelt retten zu wollen. Und die Presse bejubelt diese Steigerungen auf der ersten Seite und im Wirtschaftsteil, während sie auf anderen Seiten pausenlos über das Waldsterben, über die Vergiftung der Gewässer, der Böden und der Luft berichtet. 

Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut: Die eine gießt Öl ins Feuer, während die andere den Feuerlöscher betätigt. Naturzerstörende Steigerungs­programme und Umweltschutzprogramme werden nebeneinander veröffentlicht. Die Leser nehmen beides zur Kenntnis, ohne die Absurdität der Vorgänge auch nur zu bemerken. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, daß es den Menschen nicht mehr gelingt, die Zusammenhänge zu erfassen.

Das Mindeste, was wir begreifen müssen, ist die schlichte Tatsache, daß die heute gelehrte und praktizierte Ökonomie im absoluten Widerspruch zu den Gesetzen der Ökologie steht. Beide bilden ein Gegensatzpaar wie Leben und Tod. Während jedoch in der Natur Leben und Tod stets im Gleich­gewicht gestanden haben, führt die Ökonomie, so wie sie seit zwei Jahrhunderten betrieben wird, zu einem Übergewicht des Todes. Das wird schon damit bewiesen, daß bereits in zwanzig Jahren mindestens 500.000, eventuell sogar 2.000.000 pflanzlicher und tierischer Arten ausgerottet sein werden! Je »erfolgreicher« diese »Ökonomie« funktioniert, desto schneller vermehrt sich die Entropie, das heißt die Verwandlung unseres grünen Planeten in eine graue Wüste.

Nicht nur der Wald stirbt am Menschen, die Welt stirbt an ihm! Nach dem Wald werden die Gewässer dahinsiechen. Schließlich wird in weiten Gebieten so wenig Wasser da sein, daß die Menschen Schlange stehen werden, um die tägliche Ration zum Trinken in Empfang zu nehmen. Auf Grund des gestörten Wasserkreislaufs werden die Ernten auf dem Halm verdorren wie jetzt in der Sahelzone. Dann werden auch die Dümmsten begreifen, daß man Beton und Stahl nicht essen kann und auch nicht die Produkte aus Blech und Plastik, die von den Fabriken ausgestoßen werden.


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Schon heute stehen die verfallenen Ruinen ausgedienter Fabriken in den Landschaften. Das sind Vorboten einer Zeit, in der die Länder weitaus dichter mit industriellen Ruinen bestückt sein werden als heute mit den Überresten mittelalterlicher Burgen. Der Unterschied wird in der Größe der Anlagen liegen, die dann nicht mehr in Quadratmetern, sondern in Quadratkilometern zu quantifizieren sein werden. Die Frage, was wird später daraus?, hat sich das technische Zeitalter gar nicht erst gestellt — im Gegensatz zur Natur, die ein Erzeugnis, von dem sie nicht wußte, wie es später rückverwandelt werden könnte, auch nicht wachsen ließ.

Wenn eine Politik zur Erhaltung der Natur betrieben werden soll, dann muß bei jedem Projekt (nicht nur beim Atommüll) die Frage geklärt werden: Was wird daraus, wenn wir längst gestorben sind? Derartige Sorgen entfallen im Nu, wenn auf ein Vorhaben ganz einfach verzichtet wird.

Das Bestreben aller Völker müßte künftig auf Verminderung, statt auf tödliches »Wachstum« gerichtet sein: auf Verminderung der Geburten, auf Verminderung des Energie- und Rohstoffverbrauchs pro Kopf, auf Verminderung des Verkehrs. Das ergäbe ganz automatisch eine geringere Belastung der Umwelt, die nicht nur nichts kosten, sondern sogar riesige Summen einsparen würde. Aber das Wort Verzicht wollen die Zeitgenossen noch nicht hören. Sie wähnen, sich weiter auf ihre gewohnten Theorien betten zu können.

So konzentriert die Menschheit den Verbrauch aller materiellen Bestände dieses Planeten fanatisch auf einen kurzen Zeitabschnitt. Tatsächlich hat nur diese Zusammenballung aller Reserven der Erdgeschichte zu kurzfristigem Einsatz ermöglicht, den Planeten mit Milliarden zusätzlicher Menschen zu bevölkern, diese am Leben zu erhalten und auch zu beschäftigen. Erstaunlicherweise sind gerade die entwickelten Völker selbst in dieser Hoch-Zeit mit dem erreichten Stand unzufrieden und meinen im Westen wie im Osten immer noch, daß alle bisherige Fülle lediglich als Vorstufe einer noch komfortableren Zukunft zu betrachten sei. Aber wohin würde es führen, wenn in alter Manier immer noch weitere Projekte in Angriff genommen werden könnten?

Was wären die Folgen, wenn Menschen demnächst ihre Erbanlagen manipulieren könnten? Es käme zu einem endlosen Streit darüber, welche Eigenschaften denn nun die wünschenswerten seien, so daß man sie programmieren sollte.


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Das Gleiche würde geschehen, sobald Menschen das Wetter »machen« könnten. Die meisten würden nie mit dem programmierten Wetter zufrieden sein, und zwischen den Staaten müßte es zu neuen schweren Konflikten zum Beispiel darüber kommen, wie der Regen zu verteilen sei.

Nie würde es den Menschen bekommen, wenn sie lenkenden Einfluß auf ihr Schicksal bekämen! Denn schon dort, wo sie ihn heute haben oder zu haben glauben, beschuldigen sie sich fortwährend gegenseitig, das Falsche getan zu haben oder vorzuhaben. Das ist auch der Inhalt des Parteienhaders, der in allen Ländern tobt.

Wir sehen es doch: Schon in der kurzen Zeit, seit Menschen der Natur weltweit ins Handwerk pfuschen, ergab sich aus der Summe ihrer kleinen und großen Eingriffe eine Lawine, die sich nun ganz von selbst, ohne weiteres Zutun ständig vergrößert. Und rings um den Erdball ist man emsig tätig, nicht etwa um die Lawine aufzuhalten, sondern um sie weiter aufzuschichten — mit Leibern und mit Bauwerken.

Das für die Erde erträgliche Maß ist überschritten. Ihre Geographie kennt keine Freiräume mehr, keine menschenleeren Gebiete, die all die Jahrtausende zwischen den Völkern als Pufferzonen wirkten. Solange sie schwer zu überwinden waren, sorgten sie für Frieden. Jetzt brodelt es gegen die Grenzen, die zunehmend mit Waffengewalt aufrecht erhalten werden. Jeder Konflikt auf diesem verdichteten Planeten breitet sich nun wie ein Beben aus; durch den schnellen Verkehr und die noch schnellere Nachrichten­übermittlung pflanzen sich dessen Wellen im Handumdrehen über die Kontinente fort und lösen Kettenreaktionen in entferntesten Gebieten aus. Die Ereignisse auf unserem Planeten haben Gleichzeitigkeit erlangt, was umso prekärer wird, je stärker sich die Beziehungen und die Netze der ökonomischen Verflechtungen verdichten. Immer unberechenbarer hängen die Geschicke der Völker von unvermuteten Ereignissen in weiter Ferne ab. Insofern gibt es nun so etwas wie ein gemeinsames »Schicksal der Menschheit«.

Das Schicksal der Menschheit könnte der Natur gleichgültig sein; aber der Mensch ist jetzt zum Schicksal der Natur geworden. Insofern hat die Natur die Herrschaft an den Menschen abgegeben. Aber sie hat nur die Herrschaft über das Todbringende mit dem Menschen geteilt, die Herrschaft über die Bewahrung des Lebens sucht der Mensch vergeblich zu erlangen!


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Immerzu hat es den Menschen gedrängt, diese Welt zu verlassen und ins Metaphysische vorzustoßen. Er wollte ein übernatürliches Schicksal und er bekommt es nun auch, ein Schicksal, welches nicht mehr »von dieser Welt« ist. »Mein Reich ist nicht von dieser Welt«, hatte einst Christus gepredigt. Bis weit über das Mittelalter hinaus hat es den Christen dann auch genügt, auf den Vorzug nach dem Tode zu hoffen; doch schließlich wollten sie den Vorzug schon hier! Die europäischen Völker der Neuzeit unternahmen es, just in dieser Welt ihr Reich aufzubauen: das erdachte Reich der Mechanik, der Organisation, der genormten Lebensläufe von der Wiege bis zum Krematorium.

Vor dem Menschen kam noch keine Gattung auf die Idee, die Welt selbst einzurichten. Er ist das erste und einzige Lebewesen, das ein solch tolldreistes Unterfangen startete. Nach wenigen Jahrzehnten stellt sich nun auf unzähligen Gebieten heraus, daß ein sterbliches Wesen nicht im Entferntesten auch nur das Allernötigste bedenken kann. Das wußte man im alten Griechenland schon vor 2500 Jahren. »Um das Wesen der Dinge, das ewig ist, und die Natur selbst zu erfassen, bedarf es göttlicher, nicht menschlicher Erkenntnis«, schrieb der Philosoph Philolaos.

Es läuft nun alles wie in der griechischen Tragödie. Hätte in unserem Jahrhundert ein Chor die Ereignisse kommentierend begleitet, dann wären wir früher gewarnt worden. »Wehe, dreimal wehe!« hätte er gerufen. Die Griechen des Altertums besaßen ein feines Gefühl für die Grenzüberschreitungen des hybriden Menschen. In ihren Tragödien geht es um die Schuld der Sterblichen und um die Sühne, die ihnen höhere Mächte auferlegen. Die höhere Macht ist und bleibt die Natur. Sie kann kein Wesen unter ihren Fittichen dulden, von dem sie gemordet wird; denn das gemeinsame Ende ist kein Weg — für den Menschen genausowenig wie für die Natur.

Der Mensch entwickelte sich zum Parasiten am Körper der Erde. Nein! Parasiten töten das Geschöpf, von dem sie leben, nicht! Denn sobald sie ihren Wirt lebensunfähig machen, hat auch ihre letzte Stunde geschlagen. Es könnte sein, daß die Natur in ihrer Langmut den Zeitpunkt versäumt hat, zu dem sie sich des Menschen noch hätte erwehren können.


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Leonardo da Vinci sah bereits vor fünfhundert Jahren voraus, daß eine Entscheidung unvermeidlich werden würde: »O Erde, warum tust du dich nicht auf? Warum stürzest du sie nicht in die tiefen Spalten deiner riesigen Abgründe und Höhlen und bietest dem Himmel nicht mehr den Anblick eines so grausigen und entsetzlichen Unwesens?« Und er glaubte schon wahrzunehmen: »Wahrlich, es hat den Anschein, als wollte die Natur das Menschengeschlecht ausrotten, wie etwas Unnützes auf der Welt, das alles Geschaffene nur vernichtet.«

Es scheint jetzt so, als sei es dem Menschen bestimmt, für seinen Untergang selbst sorgen zu müssen. Stolz war er ausgezogen und wollte sogar den Tod besiegen. Tatsächlich hat er in einem einzigen Jahrhunden (!) unvorhersehbare, ja geradezu überirdische Machtmittel angehäuft. Nun muß er feststellen, daß die Bewahrung des Lebens weniger in seiner Macht steht denn je — wogegen seine Todeskräfte grenzenlos geworden sind. Er hat die Mittel zu seiner kurzfristigen Auslöschung in eigener Hand. Allerdings so verheerende Mittel — und das ist das Neue! — welche die übrige Lebewelt in seine Vernichtung mit hineinreißen. Das Weltende ist menschenmöglich geworden!

»Wenn die Evolution«, so meint Maurice Blin, »das Erscheinen eines freien Wesens, das in der Lage wäre, über sich selbst zu verfügen, vorbereitete, so war es wohl unausweichlich, daß dieses eines Tages die Macht haben würde, sich selber zu zerstören.«

Tatsächlich wird der Mensch, sobald er die Freiheit zu besitzen glaubt, zum Grenzverletzer. Daß er ein Rebell in der Schöpfungsordnung ist, überliefert uns schon die Bibel mit der Erzählung vom Biß in den verbotenen Apfel. Hatte dieser nur symbolische Bedeutung, so hat der Sündenfall der Neuzeit ganz reale Folgen. Der Mensch gebärdet sich jetzt als Herr der Erde, ist aber außerstande, das Gebot zu erfüllen, daß er sie »erhalte und bewahre«. Damit droht dieser zweite Sündenfall vernichtend zu enden.

Wenn sich der Mensch Göttliches anmaßt, gerät er sehr schnell ins Satanische. Das haben die großen Grenz­überschreiter der Geschichte selbst erfahren. Ihr Ruhm wendet sich leicht zum Fluch. Die prometheische Kühnheit Einzelner hat diese Welt voran-, aber ebenso oft in den Untergang getrieben. Die dumpfe Masse ist ihnen willfährig gefolgt; denn sie sucht immerzu etwas, woran sie sich begeistern kann. Doch in ihrer Heldenverehrung ist sie jederzeit bereit, zur Heldenverdammung zu wechseln.


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Der Mensch behält die Anlage zum Rebellen, und es wird immer solche geben, die rebellieren. Immer wieder werden Einzelne ihre beschränkten Kenntnisse verabsolutieren und die Welt revolutionieren wollen. Und wo kein Gott gedacht wird, steht dem Frevler auch keine Strafe in Aussicht. Somit wird es stets Frevler geben, und die genialsten unter ihnen werden ganze Völker hin und wieder zum Frevel verleiten.

Der heute mögliche Frevel besteht nicht mehr nur darin, den Göttern das Feuer zu stehlen, wie es Prometheus tat, sondern die ganze Erde damit zu verbrennen. Und die Geschichte beweist, daß die Welt zu keiner Zeit narrensicher war. Der Unterschied ist der, daß in der Vergangenheit die Mittel jedes Narren begrenzt blieben. Heute sind die Vernichtungsmittel unbegrenzt, die Verbreitung der Narretei ist aber die gleiche geblieben. 

Solange es Einzelne gibt, die ihr Leben bewußt wegwerfen, wie doch der Selbstmord immer wieder beweist, wird es auch Aktionen ohne Rücksicht auf die Zahl der Opfer und der Folgen geben. Daran erinnern uns Geiselnahmen und Flugzeugentführungen beinahe täglich. Auch die Untäter bedienen sich der allerneusten technischen Mittel. Und die Geschwindigkeit einer Zerstörung ist allemal schneller als jeder Aufbau. Das sind physikalische Gesetzmäßigkeiten. Die Hinfälligkeit der Dinge ist stets kürzer als das Wachstum der Natur.

Einen störungsfreien Lauf der irdischen Dinge wird es also niemals geben. Schon insofern scheitert jede Voraussage. Die einfacheren Verhältnisse waren viel weniger anfällig als die komplizierten, die in unserer Zeit geschaffen worden sind.

Wir haben in diesem Buch die weisesten Denker der Menschheit gehört. Ihre letzten Erkenntnisse ergeben, daß der Mensch die Gesetze des Alls nie begreifen und unfähig bleiben wird, die Erde zu verwalten. Denn für beides bedürfte er der überirdischen Kräfte, die er zu recht nur einer überirdischen Instanz zutraut — ganz gleich, wie er sich eine solche vorstellt.

Wozu wir selbst unfähig sind, über das können wir nicht richten! Einem Richter der Welt oder den Weltgesetzen müssen wir nicht nur das Recht der Entscheidung überlassen, sondern auch die Mittel zubilligen, die Entscheidung zu vollstrecken. Das einzig wirksame Mittel zur Erhaltung des irdischen Gleichgewichts ist der Tod; denn nur er ist fähig, die lebendige Welt zu regulieren. Der Tod als Gegenspieler des Lebens schafft die Voraussetzungen für das Leben. Und nur mit der Allgewalt des Todes können die Mächte der Natur die Respektierung ihrer Grenzen erzwingen.


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Der Tod kann wie die Götter von keinem irdischen Wesen zur Rechenschaft gezogen werden; er vollstreckt das Fatum bedingungslos und duldet keinen Einwand. Ein solch ungerührtes Richteramt als Vollstrecker der Naturgesetze kann sich aber nur eine transzendente Macht erlauben — niemals Menschen; auch dann nicht, wenn sie sich zur Gottähnlichkeit aufgeschwungen zu haben glauben. Mephisto sagt uns im Faust voraus: »Dir wird's gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!«

Die Hüter der Grenzen müssen über der Erde wohnen; denn kein Menschlein kann den Alleslenker spielen. Nur die Götter und die Gesetze der Natur besitzen eine solch unantastbare Souveränität, daß sie sich den törichten Rufen menschlicher Wünsche verschließen dürfen, und sie müssen es. »Dem ewigen Warum bleibt Gottes Ratschluß stumm!« Oder wie es im Yin fu Ging heißt: »Der Himmel hat keine Gnade. Eben darum birgt er die höchste Gnade«.

Der neuzeitliche Mensch, dieser gnadenlose Kämpfer gegen alle von der Natur gesetzten Grenzen, muß heute vor deren Unüberwindlichkeit kapitulieren oder sterben. Er beginnt wieder zu begreifen, daß er schon mit seinem Körper viel tiefer in der Natur verwurzelt ist, als er noch wahrhaben wollte, ja, daß er sich in keiner Beziehung aus der Verflechtung mit seinem Nährboden lösen kann. Alle modernen »Errungenschaften« haben die unvermeidlichen Zwänge seines biologischen Seins unermeßlich vermehrt.

Die Vielzahl der nötigen Voraussetzungen für das Leben jedes Einzelnen hat sich ständig weiter erhöht, statt vermindert. Was sich infolgedessen vermindert hat, ist die Freiheit. Denn nach wie vor hat der Mensch auch die gesamte Natur der Erde zum Leben so bitter nötig wie das Blut in seinen Adern. Die Natur und . nur die Natur ist die unverzichtbare Voraussetzung für das Leben, nicht der neuerdings errichtete babylonische Turm.

Auf Grund der fatalen Lage unserer Erde fragen sich Menschen in allen Ländern, ob der materielle Wohlstand überhaupt die Erwartungen erfüllt hat, die in ihn gesetzt worden sind, und ob er jemals wohltätig wirken kann — selbst wenn man davon absieht, daß er letzten Endes die Lebensgrundlagen vernichtet.


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Werden nicht riesige Kräfte und Mittel in Dinge investiert, die wir im Grunde gar nicht brauchen? Heben sich nicht längst Aufwand und Nutzen gegenseitig auf? Sind die Grenzen des Sinnvollen nicht weit überschritten, wenn wir auch die verheerenden Spätfolgen in das Urteil einbeziehen? Und stimmt es vielleicht sogar, daß unsere eigentlichen Bedürfnisse Mangel leiden?

Muß man nicht mit Leonardo da Vinci ausrufen: »O menschlicher Unverstand! Siehst du denn nicht, daß du, obwohl du dein ganzes Leben mit dir selbst verbracht hast, noch nicht erkannt hast, worin du vor allem befangen bist? In deinem eigenen Wahn nämlich!« Und der Gipfel des menschlichen Wahns besteht in dem Trugschluß, daß der Mensch ohne seine jetzige, mit künstlichem Komfort ausstaffierte Welt nicht mehr leben könne; wo doch diese längst nicht mehr dem Leben dient, sondern die Degeneration und Unzufriedenheit des Menschen fördert. Denn jedes Lebewesen braucht Schwierigkeiten; nur im Ringen mit Widerständen entfaltet es sich. Entbehrungen sind ebenso nötig wie das tägliche Brot.

Das Schicksal des Menschen ist und bleibt dem des Sisyphus gleich. In alle Ewigkeit muß er seinen Felsblock den Berg hinaufwuchten, und ewig rollt er wieder zurück. Doch es wäre ein Irrtum anzunehmen, daß das Schicksal des Sisyphus für den Menschen ein Fluch sei. Was sollte er denn tun, wenn der Block schließlich auf dem Gipfel liegen bliebe? Sein Leben hätte keinen Inhalt mehr! Wir müssen begreifen, daß dies der schlimmste Fluch wäre!

Es gibt keine paradiesische Welt vor uns, wie es keine heile Welt hinter uns gegeben hat! Es gab nur Zeiten, in denen der Pendelschlag des Lebens gelassener dahinschwang und dennoch das Schwere und das Leichte umschloß. Das Leben ist gut, wenn es zwischen Mühe und Freude dahingeht. Die ihm gezogenen Grenzen sind nicht starr, sondern von dynamischen Kräftefeldern gebildet und flexibel; daher nie berechenbar, so daß die Zukunft nie vorhersehbar ist.

Ein ökologisches Weltverhalten muß sich mit der Begrenztheit, Unvollkommenheit und Ungewißheit der Lebensvorgänge abfinden. »Wir haben nicht die Freiheit, dieses oder jenes zu erreichen, aber die, das Notwendige zu tun oder nichts. Und eine Aufgabe, welche die Notwendigkeit der Geschichte gestellt hat, wird gelöst, mit dem einzelnen oder gegen ihn.« So lauten die letzten Sätze von Oswald Spenglers Werk.


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Das Notwendige, also das, was die schlimmste Not wendet, wird von den Menschen hingenommen werden müssen und auch hingenommen werden, wie es immer in der Geschichte der Fall gewesen ist. Am Anfang des gegen­wärtigen Zeitalters der Industrialisierung schrieb Robert Owen in England:

»Sollte es sich erweisen, daß manche Ursachen des Übels durch die neuen Kräfte, die der Mensch zu erwerben im Begriff ist, nicht zu beseitigen sind, dann wird er erkennen, daß es sich um zwangsläufige und unvermeidbare Übelstände handelt, und dann werden kindische und nutzlose Klagen eingestellt werden.«

Die Geschichte ist nun an dem Punkt angelangt, wo wir erkennen, daß das meiste, was man in den letzten Jahrhunderten als wegzuräumende Übelstände ansah, zu den unaufhebbaren Grundbeständen und Bedingungen unseres Daseins gehört. Jetzt, wo uns die Computer keine glatte Zukunft mehr ausmultiplizieren können, welche Daten ihnen auch eingegeben wurden, müssen wir unsere Wertsetzungen überprüfen. In der Natur ist nur das wahr, was unausweichlich ist. Menschliche Theorien, wie schlüssig sie sich immer anhören mögen, müssen diese harte Prüfung erst bestehen. Ein Satz Friedrich Nietzsches lautet: »Wertschätzungen entstehen aus dem, was wir als Existenzbedingungen glauben: wandeln sich unsere Existenzbedingungen oder unser Glaube darin, dann auch die Wertschätzungen.«

Im zu Ende gehenden zweiten Jahrtausend nach Christi Geburt geht es nicht nur um die Existenz-, es geht um die Überlebens­bedingungen. Da die Welt noch niemals in solch schwindelige Höhen eskalierte wie in diesem Jahrhundert, steht ihr ein umso tieferer Sturz bevor. Das ist das Gesetz der Geschichte, vor dem sich alle fürchten, weil sie nicht wissen, daß gerade die Not die neue Hoffnung gebiert.

Zu unserem großen Glück ist es mißlungen, die Menschen auf den bloßen Nutzen zu nivellieren. Sie äußern zunehmend wieder andere Ambitionen. Statt materieller Versprechungen suchen sie immaterielle Aussichten; sie suchen über das Gegenständliche hinaus zu denken oder wenigstens zu ahnen — so, wie wir das in den Zeugnissen der Jahrtausende gefunden haben. Wir sahen: Völker längst vergangener Zeiten hatten mit ihren höchst bescheidenen Mitteln viel gründlicher erfaßt, was für das Leben auf der Erde notwendig und was unbedeutend ist. Darum können uns die Weisheiten vergangener Kulturen helfen, heute wieder leben zu lernen.

Wenn sich die Annahmen einer Epoche als irrig erwiesen haben, dann hält der Weltgeist (oder wie immer wir das nennen) andere Erkenntnisse bereit, mit denen das Leben weitergeht, in welcher Gestalt auch immer.

Was in diesen Jahren als »die Krise« bezeichnet wird, ist bereits die Wende, ja sogar der einzig mögliche Weg zur Gesundung. So wie der Kranke das Fieber braucht, so müssen die Völker durch Nöte hindurch, damit sie auf den Boden der Erde zurückgeholt werden. Auf diesem Planeten ist keinem Lebewesen eine bestimmte Form der Daseins­gestaltung garantiert, ein jedes hat sich anzupassen, auch der Mensch. Was jetzt als »unzumutbar« erscheint, wird sich als heilsam erweisen.

Wenn eine junge Generation heute nach Aufgaben ruft, dann ist ihr zu antworten: Größere hat es nie gegeben! Aber die rühmlichen Taten der Zukunft werden aus Unterlassungen bestehen; denn das Gebot der Bewahrung wird das höchste sein! Vor dem Jahr 2000 und hinfort gibt es keine rühmlichere und edlere Aufgabe als die Rettung unserer Erde.

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Ende

 

 

 

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Unsere Erde vor dem Jahr 2000  - Schlußwort von Herbert Gruhl - 1984