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3.5  Die Verarbeitung der Materie

Es ist die Konstruktion der Maschine, mit welcher der heutige Krieg gegen die 
Natur geführt, die Natur überlistet wird. -- Der deutsche Historiker Oswald Spengler

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Etwa vor 10.000 Jahren muß wohl in Vorderasien ein Mensch auf den Gedanken gekommen sein, Kupfer im Feuer zu schmelzen, um aus der flüssigen Masse eine Axt zu gießen. Jedenfalls sind Kupferäxte die ältesten gegossenen Gegenstände, die bisher gefunden wurden. Als dann um 1500- die Hethiter damit begannen, das Eisenerz gewerbsmäßig zu schmelzen und zu verarbeiten, war das Eisenzeitalter erreicht, in dem wir heute noch leben. 

Trotz vieler anderer Materialien, die man bezeichnender­weise unter dem Namen "Nichteisen-Metalle" (abgekürzt NE-Metalle) zusammenfaßt, ist das Eisen nach wie vor das wichtigste Metall für die Technik geblieben. Aus Eisen und Stahl bestehen vor allem die großen Maschinen unseres Zeitalters. Und Maschinen benötigte man bereits, um mit ihnen die Energie, von der im vorigen Kapitel die Rede war, zu erzeugen. Als Elektrizität ließ sie sich über Drähte im Land verteilen.

Die Kraftwerke stehen am Beginn der Industrialisierung. Die Technik braucht zwei Beine: Kraft und Stoff. Beide werden der Erde entnommen, wachsen nicht nach und sind somit erschöpflich. Die größte technische Leistung des Menschen besteht darin, den Verbund von Brennstoff und Werkstoff hergestellt zu haben, der dann immer weiter perfektioniert wurde und zweifellos im heutigen Computer seinen Höhe- und Endpunkt erreicht hat. Mit Stromstößen von nahe Null und mit Materialeinsatz nahe Null können mit annähernder Lichtgeschwindigkeit die kompliziertesten Rechenoperationen ausgeführt werden. Der Abstand zu geistigen Vorgängen scheint nicht mehr groß zu sein.

Die Technik und die neue Ökonomie, die damit entstand, wird jedoch von den Kräfte- und Stoffmassen bestimmt, die dadurch in Bewegung geraten. Das Gesetz der großen Zahl schlägt den Menschen in seinen Bann.

In den fortgeschrittenen Ländern verfügt jede Familie über mindestens zwei Kraftwerke: ein stationäres zur Beheizung der Wohnung und ein bewegliches, welches folgerichtig Automobil genannt wird. Das ist ein stolzes Gefährt, das selbst schon rund eine Tonne wiegt. Und die neue Produktionswelt ist eine Maschinen­welt, die aus Eisen- und Nichteisenmetallen, inzwischen zum großen Teil auch aus Kunststoffen besteht und die Konsumgüter aus ebensolchen Materialien ausstößt.

Die energieverbrauchenden Maschinen wurden immer größer, automatischer und leistungsfähiger. Ihr Energieverbrauch spielte keine Rolle, denn auch die energieerzeugenden Maschinen verbesserten ihre Leistung nach den gleichen Prinzipien. Damit verschlangen alle Maschinen auch steigende Rohstoffmengen, um sie als Fertigwaren wieder auszuspeien.

Der Rohstoffverbrauch entwickelte sich in den letzten 90 Jahren wie in der Tabelle 2 angegeben. Beim Leitmetall Eisen hat sich der Jahresverbrauch in dieser kurzen Zeit auf mehr als das Zwanzigfache erhöht. Ähnliche Vervielfachungen gelten für Kupfer, Zink und andere Metalle. Dazu kam als Neuerfindung Aluminium, das in 100 Jahren eine Steigerung von Null auf 18 Millionen Tonnen pro Jahr erlebte. Und die Palette der Kunststoffe, die erst vor einem halben Jahrhundert ihren Siegeszug begannen, bringt es jetzt auf etwa 100 Millionen Tonnen. Damit sind wir schon bei den Produkten der Chemie, der letzten großen Wachstums­branche. Sie hat dem menschlichen Erfindergeist die breitesten und intensivsten Betätigungs­felder eröffnet, deren Gefährlichkeit mit der Masse ihrer Eingriffe in die biologischen Systeme allerdings schnell zugenommen hat.

Die drohende Verknappung der mineralischen Rohstoffe, die mit der ersten Veröffentlichung des Club of Rome in den Vordergrund trat, wird nicht sofort akut werden. Das ändert nichts an der Tatsache, daß die Stoffe nicht nachwachsen und ihr Vorrat begrenzt bleibt. Auch die von vielen erwartete Verteuerung blieb bisher in Maßen, und das hat zwei Ursachen. Die Weltproduktion stieg nach 1973 bedeutend schwächer als vorausgesagt. Und die ökonomischen Schwierigkeiten der Entwicklungs­länder sind aufgrund ihrer Bevölkerungsexplosion so stark, daß sie ihre Rohstoffe zu jedem Preis verkaufen müssen, also in einen Angebotswettbewerb untereinander geraten sind.

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Tabelle 3:  Weltproduktion der wichtigsten Metalle in 1000 Tonnen (Hüttenproduktion)

Quellen: Metallstatistik 1990. Metallgesellschaft AG Frankfurt am Main 1990. Mineral Commodity Summaries 1991. US Bureau of Mines. (Zahlen für 1990, zum Teil noch geschätzt.)

1) 1889
2) 1913
3) Unter Grundvorrat sind lokalisierte und in ihrem Umfang abgeschätzte Vorkommen zu verstehen, die in Mineralgehalt, Qualität, Mächtigkeit und Tiefe bei gegenwärtig praktizierten Bergwerkstechniken den Abbau lohnen. Es handelt sich also um eine Größe, die der laufenden Veränderung unterworfen ist. Das ändert nichts an der Tatsache, daß die Gesamtvorräte der Erde begrenzt sind und ihr Abbau künftig immer aufwendiger, folglich auch umweltschädlicher werden wird.

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Der Erdölschock führte zu einem etwas sparsameren und rationelleren Umgang mit den Bodenschätzen der Erde. Dies wird am deutlichsten im Erdölverbrauch selbst, der seit 1973 nur noch geringfügig um die drei Milliarden Tonnen jährlich pendelt, wogegen alte Vorausberechnungen ihn für die heutige Zeit schon bei zehn Milliarden Tonnen sahen! Man ersieht daraus, daß eine Entkoppelung von Energieverbrauch und Warenproduktion in Gang kam, denn letztere stieg weiterhin beträchtlich. Völlig ausgeblieben sind allerdings auch die damals angekündigten Erfindungen neuer Rohstoffe. 

Was ich 1975 als den "Schwindel von der Substitution" bezeichnet habe, das hat sich auch als solcher erwiesen.50  Die Industrie arbeitet nach wie vor mit den gleichen Grundstoffen, und es besteht bisher keine Aussicht, daß sich daran etwas ändern könnte. Das ist auch der Grund dafür, daß die Exploration in den letzten beiden Jahrzehnten beträchtlich verstärkt wurde. Ihre Erfolge führten dazu, daß sich die Reserve­mengen bei einigen Mineralien zum Teil beträchtlich erhöht haben. Allein die Pläne zur Ausbeutung der Meeresböden beweisen, daß niemand mit lange vorhaltenden Vorräten rechnet. Außerdem wird man kontinuierlich zum Abbau von Vorkommen mit weit geringerem Mineralgehalt übergehen müssen, die nicht nur höhere Investitionen, sondern auch einen höheren umweltschädlichen Energieeinsatz erzwingen und viel größere Abraumhalden hinterlassen werden. Im 19. Jahrhundert wurde zum Beispiel Kupfer nur abgebaut, wenn es einen Anteil von 10 Prozent der Fördermenge ausmachte; heute begnügt man sich mit 0,5 bis 0,8 Prozent. 

Heraklit sagte schon, "die Gold suchen, graben die ganze Erde um und finden nur wenig";51 heute muß man für alle Metalle hinzufügen: sie finden immer weniger

Noch aber erhöht sich die Produktion der Waren, und schnell werden sie wieder weggeworfen. Die Wiederverwendung gewinnt nur mühsam an Boden und eine Lösung brächte auch sie nicht.52) 

Der Welthandel zeigt im Gefolge der Güterproduktion weitere phantastische Steigerungen. Im Jahre 1800 hatte der weltweite Handel den Wert von einer Milliarde Dollar, im Jahre 1900 erreichte er 20 und im Jahre 1950 schon 135 Milliarden Dollar. Seitdem schoß die Kurve steil in die Höhe auf 570 Milliarden 1970 und weit über 3000 Milliarden Dollar 1990. Wenn auch eine gewisse Entwertung des Dollars zu berücksichtigen ist, so zeigen diese Zahlen doch eine kurzfristige phänomenale Entwicklung explosiven Charakters. Da 1990 etwa 16 Prozent der weltweit erzeugten Waren in den internationalen Handel gingen, belief sich die Weltproduktion auf rund 20.000 Milliarden Dollar oder 20 Billionen.53) 

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  Anmerk   Himmelfahrt ins Nichts von Herbert Gruhl 1992   www.detopia.de