Charles Handy - 1994 - Die Fortschrittsfalle - Der Zukunft einen Sinn geben
wikipedia Charles_Handy *1932 in Irland
1994 Volltext.pdf qwant Buch
Charles Brian Handy (* 25. Juli 1932 in Clane, Irland)
ist ein irischer Wirtschafts- und Sozialphilosoph sowie Autor.
Biografie
Handy absolvierte sein Grundstudium am Oriel College, Oxford; abgeschlossen 1956
Summa cum laude in Greats (Literae Humaniores, einem Studium mit klassischen
Inhalten, Geschichte und Philosophie).[2] Nach dem College arbeitete Handy zwölf
Jahre als Manager für den britischen Ölkonzern Royal Dutch Shell in Süd-Ost
Asien und London.[2] In Kuala Lumpur lernte er seine spätere Frau Elizabeth (†
2018) kennen, die dort als Lehrerin arbeitete.[2] Auch unter ihrem Einfluss
lehnte er eine Versetzung nach Liberia ab und nahm stattdessen 1965 sein Studium
an der MIT Sloan School of Management wieder auf,[2] wo er auf Warren Bennis,
Chris Argyris, Ed Schein and Mason Haire traf und ein Interesse an den
Funktionsweisen von Unternehmen entwickelte.
Nach seiner Rückkehr nach England 1967, war Handy einer der Mitbegründer der
London Business School (LBS), wo das einzige Sloan Programm außerhalb der
USA angeboten wird.[2] Handy wurde der erste Dekan des Sloan Programms der LBS,
wo Führungskräfte üblicherweise im Alter von Mitte bis Ende 30 ausgebildet
wurden. Seine ungewöhnlichen Methoden hinterließen einen bleibenden Eindruck,
der noch Jahre zu spüren war, nachdem Handy die LBS verlassen hatte.[2] Er
übernahm 1972 eine volle Professur für Managementpsychologie an der LBS und
lehrte dort weiter.[2] Hier wurden die Fragen der Veränderung von Gesellschaft
und Arbeitswelt und die nötige Reaktion darauf der Mittelpunkt seiner Arbeit.
Von 1977 bis 1981 arbeitete Handy in einem Konferenz- und Ausbildungszentrum für
Ethik und Werte in Windsor Castle (der Privatresidenz der Queen of England).
Von 1987 bis 1989 war er Vorsitzender der Royal Society of Arts in London. Er
hält Ehrendoktortitel von sieben britischen Universitäten. In Großbritannien ist
er wegen seines BBC-Radio-Programmes „Gedanken für Heute“ (Thoughts for Today)
einer größeren Öffentlichkeit bekannt.
Handy gilt als einer der einflussreichsten
Managementdenker.
Handy hat zwei erwachsene Kinder und lebt abwechselnd in England und Italien.
2018 verstarb Handys Frau, die Fotografin Elizabeth Handy, bei einem Unfall, bei dem Handy am Steuer saß.[3]
Kernpunkte von Handys Arbeit
Handy beschäftigt sich hauptsächlich mit den Veränderungen, denen Arbeit und
Organisationen in der modernen Gesellschaft und Wirtschaft unterliegen. In
diesem Zusammenhang beschreibt er in seinem Buch Gods of Management vier
Organisationsformen und deren Kulturen, die er durch vier klassische griechische
Götter repräsentiert.[2] Die Organisationen sind in der folgenden Tabelle kurz
beschrieben.[4]
................
Die drei ersten Kulturen (Klub-, Rollen-,
Aufgaben-Kultur) sind recht konventionell. Nach Handy gibt es keine industrielle
existentielle Organisation, aber der Industrie-Trend zum Outsourcing wird seiner
Meinung nach mehr Organisationen dieses Typus hervorbringen. Traditionell hätten
sich Zeus- und Athene-Kulturen eventuell in Richtung von Apollo-Kulturen
entwickelt.[2] Doch die Veränderung der Welt mit instabileren Umweltbedingungen
und einer immer stärker gebildeten und mobileren Mitarbeiterschaft, die sich
gleichzeitig immer weniger in die starren Strukturen der Organisation einpassen
wollen, erzwingt Veränderungen und Anpassungen, die ein Fortbestehen dieser
Organisationen in Frage stellen.[2]
Weiterhin sieht Handy einen Paradigmenwechsel in der Industrie. In einem ähnlich
dramatischen Umbruch, wie die Subsistenzwirtschaft im 19ten Jahrhundert von der
industriellen Revolution abgelöst wurde, so glaubt Handy, wird die industriell
revolutionierte Wirtschaft von der Wissenswirtschaft (engl. knowledge economy)
abgelöst werden.
Shamrock
Dies erfordert eine Umstrukturierung der Unternehmen. Handy verwendet das
irische Nationalemblem, das Shamrock (dreiblättriges Kleeblatt). Die
Shamrock-Organisation basiert auf drei wesentlichen Elementen:
Das erste nennt Handy professionellen Kern (engl. professional core), bestehend
aus Facharbeitern, Technikern und dem Management. Hier sieht Handy die
differenzierenden Kenntnisse und Fähigkeiten des Unternehmens konzentriert.
Diese Mitarbeiter werden hoch entlohnt, wofür man von ihnen außerordentliche
Leistungen, Flexibilität und Einsatz verlangt. Diese Gruppe wird in einer
Aufgaben-Kultur (Athene) gemanagt.
Die zweite Gruppe sind die Sonder- und Spezialleistungen, die über den Markt
billiger beschafft werden können (vgl. Transaktionskostentheorie), also
Organisationen von Spezialisten, die über vertragliche Bande, aber nicht mehr in
Vollzeit für das Unternehmen (oder andere) tätig sind. Handy bezieht sich hier
nicht nur auf Komponenten und Materialien, sondern auch auf Dienstleistungen, z.
B. Firmenkantine, Maschinenreinigung, Wartung- und Instandhaltung etc. Durch
diese Praxis werden auch neue Kenntnisse wichtiger, z. B. Just in
time-Liefersysteme und ähnliche Entwicklungen. Die Entlohnung dieser
Personengruppe findet nach Aufgabenstellung statt, nicht nach Zeitlöhnen.
Als dritte Gruppe sieht Handy flexible Arbeitskräfte, eine (große) Gruppe von
Personen, die nicht über einen permanenten Arbeitsplatz verfügen, sondern von
den Unternehmen nur bei Bedarf und für die Dauer des Bedarfs angeworben werden.
Diese Gruppe darf vom Management trotzdem nicht als belanglos weil leicht
ersetzbar betrachtet werden, da sich ansonsten die Kosten in Form von
Qualitätsmängeln etc. niederschlagen. Diese Gruppe wird in einer Rollen-Kultur
(Apollo) geführt, wobei die Führung fair genug sein muss, um die erforderliche
Produktivität zu erreichen.
Mit dem Auftauchen von Shamrock-Organisationen kommt es zu einer weiteren
Diskontinuität in den Machtstrukturen von Organisationen. Statt wie bisher Macht
im Zentrum einer Organisation zu konzentrieren, sieht Handy das Erscheinen von
föderalen Organisationen (engl. federal organization) voraus. In föderalen
Organisationen konzentrieren sich Wissen und Kenntnisse in den
Shamrock-organisierten Teilorganisationen. Hier wird auch über Strategie,
Investition usw. entschieden. Der Antrieb zur Zusammenarbeit ist für die
Teilorganisationen der mögliche Zugewinn an Skalenerträgen oder ähnlichen
Vorteilen. Die Firmenzentrale übernimmt nur noch unterstützende Funktionen für
die Teilorganisationen, z. B. Großinvestitionen, Entwicklungsinvestitionen oder
Ernennung der Spitzenkräfte. Die vordringlichste Aufgabe des Zentrums ist die
Formung und Erhaltung der Vision.
Handy beschreibt die föderale Organisation in einer Analogie mit Universitäten,
wo die zentrale Verwaltung weder die Kenntnisse, noch die Möglichkeit hat, die
Fachbereiche direkt zu führen. Hierfür müssen zwei Kriterien erfüllt werden.
Subsidiarität, Funktionen, die effizienter auf niedrigeren Ebenen entschieden
werden können auch dort entscheiden zu lassen. Dies erfordert von der zentralen
Führung erhebliches Vertrauen in die föderalen Elemente. Subsidiarität kann sich
nur beweisen, wenn die zentrale Führung Kontrollfunktionen aufgibt und den
Elementen genügend Zeit zur Entwicklung der benötigten Kenntnisse und
Fähigkeiten gibt.
Erweiterungsdrang, der Drang der föderalen Elemente, ihren Aufgabenbereich zu
erweitern und auszudehnen. Handy verwendet das Bild des invertierten Doghnuts
(amerikanisches Schmalzgebäck mit einem Loch in der Mitte). Beim invertierten
Doghnut ist das Loch in der Mitte gefüllt und dann besteht eine torusförmige
Lücke nach außen. Dem Job wird mit dieser Lücke ein Spielraum gegeben, in den
sich der Jobinhaber und seine Aufgaben erweitern können.
Während traditionelle Unternehmen in Apollo-Kulturen organisiert waren, mit
engen Aufgaben- und Arbeitsbeschreibungen, so wandelt sich diese
Organisationsform in Handys föderalen Organisationen mehr und mehr zu
Athene-Kulturen mit entsprechend flexiblen Aufgabe- und Arbeitsstellungen.[4]
Werke (Auswahl)
Understanding Organizations London 1976 Penguin
The Future of Work, Oxford 1984 Basil Blackwell
Gods of Management : The Changing Work of Organizations, London 1986 Business
Books
The Making of Managers, London 1988 Longman
The Age of Unreason, London 1989 Business Books
The empty Raincoat, London 1994 Hutchinson
The Hungry Spirit, London 1997 Hutchinson
Twenty-One ideas for Managers: Practical Wisdom for Managing Your Company and
Yourself London 2000 Jossey-Bass
Ich und andere Nebensächlichkeiten, Düsseldorf, 2007