Barbara HeineckeGestutzte FlügelGeschichten aus der DDRFrau Prof. Dr. für Mathematik und Informatik
2000 im Reinhold Krämer Verlag, Hamburg Umschlag unter Verwendung eines Farbholzschnittes von Uta Heinecke Druck: WB-Druck, Rieden am Forggensee |
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2000 235 Seiten DNB.Buch Google.Buch Bing.Buch BarbaraHeinecke.at HOME
detopia: Brigitte Klump Das rote Kloster |
Autobiografie 2019
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Autorin: Barbara Heinecke studierte Mathematik an der Technischen Universität Dresden, wurde dort promoviert und habilitierte sich an der Universität Rostock. Von 1971-1984 war sie als Oberassistent an der Technischen Hochschule Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) tätig. 1984 verließ sie die DDR aus politischen Gründen und siedelte mit ihren zwei Kindern nach Ungarn über. Sie lebte und arbeitete vier Jahre lang in Budapest. Seit 1989 ist sie Professorin für Mathematik und Informatik an der Fachhochschule Hamburg. "Das vorliegende Buch ist ein ehrliches Buch, es dokumentiert das Leben in der DDR. Es legt Zeugnis ab von der Drangsal, die die Menschen in der DDR erdulden mußten, und von ihren Fähigkeiten, ihrem Witz und Humor, die es ihnen ermöglichten, in dieser Bedrängnis zu leben. Und es spricht auch von denen, die diese Bedrängnis nicht aushalten konnten. Deshalb empfehle ich dieses Buch zur Lektüre: Dem einen zur Erinnerung, dem anderen zum Studium. Besonders für den Unterricht an Schulen halte ich es für außerordentlich gut geeignet, weil es klar und einleuchtend, ohne ideologisches Sendungsbewußtsein und dabei in einer präzisen und packenden Sprache geschrieben ist." Arnold Vaatz
dlf
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Inhalt
Vorwort von Arnold Vaatz (MdB) (5)
Die Geschichte des Buches (9) Einleitung
Die Sektion Mathematik an der Hochschule 17 # Das Kindergartenmärchen 20 Ankunft im Dienst 23 Rote Wochen 24 Marxistisch-Leninistischen Abendschule 25 Kampfgruppen 27 Im Arbeitszimmer27 "Kollektiv der sozialistischen Arbeit (28) Jahresendfeiern 28 "West"-Freunde (29)
PRANGER (30)
Verteidigung des "TITEL"s30 DSF (Deutsch-Sowjetische Freundschaft (31) Umprofilierung, Themenwechsel32 Seminargruppenberater (35) Zivilverteidigung36 Biermannlieder (37) Mensa39 Wir sind eine berühmte Sportnation (40) Disziplinarverfahren40 Der Straßenbahnfahrer44 Dienstversammlung44 Gewerkschaftsgruppenversammlung48 Forschungsplanung51 Forum51 Wohnheim54 Nach Hause55
DIE FREUNDE (57)
TAG der BEFREIUNG (59) Im Haus (61) Zollvergehen68 Exmatrikulation73 Westreise74 Der Justitiar76 Die Schiedskommission des Wohnbezirkes76 Professor Bart77 Exmatrikuliert78 Sekretärin aus dem Osten79 Das Disziplinarverfahren81 Die verlorene Ehre (88) Pflichtverletzung - Betriebszusammenhang91 Die Konfliktkommission93 Die Sitzung der Konfliktkommission94 Ein neues Disziplinarverfahren100 Einspruch103 Aufgeben104 Kaderakte107 Abgang109
EIN ENGLÄNDER IN KARL-MARX-STADT (113)
David113 Dresden115 Germanistikstudium116 Als Englischlehrer in die DDR117 Volkshochschule119 DDR-Leben120 An der Hochschule122 Erzgebirge122 Ein Engländer in Karl-Marx-Stadt123 Georg124 Leben in Karl-Marx-Stadt 126 Carmen126 Heirat (128) Rückkehr nach Großbritannien130
GESCHICHTEN AUS DEM ALLTAG (131)
Reisen - Ausreis(ß)en131 "Erster Besuch" bei Tante Paula131 Wie der Hochschuldozent Dr. L. Straßenbahnfahrer wurde (136) Ausreiseantrag138 Ausreisepapiere zugesandt138 "Ich trage die Mauer in mir." 139 Sippenhaft 1983 (142) Verwandtenpaß142 Traurige Geschichten144 Herr Weinhold144 Der Zellenwagen146 Die 6. Armee147 Wie man in den Zellenwagen kommt147 Wirtschaftslage148 Armaturenwerk Zöblitz148 Zehn Unterlegscheiben149 Im Fotogeschäft am Markt151 Klavier151 Motor151 Exportauftrag152 Ernährungsengpaß153 Fettarme Butter154 Die Ansteher154 Schulgespräch155 Zeitungsnotiz: 156 Das Polenpaket156 Befriedigung157 In der Apotheke158 Lustige Geschichten159 Gefährliche und ungefährliche Weihnachtslieder159 Teppichverkauf in Hagenow159 Zufallskauf160 DSF161 Politische Geschichten (161) Wahlkampf162 Der Panzer (164) Leiter (164) "Architektur" (165) Golanhöhen (166) Ein Architekt berichtet169 Die Verhinderten170 Glaubensfreiheit170 Schilda 171 Die Verhinderten172 Geschichten vom Lande172 LPG-Planwirtschaft173 Besuch vom Lande174 Es fehlt immer etwas im Sozialismus174 Nachricht vom Lande177 Menschen im Sozialismus177 Roberta177 Optiker in Thüringen180 Blumenverkäufer181 Aus dem Alltag183 Liegenschaftsdienst183 Im Laden an der Ecke - Vorweihnachtszeit184 Selbstbedienungsgaststätte im Dresdener Hauptbahnhof184 Koks184 Beim Gärtner185 Beim Friseur186 Beim Arzt187 "Ruinen schaffen, ohne Waffen" (187) Intellektuelle (188) Schriftstellerlesung (188) Diskussion mit den Kulturschaffenden189 Gestutzte Flügel (189)
Internationaler Leihverkehr (191) Schulgeschichten 192 Belehrung in der Schule 193 Was mir in der nicht Schule gefällt 193
Offizierswerbung 194 Solibasar 195 Die Schule in der DDR 196
Am Vorabend des 1. Mai 200 21. Mai 1984 200 22. Mai 1984 201
Ein Auge für die Natur 202 Ein Auge für die Natur 202
Freiberg 203
Giftküche DDR 204
OST-WEST-PROBLEM (205)
Eine Begegnung in der Budapester Oper 205 Als Physiker im größten Optikwerk der DDR 207 Amboß oder Hammer 209 Gratwanderung 210 DAS SYSTEM213 Begegnung213 Die Lomonossow-Universität in Moskau214 Walja216 Tarusa an der Oka217 Die Elektritschkas219 Jasnaja Poljana (219) Das Kloster Sagorsk (220) Die musikalische Kultur220 Mittelasien221 KaraKum222 Software223 Das Simulationssystem225 Reiseverbot226 Essenmarken für Einstein228 Antrag auf eine Besuchsreise229 Wasserhahnstory230
ABKÜRZUNGEN UND ERLÄUTERUNGEN (232)
Anmerkung.
Die im Buch verwendeten Abkürzungen sind mit Erläuterungen am Schluß des Buches auf den Seiten 232 und 233 zu finden.
Die Namen aller Personen wurden verändert. Es wurden auch Tatsachen variiert und abgeändert. Somit besteht kein direkter Bezug zu existierenden Personen.
Vorwort
von Arnold Vaatz (MdB)
wikipedia Arnold Vaatz *1955 bei Gera
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Barbara Heinecke hat Tagebuch geführt - über ihre Erlebnisse in der DDR etwa in der Zeit zwischen 1980 und 1987. Sie legt nun das aus diesem Tagebuch entstandene Buch vor - vom Termin her gerade passend zu dem, was landauf landab zum zehnten Jahrestag der deutschen Vereinigung veranstaltet wird. Das Buch ist authentisch, geradlinig, nüchtern, und es ist packende Literatur zugleich.
Das erste Kapitel ähnelt einer Dokumentation. "Das Disziplinarverfahren" gibt einen Einblick in das Hochschulwesen der DDR. So absurd ging es wirklich zu im Osten - und zwar so ziemlich an jeder Hochschule. Auch die dickste rosa Brille, durch die man die DDR-Geschichte neuerdings vielfach entschlossen ist, zu sehen, ändert daran nichts. Barbara Heineckes Bericht ist entwaffnend klar und schlüssig, er badet nicht im Schwulst von Befindlichkeiten und Selbstverteidigungsorgien. Alle staatlichen Hochschulen wurden von der Partei gesteuert.
Im "Disziplinarverfahren" wird das Leben einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin an einem Hochschulinstitut geschildert. Da sowohl ihre dienstlichen als auch ihre privaten Sorgen erzählt werden, gibt die Geschichte gleichzeitig Einblick in die Arbeits- und Alltagswelt der DDR-Frauen, die fast alle im Berufsleben standen. Die Frauen hatten nicht nur die beruflichen und politischen allgegenwärtigen Repressionen zu ertragen, sondern auch die allgemeinen Sorgen um das tägliche Leben und die Probleme mit der Kinderbetreuung in Kindergärten und Schulen. Am Beispiel Franziskas zeigt sich das: Ihre gesellschaftlichen und privaten Zwänge wurden zur Zwangslage. In der Person der Franziska zeigt sich aber auch, daß es Personen gab, die sich unter diesem Zwang nicht verbiegen ließen. Franziska, erfüllt von dem unbändigen Glauben an das Leben und die Wahrheit, steht für Personen, die Systeme der Unterdrückung zu Fall bringen. In der DDR gab es weit mehr solcher Franziskas, als man heute vielfach vermutet.
Barbara Heinecke schildert das Alltagsleben an einer Hochschule: ML-Abendschule, Kampfgruppe, Verteidigung der Brigadetitel. Genossen und Nichtgenossen werden gegenübergestellt, die Durchdringung aller Lebensbereiche durch die allgegenwärtige Partei wird in all ihrer fatalen Normalität nacherlebbar. Die Partei regierte im Wohnbezirk, im Dienst, im Konsum und in der Polizeidienststelle.
5/6
Es gab zu DDR-Zeiten ein geflügeltes Wort: "Ehrlichkeit, Intelligenz und Parteimitgliedschaft schließen einander aus." War man nicht komplett vom Glauben an die Richtigkeit des Sozialismus durchdrungen, legte man sich nicht ein doppeltes Gesicht zu, vermochte man seine eigene Überzeugung nicht zu verbergen - dann wurde das Leben sehr, sehr schwer. Deshalb die vielen Ausreiseanträge, die eigentlich "Hilferufe von drüben" waren und die wohl oft als Flucht in ein besseres Wirtschaftssystem verkannt wurden.
Die Geschichte "Das Disziplinarverfahren" ist aber in erster Linie eine Hochschulgeschichte, eine Dokumentation, locker und einleuchtend erzählt, die jedoch in die Tiefe geht, sich sinngemäß auch in anderen Bereichen ereignet haben könnte, und präzise, ohne Pathos und Emotionalität die Dinge bis zum bitteren Ende verfolgt. Diese Geschichte zeigt auch, daß die Gesetze in der DDR dehnbar waren. Sie wurden "ausgelegt". Unabhängig von der führenden Partei, neutral, ohne festen Klassenstandpunkt zu urteilen, hätte ein Richter in der DDR als schweren Vorwurf gegen sich selbst empfunden. Die Justiz war ein Stück Staat und dieser nicht dem Gemeinwohl verpflichtet, sondern Machtinstrument der herrschenden Klasse. So ist "Das Disziplinarverfahren" letztlich auch ein Kriminalfall.
Das Buch ist nicht vordergründig politisch. Es fasziniert durch das alltäglich Menschliche, das im Mittelpunkt der "Geschichten aus dem Alltag" steht. Gerade deshalb müssen sich die Geschichten immer wieder in die Signaldrähte und Minenfelder der DDR-Politik verlaufen. Es geht um Menschen aus der DDR, die lustige, traurige und eben immer wieder zutiefst politische Episoden erleben. Das einfache menschliche Leben war immer der kafkasche Schlag ans Hoftor - worauf die Politik in dieses Leben trat und es nicht wieder zu verlassen gedachte. Vom ersten Schultag an wurden Schüler in diese Zwiespältigkeit getrieben, das Leben mit der doppelten Meinung begann mit dem ersten Schultag. Besonders jemand, der die DDR nicht kannte, sie aber kennenlernen will, sollte diese Geschichten lesen.
"Ein Engländer in Karl-Marx-Stadt" erzählt sehr humorvoll die Geschichte eines jungen Engländers, der an der Hochschule in Karl-Marx-Stadt unterrichten durfte, und nun als erster Engländer, als Exot, als Vertreter beinahe einer anderen Gattung Mensch, eine seltsame Überhöhung erfuhr.
6/7
Zwei alte Klassenkameraden, die nach dem Abitur völlig gegensätzliche Lebenswege antraten, dienen als Modell, an dem in der Geschichte "Ost-West-Problem" das Pro und Contra DDR dargestellt wird.
Die letzte Geschichte "Das System" vermittelt Einblicke in die "Freiheiten" deutscher Studenten in Rußland. Die Autorin weiß darüber aus eigenem Erleben. Und auch dort brach sich der politische Wille der Partei an einfachsten, aber mächtigen menschlichen Haltungen: Wir lesen von Walja, der KGB-Mitarbeiterin, die über die deutschen Studenten an der Lomonossow-Universität berichten sollte. Sie wurde fristlos entlassen, weil sie ihre Opfer mehr mochte als ihre Arbeitgeber. Das ließ hoffen. Menschen wie Walja untergruben die Macht der Partei und brachten das System schließlich zu Fall.
Das vorliegende Buch ist ein ehrliches Buch, es dokumentiert das Leben in der DDR. Es legt Zeugnis ab von der Drangsal, die die Menschen in der DDR erdulden mußten, und von ihren Fähigkeiten, ihrem Witz und Humor, die es ihnen ermöglichten, in dieser Bedrängnis zu leben. Und es spricht auch von denen, die diese Bedrängnis nicht aushalten konnten.
Deshalb empfehle ich dieses Buch zur Lektüre: Dem einen zur Erinnerung, dem anderen zum Studium. Besonders für den Unterricht an Schulen halte ich es für außerordentlich gut geeignet, weil es klar und einleuchtend, ohne ideologisches Sendungsbewußtsein und dabei in einer präzisen und packenden Sprache geschrieben ist.
Arnold Vaatz
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Barbara Heinecke Gestutzte Flügel Geschichten aus der DDR - Frau Prof. Dr. für Mathematik und Informatik