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Vorwort   Primersdorf, im Sommer 1997

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In diesem Buch kommen keine fliegenden Untertassen vom Himmel. Keine Supertechnologie wird erfunden, die alle Probleme löst, kein "Neuer Mensch" führt uns in ein noch neueres Zeitalter, kein Cyber-Kyborg und keine Megacomputertechnik wird all unsere Fragen beantworten. Auch die Frage, wie man mit Trends schnell Geld verdienen kann, bleibt auf den folgenden Seiten unbeantwortet.

Zwei Anstöße haben zu diesem Buch geführt. Den ersten verdanke ich dem Journalisten Josef Joffe, der in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG im Frühjahr des Jahres 1996 den Begriff <Kultur des Wandels> prägte. Alles, so Joffe, haben wir in den letzten Jahrzehnten in unserem Lande "kulturisiert". Wir haben eine "Streitkultur" und eine "Singlekultur", sogar eine "Beziehungskultur". Nur wie wir in Zeiten des Umbruchs die contenance bewahren, wie wir innovativ sein können, ohne aus dem Gleichgewicht zu geraten — damit tun wir uns schwer.

Das Geheimnis des deutschen "Wunders" seit 1945, schreibt Joffe, war ein fein austariertes Gleichgewicht zwischen dem unvermeidbaren Wandel und dem notwendigen Schutz gegen dessen Kosten. Aber was wir schützen wollen, können wir nicht mehr finanzieren, und schlimmer noch: Die unzähligen Wälle, die wir gegen den Wandel aufgetürmt haben, werden uns längerfristig ärmer machen. Damit sich nun etwas ändert, muß VIELES geändert werden.

Von dem "Vielen" handelt dieses Buch. Das "Viele" ist zugleich das, was am schwierigsten zu beschreiben ist. Man kann spektakuläre Technologien, futuristische Szenarien, einleuchtende neue Paradigmen mit leichter Feder ausmalen. Aber hier geht es um etwas anderes, um das Innere des Wandelungsprozesses, seine Anatomie und Psychologie. Es geht um Mentalitäten, die wir der Zukunft gegenüber entwickelt haben, um tief verwurzelte Haltungen, Werte und Weltbilder.

Kultur des Wandels – ein eher schüchterner Begriff – handelt von der Sehnsucht nach Mäßigung und nach der Wahrung von Spielregeln in stürmischen Zeiten. Er verlangt nach einer Haltung, die gerade in Sachen Zukunft so wichtig ist: Gelassenheit. "Kultur des Wandels" — das bedeutet, daß wir im Gesellschaftlichen wie im Privaten einen Modus entwickeln, mit Veränderung umzugehen, den man als "zivilisiert" bezeichnen kann. Bei aller Skepsis, die dieses Buch gegenüber "dem Utopischen" durchzieht, trägt es doch eine zutiefst utopische Hoffnung vor: daß Modernisierung, Anpassungszwang, Veränderung unsere Gesellschaft nicht nur "überfällt", sondern daß wir sie bewußt zu gestalten vermögen.

Der zweite Teil der Motivation, dieses Buch zu schreiben, stammt aus der entgegengesetzten Ecke: aus der Abneigung gegen das Überhandnehmen des Alarmismus, jener panischen Haltung der Zukunft gegenüber, mit der in unserem Kulturkreis Aufmerksamkeit erzwungen wird. Ein Teil davon ist sicher jenem Phänomen geschuldet, das die Angelsachen premillennial tension nennen: Eine wachsende Erregung angesichts des symbolischen Datums 2000.

Den Part der Meinungsführer in Sachen Panik und Abwehr übernahmen 1997 Hans-Peter Martin und Harald Schumann mit ihrem Bestseller <Die Globalisierungsfalle>. 

Der Erfolg sei den Autoren gegönnt, was ich ihnen nicht zugestehen möchte ist, daß ihre Thesen und Verkürzungen unwidersprochen bleiben. Die Entwicklungen der Gegenwart, die aufregenden Dinge, die sich um das magische Datum der Jahrtausendwende abspielen, lediglich als "Fallen" zu werten und die Chancen zu unterschlagen – das darf nicht unwidersprochen bleiben.

Wir leben in einer spannenden Zeit. Nur wenige Generationen in der Geschichte haben die Möglichkeit, eine waschechte Jahrtausendwende zu erleben. Auch wenn dieses Datum ein schlichtes Zahlenspiel, ein zufälliger numerischer Aberglaube sein mag — der Übergang ins nächste Jahrtausend ist mehr als nur ein Nullziffernspiel. Die globale Kultur muß sich ausprägen und ihre zweite große Bewährungsprüfung bestehen.

Die erste Probe endete 1914 mit der Entscheidung der europäischen Großmächte für den Weltkrieg fatal. Die großen Aufgaben unserer Zeit — die Bewältigung einer neuen Modernisierung, die sich durch Individualismus, Informationsgesellschaft, Globalisierung auszeichnet — müssen in Form von neuen Kontrakten Gestalt und Wirklichkeit werden.

Zukunft ist möglich, wenn wir unser Bewußtsein öffnen: Dieser Idee ist dieses Buch verpflichtet.

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