T3-2     Start    Weiter

2  Die Ehe und die Lage der Frau      Von  A. von Bunge  

 

 

 

   Der Feldzug gegen die Familie  

459

In ihrem zerstörenden Feldzuge gegen die ganze bürgerliche Welt hatten die Kommunisten von Anfang an ihr besonderes Augen­merk auf die Familie "diesen besonders starken Überrest des verfluchten alten Regimes"1) gerichtet. "Die Revolution ist machtlos, solange der Begriff Familie und die Familien­beziehungen bestehen" — erklärte die Vollversammlung der Komintern vom 16. November 1924. Infolge dieser Einstellung begannen die Bolschewiken einen regelrechten Kampf gegen die Familie. 

Diesem Feldzug war der Weg gewissermaßen gebahnt. Das Wesen der Familie macht zurzeit eine schwere Krise in allen Ländern durch. Es ist allgemein bekannt, welchen zerrüttenden Einfluß der Krieg und die Revolution auf das Familienleben und seine äußerlichen Formen in ganz Europa ausgeübt hatte: mechanisch allein, schon durch die räumliche Trennung, durch die Wohnungsnot, die zurzeit herrschende Materialisierung und Industrialisierung des Lebens, durch die Verarmung des Mittelstandes und endlich durch die Zerrüttung aller sittlichen und moralischen Begriffe. 

Nun trat in Sowjetrußland zu all diesen Faktoren noch ein anderer, in anderen Ländern gänzlich unbekannter, dabei wohl der schwerwiegendste und in seinen unmittelbaren Folgen der schädlichste Faktor: das Streben der kommunistischen Regierung, die Ehe und die Familie gänzlich zu zerstören. "Die frühere Familie muß durch eine neue Familienordnung ersetzt werden", schreibt Trotzky in seinem Buche "Fragen des Alltagslebens". Wie sieht nun diese Ordnung aus?

Die Gesetzgebung über die Ehe  

Zu Beginn ihrer Herrschaft hoben die Kommunisten die kirchliche Trauung auf und ersetzten sie durch die Eintragung im Standesamt. Von da an änderten sich fortwährend alle Bestimmungen über die Ehe, da die Gesetzgeber sich bemühten, das Familien­verhältnis nach Möglichkeit zu lockern. Das Verhalten der Kommunisten zur Ehe wird durch folgende Definition des Ehebündnisses gekennzeichnet, welche ein bekannter Sachverständiger in dieser Frage, Professor Goichbarg, vorgeschlagen hatte: "Die Ehe ist ein Institut für bequemere und weniger gefährliche Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse."2)

1)  Bucharin, Stenogr. Bericht des 13.KK, S. 545.
2)  Goichbarg, Materialien und Artikel über das Eherecht. Moskau. 1925. S. 33.


Nach dem am 1. Januar 1927 veröffentlichten Gesetze über Ehe und Familie, welches die früheren Novellen kodifiziert, ist zwischen einer amtlich "eingetragenen" und einer "nicht eingetragenen" (einer "tatsächlichen") Ehe zu unterscheiden. Dieser Unterschied betrifft aber nicht den Rechtsschutz, den die Ehegatten und ihre Kinder genießen. Rechtlich geschützt wird auch die "tatsächliche Ehe" (§11 und 16); sie muß aber von einem Sowjetrichter als "bestehend" anerkannt werden. Das Gericht hat sich in dieser Frage "nach den Merkzeichen der tatsächlichen Lebensumgebung" der betreffenden Person zu richten (§ 11): es genügt z.B. die Tatsache des einfachen Zusammenwohnens, der gemeinsam geführten Wirtschaft, der gegenseitigen pekuniären Unterstützung, der gemeinsamen Kindererziehung usw. Der Richter entscheidet die Frage nach seinem Gutdünken auch dann, wenn einer von den vermeintlichen Ehegatten die Ehe verneint.

Die Tatsache, daß eine nicht-eingetragene Ehe denselben Rechtsschutz genießt, wie eine eingetragene — hat große Bedeutung. Die Eintragung kann nur dann erfolgen, wenn "gegenseitige Uebereinstimmung" vorhanden ist; wenn beiderseits Mündigkeit vorhanden ist (18 Jahre); wenn die nötigen Dokumente vorliegen; wenn beiderseits eine schriftliche Deklaration vorliegt — über die physische und geistige Gesundheit, über die Zahl der schon vorher eingegangenen Ehen und der gezeugten Kinder usw. Die Eintragung darf nicht erfolgen, wenn eine Ehe zwischen Geisteskranken, zwischen Blutsverwandten in Aszedenz und Deszendenz oder zwischen schon verehelichten und noch nicht geschiedenen Personen beantragt wird. Dagegen bleibt eine "tatsächliche Ehe" ganz frei von jeglichen positiven und negativen Bedingungen. Hier bleibt alles erlaubt und nichts strafbar; Rechtsschutz wird auf jeden Fall gewährt. Oder wie ein Kommunist, Mitglied des W.Z.J.K. (Zentral-Exekutiv-Komitee) der U.S.S.R., sich ausdrückte: "alle Katzen sind grau, macht was ihr wollt",3) "jede gegenseitige Annäherung ist zu fördern";4) und "alles nicht verbotene ist eben erlaubt".5)

Demzufolge bleibt Bigamie, Polygamie und Polyandrie unbestrafbar, nicht verboten und somit erlaubt.6) Ebenso bleibt eine Inzestehe straffrei: sie darf nur nicht standesamtlich eingetragen werden.

 

3)  Siehe "Sbornik statej i materialow po bratschnomu i semej-nomu pravu", redigiert vom Volkskommissar Kursky, Stenographischer Bericht der Plenarsitzungen, S. 127.
4)  Ebendaselbst, S. 175.
5)  Maßgebende Formel des Generalprokurors Krylenko. Stenographischer Bericht, S. 130.
6)  Vgl. bei Goichbarg, "Die Bigamie an sich ist bei uns nicht strafbar"; "um so mehr" ist auch ein Ehebruch nicht strafbar. "Srawnitelnoje semejnoje prawo". Moskau 1925. S. 204. Bei Krylenko: "Die Polygamie durch Strafe zu bekämpfen, ist für uns Unsinn." Siehe "Sbornik" etc., S. 67.

460


Im Jahre 1926 beantragte ein Vater, seine Ehe mit der eigenen Tochter, von der er schon drei Kinder hatte, einzutragen. Seine Bitte wurde abgewiesen, und die Frage über die Strafbarkeit dieser Ehe aufgeworfen. Das Obergericht, an welches diese Frage überwiesen wurde, verlangte ein Gutachten der zuständigen medizinischen Behörden des "Narkomsdraw" (Kommissariat für Gesundheitspflege). Die Antwort des Narkomsdraw lautete, daß, vom Gesichtspunkte der sozialen Hygiene aus, der Geschlechtsverkehr zwischen Vater und Tochter weniger gefährlich sei als der zwischen nichtverwandten Tuberkulösen. Auf Grund dieser Erwägungen wurde von einer Bestrafung des Inzestes Abstand genommen, "da es", wie der Oberstaatsanwalt Krylenko erklärte, "uns nicht zukommt, in der Arriergarde des bürgerlichen Aberglaubens und Vorurteils zu marschieren."7)

In einer vor einiger Zeit veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der RSFSR. wurde für Recht erkannt, daß eine "tatsächliche Frau" nach dem Tode ihres "tatsächlichen Ehegatten" als Witwe und Erbin zu betrachten sei, auch dann, wenn der Verstorbene früher mit einer anderen Frau verheiratet war, und diese erste Ehe nicht geschieden wurde. In diesem Falle wohnte die erste Frau sogar mit ihrem Manne bis zu seinem Tode in derselben Wohnung; allerdings teilte die zweite mit ihm ein Zimmer. Die "tatsächliche" Ehe auferlegt dem Manne dieselben materiellen Pflichten in bezug auf Unterhalt von Frau und Kind wie eine eingetragene. Dem kommunistischen Staate als solchem kommt es weder auf die Festigkeit, noch auf die Dauer der Ehe an.8) Der Gesetzgeber will nur dafür sorgen, daß jeder geschlechtlichen Beziehung und ihren Folgen auch gewisse materielle Pflichten entsprechen, damit der Staat nicht genötigt ist, diese Opfer selbst zu übernehmen und zu tragen.

 

Die Ehescheidung

Die Scheidung ist nach den Gesetzen des Sowjetstaates sehr leicht. Die Willenserklärung eines der Beteiligten genügt, um die Ehe zu lösen.8) Natürlich hat diese Erleichterung zu unglaublichen Mißbräuchen geführt. Als besonders krasses Beispiel sei hier der Ehescheidungsfall eines gewissen Sigoff, eines Kommunisten aus Odessa, erwähnt, der Ende des Jahres 1927 viel von sich reden machte. 

 

7)  Iswestija, 1926, Nr. 241; vgl. "Sbornik" etc., S. 53, 130.
8)  Siehe im obenerwähnten stenographischen Bericht S. 146 u.a.
9)  § 18 des Gesetzes vom 1. Januar 1927.

461


Nach wiederholten, ergebnislosen Versuchen, ein Mädchen, das ihm gefiel, zu verführen, warb Sigoff schließlich um ihre Hand, und die Ehe wurde eines Tages um 3 Uhr nachmittags im Kommissariat wie üblich geschlossen. Nach einem festlichen Schmaus im Hause seiner Schwiegereltern begab sich Sigoff mit seiner Gattin in seine Wohnung und machte seine Rechte als Ehemann geltend. Um 7 Uhr desselben Abends erklärte er seiner Frau, daß er zu einer wichtigen Parteikonferenz abreisen müsse, und daß er sie nicht mehr brauche: er hätte sich nämlich überzeugt, daß sie nicht zueinander passen, und sie könne nun zu ihren Eltern heimkehren. 

Dann gab er ihr noch 10 Kopeken Fahrgeld für die Straßenbahn, verabschiedete sich und meldete am selben Abend im Kommissariat seine Scheidung an. Als darauf die bestürzten Schwiegereltern ihn bei Gericht anzeigten, wurde festgestellt, daß Sigoff sich gegen das Strafgesetzbuch in keiner Weise vergangen hätte. Für die Dauer einer Ehe sei keine Frist vorgeschrieben; sie könne zu jeder Zeit gelöst werden.

In zahlreichen Scheidungsfällen bleibt die Gegenpartei in voller Unkenntnis, bis sie eine entsprechende Mitteilung vom Kommissariat erhält. Es ist selbstverständlich, daß die Zahl der Ehescheidungen sehr zugenommen hat. Die "Krassnaja Gaseta" meldet, daß z.B. in Petersburg in der ersten Hälfte des Jahres 1926, vor der Veröffentlichung der neuen Gesetzgebung, auf je 100 Ehen 26 Scheidungen kamen. In derselben Zeit des Jahres 1927, nach der Veröffentlichung des neuen Gesetzes, hat sich der Prozentsatz dagegen fast verdreifacht, so daß er mehr als 75 Prozent aller Ehen ausmachte. 

Diese Erscheinung stabilisiert sich. Nach den in 2 Revieren in Petersburg vorgenommenen Zählungen sind von 14 555 Ehen in 9757 Fällen Scheidungen vorgenommen worden. Von 1535 Eheschließungen, die im Dezember 1928 und Januar 1929 registriert wurden, waren am 1. Februar 1929 bereits 980 wieder geschieden.10) Im SAGS. (die Registraturbehörde, die etwa dem Standesamte entspricht) haben sich sogar gewisse Fachausdrücke eingebürgert, welche diese oder jene Art der Eheschließungen kennzeichnen, so z.B. ist eine "rotarmistische Ehe", eine Ehe für die Dauer des Militärdienstes, eine "Saison-Ehe" eine Ehe zwischen Saisonarbeitern, eine "Klubehe" das Resultat einer Begegnung im Klub usw. 

Als Kuriosum der kommunistischen Gesetzgebung muß noch die Tatsache erwähnt werden, daß in dem neuen Ehegesetz der ukrainischen Sowjetrepublik (jede autonome Sowjetrepublik hat ihren eigenen Ehekodex) eine Eheschließung sogar ohne Wissen der anderen Partei vorgesehen ist.11) Jemand braucht im Kommissariat bloß mitzuteilen, daß er sich mit einer bestimmten Person verheiraten will, um die Eintragung der Ehe zu erreichen.

 

10)  Leningradskaja Krasnaja Gaseta, 26. Februar 1929.
11)  Artikel 133 des entsprechenden Ukrainischen Kodex.

462


"Das alte russische Scherzliedchen — ,ohne mich wurd' ich verheirat't, ich war eben nicht zu Haus' — ist also gewissermaßen zur ernsten Wirklichkeit geworden", sagte der Vorsitzende der Republik der Wolga-Deutschen, Kurtz, bei der Besprechung dieses Gesetzes im Gremium des W.Z.J.K. "Ja, es scheint so zu sein", antwortete nach kurzem Bedenken Kursky, der damalige Volkskommissar für Justiz.12)

Was nun die Versorgung der Kinder betrifft, so hat jede schwangere Frau, gleichgültig ob sie verehelicht oder ledig ist, das Recht, an das örtliche Kommissariat eine Eingabe zu richten, in welcher sie den Vor- und Zunamen und den Wohnort desjenigen angibt, den sie als Vater ihres Kindes ansieht. Wenn der betreffende Mann im Laufe eines Monats keinen Widerspruch erhebt, wird er als Vater des betreffenden Kindes eingetragen, wobei er dann verpflichtet wird, an den Ausgaben bei der Geburt und bei der Erziehung des Kindes und an dem Unterhalt der Mutter während der Schwangerschaft und der ersten 6 Monate nach der Entbindung sich zu beteiligen.

Wenn aber das Gericht feststellt, daß die betreffende Frau während der Empfängnisperiode auch mit anderen Männern in sexuellem Verkehr stand, so steht es ihm frei, einen beliebigen von diesen als den "wirklichen Vater" anzuerkennen und ihm die entsprechenden Lasten aufzuerlegen. Bis 1927 lautete das Sowjetgesetz anders: die Alimente wurden allen in Frage kommenden "Vätern" auferlegt und pro Kopf verteilt. In der Sowjetrechtsliteratur wurde das Kind in diesem Fall als "Kollektives Kind" bezeichnet. Im großen Gremium des W. Z. J. K. hörte man Proteststimmen: "Eine Aktiengesellschaft trete an die Stelle des Vaters"; es werde damit eine "kollektive Vaterschaft" eingeführt, und das Kind müßte demzufolge bezeichnet werden als: "Sohn von Genosse Iwanoff & Co."13)

 

Folgen der kommunistischen Gesetzgebung 

Wie weit der Zerfall der Familie und Ehe unter den gegebenen Bedingungen gehen kann, beweisen in sehr klarer Weise die Beobachtungen der Statistiker während der allgemeinen Volkszählung im Dezember 1926. So schreiben die "Iswestija" über diese Frage: "In Moskau hat die Volkszählung zahlreiche Fälle effektiver Vielweiberei und Vielmännerei festgestellt. Fälle, wo zwei oder sogar drei Frauen denselben Mann als ihren Ehegatten bezeichnen, können als eine ganz alltägliche Erscheinung angesehen werden. Es sind sogar Fälle vorgekommen, wo der Registrierte selbst offen zugab, zwei oder mehrere Frauen zu besitzen. Derartige Erscheinungen wurden auch in Leningrad beobachtet.

 

12)  Im obenerwähnten stenographischen Bericht der Plenarsitzungen des WZIK. am 17.-19. Oktober 1925.
13)  Siehe den obenerwähnten stenographischen Bericht, S. 159.

463


Während der Volkszählung wurden sehr oft sogenannte "hauptlose Familien" registriert, d.h. Frauen, die keinen Ehegatten haben und ihre Kinder durch eigene Arbeit oder mit Hilfe von Alimenten ernähren, welche ihnen von dem oder jenem ,Vater' des betreffenden Kindes zukommen. Sehr häufig wurden Fälle wirklicher Polygamie festgestellt. So fand man, daß zwei Frauen mit einem Mann verhältnismäßig friedlich in derselben Wohnung zusammenlebten. Es kommt auch vor, daß der Mann einen Namen führt, die Frau einen anderen und das Kind einen dritten. Das bedeutet: 1. daß die Frau unverehelicht ist und sich nicht eintragen ließ; 2. daß das bei dieser Frau befindliche Kind nicht den Mann zum Vater hat, mit welchem diese Frau zurzeit lebt."")

Man darf sich nicht wundern, daß der deutsche Professor Hugo Sellheim die Familienverhältnisse in Sowjetrußland folgendermaßen schildert: "Es ist ein vollkommener Rückfall in die Sexualunordnung der grauen Vorzeit, aus der sich die Ehe und eine brauchbare Sexualordnung im Laufe der Jahrtausende entwickelt hat."

 

Die Propaganda 

Das Ehe- und Familienleben wird auch durch die Verkündigung der vollen Freiheit des geschlechtlichen Verkehrs angegriffen. Diese Freiheit wurde als Protest gegen die Tyrannei der alten, gesetzlichen Ehe verkündigt. Es wurde die famose These geschaffen, daß die Befriedigung des sexuellen Triebes in einer kommunistischen Gesellschaft ebenso einfach und belanglos sei, wie das Herunterschlucken eines Glases Wasser. "Diese ,Glas-Wasser-Theorie' hat die kommunistische Jugend ganz toll gemacht. Sie ist vielen jungen Burschen und Mädchen zum Verhängnis geworden", schrieb später Lenin selbst an Klara Zetkin.

Die bekannte Kommunistin Smidowitsch stellte15) folgendes kurzes Schema der sexuellen Moral auf, die zu jener Zeit unter der kommunistischen Jugend herrschte: "Unsere Jugend scheint davon überzeugt zu sein, daß sie alle Fragen, die mit Liebe verbunden sind, auf die allerroheste und schmutzigste Weise zu lösen berufen ist; sonst würde sie ihrer kommunistischen Würde Abbruch tun. Die Moral unserer Jugend besteht z.Z. kurz gefaßt in Folgendem: 1. Jeder Komsomolez, jeder Student des "Rabfak" (Arbeiterfakultät), wenn auch minderjährig, ist berechtigt und verpflichtet, seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Dieser Begriff ist zum Axiom geworden, und die Enthaltsamkeit wird als eine für das bürgerliche Denken charakteristische Borniertheit angesehen. 2. Wenn ein Mann ein junges Mädchen begehrt, sei es eine Studentin, eine Arbeiterin oder sogar ein Mädchen im schulpflichtigen Alter, so ist dieses Mädchen verpflichtet, sich dieser Begierde zu fügen, da sie sonst als Bürgerstochter angesehen wird, die des Namens einer echten Kommunistin unwürdig wird"......

 

14)  Iswestija. 1926. 23. Dezember.
15) Prawda, 21. März 1925.

464


Die Richtigkeit dieser Formeln wurde bestätigt durch eine ganze Reihe von Briefen, die als Antwort auf ihren Aufsatz eingesandt wurden. So schreibt z.B. eine Studentin S. Z. M. A.: "Die Studenten sehen sehr schief diejenigen Komsomol-Mädchen an, die sich weigern, mit ihnen in Geschlechtsverkehr zu treten. Sie betrachten sie als rückständige Kleinbürgerinnen, als solche, die sich von veralteten Vorurteilen nicht frei machen können. Bei den Studenten herrscht die Ansicht, daß nicht nur die Enthaltsamkeit, sondern auch die Mutterschaft als Ausdruck der bürgerlichen Ideologie zu behandeln ist."16) 

Eine andere Studentin, Namens Rubzowa, berichtet, daß die Kommunisten die Liebe als etwas sehr rasch Vergehendes betrachten; sie halten eine dauernde Liebe für langweilig; der Begriff Ehefrau wäre ein bürgerliches Vorurteil. Auf die Frage: "Wo ist ihre Frau tätig?", lachen sie und fragen: "Welche?" "Ein prominenter Kommunist sagte mir: "In allen Städten, in denen ich dienstlich zu tun habe, habe ich auch eine provisorische Frau." "Der Mann meiner Freundin", fährt die Rubzowa fort, — "schlug mir vor, eine Nacht bei ihm zu schlafen, da seine Frau krank wäre und ihn in dieser Nacht nicht befriedigen könne. Als ich mich weigerte, nannte er mich eine dumme Bürgerin, die nicht fähig sei, die Höhe der kommunistischen Lehre zu begreifen."17) '

Es muß bemerkt werden, daß alle diese Frauen echte Kommunistinnen sind, die die Richtigkeit der kommunistischen Einstellung in keiner Weise anzweifeln, sondern nur über den gräßlichen Zynismus und die Verletzung der Frauenwürde durch das Benehmen der Kommunisten klagen.18) Für die entsprechenden Ansichten der kommunistischen Jugend sind die Resultate einer Rundfrage, welche in Petersburg im Jahre 1927 an den technischen Hochschulen vorgenommen wurde, bezeichnend. In dieser Rundfrage wurde unter anderem auch die Frage gestellt, ob eine ideelle Gemeinschaft bei sexueller Gemeinschaft notwendig sei. 36 Prozent der Studenten beantworteten diese Frage mit einer Gegenfrage: — "Was hat das mit der Ideologie zu tun?" —, und 20 Prozent antworteten: "Mit Ideologie ist's gut, es geht aber auch ohne." Einer der Studenten schrieb: "Ich kümmere mich wenig um die Ideologie; ich möchte, daß die Frau gesund und bereit ist, mich zu befriedigen. Ich fordere von ihr nur eine Sache, die mit Ideologie nichts zu tun hat."19)

 

16)  Prawda, 7. Mai 1925.
17)  Prawda, 7. Mai 1925.
18)  Siehe auch im obenerwähnten Stenogr. Protokoll, S. 155, 169.

465


Die Ansicht, daß zwischen den Geschlechtern nur sexuelle Beziehungen bestehen können, ist bei der kommunistischen Jugend beherrschend. So schreibt die "Prawda":20) "Zwischen Mann und Frau gibt es bei uns nur sexuelle Beziehungen." Auch die Heldin der viel gelesenen Novelle des bekannten Schriftstellers Pantelejmon Romanof "Ohne Faulbaumblüte", sagt: "Wir erkennen keine Liebe an Wir kennen nur sexuelle Beziehungen, denn die Liebe wird verachtet, als etwas Psychologisches, während bei uns nur die Physiologie existenzberechtigt ist. Alle, die in der Liebe etwas anderes als Physiologie suchen, werden ausgelacht und als impotente und anormale Menschen angesehen."

Infolge dieser kommunistischen Einstellung ist jede Frau und jedes Mädchen, wie gesagt, gleichsam "verpflichtet", den sexuellen Trieb des Mannes zu befriedigen. Natürlich geschieht dies durchaus nicht immer ohne weiteres. In solchen Fällen wird gelegentlich auch zu Vergewaltigungen geschritten. Die Vergewaltigung von Frauen ist im Sowjetstaate geradezu zu einer Plage geworden. Die Gerichte sind mit entsprechenden Klagesachen überhäuft; die Zahl dieser Klagen ist im ständigen Wachsen begriffen. Allein vor dem Moskauer Gericht wurden im Jahre 1926 547 Fälle von Vergewaltigungen verhandelt; im Jahre 1927 stieg diese Zahl (für Moskau) auf 726; im Jahre 1928 — auf 849. 

Vor anderen Gerichten steht es ebenso. Im Sowjetleben hat diese Erscheinung eine besondere Bezeichnung, "Tschubarowschina", erhalten, nach der Tschubarof-Gasse in Petersburg, wo 1926 zwei Frauen von einer ganzen Bande junger Kommunisten vergewaltigt wurden. Dieser Fall hat damals sehr großes Aufsehen erregt, da ausschließlich Arbeiter und hauptsächlich Parteimitglieder und Komsomolzy sich daran beteiligt hatten. Dieser Prozeß war für die Sitten der Kommunisten und ihr Verhalten den Frauen gegenüber sehr bezeichnend. 

Bei der Verhandlung wurde durch Aussagen der Angeklagten und Zeugen festgestellt, daß unter der kommunistischen Jugend in Petersburg folgende Grundanschauungen in Bezug auf die Frauen bestanden: "Eine Frau ist lediglich ein Weibchen und kein Mensch. Jede Frau ist eine Dirne, mit der man nach Belieben umgehen kann. Ihr Leben ist nicht mehr wert, als sie für den Verkehr bezahlt bekommt."21) Die Hauptangeklagten behaupteten hartnäckig, daß sie sich durch nichts von den übrigen Mitgliedern des Komsomols unterschieden: ..Alle Komsomolzy sind ebenso eingestellt wie wir, und leben auf dieselbe Weise. 

 

19) Smena, Leningrad, S. 73.
20) Prawda, 9. Januar 1928.
21) Komsomolskaja Prawda, 18. Dezember 1926.

466


Die Vergewaltigung von Frauen

"Das Schlimmste" — bemerkt hierzu die "Komsomoloskaja Prawda" — "ist der Umstand, daß dieser schreckliche Vorgang kein besonderes Verbrechen, nichts Außerordentliches ist, sondern nur ein gewöhnliches, sich ständig wiederholendes Vorkommnis in unserem Leben darstellt."22) Sehr bezeichnend für die Alltäglichkeit dieses Falles ist auch die Aussage eines Komsomolez, der die Vergewaltigung geschehen sah und ruhig weiterging. Er verstand nicht einmal die Frage des Staatsanwalts, weshalb er nicht um Hilfe gerufen hätte.... Ihm schien es zu genügen, daß er sich an der Tat selbst nicht beteiligt hatte. Einer der Angeklagten behauptete sogar, daß eine Vergewaltigung gar nicht stattgefunden habe; es wurde nur ohne Einwilligung der Frau vorgegangen..... Die Spalten der kommunistischen Presse sind voll mit Berichten über derartige Fälle, die in beredter Weise den unglaublichen Zynismus der bolschewistischen Einstellung der Frau gegenüber an den Tag legen.

 

Die "Befreiung der Frau"

Die "Befreiung der Frau" ist etwas, womit die Bolschewiken am häufigsten prahlen. Ein Kenner des vorrevolutionären Rußlands wird immer behaupten dürfen, daß die russische Frau eigentlich keine besondere Befreiung nötig gehabt hätte. Die russische Gesetzgebung hat von altersher der russischen Frau alle persönlichen und materiellen Rechte zugesichert. Die russische Frau war in jeder Beziehung viel freier als die Frau in Westeuropa. Wenn sie auch über keine politischen Rechte verfügte, so darf doch nicht vergessen werden, daß vor dem Kriege auch die Frauen anderer Länder sich fast nirgends am politischen Leben beteiligten. Das Recht des kommunistischen Staates hat nun die Frau und den Mann auf allen Gebieten vollkommen gleichgestellt. 

So schreibt z.B. die Krupskaja, Lenins Witwe: "Die Sowjetrepublik hat als erste den Frauen die volle Gleichberechtigung verliehen. In allen auch noch so fortschrittlichen Demokratien ächzt die Frau unter einem doppelten Joche — dem politischen und dem häuslichen. Die Sowjetmacht hat die Frauen von der häuslichen Sklaverei befreit, von der häuslichen, der rohesten und gröbsten Arbeit. Die Sowjetmacht hat vorbildliche Kindergärten und Krippen eingerichtet und dadurch die Frau von den häuslichen Pflichten befreit." 

Das Blatt der kommunistischen Gewerkschaften, "Trud", bewertet indes die Errungenschaften der Bolschewiken in dieser Beziehung, nicht allen Frauen, sondern den Arbeiterinnen, dieser privilegierten Kaste gegenüber, folgendermaßen: "Was ist vorgenommen worden zur Erleichterung des Lebens der Arbeiterin? — Fast nichts. Auf 1000 Textilarbeiterinnen kommen nur 20 Krippen. Bei den Metallisten ist diese Zahl auf 45 gestiegen.

 

22)  Ebendaselbst, 18. Dezember 1926.

467


Es gibt keine besonderen Räume für die Kinder. Es werden 3 Meter pro Kopf zugeteilt, und das ist alles. Glänzende Beschlüsse über die Befreiung der Frau von der häuslichen Arbeit werden stets zusammengestellt und angenommen. In Wirklichkeit jedoch wird nichts getan."23)

Und wirklich ist die Lage der befreiten und dem Manne gänzlich gleichgestellten Frau im Sowjetstaate eine überaus schwere und erniedrigende. Die allgemeine Verarmung und Arbeitslosigkeit, die schwierigen Arbeitsverhältnisse haben im Lande eine neue Erscheinung ins Leben gerufen — die volle Abhängigkeit der Frau von der Obrigkeit und, als Folge dieser Abhängigkeit, "die Bestechung in natura", das "Trinkgeld der Frau", wie man es dort nennt. Wir finden häufig in der Sowjetpresse Schilderungen derartiger Forderungen und die traurigen Folgen der Ablehnung solcher Anmaßungen.24) 

Die kommunistische Obrigkeit sucht die wirtschaftliche Abhängigkeit der Frau wie auch die Theorie der freien Befriedigung des sexuellen Triebes reichlich auszunützen und anzuwenden. Im April 1929 hat der Oberste Gerichtshof beschlossen, kriminelle Verfahren gegen diejenigen Männer einzuleiten, die von Frauen verlangen, daß sie "aus Dankbarkeit" mit ihnen in geschlechtlichen Verkehr treten. Gegen einen Vorsitzenden des Exekutivausschusses in Derbent wurden auf diesen Beschluß hin 14 Klagen wegen Notzucht an Frauen, die sich um Arbeit an ihn gewandt hatten, eingeleitet.25) 

Ein Krankenhausdirektor, der Kommunist Gulbatof, verlangte von den ihm unterstellten Frauen, unter Androhung ihrer Entlassung, mit ihm geschlechtlich zu verkehren.26) Besonders schwer scheint auch in dieser Beziehung die Lage der Lehrerinnen zu sein. 

"Der <Tschubarowschina>' auf dem Gebiete der Volksaufklärung muß ein Ende gemacht werden. Die Arbeiter des Kommissariats für Volksaufklärung vergessen oft ihre Verantwortlichkeit, ihre Stellung, ihre Autorität und überfallen in unverschämter Weise jede junge Lehrerin. Zuerst suchen sie zu überreden, dann fordern sie unter der Drohung, sie zu entlassen; und wenn das alles nichts hilft, schreiten sie zur Vergewaltigung. So treiben sie es alle, von den jungen Komsomolzen bis zu den ergrauten Parteimitgliedern. Jede junge Lehrerin wird für eine Buhlerin angesehen: dies sei mit ihre Pflicht. Die Kommunistische Partei schweigt hierzu, und einzelne Mitglieder derselben nehmen an diesen Dingen Teil und verlangen, daß junge Lehrerinnen ohne Widerstand diesen natürlichen Tribut leisten."27)

 

23) Trud, 15. und 16. Dezember 1928.
24)  Siehe im vorliegenden Sammelwerke den Aufsatz "Kommunismus als Beamtenherrschaft".
25)  Iswestija, 6. Juli 1929.
26)  Ebendaselbst.

468


Ein anderes Blatt, die Arbeiter-Zeitung, teilt mit, daß in Sibirien viele Lehrerinnen plötzlich entlassen worden sind. 18 von diesen sei es gelungen zu beweisen, daß ihre Entlassung nur wegen Nichterfüllung der Begierde ihres Vorgesetzten erfolgt sei; sie wurden darauf wieder angestellt.28) "Wir haben geschwiegen, da wir Not litten und unser Brot nicht verlieren wollten. Da ich es weiß, was meine Leidensschwestern durchmachen, habe ich mich dazu entschlossen, alles offen zu beschreiben, um neuen Opfern vorzubeugen" — schreibt die Lehrerin Tarassowa, die Leiterin der Elementarschule im Gouvernement Rjasanj.29)

Um nichts besser gestaltet sich die Lage der Arbeiterinnen, dieser zu der besonders bevorzugten Menschen­klasse gehörenden Frauen im Sowjetstaate. In der Fabrik "Katuschka" des Gouvernements Smolensk wurde eine ganze Reihe von Werkmeistern und Arbeitern, durchweg Kommunisten, wie auch der Vorsitzende der Gewerkschaft selbst, angeklagt, daß sie ihre Stellung als Vorgesetzte mißbraucht hätten. Sie hätten von Frauen verlangt, mit ihnen in geschlechtlichen Verkehr zu treten und die Widerspenstigen entlassen.30) Frauen, welche die Arbeitsbörse besuchen, müssen sich den sexuellen Forderungen des Vorsitzenden fügen, um Arbeit zu erhalten.31) 

Die Kommunisten versuchen sogar, hie und da das feudale Recht, "ius primae noctis", einzuführen. Die führende Parteizeitung erzählt, wie der Kommunist Petrowski, Direktor einer Fabrik in Turkestan, von dem Fabrikwächter, einem Usbeken, der die Absicht zu heiraten hatte, verlangte, ihm seine Braut für die erste Nacht zur Verfügung zu stellen. Da er warnte, daß er eine Absage weder vergeben noch vergessen werde, gab der Bräutigam nach kurzem Widerstand seine Einwilligung hierzu. Schwerer war es, schreibt die Prawda, die Einwilligung der Braut zu erhalten, aber auch dies gelang schließlich.32)

 

Die Prostitution

Die Kommunisten lieben darauf hinzuweisen, daß infolge der freien sexuellen Beziehungen im Sowjetstaate die schmachvolle soziale Erscheinung der Prostitution vollkommen verschwunden sei. Diese Behauptung wird auch oft von Ausländern naiver Weise wiederholt. Die amtlichen Angaben der Sowjets widerlegen jedoch diese Behauptung vollkommen.

 

27) Trud, 23. Dezember 1928.
28)  Rabotschaja Gaseta, 12. September 1929.
29)  Iswestija, 6. Juni 1929.
30)  Trud, 22. Mai 1928.
31)  Trud, 15. Juni 1928.
32)  Prawda, 25. April 1928.

469


Ja, die Untersuchungen des Instituts für Geschlechtskrankheiten stellen, leider ohne genaue Zahlenangabe, fest, daß die Prostitution in ständigem Wachsen begriffen sei; dies ist auch bei der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage der Union überhaupt und der Frauen insbesondere ohne Weiteres erklärlich. Auf die Frage, was eigentlich sie bewogen habe auf die Straße zu gehen, gaben 95 Prozent dieser Frauen dieselben Antworten: aussichtslose Not infolge lang-dauernder Arbeitslosigkeit, Abbau, Scheidung, Notlage der Angehörigen usw. Unter den Prostituierten befinden sich bis zu 40 Prozent Töchter des früheren Adels, der Kaufmannschaft und des Beamtentums. Indes sind auch Töchter von Arbeitern bis zu 27 Prozent vertreten.33)

 

Zusammenfassung 

So sehen die Ergebnisse der kommunistischen Frauenbefreiung und des kommunistischen Kampfes gegen die Familie aus. Selbst die Kommunisten müssen diese Ergebnisse feststellen. So schreibt z. B. ein führendes Blatt unter anderem: "Es gibt Leute, die behaupten, daß gerade wir durch unsere Propaganda der freien sexuellen Beziehungen derartige Ergebnisse erzielt haben. ,Ihr seid es', — erklären diese Leute, — ,die das ernten, was sie gesät haben! Da habt ihr eure Jugend! Seht euch eure jungen Kommunisten an'." Darauf schließt die Zeitung betreten: "Es muß zugegeben werden, daß derartige Erscheinungen in einer gesunden proletarischen Atmosphäre nicht zulässig sind."34)

Noch bezeichnender für die herrschenden Zustände ist die Kritik, die in der obenerwähnten Plenarsitzung des WZIK. aus dem Munde der beteiligten Arbeiterinnen und Bauern kam. Die ganzen Verhandlungen machten den Eindruck eines Kampfes des gesund fühlenden Volkes gegen die leitende Kommunistenschicht — eines Kampfes für die Erhaltung und Förderung des Familienlebens. Es galt, — der "tatsächlichen Ehe" den Rechtsschutz zu entziehen und der "befreienden" Zermürbung des Familienlebens ein Ende zu setzen. Mit dieser "Prostitution muß Schluß gemacht werden" . . . "Es muß in dem Gesetze gesagt werden, daß die Vielweiberei und die Vielmännerei, die mehrfache Ehe nicht zugelassen wird." .... "Der Paragraph 27 gibt den Frauen das Recht, sich einen männlichen Harem einzurichten." ..... "Jedes Jahr wird bei uns eine Million Kinder geboren", für die Alimente ausgezahlt werden müssen. ..... Steigt die Anzahl der "tatsächlichen Ehen", so steigt auch die Anzahl "der verwahrlosten Kinder"...... "Seht doch, wie viele verwahrloste Kinder bei uns herumlaufen."

 

33) Angaben des Forschungsinstitutes für Geschlechtskrankheiten; siehe auch bei Salkind. "Nowaja polowaja Moral". Moskau. 1927.
34)  Iswestija, 6. Juni 1928.

470


...... "Unser Staat ist nicht imstande, die Kinder zu verpflegen und sie zu bevormunden." ... "Die gegenwärtige Verwahrlosung der Kinder muß zum großen Teil auf den Zerfall, auf die Zermürbung der Familie zurückgeführt werden." ... "Wenn wir diesen Weg beschreiten, so befürchte ich, daß wir ganz Rußland in eine ununterbrochene allgemeine Ehe verwandeln werden. Ich weiß nicht, vielleicht will Genosse Kursky auf seine alten Tage diese Lebensordnung einsegnen, oder vielleicht ist es hauptsächlich dem Genossen Krylenko erwünscht" ...35) usw. Die Sitzungen gingen zu Ende, und das neue Gesetz wurde doch eingeführt. Selbst der frühere Volkskommissar für Volksaufklärung, Lunatscharsky, legt eine gewisse Besorgnis an den Tag, wenn er sagt: "Man muß doch verstehen, daß die Familie an sich nicht nur ein bürgerliches Vorurteil ist. Unter den gegebenen Verhältnissen, bei denen der Staat noch nicht alle Kinder erziehen kann, muß die Familie bestehen."36)

Die Kommunisten führen eine eifrige Propaganda unter den Frauen in West und Ost. Immer fordern sie besonders die Frauen auf zum Eintritt in ihre Organisationen und in die Verbände, die "zum Schutze der Revolution" errichtet werden. Sie wissen, daß jede Revolution zum Mißerfolg verurteilt ist, wenn sie nicht von den Frauen gestützt wird. Sie legen einen besonderen Wert auf den Erfolg ihrer Propaganda unter den Frauen. 

So möge denn das Schicksal der Frauen im Sowjetstaate den Frauen aller Länder zur Warnung dienen! 37)

 

 

*

35)  Siehe den erwähnten stenographischen Bericht im "Sbornik" etc., S. 135, 130, 164, 96, 180, 191, 143, 141, 154-55.
36)  Krasnaja Gaseta, 28. Februar 1928.
37)  Ergänzende Ausführungen zu dem behandelten Thema findet der Leser in dem Aufsatze "Die Zermürbung des Familienlebens im Sowjetstaate" von Prof. Dr. I. Iljin in "Das Notbuch der russischen Christenheit" (Eckart-Verlag, Berlin 1930).

471


Top