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12. Das Geburtstrauma: Wie es unser Leben dirigiert

 

 

 

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Die Vorstellung eines Geburtstraumas mag Außenstehenden völlig bizarr, wunderlich oder mystisch erscheinen; auch ich tat mich zuerst schwer, daran zu glauben. Vor Jahren mahnte ich einen Patienten, dass ich ihn entlassen werde, wenn er noch einmal erwähne, dass er die Geburt wiedererlebe. Ich habe es zwei Jahre lang an Patienten beobachtet, bevor ich es endlich akzeptierte, hauptsächlich weil ich es mit Neurologen besprochen hatte, die mir sagten, sowas sei unmöglich.

Das Geburtstrauma ist eine wahre und messbare Erfahrung. Aufgrund seiner hohen Schmerzvalenz ist es in ungeübten Händen auch ein höchst gefährliches Ereignis. Rebirthers, aufgepasst! Wenn man/frau sich über die Evolution der Gehirnfunktion hinwegsetzt und versucht, ein uraltes Gehirn zu sondieren, lange bevor die Person bereit ist, erhält man/frau Schmerzen außerhalb der natürlichen Reihenfolge, die aus der Tiefe des Gehirns an die Oberfläche drängen und den Kortex überlasten, der dann sonderbare Ideen und mysteriöse Symptome erzeugt. Das Resultat für den Patienten ist unvermeidlich Verwirrung.

Am anderen Extrem liegt die traditionelle Einsichtstherapie, die das zerebrale Mobiliar neu arrangiert und oft einen siedenden Kessel qualvoller Gefühle und Empfindungen hinterlässt, die im Untergrund brodeln und schäumen, ohne jemals das Tageslicht zu erblicken. Wir könnten argumentieren, dass Patienten in der Psychoanalyse häufig offen weinen; gewiss war das der Fall, als ich psychoanalytische Therapie praktizierte. Aber es ist das kortikale, erwachsene Gehirn, das "über etwas weint", und nicht das Babygehirn, das wie ein kleines Kind weint.


Aber dieses Babygehirn muss unbedingt involviert sein, und letztendlich auch das fetale Gehirn; der Grund: Sie brauchen die Erfahrung der Vergangenheit, nicht einfach die intellektuelle Erinnerung. Noch einmal: Heilung kann nur dort einsetzen, wo die Wunde liegt. Wenn die Wunde im Alter von einem Jahr liegt, muss genau jenes Gehirn beteiligt sein.

Wenn jemand durch eine Geburtssequenz geht und auch nur wie ein Kleinkind weint, ist es sicherlich eine vorgetäuschte Erfahrung. Patienten aus ungefähr vierundzwanzig Ländern sind durch diese Erfahrung gegangen, und ich habe von keinem von ihnen jemals ein Wort gehört; keiner konnte von Armen und Beinen Gebrauch machen. Sie wird niemals jemandem eingeredet, noch ist sie geplant. Sie geschieht, wenn der Patient bereit ist. Das Weinen eines Zehnjährigen hört sich anders an als das Weinen eines neugeborenen Kindes. Beide Arten werden eindeutig in unterschiedlichen Arealen des Gehirns organisiert. Durch die speziellen Laute des Weinens, die der Patient nach der Sitzung niemals wiederholen kann, wissen wir, dass wir zu Erinnerungen aus der Kleinkindzeit vorgestoßen sind. Wie wir sehen werden, ist Verknüpfung aus guten neurologischen Gründen eine sine qua non. ((unverzichtbare Bedingung)).

 

IST DAS UNBEWUSSTE GEFÄHRLICH?

Unglücklicherweise besagt der theoretische Zeitgeist*, dass es gefährlich sei, in das Unbewusste einzutauchen. Das ist ein Auswuchs religiöser Philosophie des neunzehnten Jahrhunderts, die für den Glauben eintritt, dass wir alle von Dämonen bewohnt seien, die niemals losgelassen werden dürfen. Es gibt keine Dämonen! In uns wohnen Bedürfnisse und Schmerzen, die aus deren Nichterfüllung resultieren. Sie sind erfahrbar. Am Anfang des Lebens besteht ein Bedürfnis nach Sauerstoff.

Je tiefer, je weiter hinab wir ins Gehirn gelangen, umso weniger verformbar wird es, weil wir es mit basalen Überlebensfunktionen zu tun haben. Umgekehrt, je höher wir im Gehirn steigen, umso flexibler wird es. Das ist der Grund, warum Ideen „verrückt werden" können (d.h., höchst sonderbare Ansichten fabrizieren können). Es ist nicht unsere Aufgabe, Ideen zur Norm zurück zu bringen, sondern vielmehr, die überwältigenden Feelings zu normalisieren, die diese Ideen zum Beispiel in paranoide Kanäle lenken. Natürlich machen das die meisten psychiatrischen Praktiker, ohne es anzuerkennen. Sie benutzen Tranquilizer, um Gefühle zu normalisieren, reden dann mit den Patienten und helfen ihnen, die Ideen durchzugehen. „Im Grunde", könnte der Doktor sagen, „wissen Sie, dass niemand Botschaften von Europa durch den Fernseher schickt, um Ihre Brüste abzuschneiden." Das war die Wahnvorstellung einer Patientin von mir. Sie glaubte aufrichtigen Herzens, dass sie solche Botschaften erhalte, und konnte von dieser Idee nicht abgebracht werden.

 

* orig. im engl. Text: "zeitgeist"

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In unseren Sitzungen haben wir diese Idee nie angesprochen. Stattdessen beschäftigten wir uns mit ihren Gefühlen. „Sie wollen mich entstellen, damit ich mich hässlich fühle," sagte sie. Dieser Wahnvorstellung lag zugrunde: „Ich fühle, dass sie mich nicht mögen.... Ich muss so hässlich sein, dass sie mich überhaupt nicht mögen." Die Botschaft, der Gedanke wurde geschickt, damit sie sich hässlich fühlte und deshalb unerwünscht, oder unerwünscht und deshalb hässlich. Das bezog sich darauf, wie ihre Eltern sie behandelt hatten.

Die Grundlage dieser Wahnidee war das Gefühl, nicht geliebt zu sein. Wenn jemand immer wieder zu erkennen gibt, dass er nicht bei uns sein will, ergibt sich der offensichtliche Schluss, dass er oder sie uns nicht mag; und so fühlen wir uns ungeliebt. Wenn diese Person für uns der einzige Mensch auf Erden ist und unser Leben, von ihm abhängt — Unterhalt, Obhut, Schutz und Liebe —, dann ist die geringste Zurückweisung katastrophal. Wir können unser Gehirn nicht aus eigener Kraft entwickeln. Wir brauchen den Input der Pflegeperson. Seine oder ihre Liebe bestimmt über unser Gehirn. Seine oder ihre Zurückweisung deformiert unser Gehirn.

Wir folgten der Spur des Feelings (unerwünscht zu sein) in der gerade erwähnten Patientin zurück zur Geburt, wo sie in Gefahr war, durch Ersticken zu sterben. Das wurde im Lichte des späteren Verhaltens ihrer Mutter interpretiert als: „Sie wollte nicht, dass ich lebe." Natürlich erzeugten erst jahrelange Erfahrung elterlicher Kälte und Gleichgültigkeit das voll entwickelte Gefühl. Der Anstoß und die Kraft jedoch, die Kraft, die den frontalen Kortex bis an die Grenzen und darüber hinaus beanspruchte, war die Geburt. Wir müssen darüber keine Vermutungen anstellen. Wir messen die Gehirnwellen und Vitalfunktionen der Patienten, die dem Geburtstrauma nahe kommen, und finden sprunghaft ansteigende Messwerte. Die Erfahrung des Geburtstraumas ist, was sie ist, aber spätere Erlebnisse werden dann anders interpretiert. Seine Kraft wird in das spezielle Trauma eingeschleust, das später erlebt wird. Hier wurde es zu einem Bestandteil von: "Sie will nicht, dass ich lebe."

Vorstellungen können kompliziert werden, Gefühle jedoch nicht; somit sind sie viel einfacher zu behandeln. Nehmen Sie Krebsforscher, die rauchen oder Arzte, die zuviel trinken. Ungeachtet der Vorstellungen, die der frontale Kortex hegt, haben die Gefühle und Bedürfnisse Vorrang. Zuerst muss die Person einen Weg finden, um zu eigenem Wohlbefinden zu gelangen. Dann kann sie mit ihrem Leben vorankommen. Das Unterbewusste birgt Motive, von denen der Kortex nichts weiß. Weil Vorstellungen flexibel und grenzenlos sind, ist der konventionelle Therapeut gezwungen, ein endloses Labyrinth aus Glaubensüberzeugungen zu betreten. Er ist dann in der Position eines Entprogrammierers, der versucht, die Person von ihren Ideen abzubringen. Das ist alles unnötig und unwirksam.

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Müssen Individuen in Qual versinken, die sie bereits erlebt haben? Warum den Patienten unter Schmerz setzen? Der Schmerz wurde niemals voll erlebt. Das Gehirn ließ es nicht zu. Es weigerte sich, auf den Mangel an Liebe zu reagieren, sodass die Reaktivität blockiert war. Das Ereignis wurde nur zum Teil erlebt. Der andere Teil wurde im Dunkeln unter Verwahrung gehalten. Hier liegt der Schlüssel zum Fühlen – Reaktivität. Es ist die Reaktion auf überwältigendes Fühlen, die unterdrückt worden ist.

Es gibt einen internen Verwalter, der die Reaktivität aus zwei Gründen einschränkt: (1) um zu verhindern, dass die Vitalwerte und Vitalfunktionen, Blutdruck und Herzschlag, auf ein gefährliches Niveau klettern, und (2) um den internen Druck vom Kortex fern zu halten, sodass er nicht überlastet wird und nicht auseinanderbricht. Wir sehen, was Rebirther in ihrer Therapie freisetzen, und wie es die Person oft verrückt macht. Traurigerweise ist sich die Person oft dessen nicht bewusst. Vielmehr glaubt sie, sie habe eine göttliche Erscheinung gehabt und das kosmische Bewusstsein erreicht. Auch das Halluzinogen LSD setzt tiefe Schmerzen frei und vermindert die kortikalen Integrationsfähigkeiten. Und wiederum sehen wir bizarre Ideenbildung, die irrtümlich für eine bestimmte Art mystischer Erfahrung gehalten wird

Wie in vielen Aspekten menschlichen Verhaltens ist der Eingang gleich dem Ausgang. Um aus dem Schmerz herauszukommen, müssen Sie in ihn hineingehen. Dennoch versuchen viele aktuelle Methoden, von der Akupunktur zur Massage, von der Traumanalyse zur Bioenergetik, von der Verhaltenstherapie und Vitaminberatung zum „Pflaster" (fürs Rauchen), Symptome ohne Schmerz zu lösen.

Wer wünschte keinen schmerzlosen Ausweg aus dem Leiden? Damit aber ignorieren wir biologische Gesetze. Es gibt keine Magie. Wir hatten Erlebnisse, die unsere Neurobiologie veränderten, und wir müssen uns mit diesen Erlebnissen befassen, wenn wir normal werden wollen. An anderer Stelle diskutiere ich die Speichelkortisol-Messungen, die wir an unseren Patienten vornahmen. Nach mehreren Monaten Therapie kam es zu einem signifikanten Absinken dieser Werte. Dies bedeutet, dass die Person unter weniger Stress steht und von weniger Spannung angetrieben wird. Das ist eine Art, wie wir wieder normal werden.

Sollten wir „schlafende Hunde nicht wecken"? Das geht nicht, weil wir es auf einer Ebene des Gehirns die ganze Zeit fühlen. Auf dieser Ebene schläft nichts. Deshalb sind die Stresshormon-Spiegel so chronisch hoch. Mittlerweile suchen wir den einen Doktor wegen dieser Symptome auf: hoher Blutdruck, Allergien, Hyperthyreoidismus, Kolitis, Spielsucht; und den anderen Doktor wegen Phobien, Zwangsvorstellungen, Perversionen und Alkoholismus. Dennoch gibt es oft eine einzige Pille, einen Tranquilizer, der sie allesamt behandeln kann. Schmerz ist das gemeinsame Substrat in vielen dieser Fälle.

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Natürlich gibt es genetische Tendenzen, Umwelteinflüsse, etc., aber Schmerz darf nicht übersehen werden, besonders eingeprägter Schmerz; vor allem nicht der Schmerz, bevor wir unseren Eltern offiziell begegneten. Es ist eine Erleichterung, nicht alle drei Tage eine Migräne zu haben, sich nicht überessen zu müssen oder nicht von sexuellen Impulsen kontrolliert zu werden. Es ist eine Erleichterung, nicht ständig Angstattacken zu erleiden, nicht mit Blutdruckmedikamenten oder Beruhigungsmittel und Pillen gegen Depression leben zu müssen. All das wird kurz gesagt durch ein außergewöhnliches Wohlgefühl ersetzt. Die Person wird endlich lebendig, nachdem sie ihre Leblosigkeit gefühlt hat, weil sie fühlt. Fühlen ist ein kleiner Preis für diese Freiheit. Wenn die Schmerzen schließlich abtreten, kommt es zu diesem wunderbaren Gefühl von Lebendigkeit – „lebendig", weil wir fähig sind zu reagieren. Das ist keine utopische Vorstellung. Es ist eine beobachtbare Tatsache.

Zu oft fühlen wir, dass wir dem Leben nichts abgewinnen können, eben weil wir nicht voll reagieren können. Die Verdrängung hat in unserem Innern alles abgestumpft. Wir schauen uns Kinder an, die so lebendig sind, und wir mögen uns fragen, wo wir diese Fähigkeit verloren haben. Wir wachsen aus diesem Enthusiasmus, dieser Lebensfreude nicht heraus. Wir verlieren sie mit den Jahren, weil uns unsere eigenen Gefühle fremd werden.

Je entfernter der Schmerz, umso tiefer die Verdrängung und umso größer die Befreiung, wenn er gefühlt wird. Durch die Art, wie eine Patientin atmet, wissen wir, dass sie die Empfindungen ((sensations)) des Geburtstraumas wiedererfährt. Ihre Äußerungen haben einen anderen Tonus, eine andere Energie, einen anderen Rhythmus. Wir stellen das in Dierdre's Geburtsfeelings fest.

In der folgenden Fallgeschichte werden wir feststellen, wie Dierdre durch das Gefühl ihrer Hoffnungslosigkeit außer Gefecht gesetzt wurde. Sie war so unbeweglich, dass sie sich nicht mehr zu helfen wusste, weil das die ursprüngliche Einprägung war, wo sie sich nicht selbst helfen und nicht reagieren konnte. Sie hatte das alte, vertraute von der Geburt stammende Gefühl, „festzustecken." Wir bemerken ihr Fortschreiten vom Weinen über ihre Probleme in der Gegenwart hin zur Intrusion ((Eindringen)) von Hirnstamm-Einprägungen – Husten und Würgen. Von da fiel sie in ein „bewusstes Koma", wie viele Patienten es beschreiben – „Ich bin im Raum, aber ich bin nicht im Raum." Sie weinte darüber, dass sie ihre Mutter vermisste, und wegen des Bedürfnisses nach Körperkontakt. Dann glitt sie in einen lautlosen Zustand delphinartiger Bewegungen. Das Atmen fiel ihr schwer, und ihr war, als würde sie sterben. Sie kam aus dem Erlebnis mit der Einsicht heraus, dass sie tat, was sie konnte und die Hoffnung auf Wärme und Hilfe verlor. Sie fühlte die Ursprünge ihres Feststeckens und ihrer Einstellung, dass sie sich nicht selbst helfen könne.

Sie verstand allmählich, dass sie das Drama ihrer Hoffnungslosigkeit in ihrem Leben aufführte, wo sie Re-Akteur war anstatt Akteur. Bei der Geburt, als der Tod nahte, hatte sie keine Gelegenheit zu kämpfen.

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DIERDRE

 

Was hat es dir gebracht, Primärgefühle wiederzuerleben?

Warum gehst du durch den ganzen Prozess? Nehmen Sie einfach ein Beispiel aus meinem Leben, seit ich in Primärtherapie bin. Seit den letzten sieben Jahren bin ich Pflegemutter für zwei Kinder, und ich wurde zu einer Gerichtsverhandlung vorgeladen, wo der Richter entscheiden sollte, ob die Kinder ihre biologischen Eltern besuchen müssen oder zu ihnen zurückgehen müssen. Ich fühlte mich sehr schlecht. Mein Kopf raste, ich war voller Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Mir war, als würde ich zu etwas gezwungen, das ich nicht zulassen wollte. Meine Gedanken liefen jeden Tag auf die Hoffnung hinaus, diese ganze Situation durch Selbstmord beenden zu können.

Ich ging zu einer Primärgruppe ((Gruppensitzung)). Ich sagte der Therapeutin, wie hoffnungslos und verzweifelt ich mich fühlte und dass ich mich in dieser Situation total alleingelassen fühlte und dass es für mich keine Hilfe gab. Mein Herz war gebrochen. Ich glaubte, dass ich alles verlieren würde, was ich in meinem Leben jemals besaß, und dass ich nichts dagegen tun könnte. Ich spürte auch Wut: Wut gegen den Richter und die Jugendbehörden.

Niemand konnte mir helfen, ich konnte mir selbst nicht mehr helfen – ich fühlte, dass ich total feststeckte, wusste nicht, was ich tun sollte und verstand nicht mehr, was vor sich ging. Ich schrie jeden an. Wie können sie es wagen, es auch nur in Betracht zu ziehen, dass diese Eltern, die meinen Pflegekindern schreckliche Dinge angetan haben, die Kinder besuchen oder sie sogar zurückhaben dürfen? Ich fing zu weinen an. Ich war hilflos und geschlagen. Mein Körper fühlte sich immer schwächer an. Ich fühlte mich hilflos. Ich spürte die Angst, die Kinder zu verlieren. Ich spürte, dass alles, was ich je für sie getan habe und alles, was ich je in meinem ganzen Leben tat, wertlos war. Während mein Weinen lauter und tiefer wurde, fing ich zu husten an. Mein Weinen hörte sich anders an und kam mehr aus den Tiefen meines Inneren. Ich fühlte, dass mein ganzer Körper in purem Schmerz versunken war. Das Husten wurde stärker und ich fühlte ein Bedürfnis hochkommen, das Bedürfnis, dass mir jemand hilft. Ich bat sie immer lauter, mir zu helfen, und meine Stimme veränderte sich. Sie wurde höher.

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Dann verlor ich die Verbindung zu den Therapeuten und zu dem Raum, in dem ich mich befand, und innerlich fühlte ich mich ganz klein, als sei ich wieder ein Kind, und plötzlich erkannte ich, dass all meine Hoffnung auf Hilfe auf meine Mutter zentriert war. Ich wollte, dass sie mich hielt und tröstete. Ich folgte meinem Impuls, gehalten zu werden, indem ich mich in die Arme meiner Therapeutin flüchtete; aber ich vermisste meine Mam’, und ich weinte ganz tief, und es hörte sich an, als würde ein Kind weinen. Und während ich weinte, begriff ich, dass meine Mutter nicht da war, damals, als ich ein Kind war, und ich spürte, wie eine Riesenwut in mir hochkam, gemeinsam mit einem ungeheuer großen Bedürfnis nach ihr. Ich verlangte danach, dass sie mir half und meine Schmerzen linderte, aber sie kam nicht, und während ich sie noch immer anflehte, für mich da zu sein, erkannte ich, dass ich meine Hoffnung verlor, sie werde jemals zu mir kommen. Ich gab auf.

Erinnerungen an Situationen in meiner Kindheit überschwemmten mich, wo ich meine Mutter brauchte, wo mir aber die Erfüllung meines Bedürfnis wieder und wieder versagt blieb. Mein Feeling wurde größer; mein ganzer Körper war darin verstrickt. Ich hustete wieder, dieses Mal viel stärker. Ein ganz starkes Bewusstsein, dass sie mir nicht halfen, kam in mir hoch, und ich fand mich wieder in totaler Wut, die mein ganzer Körper zum Ausdruck brachte. Zusammen mit dieser Wut fühlte ich das reine Bedürfnis, getröstet zu werden, Körperkontakt und Berührung von meiner Mutter zu bekommen, und ich wollte sie bei mir haben. Spontane Schmerzensschreie drangen mit einer Kraft aus meinem Mund, die ich mir nie hätte vorstellen können. Gleichzeitig begriff ich, dass sie immer da war, aber nie zum Ausdruck kam. Mein Mund stand weit offen, und ich konnte meinen Körper überhaupt nicht bewegen, und kein Ton kam mehr aus meinem Mund. Und lautlos begann sich mein Körper wieder zu bewegen, aber mit Wut. Ich musste aus dieser unerträglichen Situation herauskommen, in der ich den Trost und die Unterstützung, die ich verzweifelt brauchte, nicht mehr bekam.

Ich gehorchte dem Druck und tat etwas, das ich in diesem Moment nicht tun wollte aber tun musste, um zu überleben. Ich verlor völlig die Kontrolle über mich und über das, was ich ursprünglich wollte (weiterhin unter dem Trost und der Wärme meiner Mutter zu bleiben). Ich fühlte den Druck, dass mich etwas zurückhielt und mich nicht mehr atmen ließ, und mit intensiver Kraft bewegte ich mich wie ein Delphin; ich wusste, ich musste gegen den Tod kämpfen. Meine Lungen schmerzten, mein ganzer Körper fühlte sich wund an. Ich fühlte mich total allein. Es schien, als würde ich auf etwas warten, lange Zeit warten. Aber nichts geschah. Ich verlor die Hoffnung auf Hilfe, Trost und Wärme. Und ich fiel wieder in Agonie, weil ich alles verloren hatte.

Und noch während ich dieses Feeling wiedererlebte, erkannte ich mit Erleichterung: dass dies dasselbe mächtige Feeling ist, das meine Realität beeinträchtigt.

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Mein Fühlen und mein Verstand begannen sich in dieser Situation zu verknüpfen, und ich verstand, dass es meine Geburt war und die unmittelbar folgende Zeit, wo ich tat, was ich konnte, um zu überleben. Ich wollte leben, aber ich fühlte, dass ich deswegen alles verlor – mit meiner Mutter zusammen zu sein, die Hoffnung auf Beistand.

Ich hörte auf, um Hilfe zu bitten. Für den Rest meines Lebens lebte ich alleine. Und ich begriff, dass ich zurückgehen und diesen alten Schmerz fühlen musste, darüber, dass ich die Wärme meiner Mutter für immer verloren hatte, um zu verstehen, warum ich mir nicht holen konnte, was ich brauchte. Dieses Feeling wurde größer, weil mich meine Mutter in der Kindheit in Situationen nicht unterstützte, in denen ich ihre Hilfe brauchte. Ich entwickelte das Verhalten einer völlig unabhängigen Person.

Diese Feelings haben mich mein ganzes Leben in schwierigen Situationen angeleitet und mich zu falschen Entscheidungen geführt, durch die ich alles verlor, weil ich immer meine Hilflosigkeit ausagierte – dass ich nicht bekam, was ich brauchte, und aufhörte, auf irgendwas zu hoffen, nachdem ich alles getan hatte, um geboren zu werden. Jetzt bin ich in der Lage, in dieser Situation etwas zu tun. Ich möchte kämpfen für das, was ich für richtig halte. Ich gebe nicht einfach nach. Ich bitte um Hilfe, wenn ich es nicht alleine machen kann. Nachdem ich das Primärfeeling gefühlt hatte, war ich überhaupt nicht mehr suizidal. Ich spürte, dass mir etwas in meinem Inneren die Kraft gab, mich auf meine Probleme zu konzentrieren und nicht auf alte Feelings aus der Vergangenheit.

Lange Zeit später begann ich, darüber zu reden, wie sehr dieses Feeling nach der Geburt dem Feeling ähnlich ist, das ich in der Gegenwart hatte, als ich über diese Gerichtsverhandlung informiert wurde und dass ich befürchten müsse, die Kinder zu verlieren; und Dinge tun müsse, die ich nicht tun will. Es war so sehr ein und dasselbe. Ich war suizidal, weil meine Geburt lebensbedrohlich war und auch, weil ich fühlte, dass mein Bedürfnis im Sterben lag, und als es starb, starb ich mit ihm. Und als ich das erzählte, weinte ich wieder wie eine Erwachsene, aber mit Erleichterung, da ich wusste, dass es jetzt Hilfe gab. Ich kann meine Freunde fragen, ich kann Anwälte und Angestellte der Jugendbehörden fragen, und ich muss nicht mehr in Agonie versinken. Ich kann jetzt etwas tun.

Ich habe mich sehr verändert. Ich habe Freunde, und ich will meine Freundschaften halten. Was ich tue, betrachte ich jetzt mit anderen Augen, und allmählich werde ich mit mir selbst zufriedener denn je. Ich stehe am Anfang einer neuen Beziehung und ich bin offen für die Freundlichkeit meines Partners. Ich fange an, mich selbst als wichtig genug zu betrachten, um wählen zu wollen, was ich wirklich machen will, und um mir selbst genug Zeit zu geben, bevor ich in schwierigen Situationen Entscheidungen treffe. Ich gebe nicht gleich auf, wenn ich nicht geradewegs bekomme, was ich will, und ich bin offen für Ratschläge anderer Leute. Ich blicke vertrauensvoll in meine Zukunft, weil ich weiß, dass ich nicht mehr im Griff des Geburts- und Kindheitstraumas bin. Ich kann wählen, und ich kann meiner Natur trauen – Ich bin eine aktive Person, die sich auch ausruhen kann. Ich freue mich darauf, dem Selbst zu begegnen, das ich sein werde, weil ich einen Weg fand, wie ich meine Vergangenheit daran hindern konnte, mich zu etwas zu machen, das ich nicht war.

 

 

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13   DER STRESS-FAKTOR  

Ein anderes Gehirn wird aufgebaut  

 

 

Erwachsene Ratten, die als Jungtiere kräftiges Lecken und Striegeln erfahren hatten, waren erkundungs­freudiger und neugieriger als diejenigen, die nicht geleckt und gestriegelt worden waren. Sie besaßen auch eine "Fülle von Gehirnrezeptoren für eine Klasse angstreduzierender, schmerzstillender Substanzen, die Benzodiazepine genannt werden".

Es gibt andere Rezeptoren, die involviert sind, einschließlich derer für die Neuropeptide Oxytozin und Vasopressin. (Ausführlich erörtert im Kapitel 17 über Oxytozin) Diese sind wichtig für das Bindungs­verhalten der Eltern zum Kind und umgekehrt. Der entscheidende Punkt, den ich wegen seiner Wichtigkeit immer wieder anführen werde, ist, dass Berührung ganz am Anfang wesentlich für die Entwicklung eines gesunden Gehirns ist. Ungeachtet der beteiligten Neurosäfte ist klar, dass fehlende Liebe die chemischen Substanzen im Gehirn verändert und schließlich die Struktur dieses Gehirns verändern kann. Wie der kleine Baum, der in seiner Kindheit krumm gewachsen ist, weicht das „verkrümmte" Gehirn danach vom Normalzustand ab.

Pränatal gestresste Ratten zeigten im Verhalten nach der Geburt große Angst. Wenn sie im Mutterleib gestresst wurden, wiesen sie nach der Geburt ein Stress-Syndrom auf. Diese scheinbar harmlosen Fakten haben immense Bedeutung, weil sie darauf hindeuten, dass intrauterine Ereignisse später im Leben dauerhafte Auswirkungen haben. Aber einige dieser Wirkungen können möglicherweise durch Ereignisse gleich nach der Geburt aufgehoben werden. Ratten, die direkt nach der Geburt gestreichelt wurden, zeigten einen verminderten Ausstoß des Stresshormons Kortikosteron. In einer Reihe von Studien ist das Hormon Glukokortikoid als wichtiger Faktor mit der Vermittlung des Stress-Syndroms in Zusammenhang gebracht worden.

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 Es stellte sich heraus, dass Stress bei Tieren wie der Baumspitzmaus die Serotoninrezeptoren reduziert, ein Ergebnis, das sich in zahlreichen Tierstudien fand. Diese Studien enthüllen, dass die Abwesenheit einer Mutter gleich nach der Geburt zu erhöhten Stresshormonwerten mit Schädigung gewisser kortikaler Zellen und hippocampaler Orte führt. Diese Nachricht ist gut und schlecht. Je früher wir Liebe erfahren, umso stärker ist unsere Serotonin-Endorphin-Sekretion und umso besser fühlen und verhalten wir uns später. Im Gegensatz dazu schwächt der Mangel an früher Liebe das Verdrängungssystem und mindert unsere physiologische Fähigkeit, später im Leben mit Stress fertig zu werden.

Nach erfolgter Deprivation bleibt das System kontinuierlich unter Stress, weil es im Innern ein elektro­chemisches Signal gibt, das regelmäßig „ungeliebt" aufleuchten lässt. Dieses Signal gibt eine Reihe von Anweisungen: Scheide diese Substanz ab, stoppe die andere, reduziere dieses Hormon, erhöhe das Insulin, ändere die Blutplättchen, ändere die natürlichen Killerzellen des Immunsystems. Diese Abweichungen sind die Kompensationsmechanismen für fremdes Eindringen. Liebe entspricht der natürlichen Ordnung der Dinge. Mangel an Liebe ist eine fremde Macht. Sie ist unerfülltes Bedürfnis, das den Alarm auslöst.

Forscher haben das fetale Stress-Syndrom beschrieben. Es unterscheidet sich nicht vom Stress-Syndrom in Kampfhandlungen. Ein Baby, das nicht gut schläft, unglücklich ist und sich unwohl fühlt, weist alle Anzeichen des posttraumatischen Stress-Syndroms auf (PTSS). Der einzige Unterschied besteht darin, dass wir den Ursprung des Baby-Stresses im Gegensatz zu den Kampfstrapazen nicht „sehen" können. Das Baby war ganz für sich in einen Kampf verwickelt, als es versuchte, der Strangulierung durch die Nabelschnur zum Trotz geboren zu werden. Es hat noch keine Worte, um jemanden von seiner Tortur zu erzählen. Es kann zittern und eine schwere Schreckreaktion zeigen, aber wenige Erwachsene können diese Zeichen richtig deuten. Auch für den Fetus, der am Rauch, den die Mutter inhaliert, würgt und fast erstickt, ist es ein Kampf ums Überleben. Und es ist einem Fetus nicht möglich, „Normalität" und Wohlbefinden zu wahren, wenn die Mutter Alkohol zu sich nimmt, der das Gehirn des Fetus verändert.

Der hohe Stressspiegel bei einer schwangeren Mutter ist nicht nur von Kortisol-Sekretion begleitet, sondern der anhaltende Kortisol – Ausstoß schädigt auch den Hippocampus des Babys, dessen Aufgabe es ist, neue Erinnerung zu verankern. Als Ergebnis kann der Erwachsene seine Gefühle nicht artikulieren oder sich nicht recht gut erinnern. Wenn Hoffnungslosigkeit früh einsetzt, wenn man /frau zum Beispiel versucht, geboren zu werden, und nichts tun kann, um herauszukommen, kommt es zu entsprechend hohen Kortisolwerten, die Verwüstung anrichten und Gehirnzellen zerstören.

 

 

ANMERKUNGEN  1–7

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