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4. Die Hypnose  

 

 

 

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Würde ich sie auffordern, einem Glas Essig den Geschmack von Champagner abzugewinnen oder es als angenehm zu empfinden, wenn ich Ihnen eine Nadel in den Arm steche, oder ins Dunkel zu blicken und dabei die Pupillen zu verengen, als ob Ihnen ein starkes Licht in die Augen schiene, oder irgend etwas — egal, was — für wahr zu halten, was Sie normalerweise absolut nicht glauben: dann würden Ihnen diese Aufgaben schwer, wenn nicht sogar unlösbar vorkommen. Hätte ich Sie jedoch zuvor den Induktionsprozeduren der Hypnose unterzogen, würden Sie das alles auf mein erstes Wort hin ohne die geringste Mühe schaffen.

Wie das? Wie ist es bloß möglich, ein derart übers Normalmaß hinausschießendes Fähigkeitspotential aufzurufen?

Es scheint, daß wir in eine ganz andere Welt eintreten, wenn wir jetzt die vertraute Atmosphäre der Poesie verlassen und uns in den fremdartigen Dunstkreis der Hypnose begeben. Denn in der vielköpfigen Familie von Problemen, die das Arbeitsfeld der Psychologie ausmachen, ist die Hypnose das schwarze Schaf. Wie eine unerwünschte Monstrosität wandert sie hin und her zwischen Laboratorien und Jahrmärkten, Kliniken und Varietetheatern. Nie scheint sie genügend Seriosität aufbringen zu können, um sich der disziplinierteren Gangart wissenschaftlicher Theorie anzubequemen. Ja, schon die bloße Möglichkeit ihrer Existenz scheint all unseren «natürlichen» Vorstellungen von bewußter Selbstkontrolle auf der einen und allen wissenschaftlichen Persönlichkeitsbildern auf der anderen Seite zu widerstreiten. 

Nichtsdestoweniger sollte außer Zweifel stehen, daß jede Theorie über das Bewußtsein und sein Zustandekommen, will sie sich nicht aus der Verantwortung drücken, sich der mit diesem abweichenden Typ der Verhaltenskontrolle gegebenen Problematik stellen muß.


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Meine Antwort auf die zu Beginn dieses Kapitels gestellte Frage dürfte wohl kaum noch überraschen: Die Hypnose vermag dieses zusätzliche Befähigungspotential aufzurufen, weil sie das allgemeine bikamerale Paradigma anspricht, das eine absolutere Verhaltenskontrolle gestattet, als sie mit dem Bewußtsein möglich ist.

Ich gehe sogar so weit zu behaupten, daß keine andere Theorie außer der in diesem Buch vorgetragenen in der Lage ist, das hier zur Geltung kommende Grundproblem überhaupt sinnvoll darzustellen. Denn wäre die derzeitige Mentalität des Menschen, wie meistenteils angenommen wird, ein unwandelbares Merkmal, genetisch bedingt und zu irgendeiner Zeit weit zurück in der Evolution der Säuger oder noch früher entstanden — wie ließe sie sich dann so abändern, wie das in der Hypnose geschieht? Abändern noch dazu allein mit ein bißchen eher komisch wirkendem Hokuspokus von Seiten einer anderen Person? Nur wenn wir die genetische Hypothese verwerfen und das Bewußtsein als erlernte kulturelle Fähigkeit betrachten, deren Substrat die Residuen eines älteren, autoritäreren Typs der Verhaltenskontrolle sind — erst dann sehen wir uns in der Lage, derartige Veränderungen im Seelenzustand in einen einleuchtenden systematischen Zusammenhang zu bringen.

Tragendes Gerüst des vorliegenden Kapitels ist demnach der Aufweis, daß und in welchem Annäherungsgrad die Hypnose die vier Aspekte des bikameralen Paradigmas in sich faßt. Bevor ich mich allerdings an diese Aufgabe mache, möchte ich so klar wie möglich einen entscheidend wichtigen Zug an der Ursprungsgeschichte der Hypnose herausstellen. Es handelt sich dabei um etwas, wovon bereits im Zweiten Kapitel des Ersten Buches (Seite 65 ff) und im Fünften Kapitel des Zweiten Buches (Seite 3i7f) die Rede war, nämlich um die generative Kraft der Metapher, die sich in der Erzeugung neuer Mentalitätsstufen äußert.


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  Die Paraphoranden der Newtonschen Kräfte  

Wie das Bewußtsein erwächst die Hypnose an einem bestimmten Punkt der Geschichte aus den Paraphoranden einiger neuer Metaphern. Die erste dieser Metaphern bildete sich im Anschluß an Sir Isaac Newtons Entdeckung des Prinzips der universellen Gravitation und dessen Anwendung zur Erklärung der Gezeiten des Meeres aus der Anziehungskraft des Mondes. Die rätselhaften Anziehungs-, Beeinflussungs- und Dominanzverhältnisse unter Menschen wurden daraufhin mit den Newtonschen Gravitationskräften verglichen. Der Vergleich führte zu der neuen (und aberwitzigen) Hypothese, derzufolge zwischen allen Körpern, ob lebend oder tote Materie, zu- und abnehmende Fluten der Anziehung vorherrschen: eine «animalische Gravitation», von der die Newtonsche Gravitation lediglich einen speziellen Fall darstelle.1

Mit Händen zu greifen ist das alles in den romantisch-verworrenen Schriften eines grenzenlosen Bewunderers von Newton namens Anton Mesmer, der in diesem Fall den Stein ins Rollen brachte. Und dann gesellte sich dazu eine weitere Metapher oder, besser gesagt, zwei. Die Schwerkraft ähnelt der Magnetkraft. Infolgedessen -nämlich da (wenigstens für Mesmers oberflächliche Denkweise) zwei Dinge, die einem dritten ähnlich sind, auch einander ähnlich sind — ist die animalische Gravitation das gleiche wie die magnetische Anziehungskraft und kann daher als «animalischer Magnetismus» bezeichnet werden.

Und damit war die Theorie endlich wissenschaftlich überprüfbar geworden. Um die Existenz dieser alle Lebewesen durchflutenden, der Gravitation der Himmelskörper ähnelnden magnetischen Schwingungskräfte zu beweisen, legte Mesmer Magnete an eine Reihe hysterischer Patientinnen an, denen er zuvor sogar Gaben eisenhaltiger Medikamente verabreicht hatte, damit der Magnetismus bessere Wirkung zeitigte.

 

1)  Eine vollständige Darstellung der Geschichte der Hypnose steht noch aus. Vgl. jedoch vorläufig: F. A. Partie, Brief History of Hypnotism, Handbook of Clinical and Experimental Hypnosis, hg. von J. E. Gordon, New York: Macmillan 1967. Vgl. ferner den historiographischen Beitrag von einem der bedeutendsten Experimentatoren auf dem Feld der Hypnose: Theodore Sarbin, Attempts to Understand Hypnotic Phenomena, Psychology in the Making, hg. von Leo Postman, New York: Knopf 1964, S. 745-784.


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Und wie er zeitigte! Und was er zeitigte, waren unanfechtbare Resultate nach dem Kenntnisstand damaliger Zeit. Die Magnete lösten konvulsivische Zuckungen aus, wobei, so Mesmer, «im Körper eine künstliche Ebbe und Flut» geschaffen und mittels magnetischer Anziehung «ungleichmäßige Verteilung und verworrener Fluß des Nervenfluidums» korrigiert wurden, was wiederum «Nervenharmonie» zur Folge hatte. Er hatte «bewiesen», daß von Mensch zu Mensch Kraftströme fließen, so mächtig wie die Kräfte, die die Planeten auf ihren Umlaufbahnen halten.

Natürlich hatte er nicht das mindeste über Magnetismus oder dergleichen bewiesen. Sondern er hatte etwas entdeckt, was späterhin von Sir James Braid unter Zuhilfenahme des Metaphorators «Schlaf» auf den Namen Hypnose getauft werden sollte. Mesmers Kuren schlugen an, weil er seine exotische Theorie seinen Patienten mit mitreißender Überzeugungskraft nahezubringen wußte. Die heftigen Zuckungen und eigenartig ziehenden Körperempfindungen beim Anlegen der Magnete verdankten sich samt und sonders einem kognitiven Imperativ des Inhalts, daß eben diese Dinge eintreten würden, was sie dann auch taten — und damit war eine Art selbsttätiger, selbstverstärkender Regelkreis installiert, der als «Beweis» dafür galt, daß die Magnete funktionierten und eine Heilung zu bewirken vermochten. 

Wir sollten uns in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß man im alten Assyrien keinen Begriff vom Zufall hatte und daß deswegen der Ausgang des Losewerfens von den Göttern gelenkt sein «mußte»: Ganz genauso kannte man im achtzehnten Jahrhundert den Begriff der Suggestion noch nicht, und deshalb mußte alles, was sich da tat, von den Magneten bewirkt sein.

Als man dann dahinterkam, daß nicht nur Magnete selbst, sondern auch Trinkgefäße, hölzerne Sachen, Menschen oder Tiere, die man zuvor mit einem Magneten in Berührung gebracht hatte, diese Wirkungen zeitigten (ein Aberglaube heckt den anderen!), rückte die ganze Sache in einen neuen (mittlerweile den vierten) Metaphernbereich hinüber, nämlich auf das Feld der statischen Elektrizität, die zu damaliger Zeit — man denke etwa an Benjamin Franklins Drachen — eifrig erforscht wurde.


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Mesmer gelangte zu der Überzeugung, es existiere eine «materia magnetica», die genau wie die statische Elektrizität übertragbar sei auf eine endlose Vielfalt von Gegenständen. Vor allen Dingen Menschen — und ganz besonders Mesmer selbst — vermochten den Magnetismus aufzunehmen und zu speichern. Wird ein Kohlestab mit einem Stück Fell bestrichen, lädt er sich elektrisch auf: Also mußte Mesmer seine Patienten bestreichen, als ob sie Kohlestäbe wären. Auf reguläre Magnete konnte er jetzt verzichten und auf seinen eigenen animalischen Magnetismus zurückgreifen. Indem er die Körper seiner Patienten bestrich, als seien sie Kohlestäbe, oder andeutungsweise mit den Händen über sie hinfuhr, erzielte er die gleichen Ergebnisse wie zuvor: Zuckungen, eigenartige, spiralig ziehende Empfindungen und die Heilung von Leiden, die späterhin den Namen «Hysterien» erhalten sollten.

 

Hier kommt es nun ganz entscheidend darauf an, sich Klarheit über den Paraphorandenwandel (wie man ihn nennen könnte) zu verschaffen, der aufgrund jener Metaphern in den beteiligten Personen vor sich ging. Wir entsinnen uns: ein Paraphorand sind die in den Metaphoranden projizierten Assoziationen (Paraphoratoren) eines Metaphorators. Metaphorand sind im vorliegenden Fall die Einflüsse, die Menschen aufeinander ausüben. Metaphoratoren — dasjenige, womit diese Einflüsse verglichen werden — sind die unerbittlichen Kräfte der Gravitation, des Magnetismus und der Elektrizität. 

Und ihre Paraphoratoren: absoluter Zwang im Verhältnis zwischen Himmelskörpern, unaufhaltsame Ströme aus Massen von Leidener Flaschen und unwiderstehliche magnetische Flutwellen, das alles wanderte auf dem Weg der Projektion in den Metaphoranden «zwischenmenschliche Beziehungen» mit ein und bewirkte dort einen handgreiflichen Wandel als Wandel im psychischen Wesen der beteiligten Personen, indem es diese in ein Meer unkontrollierbarer Kontrolle eintauchte, die von dem «magnetischen Fluidum» im Körper des Therapeuten — oder in Gegenständen, die das Fluidum von ihm «angenommen» hatten — ausging.

Es ist zumindest denkbar, daß es eine andersartige Mentalität war, was Mesmer zu entdecken im Begriff stand, eine Mentalität,


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