1915
Am 15. Jänner 1915, bei großer Kälte mussten wir fort. Schwer trennte ich mich von meinen Lieben. Ich musste mich mit dem Gedanken trösten, bald alle wieder zu sehen. Wir rückten nach St. Pölten ein und hatten eine 3tägige Untersuchung vor uns. Ich ließ mir recht Zeit. Ich glaubte, sie könnten genug zusammenbringen, dass ich übrig bleibe.
Ich wurde zum Infanterieregiment 49 eingeteilt. Über Nacht wurden wir in eine Schule eingesperrt und bewacht. Dann ging es mit der Bahn nach Wien. Dort wurden wir von einer Patrouille übernommen und zum Kommando, welches sich tief im 19. Bezirk befand, gebracht. Wir wurden in eine Fabrik gebracht und mussten auf unseren Koffern sitzend übernachten. Es lagen mehrere auf dem Boden und erwachten bei unserem Kommen. Ich traf unverhofft einen guten Kollegen aus meinem Heimatdörfl, den Gerstl Franz aus Ritzenberg. Er kam wegen eines Leidens zurück von der Front und fuhr in die Heimat. Groß war unsere Freude und die Nacht verging sehr rasch.
Morgens, um 7 Uhr gab es schon die Vergatterung der Rekruten. Und nun ging das richtige Soldatenleben an. Anfangs rückten wir mit unserem Gewand aus, dann bekamen wir eine Montur. Sie war ganz durchlöchert, dass wir uns in unserer Flickkunst üben konnten. Die Abrichtung war auch nicht angenehm, da man mit den Gedanken immer wo anders war. 3 Wochen gingen so dahin. Dann kam der Befehl. 700 Mann mussten zum gerlitzischen Infanterieregiment Nr. 80 nach Knittelfeld in die Steiermark. Auch mich traf es und mussten anderen Tages gleich fort.
Es war mir nicht leicht, dass ich von einem deutschen zu einem polnischen Regiment musste. Das eine Gute war, dass wieder ein Bekannter zu mir kam. 2 Nachbarn von mir und ein unbekannter Kollege aus meiner Heimat. Wir waren in einem Zug und blieben auch. Von Ende Jänner bis März blieben wir dort und wurden wieder frisch ausgebildet. Die Menage war sehr schlecht, sodass man glaubte verzweifeln zu müssen. Die von zu Hause nichts bekommen haben waren ganz verlassen. Da war es unsere Pflicht, mit den anderen das Wenige zu teilen, dass uns das Leben nicht ganz verdross.
So verbrachten wir das Leben wie Baraber. Die Nächte verbrachten wir auf Strohsäcken auf dem Boden liegend. Zum Reinigen war keine Zeit, bei lauter Übungen und Ausrücken bei großer Kälte, bei Eis und Schnee. Das dauerte bis zum 15. März.
Dann mussten wir schwören, was einen halben Tag dauerte. Es wurde in 5 Sprachen geschwört, weil so viele Nationen beisammen waren. Dann marschierten wir in voller Rüstung nach Sergendorf, ein Stück weg von Knittelfeld, wo wir einquartiert wurden. Wir hatten keinen Dienst mehr. Wir mussten immer marschbereit zum Abmarsch an die Front sein.
Am 17. gingen wir zu Beichte und zur Kommunion. Urlaub gab es bei diesem Regiment keinen. Und so mussten wir am 18., ohne unsere Lieben zu sehen, an die Front.
Ein Paket mit Lebensmittel und Geld, das ich sehr notwendig brauchen konnte, erwischte mich noch im letzten Augenblick. Das war eine Freude.
Mit Gesang und Musik zogen wir durch die mit Menschen überfüllten Straßen zum Bahnhof.
Mit Blumenschmuck am Gewehr und Kragen, begeistert durch die Zurufe der Landbevölkerung ging es fort unserem Elend entgegen. Wir fuhren am Abend über Leoben, über den Semmering nach Wien-Nordbahnhof. Dort gab es Menage und wurden von den Einwohnern beschenkt. Vom Roten Kreuz bekamen wir Kaffee, was uns Freude machte.
Nun ging es wieder fort über Deutsch-Wagram, Strasshof, nach Gänserndorf, Angern, Stillfried (50 km von Wien). Rabensburg, Bernhartstal, Ludenburg, über Mähren, Pitschk, Pärlewitz, Ungarisch Buditsch, Martinsberg, nach Mährisch Ostrau.
Wir kamen dort am 21. um 6 Uhr früh an und bekamen schwarzen Kaffee. Dann ging es wieder weiter nach Odenburg in Schlesien, war eine schöne Industriestadt, auch Ditmansdorf. Dann kamen die Ortschaften Bernwitz, Seibersdorf, Poschna, Sitzbi, Deinditz, 340 km von Wien. Dann Karlewik, 357 km. Kraszorwitze, 387 km. Nach Krakau, 411 km.
Dann wurde schon immer geredet, dass unsere Fahrt bald zu Ende sein wird und wir unserer Bestimmung übergeben werden. In Bwesko verließen wir um 21 Uhr die Bahn und marschierten noch nachts dem Feind zu. Eiskalt überlief es uns, wenn wir daran dachten, dass es bald ernst wird. Wir marschierten 2 Tage bei sehr schlechtem Wetter. So viel Morast, dass man fast stecken blieb, und dazu die 40 kg schwere Rüstung. Die Menage war sehr schlecht, es gab kaum was zu essen. In Gromnik blieben wir vom 24. März bis 3. April.
Meine ersten Ostern im Weltkrieg!
Karsamstag abends um 4 Uhr, gingen wir noch in die Stellung. Kot war bis an die Knöchel, dass man kaum noch gehen konnte. Unser Unterstand war eine Grashütte mit Reisig bedeckt, wo Regen und Schnee durchfiel und wir uns mit Hilfe von Zeltplachen ein wenig ausrüsten konnten. Tagsüber waren wir immer beschäftigt. Gewehrputzen, dann war wieder Visite, dann hieß es wieder ausrücken und Übungen machen. So wurde man abdressiert sodass man fast verzweifelte und sich am liebsten selbst das Leben nehmen wollte. Das war unsere erste Osterstimmung im Weltkrieg.
Ostermontag marschierten wir wieder ab nach Gworozieli. Bei strömendem Regen mussten wir samt unserer Maschinengewehrabteilung durch einen stockfinsteren Wald. Wir versanken fast und mussten jeder Mann einzeln durchgehen und war kein Leichtes am Ende des Waldes das zerrissene Bataillon wieder in Ordnung zu bringen.
Wir marschierten wieder weiter ohne zu rasten oder zu schlafen. Wer Geld hatte, kaufte sich was zum Essen, die anderen mussten so vorlieb nehmen. So verging Ostern und nur „vorwärts" hieß der Ruf, ein Zurück gab es nicht mehr. Dann kamen wir in eine Stadt, da hieß es Rasttag und Kirchgang. Um auch etwas von Ostern zu wissen. So kauften wir 3 „Kassern" die wir beisammen waren, von einem polnischen Juden 1 Liter Wein, der 3 Kronen kostete. Er war aber so schlecht, kaum zu trinken. So verging der Tag, am Abend hieß es wieder Rüstung umschnallen, dann gings dem Schützengraben zu.
Marschierten die ganze Nacht, war wohl jeder verzagt. Aber man konnte nichts machen, man musste geduldig mit und wenn man auch die Füße verloren hätte. Um 3 Uhr in der Früh kamen wir im Schützengraben am Flusse Donanitz an. Wir mussten ein anderes Bataillon ablösen, welches zur Impfung in die Stadt zurück musste. Unter fortwährender Schießereien vergingen 2 Tage. Die Russen wollten immer durchbrechen bis zum Fluss. Es gab auch einige Verwundete. Wir hielten die Stellung bis 12 Uhr nachts. Dann hieß es wieder rüsten und bereit sein zum Abmarsch. Ohne sich auszurasten marschierten wir bis Okszgen, dann nach Woskowitze, da wurden wir einquartiert, in einer Schule neben einer schönen Kirche.
Die Schule war ganz schön, aber die Liegestatt schlecht. Auf dem Boden liegend, lag einer fast auf dem Anderen. So verbrachten wir 14 Tage und mussten immer in Bereitschaft sein und durften uns in den Straßen nicht zeigen. Es war ohnehin nicht viel zu sehen. Die Bewohner waren alle ausquartiert. Schaufenster und Auslagen waren alle eingeschlagen. Auch die Posten waren in den Geschäften untergebracht. Sie schauten mit den Köpfen aus den Auslagenfenstern. Alles war besetzt vom Militär. Wir verbrachten unsere Zeit mit Exerzieren, was wir hinter der Schule machen mussten. Von wo uns oft die einfallenden Granaten vertrieben, dass wir uns verstecken mussten.
Auch die Kirche war durchgebombt von Granaten. Im Dunkeln durfte kein Licht gemacht werden, damit die Schule nicht in Brand gesteckt wurde. Was an Zeit übrig blieb, hieß es putzen und flicken. So vergingen 14 Tage. Dann hieß es wieder packen und rüsten. Zeitlich in der Früh mussten wir fort. Da es hieß, der Russe will durchbrechen. Und marschierten bei Regen und Kälte, auch Überschwemmung war, dass wir halbmannshoch im Wasser standen, über Felder und Wiesen und kamen mit Mühe und Gefahren neben der Stellung an. Dort wurden wir tropfend von Nässe untergebracht. Wir schmiegten uns eng aneinander um uns zu wärmen. So verging die Nacht und 1 Tag. Dann ging es zugsweise in die Stellung zur Verstärkung, dass der Russe nicht durchbrechen konnte.
Die Kugeln schwirrten durcheinander, es war keine Ruhe, dazu quälte uns der Hunger, denn die Menage war wenig und schlecht. In unserer Nähe waren Erdäpfel eingegraben, der Hunger ließ uns die Kugeln und die Gefahr vergessen, und liefen hin, obwohl unser Leben am Spiel stand. Es glückte uns doch. Kochten sie im Wald, wo wir wieder achten mussten, dass die Russen durch den Rauch nicht angelockt wurden. So verging ein Tag um den anderen. Gräber waren auch dort im Wald von unseren Kollegen, die wir wieder auffrischten und schmückten. So verging die Zeit bis 27. April.
Da hieß es wieder rüsten und marschierten zurück in die Stadt, wo wir vorher waren. Dann kamen wir zurück durch einen Ort, von wo uns der Russe mit Artillerie beschoss, und wo wir mit voller Rüstung im Laufschritt durchmussten, wobei einige Kameraden verwundet wurden. Die Häuschen, wo wir einquartiert waren, wurden auch vom Feind in Brand gesteckt. So verging wieder ein Tag. Und bei Nacht mussten wir auf einen hohen Berg marschieren und noch dazu 100 kg schwere Munitionskisten mit hinaufschleppen. Wenn man bedenkt, was das heißt, volle Rüstung, solche Kisten, und ganz matt und erschöpft, ist keine Kleinigkeit. Endlich kamen wir in den Schützengraben.
Wurden gleich eingeteilt, jeder in seine Stellung, wo man auf Posten stand. Ich kam zu einem Schießloch, wo ich gedeckt auf dem Bauch liegen musste und auf den Feind aufpassen. Wäre fast angefroren während der 2 Stunden, bis ich abgelöst wurde.
So kam der 30. April!
Da kam der Befehl, der gegenüberliegende Berg musste gestürmt werden. Als wir vorgingen und der Feind bemerkte dass wir einen Angriff machen wollten, zündete er die Häuser an, dass er sehen konnte, was wir vorhatten. Wir konnten nicht stürmen, so kam der Befehl „nicht weiter", sonst geht das ganze Regiment drauf. Soll sich jeder eingraben, wo er steht und auf Weiteres warten. Um Mitternacht grub jeder was er konnte, um sich zu schützen. Als es dämmerte, bemerkte der Russe, dass bei uns etwas los sein musste und ließ seine Artillerie auf unsere Anhöhe schießen. Wir verkrochen uns so gut wie es möglich war in unseren Löchern. Um so stärker wurde die Schießerei. Etwa 20 Schritte hinter uns fielen die Schüsse ein. Wir konnten nichts machen als uns verkriechen so gut es ging. Unsere Artillerie fing auch an zu schießen. Da ging ein Trommelfeuer los. Erde flog herein in die Schützengräben, als würde es jemand hereinschaufeln. Schon ganz gehörlos waren wir, von den Schüssen und dachten es kommt unser letztes Stündlein. Alles war schon ganz dunkel vor unseren Augen, vor lauter Rauch. Und wir konnten nichts machen, mussten zuschauen.
Das war der Anfang. 1. Mai! Zum Vormarsch zum Durchbruch bei Gorlice!
Um 12 Uhr mittags kam der Befehl, um 2 Uhr wird gestürmt. Die Schießerei hörte auf und wir richteten uns zusammen. Punkt 2 Uhr hieß es „auf zum Sturm". Wie die Russen sahen, dass wir aus den Schützengraben gehen, ging die Schießerei erst recht los. Konnten nur sprungweise vorgehen. Mehr als 10 Schritte konnte man nicht machen. Musste man sich wieder mit den Spaten eine Deckung machen. So gingen wir vor bis in das Dorf, das am Vortag von den Russen angezündet wurde. Dort sammelten wir uns hinter den Häusern, bis alle beisammen waren, bis auf jene die tot oder verwundet waren. Dann hieß es vor zum Stürmen. Nun ging es mit „Feuer" den Berg hinauf. Dann war noch ein Fluss inzwischen, wo wir hinüber mussten. Die Russen schossen noch immer. Nachdem der Fluss durchgewatet war, wobei uns das Wasser bis an die Brust reichte, ging es wieder mit „Feuer" den Berg hinauf. Die Russen schossen immer weniger, und als wir hinaufkamen, sah und hörte man nichts mehr. Sie machten Rückzug, nur die Toten und verwundeten ließen sie zurück. So war es für uns leicht, den Berg zu stürmen.
Wir mussten uns in Schwarmlinie auflösen. Feldwachen wurden aufgestellt, wobei wir bei scharfem Wind in unserer nassen Kleidung auf dem Bauch liegen mussten. So verging die Nacht unter Frieren und Schütteln am ganzen Körper. Bei anbrechendem Morgen hieß es wieder weiter ohne zu rasten oder schlafen immer näher dem Feind zu. Bei einem Walde hieß es, da werden die Russen bald sein. Und richtig stoßen unsere Vorpatrouillen bald auf dieselben. Da ging die Schießerei los mit dem Gewehr und mit den Maschinengewehren. Das dauerte eine Stunde dann wurde mit beidseitigen Verlusten gestürmt. 300 ließen sich fangen. Die anderen traten den Rückzug an. Hätten wir am ersten Tag früher gestürmt, hätten wir eine Partie Artillerie auch erwischt welche die Russen stehen ließen und mit den Pferden davonritten. Während wir stürmten, holten sie dieselben. Wir sahen es zu spät. Obwohl wir mit den Gewehren nachschossen, kamen sie glücklich durch damit. Die 300 Russen wurden entwaffnet und zurückgeführt. Wir aber gingen immer weiter, trotz aller Mattigkeit und Müdigkeit. Das Essen war sehr wenig. Bei einem Vormarsch sieht man die Küche nur alle 3 bis 4 Tage.
So ging es fort, Tag und Nacht. Durch Dörfer, die immer durchsucht wurden, ob kein Feind versteckt oder ob kein Verrat verübt wurde. Denn es kam vor, dass durch ganz kleine Bemerkungen Verrat verübt wurde. Entweder durch einen unterirdischen Telefon, oder sie trieben ein Stück Vieh über die Felder, oder es fing eine Windmühle zu laufen an, wobei sich der Feind auskannte, und seine Artillerie zu schießen begann. Durch solches gingen manche Regimenter drauf, die in Kolonnen marschierten und nicht gefasst waren, und sich auch nicht schützen konnten. So kamen wir in die Stadt Duschow.
Wir kamen um eine Stunde zu spät, sonst hätten wir 3 russische Fahnen erwischt, deren Regimenter aufgerieben und gefangen waren. Sie wurden von einigen überlebenden Russen in Sicherheit gebracht. Wir durchsuchten die Stadt und fanden unter verlassenen Häusern auch Lebensmittelmagazine. Wir stillten unseren Hunger, nahmen mit was wir konnten und verließen die Stadt.
Und fort ging es wieder mit Sack und Pack über Berg und Tal. Mussten durch Flüsse wo wir stellenweise bis zum Hals waten mussten.
So kam der 7. Mai.
Kamen auf eine Höhe neben dem Walde, wo wir die Russen aus ihren Stellungen vertrieben hatten, welche den Rückzug antraten. Nur die Kosaken machten einen Sturmangriff, wobei wir wieder Verluste hatten. Auch 2 Freunde von mir wurden schon verwundet. Sie kamen zurück zum Verbandplatz und ins Spital. Der eine davon, Kirschner Franz aus Texing, starb bald an seinen Verwundungen und der andere, Prankl Leopold aus Wagram bei St. Pölten, wurde ziemlich ausgeheilt und dann als Schwerinvalide in die Heimat entlassen. Ein dritter Freund von mir, Salzer Josef aus Texing, ging mit den beiden zurück auf den Verbandplatz. Er übergab sie dort und wollte uns dann wieder nachfolgen. Wir aber hatten eine andere Richtung eingeschlagen. Er verfehlte uns und lief den Russen in die Hände. So verlor ich an einem Tag drei meiner liebsten Freunde. Einer meiner Arbeitskollegen aus der Heimat blieb noch übrig. Wir schlossen uns zusammen und marschierten wieder weiter und sagten uns, lang wird es bei uns auch nicht mehr dauern. Tun wir halt mit, solange es geht. So gings Tag und Nacht, ohne zu schlafen. Voll Hunger und Mattigkeit.
So kam der 9. Mai!
Wir stießen wieder auf die Russen und es war wieder starkes Feuer. Der Russe ging wieder aus seiner Stellung und trat den Rückzug an. Wir gingen wieder vorwärts. Unterdessen bekam ich durch das unregelmäßige Essen und den Entbehrungen die Ruhr. Ging vom Marsch zur Marschvisite und dachte mir, vielleicht gelingt es mir doch, dass ich zurückkomme ins Spital um mich auszukurieren und auszurasten. Aber ich hoffte umsonst. Der Arzt gab mir Pulver und sagte, ich solle langsam hinter der Kompanie nachgehen. Aber das wollte keiner. Keiner wollte von seinen Kameraden getrennt sein. Der Arzt sagte, ein Zurück gibt es nicht - nur ein Vorwärts. Not bringt Eifer, so versuchte ich, weil die Pulver auch nicht halfen, den Absud von unserem Konservenkaffee. Marschierte ich in meinem Zustand mit, das Blut rann mir durch die Hose, und ging nicht weg, dachte mir entweder leben oder sterben, ich tu mit, solange, es geht. Nahm fleißig den Kaffe und heilte mich so ziemlich aus.
So kam der 10. Mai!
Wir trafen wieder auf russische Schwarmlinien und so kam es wieder zu einem großen Gefecht, welches 4 Stunden dauerte. Dann gingen wir vor, mussten einen Fluss durchwaten, bis an den Hals standen wir im Wasser, da es doch viel regnete in dieser Zeit. Dann gings den Berg hinauf, wo wir wieder beschossen wurden und oben angelangt ging der Feind aus seiner Stellung und sammelte sich unter dem Berg um uns zu stürmen. Wir bemerkten seine Absicht und gingen in schnellster Linie vor, um die Russen gefangen zu nehmen. Wie wir auf 100 Schritte bei ihnen waren, bemerkte der Hauptmann die große Anzahl der feindlichen Soldaten und rief „nicht mehr weiter, sonst sind wir alle verloren". Wir wollten nicht hören und liefen noch 50 Schritte. Da kam uns der ganze Rudel entgegen und wir schossen unser 80 Mann gleich stehend zurück. Der Feind schoss was er konnte.
Neben mir sank ein Kamerad, durchs Herz getroffen, zusammen. Ich riss ihm gleich die Kleidung auseinander, um ihm trotz des fürchterlichen Kugelhagels zu verbinden, aber er war schon tot. Dann mussten wir mit „Feuer" den Sturm auf die Russen, die noch in den Schluchten standen, fortsetzten. Sie warfen ihre Gewehre weg und gaben die Hände hoch. Sie waren so erschreckt über unseren Angriff. Sie glaubten wir seien ein ganzes Bataillon, dabei waren wir nur 80 Mann. Wir nahmen sie gefangen. Es waren 800 Mann. Wir gingen mit ihnen zurück zu den unseren. Und dann noch über einen Berg, dass wir besser geschützt waren, denn wir wurden immer beschossen. Dann wurden die Gefangenen aufgestellt. 4 und 4 wurden eingeteilt. Dann wurden von uns 12 Mann ausgesucht, wo ich auch dabei war, um sie zum Kommando zu bringen. Ein Zugsführer ging mit, der alles über hatte. Ich hatte 6 Russen, über die Maschinengewehre hingen, die gingen ganz zum Schluss. Die waren ganz unwillig über die Last. Wäre fast notwendig gewesen, ich hätte sie selber getragen.
Als ich hörte, dass ich mitmusste, freute ich mich. Wir marschierten von vormittags bis 1 Uhr nachts. Wir, mit voller Rüstung, 40 kg, und mit leerem Magen. Wir machten öfter Rast und da hatten mir die Russen meine Reserve, Zwieback, schon abgebettelt. Die hatten Speck bei sich und schwarzes Brot, wovon sie mir gaben und ich meinen Hunger stillte. Nach der Übergabe bei der Nacht bekamen wir schwarzen Kaffee, worüber wir froh waren, einmal was Warmes zu bekommen.
Dann mussten wir in den Häusern ein Lager suchen. Dies dauerte eine Weile, bis wir eine Unterkunft fanden. Vom Schlafen war keine Rede mehr. Frühzeitig mussten wir wieder heraus. Zum Anziehen gab es nichts, da wir sowieso mit den Kleidern schliefen. Und zum Kochen gab es auch nichts, da wir nur das hatten, was wir bettelten. So machten wir uns auf den Rückmarsch zur Kompanie. Tag und Nacht mussten wir marschieren, dass wir wieder zu unseren Kameraden kamen. Und anstatt etwas zu essen, war das erste, ein Verweis vom Hauptmann, wo wir solange waren. Wo doch die Kompanie immer vorwärts ging, wo kam die schon hin, während wir mit den Russen zurückmarschierten. Und dann der weite Rückweg, bis wir sie wieder einholten. Als Belohnung für den Fang der Russen kam der Befehl, dass alle 80 Mann Belobung haben. Die Chargen wurden befördert und bekamen eine Medaille. Und die Chargenstellvertreter wurden ebenfalls befördert, wo auch ich Gefreiter wurde. Die andern mussten mit der Belobung zufrieden sein.
So vergingen die Tage und wir kamen immer näher zur Grenze, immer weiter entfernt von der Heimat, wo wir schon traurigen Herzens daran dachten, unsere Lieben nicht mehr zu sehen. Und die Strapazen die man mitmachte, den Hunger den man litt, die Kälte die man ausstand.
Unglaublich was der Mensch alles aushalten kann. Die Pferde fielen um, eins ums andere. Die hielten nicht soviel aus. Immer weiter ging es, nur „vorwärts" hieß es, entweder leben oder sterben.
So kommt der 11. Mai!
Da kamen wir in der Nacht wieder an. Wir mussten uns mit Sack und Pack ein Nachtlager suchen. Ein Ausziehen gab es nicht, da wir immer bereit sein mussten, und auch vor den Überfällen der Kosaken nicht sicher waren.
Als Menage bekamen wir Suppe, ein Stücklein Fleisch und schwarzen Kaffee. Was aber nur unseren Appetit reizte. Hunger hatten wir für zehn. Die Nacht verging. Früh wurde gefragt wer krank ist, obwohl wir schon alle spitalsbedürftig waren. Ganz trostlos und verlassen fühlten wir uns schon. Nur hie und da kam die Feldpost und jede Zeile war erfrischend für unser trauriges Gemüt. Aber so manche Karte war für Kameraden dabei, die ihren Lieben nicht mehr antworten konnten. Die hatten schon ausgelitten und waren von uns in die kühle Erde gesenkt worden. Ja so manche Angehörigen wissen heute noch nicht wo ihr Gatte, Sohn, oder Bruder hingekommen ist. Mussten oft elendig zugrundegehen und wir konnten nicht helfen, obwohl wir taten was möglich war.
Kam der 16. Mai!
Marschierten wieder den ganzen Tag und bei der Nacht kamen wir, es war ein ganzes Bataillon, die Maschingewehrabteilung und andere Truppen, zum Flusse San, wo wir auf unser Fuhrwerk warten mussten, die die Bontons führten zum Überschiffen. Indem wir wegen des schlechten Weges der zwischen 2 Sümpfen lag und wir durch eine Au mussten, schwer vorwärts konnten, kamen erst um Mitternacht an. Beim Fahren machten die Eisenbontons großes Scheppern, dass man sie schon weit hörte. Auch die Russen über dem San hörten es und merkten unsere Absicht. Bei der Entladung der Wagen gab es wieder Lärm. Dann wurde gleich ein Bonton ins Wasser gelassen, mit 10 Mann und 1 Führer. Kamen bis an die Mitte des Flusses, dort wurden sie von den Russen beschossen und versanken. Nun wurde der 2. ins Wasser gelassen, mit anderer Mannschaft. Kamen ans darübere Ufer und wurden dort beschossen. Nun waren auch die tot.
Als der Feind sah, dass wir nicht aufgeben wollten, schoss er mit Gewehren, Maschinengewehren und Artillerie fürchterlich auf uns. Die Gewehre hätten uns nichts gemacht, da wir trotz großer Verluste hinüber kamen. Als aber die Artillerie anfing zu schießen, und in die Au hereinschoss, wo wir waren, da wurden viele erschlagen von den zerschossenen Bäumen. Da ging es drunter und drüber, es war ein Durcheinander und ein Geschrei bis es hell wurde. Morgen früh fingen die Truppen an zu laufen, alles rückwärts hinter die Au. Alles lief durcheinander um sich zu retten. Wer den Weg übersah auf dem wir kamen, der kam in den Sumpf. Was auch mich traf. Sah gar nicht so gefährlich aus und dachte mir es wird schon gehen, dass ich durchkomme. Ich machte ein paar Schritte und sank gleich bis zum Bauch im Sumpf ein. Die Bemühungen herauszukommen, gab ich gleich auf um nicht weiter zu versinken. Blieb stehen, umkreist von den Kugeln des Feindes und dachte mir, in dem ich die herumliegenden Kameraden und Pferde betrachtete, so wird’s halt mir auch gehen, muss halt auch elendig zugrundegehen.
Es war der 17. Mai
Es war 8 Uhr morgens, da lief einer von der Maschinengewehrabteilung vorbei neben dem Fluss um sich von den Feinde zu retten. Ich rief ihm zu, er solle mir helfen, er wollte nicht hören, da rief ich nochmals „so hilf mir doch", „auf diesen Augenblick wird es dir doch nicht ankommen". Da erbarmte er sich und ich hielt ihm das Gewehr hin. Er zog mich heraus. Dann ging ich im Kugelregen des Feindes neben dem Fluss meinem Zug nach, bis ich zu dem Weg der hinüberführte, wo unsere Kameraden waren, die noch herausgekommen waren, aus diesem fürchterlichen Blutbade. Als ich sie einholte, traf ich noch meinen Arbeitskollegen aus der Heimat, der einen Streifschuss an der Hand hatte. Der sagte, ich habe schon meinen Teil und ging zurück auf den Verbandplatz. Er muss aber später gefallen sein. In der Heimat traf ich ihn nicht mehr. So verlor ich meinen letzten Kollegen. Und ich dachte mir, wird halt dich auch bald treffen. Wir gruben uns ein, wo wir im Dreck und Wasser liegen mussten. So verging der Tag und als die Nacht kam hieß es wieder, wir müssen probieren über den San zu kommen. Sonst verstärkt sich der Feind und es geht immer schlechter. Also probierten wir wieder, aber ohne Erfolg. Es gingen wieder viele drauf. Dann kam der Befehl, es gelingt uns nicht. Wir sollen uns hier gleich am San, hinter der ersten Stellung eingraben und sollen weitere Befehle abwarten. Nun grub jeder was er konnte, um einen Schützengraben zustande zu bringen, was bei der finsteren Nacht und mit unserem kleinen Spaten kein Leichtes war.
So kam der 18. Mai
Wir gruben den ganzen Tag fort. Ging kaum mehr, da uns der Hunger so peinigte. Aber wir mussten graben. Da gab es kein Erbarmen. Zum Glück war die Au voller Krähennester und wir holten uns die jungen Krähen unter Lebensgefahr herunter, da der Feind immer herüberschoss. Es waren vielleicht bei hundert Krähennester in der Au. Das war ein Geschrei und ein Gekräze, aber durch unseren Hunger versuchten wir alles. In 2 Tagen war alles aufgegessen, denn der Hunger tat weh. Da wurde die Haut heruntergerissen, in die Menageschale hinein und gekocht. Als der Feind merkte, dass wir Feuer haben und kochten, schoss er fleißig herüber. Und so manchen Kameraden wurde der Hunger für immer gestillt.
So verblieben wir in Reserve bis 30 Mai
Ruhe hatten wir auch keine während dieser Zeit. Mussten wir die Deckungen verschönern, hie und da kleine Übungen machen, dann wieder Montur reinigen, überhaupt alles was wir hatten bedurfte einer Reinigung. Bei Nacht hieß es immer in Bereitschaft stehen, mit Sack und Pack, da wir oft Alarm hatten, wo es immer hieß, der Russe möchte durchbrechen. So vergingen die Nächte, immer das Gleiche.
Einmal des Tages bekamen wir Menage, was aber schon lauter Wasser war. Da die Küche weit zu fahren hatte, war das Essen bereits schlecht. Dann hieß es wieder Brot fassen gehen, was wir in der Kappe trugen, weil es lauter Brösel waren und die nicht viel. Auch etliche Zigaretten bekamen wir. Die Hauptsache war die Feldpost, wenn die nachkam, mit Karten oder kleinen Paketen, wo auch für mich immer was dabei war. Das einem das Leben doch wieder ein wenig freute.
Dann musste man mit Gewehr und Bajonett wieder spionieren gehen, um den Feind zu beobachten. Dann hieß es zurück zum Train um die Offiziersfassung, auch bei Nacht mit Gewehr und Bajonett, im Kugelhagel. Denn der Feind hatte immer den Brauch, auch während der Nacht fest zu schießen. Ich ging deshalb gerne zur Fassung, da man hie und da von den Köchen etwas bekam, auch vom Proviantoffizier, und da vergisst man leichter die Gefahr, wenn einem der Hunger zwingt dazu. So ging ich auch einmal den 2 Stunden weiten Weg ausgerüstet zurück zum Train. Kam dort an und bekam vom Koch Kaffee und einen halben Stritzel Brot. Einen halben bekam ich zu kaufen. Dann besorgte ich die Fassung der Offiziere. Nach 11 Uhr ging ich wieder weg vom Train, zurück zu den Kameraden. Dachte mir, sie werden wieder Alarm geben in der Stellung und ging fort in der Dunkelheit, hörte nichts als Schießereien. Kam zu Patrouillen oder es hielt mich die Feldwache an und so kam ich immer näher der Stellung. Konnte aber nicht so schnell gehen wie ich wollte, da immer mehr Kugeln um mich umherschossen. Musste mich decken und schützen so gut ich konnte. Waren hie und da alte Schützenlocher und Löcher von Granaten, wo ich mich versteckte. Und musste auch trachten, endlich in die Stellung zu kommen. Als ich dort ankam, übergab ich die Fassung dem Kompaniekommandanten. Ging zurück zur Deckung, war niemand zu sehen. Dachte mir gleich, dass hier was los sei. Suchte meinen Tornister. Er war leer, wusste aber nicht warum. Da suchte ich meine Kameraden, die mich groß anschauten als ich ihnen sagte warum ich so schau. Sagten sie, sie glaubten, dass ich bei dem großen Angriff umgekommen sei. Und da ein Gefecht voraussichtig war, teilten sie meine Sachen unter sich auf, damit dem Feind nichts in die Hände fällt. Sie gaben mir alles zurück.
Da dachte ich mir, wie gefährlich mein Rückzug war, aber ich dachte mir, dass ich schon so oft im Kugelhagel war, wird doch nicht diesmal ein Unglück passieren. Wenn man öfter im Kugelregen ist, hat man nicht mehr soviel Angst. Einmal beim sprungwärts Vorgehen flog mir eine Kugel vor den Kopf, streifte mich am Arm und ging in den Rucksack hinein, wo sie mir alles zerrissen hatte. Auch mein Reservepäcklein, worin ich Zwieback und Kaffee hatte. Ich fand die Kugel und brachte sie in Aufbewahrung. Solche Fälle hatte ich öfter und kam immer glücklich davon.
Des Hauptmann Plan war es immer, wir müssen über den San kommen, und befahl immer, wir sollen mit der Reserve sparen so gut wir konnten, denn wenn wir Glück haben und hinüber kommen, so kann es möglich sein, dass wir eine Woche nichts zu essen bekommen. Und habe so immer gespart, ich wäre auch solange durchgekommen. Und da hatten meine Kameraden recht, als sie alles aufteilten. Wäre ich wirklich nicht mehr gekommen und sie wären alle über den San gegangen, wäre alles verloren gewesen. Es waren 4 Stück Gulaschkonserven, ziemlich Kaffee und Zwieback und von den Packerln, die ich von der Heimat geschickt bekam (Packerl, was ins Feld ging, durfte nur 35 dkg haben) war noch ein wenig Fleisch und Bäckerei.
Mit Rauchmaterial war ich auch versorgt. Aber es kam ganz anders als wir dachten.
Es kam der 30. Mai
Abends um 9 Uhr kam die Meldung, morgen um neun Uhr ist Lösung, die schon einen Monat stand. Sagten wir uns, da kommt wieder etwas. Denn meistens vor einem großen Gefecht war Lösung. Wir standen in der Nacht in Bereitschaft. Da gabs am linken Flügel eine große Schießerei. Und als es ein wenig grau wurde, wurde schon bekannt, dass der Russe am linken Flügel durchgebrochen war und das 30. Infanterieregiment aufgerieben war. Wer nicht tot oder in Gefangenschaft, hieß es vor in die Reserve. Und die Kommandanten riefen „mir nach" und es ging schon im Laufschritt dahin, dachte keiner mehr an die Lösung, sondern es geht um mehr. Nun liefen wir gedeckt fort im Schützengraben. Waren bald dort, wo das 30. Infanterieregiment war. Und die Russen auch nicht mehr weit weg davon. Zum Angriff war der Platz nicht günstig. Da war ein kleiner Berg der in den San führte. War ein kleiner Weg angelegt, wo man gedeckt gehen konnte. Wir gingen eine Weile so fort, wie uns der Russe bemerkte, fing er auch schon zu schießen an. Mussten wieder vom Weg hinaus in die Ebene, wo nicht weit weg ein Maierhof stand. Es war in der Nähe der Stadt Gradiska. Wir liefen im Laufschritt ca. 1000 Schritte bis zum Maierhof, um uns dort zu sammeln. Der Feind bemerkte es und schoss war er konnte. Wir wurden von den Kugeln ganz bestreut.
Als wir ankamen, fanden wir nur Mauern, weil alles ausgebrannt war. Die noch Überlebenden sammelten sich dort, dann mussten wir wieder weiterlaufen. Wieder so weit, war ein kleiner Berg neben dem Walde, dort hieß es wieder sammeln.
Als alle beisammen waren, hieß es in Schwarmlinie auflösen und vorgehen. Als wir vorgingen und auf eine Anhöhe kamen, wo uns der Feind schön bemerkte. So beschoss er uns mit Gewehr, Maschinengewehr und Artillerie. Da fing es erst an.
Es wird 5 Uhr Früh gewesen sein am 1. Juni.
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