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2015  - 1 Juni !

Mit diesem Tag begann meine traurigste Zeit im Weltkrieg.

 

Verwundet und gefangen!

Wir gingen immer sprungvorwärts vor. Wir waren ganz am linken Flügel, neben dem ersten Zug der 30 Kompanie, die ganz aufgerieben wurde. Wie wir so sprungvorwärts vorgingen, ging der Jammer der Verwundeten los. Es ging sehr langsam, weil mit der Artillerie so viel geschossen wurde. Auf jeden einzelnen Mann den sie bemerkten, schossen sie mit Schrapnell oder Granaten. Wir waren vielleicht 2 km weg von der russischen Schwarmlinie. Ca. 4 km weg war ein Dorf, wo die russische Artillerie versteckt lag. Da wir talab vorgingen, hatten sie eine schöne Schusslinie auf uns. Die beiderseitige Schießerei war furchtbar. Und es hieß immer „vorwärts" im größten Kugelhagel. Es hieß entweder leben oder sterben.

Nun gingen wir langsam vor. Das Geschrei der Verwundeten war fürchterlich. Konnte keiner zurückgebracht werden. Konnte man nur einen Notverband machen und gedeckt liegen lassen. Bis am Abend, erst in der Dunkelheit konnten sie zurückgebracht werden. Wer’s aushielt, war’s recht, die anderen mussten elend zugrunde gehen. Sanität war keine zu sehen. Gegen Mittag fing auch unsere Artillerie zu schießen an, da sie erst von einer anderen Seite hergebracht werden musste. Wir waren ganz allein im Gefecht. Nachmittags kam der Befehl, die Reserve sei bereits hier. Nun gingen wir immer vor. Von dem Zug der neben uns war, war kein Mann mehr über. Alle gefallen. Nachmittags fing es noch zu regnen an, dass wir ausschauten wie die Schweindel.

Wie wir so vorgingen über die Felder, explodierte über uns ein Schrapnell. Meine 2 Nebenmänner traf es. Einen leicht auf dem Rücken, den anderen am Genick. Und in den Bauch, dass ihm der Kot vom Munde kam. War ein Korporal, ein guter Kamerad von mir, er hatte auch eine Tapferkeitsmedaille.

Ich verband alle zwei im Kugelregen, machte ihnen eine Deckung mit den Rucksäcken und aus etwas Erde, was ich mit dem Spaten zusammenschaufelte. Den es in den Rücken traf, der konnte noch reden. Den Korporal ging es schlecht mit seiner Verwundung. Nur das Eine sagte er, er wird bald sterben müssen. Ich sagte ihm, er wird schon wieder ausgeheilt und es wird alles wieder gut werden. Er bat mich, ich solle ihm alles abnehmen was er hatte und seinen Lieben nach Hause schicken. Ich brachte es nicht übers Herz und tröstete ihn so gut ich konnte. Er soll nur schön liegen bleiben, am Abend werden sie ihn schon zurückbringen ins Spital. Er wollte mich nicht weglassen, ich sollte bei ihm bleiben. Und ich konnte aber nicht, da ich Schwarmkommandant war und mit meinen Leuten wieder vorgehen musste. Es kam mir schwer an ihn zu verlassen, wo doch sein baldiges Ende voraussichtlich war. Mit Tränen nahmen wir Abschied, denn wir waren uns einander recht zugetan. Wünschte ihm zum Schluss alles Gut und ein Wiedersehen. Er wird wohl seine Heimat nicht mehr gesehen haben. Ich ging mit meinen Leuten immer vor, in allem Regen und Kot. Es verging der Tag und es kommt der Abend. Als wir auf Sturmweite vom Feind gewesen waren, kam der Befehl, nur schießen was jeder kann, bis die Reserve kommt. Die war aber noch weit weg. Schoß ein jeder was er konnte. Dachte mir schon, lang darfs nimmer dauern, der Befehl lautete, nur halten bis zum letzten Mann.

Der Feind bemerkte, dass bald Reserve nachkommen wird, indem unser Häuflein schon ganz klein war, da wir doch den ganzen Tag viele Verluste hatten. Er machte Sturm auf uns, was sollten wir paar Männer machen. Wir schossen was wir konnten.

Der Feind kam schon sehr nahe, ca. 30 Schritte war er weg.

Da traf mich eine Kugel in die Brust, dass mir das Blut sofort durch den Mund und durch die Nase kam. Wie ich fiel, hatte ich das Gewehr noch schussbereit in den Händen, sprangen 2 Russen auf mich zu, weil sie glaubten ich werde noch schießen. Der eine packte mich am Genick, der andere versetze mir einen Stich. Er hatte es wohl auf die Brust abgesehen, traf mich aber auf dem rechten Oberarm. So war ich wehrlos und gefangen.

Als wir gestürmt wurden, waren wir noch 30 Mann von der Kompanie. Wer nicht tot oder verwundet war, lief zurück zur Reserve. Die Verwundeten kamen in Gefangenschaft.

Die 2 die mich gefangen hatten, schleppten mich zum russischen Schützengraben. Ca. 30 Schritte davor ließen sie mich liegen, dürfte vermutlich kein Lebenszeichen mehr gegeben haben. Sie hielten mich wohl für verloren, denn das Blut quoll mir aus der Nase und aus dem Mund, was nur konnte.

So lag ich ohne Hilfe und Beistand die ganze Nacht. Zum Glück wusste ich nichts was um mich vorging. In der Früh als es grau wurde, kam mir langsam das Bewusstsein. Wie ich so auf dem Rücken lag, horchte ich was los ist. Hörte immer noch schießen, mit Gewehren und Artillerie. Ich kam immer mehr zu Bewusstsein, es wurde lichter und die Schießerei hörte ganz auf. Wollte mich erheben, aber es ging nicht. Nun kam ich doch langsam zu Verstand. Konnte mir gar nicht denken wie das kommt, dass ich nicht aufstehen konnte. Sah ich erst, dass ich voll Blut bin.

Der Atem ging so schwer, die Nase und der Mund waren ein Blutstock. Da fiel mir doch wieder ein, dass ich verwundet wurde. Wie aber das kommt, dass ich hier so liegen muss, und kein Mensch bei mir ist? Da kam ich doch immer mehr zu mir, es wurde schon Tag, hörte nichts schießen. Da wollte ich das Aufstehen wieder probieren, aber es ging noch immer nicht. Und einen Schmerz hatte ich in der Hand, wollte die Hände bewegen. Die linke war gesund, aber die rechte schmerzte. So dachte ich wieder nach, endlich kam ich drauf, dass wir ja von den Russen gestürmt wurden und ich so schwer verwundet wurde. Aber dass die Hand abgeschossen war, konnte ich nicht verstehen. Denn ich konnte mich nur an den Hieb erinnern, und dass mich die Russen mitschleppten, aber dass ich so liegen musste, konnte ich nicht verstehen.

Mit Schmerzen probierte ich wieder das Aufstehen, diesmal ging es. Konnte ich doch sitzen und konnte mit nassen Augen und schmerzenden Lippen das Elend betrachten was mich umgab.

Wenn man so studierte, wie arm und verlassen man ist. Kein Mensch kann einem helfen, da sah man, dass man sich selbst helfen muss. War ganz elend und matt von dem vielen Blutverlust. Da fiel mir ein, dass ich die Feldflasche im Brotsack habe. War ein Schluck Wasser drin der mich sehr erfrischte. War immer drauf bedacht, einen Schluck Wasser bei mir zu haben, denn das hat schon manchen das Leben gerettet im Feld.

Dann mit der Zeit konnte ich aufstehen, hielt es aber vor Mattigkeit nicht aus. War neben mir ein kleiner Baum, daran setzte ich mich, bis mir wieder leichter war. Schaute so herum was ich tun sollte, konnte mit keinem Menschen reden, da alles um mich tot war. Dachte mir so, ihr armen Kameraden habt es alle überstanden, wisst nichts mehr von euch, aber wie wird es mir noch gehen, muss ich elend verschmachten.

Ein dichter Nebel war ringsherum, dass man nicht weit sehen konnte. Endlich bemerkte ich in geringer Entfernung Leute, die wahrscheinlich auf Beobachtung waren. Als der Nebel verging, bemerkten sie, dass da noch jemand am Leben ist. Kam mir näher und winkte, dass ich zu ihm kommen solle. Voll Freude und Schmerz schleppte ich mich hin, in dem Gedanken, bin doch nicht ganz verlassen. Glaubte anfangs es sind unsere. Wie ich aber näher kam, fast bis zum Schützengraben, bemerkte ich, dass es Russen sind. Aber was will man machen, wenn einem das Unglück so trifft. Wo unsere Leute waren, konnte ich mir nicht denken. Sie mussten wahrscheinlich weit hinten sein. Dass diese Russen von der 2. Schwarmlinie waren, da ich ganz wenige sah im Schützengraben.

Sie waren ganz gut mit mir, setzten mich nieder, um mich zu verbinden. Da es am Vortag geregnet hatte, hatte ich den Mantel an. Und da er voll Blut und Kot war, wollten mir die 4 Russen den Mantel ausziehen, aber leider ging es nicht. Bemerkten sie, dass an der Hand auch was los war. Reden konnte ich nicht mit ihnen, da keiner deutsch verstand.

Sah einer, dass der Ärmel durchlöchert ist, nahm sein Messer heraus und schnitt mir den Ärmel von Mantel, Bluse und Hemd herunter. Da sah man, dass die Hand durchlöchert war. Auch einen Schuss hatte ich im Oberarm. Weiß nicht, von wo der her war. Konnte mich nur an den Hieb erinnern. War mir zu dumm, wo der her war. Dachte mir, wie mich die 2 am Vortag gefangen nahmen und mitgeschleppt hatten, ich bewusstlos wurde und zusammensank? Dass die mir vielleicht noch einen Schuss gaben?

Oder ich hatte ihn in der Nacht beim Liegen erwischt. Das blieb mir selbst ein Rätsel.

Als ich ihnen die Wunde auf der Brust zeigte, redeten sie durcheinander und schüttelten die Köpfe. Redeten wahrscheinlich, dass dieser Mensch das ausgehalten hat, ohne ihm gleich zu helfen. Mir war es ebenfalls zu dumm, dass man soviel aushalten kann. Dann gaben sie mir auf die Hand einen Notverband, nahmen 2 Gewehrriemen und hängten mir die Hand darauf. Die Riemen gaben sie mir um den Hals. Ohne mir sonst etwas anzutun. Die Brustwunde hatte aufgehört zu bluten und war verstockt, dass sie mich nicht verbinden brauchten. Nur aus dem Mund sickerte noch ein wenig Blut. Als sie alles in Ordnung hatten, musste ich mit einem Russen über den San gehen. War ein Notsteg, der im Wasser schwamm. Glaubte jetzt und jetzt, ich müsse untergehen und kam aber doch glücklich hinüber.

Dort war wieder eine Schwarmlinie. Die schauten mich groß an. Musste dort warten und mich setzten. Dann wollten sie mich ausfragen. Ich verstand keine Silbe, konnte ihnen keine Auskunft geben. Sie drohten mir mit Gewehr und Säbel. Glaubte schon immer sie wollen mich umbringen, da sie doch einen fürchterlichen Zorn auf uns hatten. Da sie doch den ganzen Mai immer Rückzug machen mussten und große Verluste hatten. Konnte doch einer dabeisein, denn es nichts ausmachte, einen Verwundeten umzubringen, denn rachgierige gab es genug bei den Russen, so gut wie bei uns. Überhaupt den Kosaken war alles zuzutrauen.

Bis gegen Mittag musste ich dort warten, dann kamen vier Sanitäter mit einer Tragbahre, legten mich drauf und trugen mich richtig ein Stück. Dann musste ich ein Stück gehen, wo mich 2 an den Armen führten. Kam in das Bauerndorf, wo der Verbandsplatz war. Dort wurde ich ganz ausgezogen und die Brust wurde verbunden. Nachdem ich verbunden wurde, wurde mir schnell das Hemd angezogen, aus gewissen Gründen.

Da einem die Räuber schon wegnahmen was ihnen gefielen. Man kann nicht so schnell denken was man hat, und reden kann man auch nicht, dass man sich dagegen wehren könnte und man traut sich auch gar nicht recht. Die Pelzjacke die ich von zu Hause mit hatte, die Uhr und die Kette, waren das Erste was ich weg hatte. Mir gings gleich ab und ich fing an zu lamentieren, da ich doch Angst hatte vor der großen Kälte, in Russland und Sibirien. Was jeder wusste.

Sie wollten mich aber nicht anhören und wollten mich hinausschummeln, ließ mich aber nicht so schnell abweisen und zeigte nur was mir fehlte. Da ich gar nicht aufhörte, gaben sie mir wieder die Weste, aber die Uhr und die Kette nicht mehr. Dann musste ich hinaus zum Wasser und setzte mich zu den Verwundeten Russen nieder. Die Dorfbewohner brachten ihnen Brot und Milch zu essen, wo sie auch mit mir teilten, weil ich ihnen erbarmte, dass so ich verunglückte. Die Milch schmeckte mir am besten. Da ich doch schon lange keine gesehen hatte und schon ein paar Tage nichts zu essen hatte.

Und so kam die Nacht, die erste in der Gefangenschaft. Es kamen noch mehrere unsrige Verwundete dazu, aber lauter Ungarn und Polaken, mit denen ich auch nicht reden konnte. Wir mussten auf einem harten Tennenboden die Nacht verbringen. Sogar einen Posten hatten wir bei uns. Wir wussten nicht warum, wo wir doch lauter Verwundete waren. So verging noch ein Tag und noch eine Nacht.

 

3. Juni! Fahrt ins Spital

Gegen Mittag kamen die Sanitätswägen. Da wurden wir eingeladen und fort fuhren sie mit uns, so schnell es ging. Die glaubten, sie dürften lauter Gesunde am Wagen haben. Wir fuhren zirka 3 Stunden, kamen in eine Stadt neben der Grenze.

Kamen bei einem Spital an, wurden über die Stiege hinaufgeschleppt und auf die dort befindlichen Pritschen gebettet. Dann bekamen wir einen frischen Verband und Menage und schwarzes Brot. Da konnten wir uns nach langer Zeit wieder satt essen. Ich lag mitten unter den Russen. War so schwach und elend, dass ich mir gar nicht helfen konnte. Musste immer liegen. Der Abort war zirka 50 Schritt weg vom Zimmer und ich musste in meinem Zustand hinaus. Das fürchtete ich. Denn ich bekam keinen Atem und musste mich an der Mauer festhalten, dass ich nicht umfiel und alle 5 Schritte musste ich rasten.

Aber es ging mir jeden Tag besser. Die Lunge wurde freier, dass ich besser Atem schöpfen konnte. Aber das Blutspucken dauerte noch 14 Tage. Während der 7 Tage, wo wir dort waren, bekam ich im Genick ein großes Abszess, musste operiert werden. Wurde mir der Kopf dann auch noch verbunden, dass ich kam heraussah. Es war ein fürchterlicher Schmerz.

Das Volk kam hie und da herein ins Spital und brachte den Russen eine kleine Spende, meist Bäckerei, wovon ich auch etwas bekam. War aber nicht so gut wie in der Heimat. Erbarmte ihnen, sagten dieser Mensch kann was aushalten. War doch ganz verbunden. Der Kopf verbunden, die Hand auf und in der Schlinge, und Brust und Rücken war alles ein Wickel.

So vergingen die Tage in trauriger Einsamkeit. Keinen Menschen konnte ich mein Leid klagen. Mit den Gedanken immer in der lieben Heimat, wann ich schon draufgehen muss, wenn ich doch in der Heimat bei meinen Lieben ein Grab haben könnte. So manche Feldpostkarte wird wieder für mich abgegangen sein und hätte mich wieder eine Zeit lang aus meinen trüben Gedanken gerissen. Aber leider war mein Schicksal wo anders als im Felde. Eine Krankenschwester, die deutsch schreiben konnte, bat ich, doch einige Zeilen an meine Lieben zu schreiben. Sie erfüllte gern meinen Wunsch und die Karte erreichte ihr Ziel. Wenigstens wussten sie was mit mir los ist. Da schon geredet wurde, dass ich gefallen bin. An den Russen konnte man von zu Hause nicht schreiben, so blieb ich lange ohne Nachricht. Wenn ich Geldmittel gehabt hätte, hätte ich mir das Leben etwas verschönern können. Die Russen, die gehen konnten, kauften sich Brot und Semmeln vom Bäcker. Ich hatte die 8 Kronen, die ich bei der Gefangennahme in einem kleinen Päcklein um den Hals gehängt hatte und voller Blut war. Die Russen müssen es für etwas Geweihtes gehalten haben und haben es mir gelassen. Auch das Notizbuch, Fotografien, Taschenmesser und Taschentuch verblieb mir. Ich hatte auch Verlangen nach einem Laibchen weißen Brot. Ließ mir eins mitbringen, was eine Krone kostete. Hatte lange daran zu essen. Es war sehr gut. Konnte aber wegen des Abszesses schlecht beißen.

Es kam der 11. Juni!

Hörte ich noch in der Ferne schießen, sogar Gewehrfeuer hörte man. War mein erster Gedanke, vielleicht kommen die Unseren noch, dass ich nochmals erlöst würde, wenn die Russen nicht Zeit hätten uns wegzuräumen. Frühmorgens als es grau wurde, drehte ich mich zum Fenster, da ich neben einem lag und sah hinunter was los ist. Da sah man schon alle auf den Beinen. Die Wagen wurden beladen mit Einrichtung und Heu. Das Vieh und Volk kam hinten nach. Alles machte sich auf um sich zu retten. Das ging so fort den ganzen Vormittag. Dachte mir schon, haben halt auf uns vergessen und werden uns nicht mehr wegräumen. Entweder sie lassen uns liegen oder stecken das Haus in Brand, was oft vorkam beim Rückzug. Wer konnte, der rettete sein Leben. Die anderen mussten verbrennen. Wird so gegen mittags gewesen sein, kamen Wägen angefahren, so wie die Galizier sie haben und blieben beim Tor stehen.

 

Nun begann die Flucht ins Innere Russlands

Jetzt gings um uns, kamen in unser Zimmer, einer packte mich beim Kopf, der andere bei den Füßen und hinunter ging es über die Stufen, so wurden die Wägen beladen. Und fort gings in einem Teufel über Berg und Täler. Jeden Moment musste man fürchten, dass man hinuntergeschupft wird vom Wagen. Ich hatte fürchterliche Schmerzen, glaubte mein letztes Stündlein sei nah. Der Kopf schmerzte und erst die Hand. Die war doch am Oberarm ganz zerschmettert und bei jedem Ruck den der Wagen machte, gingen die Knochen füreinander.

Fuhren ungefähr 5 Stunden, waren schon in Russland, kamen in eine kleine Stadt, und wurden in einem Zivilhaus untergebracht. Mussten am Boden liegen und bekamen ein wenig Menage. Wie es halt bei einem Transport hergeht. Verbrachten da 2 Tage, dann hieß es, wer krank sei solle sich melden. War ohnehin alles krank, brauchte sich keiner melden.

Nun wurde ein Transport zusammengestellt.

Am 14. Juni, um 1 Uhr nachts wurden wir auf die Feldbahn verladen, die hinter dem Haus vorbeiging.

Ich lag auf einem offenen Wagen unter lauter Russen, die mich groß ansahen. Aber sonst scherten sie sich nicht um mich. So fuhren wir die ganze Nacht und den ganzen Tag bis um 11 Uhr nachts. Da kamen wir zur Hauptbahn, wo wir in die Sanitätswagen umgeladen wurden und nach kurzer Zeit wegfuhren. Da tat es mir wohl, es war wirklich besser liegen. Auch bekamen wir Menage und Wäsche. Mussten uns umziehen. Unsere Sachen kamen in einen Sack, bis zu unserer Auswaggonierung. Ich wurde gewaschen und bekam wieder einen Notverband. Operieren oder sonst schwereres geht nur im Spital. Wir fuhren zwei Nächte und 3 Tage bis in die Stadt Breslichoski.

Da standen wieder Sanitätswägen, wo wir eingeladen wurden und durch die Festung ins Festungsspital gebracht wurden. Es war ein schönes Spital, nett und rein, was man bei den Russen selten findet. Aber das Essen war sehr wenig und Hunger hatte ich für fünf. Und um die 7 Kronen die ich noch hatte, war mir leid, dass ich mir etwas gekauft hätte. Dachte mir immer, es könne eine noch schlechtere Zeit kommen für mich, da werde ich froh sein, wenn ich meine Kronen habe. Ich verbrachte dort 3 Tage, dann wurden wir wieder zur Bahn gebracht. Kamen wieder in Sanitätswägen und kamen nach Kiew. Dort wurden wir wieder auswaggoniert, kamen in eine Wartehalle und mussten 3 Stunden warten. Dann kamen wir wieder in Sanitätswägen.

Unser nächstes Ziel war Moskau!

Am 21. Juni, 8 Uhr abends kamen wir an. Wurden von den Waggons in die Elektrische umgeladen und fuhren zirka eine Stunde durch die Stadt, bis zu einer Schule, die als Spital diente. Die Fahrt war schön, konnte man nicht genug staunen. Herrliche Gartenanlagen, schöne Häuser und Kirchen waren zu sehen, mit schönen Türmen. Die Stadt hatte 80 km im Umfang und waren 200 Kirchen mit Goldkuppeln. Jene Häuser in der Stadt, die von Deutschen bewohnt waren, waren ganz demoliert, alles war zerschlagen von den Demonstranten, wegen des Krieges Deutschland gegen Russland.

Als wir bei der Schule ankamen, wurden wir gleich untergebracht. Da waren lauter Gefangene, alle verwundet, alle Nationen, jede Nation separat. Da konnte ich doch wieder meine Muttersprache reden, da schon Deutsche dort waren.

Da war ein Ungarischer Arzt, der mich behandelte und sein möglichstes tat. Wir wurden zuerst gereinigt, dann kamen wir ins Verbandzimmer. Der Arzt fragte mich, wann ich verwundet wurde. Auf meine Antwort entgegnete er, es wäre jetzt aber schon höchste Zeit, dass die Hand einen Gipsverband bekommt, sonst verkrüppelt sie. So bekam ich gleich einen und die anderen Wunden wurden auch verbunden. War ich froh, einmal in ordentliche Hände gekommen zu sein. Die drei Wochen haben mir lange genug gedauert.

Die Behandlung war auch nicht schlecht. Das Essen war wohl wenig. So vergingen die Tage. Bekam zum 2. Mal die Ruhr. Wurde mir aber gleich geholfen. Eine Schwester war auch da, die ein wenig Deutsch verstand. Die fragte, wer nach Hause schreiben wolle. Das wollte jeder und sie besorgte Karten vom Roten Kreuz. Und denen die nicht selbst schreiben konnten, schrieb sie an die Angehörigen. Auch mir. Kam keine Antwort darauf, so sehnsüchtig man auch wartete. Sie fragte auch, wer österreichisches Geld hat zum auswechseln. Ich gab ihr auch 3 Kronen zum Auswechseln, dass ich auch russisches Geld hatte.

 

So kam der 30. Juni!

Wurde wieder ein Transport zusammengestellt. War auch ich dabei und glaubte es sei schon Frieden und es geht wieder der Heimat zu. Kamen wieder auf die Elektrische und fuhren auf einer anderen Seite zurück zur Bahn, wo wir wieder in die Sanitäts­wägen kamen. Fuhren bei der Nacht noch weg und als es grau wurde, sah man, dass es immer weiter hineingehe und nicht zurück. Kamen gegen Mittag in Riszanz an, wurden auswaggoniert, kamen ins Spital. Die Umgebung der Stadt war so voll Unordnung, der Mist lag auf den Straßen, die Häuser waren ganz zerlumpt, es war eine schmutzige Stadt. Auch im Spital war die selbe Unordnung. Es waren alle Nationen durcheinander, auch Russen waren dabei. Die Bedienungsmannschaft war lauter Rumänen und Rutschenen. Die schauten nur auf die eigenen Leute und auf die Russen. Um uns Deutsche scherten sie sich nicht. Auch die Ärzte waren nicht viel besser. Machten nicht viele Geschichten mit uns. Nur bei einer schlechten Aussicht auf Heilung wurde gleich ohne Betäubung amputiert. Das war jeden Tag ein Geschrei und die Armen konnten sich nicht helfen. Lag so mancher am nächsten Tag in der Totenkammer, wo sich niemand scherte um ihn.

Als ich zur Visite kam, wurden meine Wunden untersucht. Der Gipsverband wurde zu leicht befunden. Wurde ein großes Messer genommen und heruntergeschnitten. Die Wunde ein wenig angeschaut und ein neuer angelegt. Waren zwei beisammen, einer packte mich am Oberarm, der andere beim Unterarm, zogen jeder fest an, ich dachte mein letztes Stündlein hat geschlagen. Dann machte die Schwester den Verband drauf. Dann wurden die anderen Wunden auch verbunden und durfte wieder auf mein Zimmer zurück. Dort lag ich neben einem verwundeten Zigeuner, mit dem ich auch nicht reden konnte.

So vergingen die Tage. Die Hand schwoll fürchterlich an, weil der Verband zu fest war. Konnte es kaum mehr aushalten vor Schmerzen. Vom Schlafen gar keine Rede mehr. Wenn man so nachdenkt, was man unschuldigerweise alles erleiden muss, man kann gar nichts dafür dass man gefangen wird.

Da die Schmerzen nicht nachließen, wurde die Hand wieder visitiert. Dann redeten die Ärzte durcheinander. Wahrscheinlich werden sie gesagt haben, mit dem machen wir keine Geschichten. Nahmen ein Messer und schnitten wieder den Gipsverband herunter und gaben mir die Hand in die Schlinge. Aber ich dachte mir, werdet kein Glück haben mir die Hand zu ruinieren. Schonte mich, soviel ich konnte. Da ich zum Glück im Sommer verwundet wurde und mich ganz ausgeblutet hatte, konnte die Wunde schön zu heilen anfangen, da sie nicht Eiter fassen konnte. Wir gingen jeden Tag 2 Stunden im Hofe spazieren, damit das Liegen wieder besser war. Da hatte ich die Hand in der Schlinge. Aber nur diese Zeit. Im Bett lag ich immer am Rücken und hatte die Hand am Bauch liegen, mit der Decke sorgsam zugedeckt, damit sie schön heilen konnte. Vom Schlafen war keine Rede. In der Nacht sekierten einen die Wanzen, am Tag war es besser. Dafür quälte einen der Hunger. Die Menage war sehr schlecht.

Eine Fischsuppe mit Kartoffeln oder Erdäpfelpuffer samt Schäler und 3 Löffel Karscha. Das ist wie ein Hendlbrein. Fleisch gab es zweimal in der Woche. Ein fingergroßes Stückerl. Und 40 dkg Brot am Tag, aber so schwarz und bitter, das Wasser rann heraus, wenn man es drückt und wenn es 1 Tag alt war, war es so schimmelig zum Wegwerfen.

Magenkranke gingen zugrunde dabei. Früh und abends bekam man eine Schale Tee, aber keinen solchen wie zu Hause.

Es waren einige, die schon über 1 Jahr da waren. Die hatten schon von zu Hause Geld und konnten sich was zubessern. Aber ich mit meinen paar Kronen konnte nicht viel machen. So vergingen die Tage im Trübsinn dahin und wenn man die Krüppel betrachtete, die da waren, ohne Hände und Füße und Augen. Und die Sehnsucht nach der Heimat zehrte an uns allen. Diejenigen die schon länger da waren, bekamen von zu Hause Nachricht, dass es nicht mehr lange dauern und Friede wird. Und da es immer lang dauerte, bis eine Nachricht nach Russland kam, so glaubte man es muss schon Friede sein, dass wir bald erlöst würden.

Da kam der 29. August!

Wurde wieder ein Transport zusammengestellt, wo ich auch wieder dazukam. Die Wunden waren schon ziemlich ausgeheilt. Nur der Knochen in der Hand wackelte noch. Ich war glücklich, dass ich schon soweit war mit meiner Heilung. Nun wurde jeder visitiert wegen der Montur. Die Hose tat es noch und die Pelzweste. Die zerrissene Unterhose, das Hemd, die Bluse und der Mantel hatten nur einen Ärmel. Erhielt ich einen Rock statt dem Mantel, dass der Arm nicht ganz bloß war. Sonst musste ich alles behalten wie es war. Auch die Kappe verblieb mir.

So wurden wir bei Nacht wegtransportiert. Und alle die wir hinter uns ließen, wünschten uns viel Glück zur Heimreise und gaben uns Grüße auf in die Heimat. Denn wir alle waren der Meinung, wir würden ausgetauscht werden. Aber als wir die Nacht durchfuhren, es Tag wurde, und wir sahen, dass die Richtung nach Sibirien geht, wurden wir immer trauriger.

Wir kamen nach Goslof, von dort nach Tambah. Kamen um 5 Uhr abends an. Wurden auswaggoniert und kamen in ein Sammellager, wo dann größere Transporte zusammengestellt wurden, zur

 

Fahrt ins eisige Sibirien!

Sah wohl jeder traurig drein, wenn er an sein Los dachte. Nun mussten wir uns im Sammellager eine Liegestatt suchen für die Nacht. Viele lagen im Hofe oder auf dem Dachboden, in den Gängen. Auch hinter den Pritschen war alles voll. Wo nur ein Platzerl war, kroch einer hinein. Alles lag fast aufeinander. Läuse und Ungeziefer gabs, dass sie einem fast forttrugen, konnte sich niemand helfen. Zum Reinigen war der Platz zu klein. Hinaus durfte keiner, es war zum Verzweifeln. Langsam verging doch die Nacht.

Während des Tages, als ich so in dem Menschenhaufen herumsuchte, entdeckte ich voll Freude einen Bekannten aus der Heimat, den Schrittwieser Emmerich aus St. Gotthard. War mir gleich leichter ums Herz, da ich einen Bekannten aus der Heimat hatte. Er kannte mich bald, ich hatte die Hand noch in der Schlinge und klagte ihm mein ganzes Leid. Und dass vom Frieden gesprochen wurde in unserem früheren Lager. Und wir voll Freude weggefahren sind, da wir glaubten es geht der Heimat zu. Er war vor kurzem erst in die Gefangenschaft gekommen. Er erzählte mir, dass man an einen Frieden noch gar nicht denken konnte, dass es fest zugeht an der Front und niemand sagen kann, wenn es zu Ende geht.

Dann erzählte er mir sein Leid. Wie es ihm ergangen ist und wie er in Gefangenschaft kam. Bei Sopal hatten sie große Verluste und wurde das ganze 10. Jägerbataillon aufgerieben. Was nicht tot war, kam in Gefangenschaft. Er war froh, dass er gesund ist und das Hundeleben im Spital und Lager nicht mitmachen brauchte. Sobald Gelegenheit ist auf Arbeit zu gehen, wird er sich melden, um sich leichter durchzuschlagen. Wir sprachen noch so Manches über die Front und von zu Hause, so verging der Tag. Manage war wieder dieselbe und schwarzes Brot. Dann kam wieder die schreckliche Nacht wie am Vortag. Wer Geld hatte, kaufte sich eine Kerze, die anderen mussten sich so begnügen. Wenn einer seine Notdurft verrichten musste, stolperte im Dunkeln einer über den anderen. Das war eine Schimpferei und Schelterei, über den Krieg und über die Gefangenschaft und über das elende Leben das man hatte.

 

So verging die Nacht und es kam der 1. September

Wurde wieder ein Transport zusammengestellt. Traf mich wieder. Nach traurigem Abschied von meinem Freund, da nur Verwundete zum Transport kamen und gaben Grüße auf, wenn doch einer früher nach Hause kommen würde. So fuhren wir traurigen Herzens weg und kamen nach Pensa, von da nach Sysran. Von da fuhren wir weiter um 8 Uhr Früh und kamen nach Samara. Da bekamen wir Mittagessen. Wie gewöhnlich die russische Kost. Für die vorherigen Tage bekamen wir das Zehrgeld. Für den Tag waren es 15 Kopeken, die wir bekommen sollten um uns zu verköstigen. Da beschwindelte uns schon der Transport­kommandant, dass ihm was blieb. Das erste Mal zahlte er uns bei Tag aus, das nächste Mal bei Nacht, dass ihm ein Tag blieb.

So wurden wir gleich die ersten Tage beschwindelt. Und mit dem Selbstverköstigen war es auch so eine Sache. Wenn der Zug nur kurze Zeit anhielt, konnte sich nicht jeder etwas kaufen, denn es war ein Transport mit 500 Mann. Wo er anhielt, waren die kleinen Standerl gleich besetzt. Und wie es bei mir war, ich hatte doch die Hand in der Schlinge, musste ich auf allerletzt warten mit dem Ausspringen, da wir in Viehwaggons fuhren. Sie hatten kein Geländer und keinen Aufstieg. Konnte ich mir gar nicht helfen. Bis ich zu den Standeln kam, war alles besetzt. Und ich musste draußen warten, da ich nicht drängen konnte mit meiner Hand. Und das Verkaufen bei den Russen ging nicht so schnell, da sie schwer fertig werden mit dem Rechnen. So kam die Zeit wieder zum Einsteigen. Es pfiff der Zug und ich musste wieder leer weggehen. Alles trachtete zum Einsteigen. Ich musste wieder zuletzt warten, dann wurde mir doch immer geholfen. Es kam aber vor, dass manchem der Zug davonfuhr. Was mit solchen geschah, weiß ich nicht. So musste ich wieder weiter mit dem hungrigen Magen. Meine Liegestatt war im Waggon unter der Pritsche, da ich mit meiner Hand nicht gepresst liegen konnte.

Am 8. September!

Kamen wir am Abend in Ufa an. Von da nach Tscheljabinsk, das war schon in Sibirien. Graute schon jedem vor der eisigen Luft. Die Waggons waren kalt. Zum Einheizen hatten wir nichts. In Tscheljabinsk blieb der Zug am 8. September stehen, wo wir in den Waggons übernachteten.

Früh fuhren wir weg und kamen am 10. September nach Omsk. Mussten aus den Waggons heraus und mussten uns in Reihe und Glied anstellen und zur Menagestelle marschieren. Wie wir dort ankamen, gab es wieder die Menage wie früher. Denn in Russland und Sibirien gab es keinen anderen Speisezettel in der Gefangenschaft. Fischsuppe, Kartoffelpuffer und Karscha und ein bisschen schwarzes Brot. Dann stellten sie uns wieder zusammen, was bei den Russen lange herging, bis sie uns fertig brachten.

Als ich so herumsah in der Menge, sah ich ein bekanntes Gesicht. Wusste aber nicht wer es sein sollte. Man war ja voll Bart und die Haare lang, denn zum Rasieren oder Frisieren gab es keine Möglichkeit und auch kein Geld. So war man fast unkenntlich.

Wir trachteten immer näher zusammen und kamen im Laufe des Gespräches drauf, dass wir zwei gute alte Freunde aus der Heimat waren. Es war Fohringer Josef aus Bernreit bei Texing und war in Mank längere Zeit bedienstet. Das war eine Freude. Erzählten einander unser Los und was wir schon alles mitmachten. Er kam auch verwundet in die Gefangenschaft. Hatte einen Schuss im Oberschenkel. Musste öfter operiert werden. Musste viel mitmachen, bis er halbwegs zum Gehen kam.

Er war in Petrobawlowsk, eine Stadt vor Omsk, im Spital und wurde bei seiner Entlassung unserem Transport zugeteilt bei der Nacht, und fuhr mit bis Omsk, wo wir uns trafen.

Wir beschlossen, nicht mehr voneinander zu gehen, sobald wir auswaggoniert werden. Denn gleich gab es kein Zusammenbleiben. Musste jeder wieder in seinen Waggon, denn das ließ unsere Bewachung nicht zu und der Transportkommandant. Nun erzählten wir uns so manches über unsere Lieben in der Heimat. Wo jeden die Tränen in den Augen stand, wusste doch keiner etwas von zu Hause, man bekam gar kein Schreiben. Was musste man so alles aushalten und man konnte sich nicht helfen. Da wir wieder in unsere Waggons mussten, verabschiedeten wir uns und hofften uns bald wieder zu sehen.

Abends fuhren wir wieder weiter und dem 13. September fuhren wir durch die große Stadt Amkerisch, am Flusse Ob.

Groß war die Stadt, aber es waren durchwegs hölzerne Hauser, nur wenige waren gemauert. Die Kultur war ganz gleich wie im ganzen Reich. Die Kälte wurde immer mehr, da wir immer mehr nach Norden fuhren, wo schon im September strenger Winter ist. Schnee war wohl noch nicht, aber gefroren war es schon steinhart. Uns schüttelte es in den Waggons vor Kälte. Einheizen konnte man nicht. Und von der Menage, die man jeden zweiten oder dritten Tag bekam, konnte man sich auch nicht erwärmen.

Wie fuhr immer weiter und kamen nach Nover Nikolajevka, eine große Stadt im gleichen Stile.

Von da immer weiter und weiter bis nach Krasnojarsk. Dort angekommen, den 16. September, wurden wir auswaggoniert. Mussten uns 4 und 4 aufstellen und die Russen, die den Transport über hatten, zählten uns ab, was lange herging. Dann kam die Bewachung vom Lager in das wir kommen sollten und zählten uns wieder.

Es wurde gefragt wer krank ist, oder sonst schlecht gehen kann, der soll sich melden, denn es waren 8 Wärs (nach unserer Berechnung ist ein Wärs um 70 m länger als ein Kilometer) ins Lager. Da wären wohl die meisten gewesen, denn alles war matt, denn wenn man 16 Tage im Transport ist, wobei 40 Mann in einem Viehwaggon zusammengepfercht waren, nicht viel zu essen, und vom Spital schon ausgehungert, da kann keiner mehr kräftig sein. Nun meldeten sich die, die an den Füßen verwundet waren und die, die mit Krücken gingen, wo auch mein Kollege dabei war.

Nun war alles geregelt zum Abmarsch. Zum Tragen hatte keiner viel. Meine Habseligkeiten trug ich im Sacktüchlein eingepackt. Einen Holzlöffel und eine leere Patronenbüchse, die mir als Essschale diente. Nun marschierten wir ab, mit Ach und Weh gings durch die Nacht sehr langsam. Die Bevölkerung sah uns groß an, einige beschimpften uns, andere wieder erbarmten wir. So ging es durch die Stadt.

Dann kamen wir auf eine Anhöhe, von weitem sahen wir schon unsere neue Heimat Sibirien!

 

Das Lager Vaene Gorodock

Die Gegend war öde und unfreundlich. Man sah nur den nackten Boden, denn wachsen konnte da nichts, es war zu kalt. Und war nur eine Sandwüste. Nun kamen wir mit müden Schritten und hängenden Kopf in das Lager, wo uns schon die anderen Gefangenen erwarteten. Fragten uns gleich, wo wir herkommen, und waren erstaunt, als wir sagten aus Russland. Denn sie glaubten es sei schon Friede, dass auch sie bald in die Heimat fahren könnten. Erzählten wir ihnen, dass auch wir derselben Meinung waren. Wie wir aus dem Spital entlassen wurden, glaubten wir auch, es geht der Heimat zu und wurden so enttäuscht. Nun fragten wir sie, wie es ihnen im Lager geht.

Einige sagten schlecht, die anderen wieder die schon länger hier waren und von zu Hause Nachricht und Geld hatten, wieder besser. Die waren schon getröstet. Und von der großen Krankheit im Frühjahr erzählten sie. Die Hälfte ist damals an Typhus gestorben. Täglich bis 30 Mann durch 2 Monate hindurch.

Es hat an Sanität gefehlt. Und sonst hat sich auch niemand gekümmert. Sie waren dort die ersten Gefangenen und war das Lager nur mangelhaft hergerichtet. Bauten bei unserem Hinkommen noch immer.

Es waren 5000 Gefangene dort und lag fast einer auf dem anderen. So machten sie uns schon in der ersten Stunde das Leben schwer.

Nun wurden wir übernommen im Lager, und dann in den Bauten untergebracht. Mein Kollege und ich trachteten, dass wir zusammenkommen, um uns gegenseitig trösten zu können, damit es uns nicht gar so schwer fiel. Abends bekamen wir die Menage. Kartoffelsuppe, aber wenig. Man hätte leicht die Portion die für 10 gehörte, allein gegessen. Denn in Russland war der Brauch, dass 10 Mann aus einer Schüssel essen mussten. Der keinen Löffel hatte musste warten oder sich einen ausleihen.

Durch diese Übelstände wurden die Krankheiten so verbreitet und verschleppt. Es waren verschiedene Krankheiten, von denen man in der Heimat nichts wusste.

Nun kam die Nacht, die erste im Lager. Die harte Pritsche, keinen Strohsack und nichts zum Zudecken. Die Baracke eisig kalt. Denn es war ausgeputzt und die Pritschen gewaschen. Die waren ganz eisig. Müde und ganz erschöpft legten wir uns drauf.

Die Hose nahm ich als Strohsack, die Stiefel die ich vom Spital hatte und die Kappe nahm ich als Kopfkissen. Die Bluse und den Zivilrock den ich hatte, war meine Decke. So lagen fast alle. Nur die einen Mantel hatten, waren besser dran, weil die mehr vor der Kälte geschützt waren. Vom Schlafen war ohnehin keine Rede. Erstens durch die Kälte und zweitens durch das viele Studieren und Elend.

So ging die Zeit dahin im Lager. Mein Kollege und ich trösteten uns immer. Es kann doch nicht lange dauern, dass wir erlöst werden von dieser Pein.

So gingen die Monate dahin in der gleichen Eintönigkeit und es kam der Oktober und der November.

Endlich bekam ich die erste Karte aus der Heimat, die mein Herz erfreute und mich tröstete. Wenn man nach langer Zeit ein Lebenszeichen bekam. Antwortete gleich drauf und schrieb um Geld und Wäsche und Rauchmaterial. Das ging einem viel ab, wenn man rauchen konnte, war schon besser. Dass man den Hunger und die Kälte leichter ertrug.

So verging der November und kam der Dezember. Da sagte man uns, es kommen Liebesgaben aus der Heimat und eine Rot-Kreuz-Schwester, worüber wir uns sehr freuten.

Vor Weihnachten kamen die Liebesgaben. Jeder Mann eine Decke und zwei Mann zusammen ein Paket mit folgendem Inhalt: Wäsche, ein Kamm und Seife, ein Halsschal, Socken, Sacktuch, Essschale und Nähzeug, mit Nadeln, Zwirn und Knöpfen. Und noch verschiedene Kleinigkeiten, die wir uns teilen mussten. Das war eine Freude. Überhaupt an der Decke, dass man sich zudecken konnte beim Schlafen, denn die Nächte waren sehr kalt. Bei Tag hatte es eine Kälte von 40 bis 50 Grad.

Nach der Verteilung hieß es, zu Weihnachten kommt eine Rotkreuz Schwester, die uns auch was bringen wird.

Am Heiligen Abend kam sie wirklich. Hielt sich aber nicht lange auf, besuchte uns nur. Brachte Grüße aus der Heimat und erkundigte sich wie es uns geht. Dann verließ sie uns mit dem Versprechen nochmals zu kommen und ging zu den Offizieren. War ihr eigener Sohn dabei, aber auch nur als Gefangener. Der bekam viele Geschenke von ihr und auch Geld.

Für uns ließ sie für jeden Mann 25 Kopeken, Tee und ein wenig Zucker, ein kleines Packerl Tabak und Streichhölzer da, wo wir auch zufrieden waren, denn uns tat es sehr not. Schade, dass wir es erst nach den Feiertagen erhielten.

Nun kam

unser erstes Weihnachtsfest in der Gefangenschaft 1915

Die Geld hatten, zahlten zusammen, dass wir doch auch eine Freude hatten fern der Heimat und der Lieben.

Kauften einen Christbaum. Mein Kollege und ich konnten auch nichts beisteuern. Wir konnten uns nicht einmal eine Karte kaufen um den Angehörigen zu schreiben. Denn das Geld von der Schwester hatten wir noch nicht. Nur die, die im Sommer arbeiten konnten, hatten ein wenig Geld. Der Christbaum wurde aufgestellt. Etliche Kerzlein drauf und wurden angezündet. Hofften auf die Schwester, weil sie uns versprochen hatte. Ließ uns aber dann sagen, dass sie nicht kommen kann. Wird ihr wahrscheinlich bei den Offizieren besser gefallen haben als in unseren Baracken. Denn die hatten eine schöne Löhnung. Konnten gut leben. Konnten jeden Tag Braten und Schinken essen. Und feine Bäckereien und Bier konnten sie trinken, was sie wollten. Hatten im Monat 50 Rubel. 30 brauchten sie zum Leben. Die anderen konnten sie verlungern. Die hatten dort mehr, als sie sich in der Heimat hätten leisten können. Brauchten sich nichts versagen, in keiner Weise. Mehr möchte ich nicht schildern über diese Verhältnisse. Jedenfalls hatten sie ein schöneres Weihnachtsfest als wir armen Häuter.

So feierten wir alleine den Heiligen Abend.

Mehrere Wiener Kollegen hielten Ansprachen, dauerte eine Stunde. Zum Schlusse sangen wir mitsammen ein Weihnachtslied. Es waren uns 300 Mann beisammen in der Baracke und standen um den Christbaum herum. Jedem standen die heißen Tränen in den Augen, rannen uns über die Wangen, dachte doch jeder in dieser Stunde mehr als je an seine Lieben in der Heimat.

Ein Gefühl der gänzlichen Verlassenheit beschlich jeden und die ausgestandenen Leiden und Drangsalierungen und die in Dunkel gehüllte Zukunft, stand vor unserem geistigen Auge. Bewegten Herzens dankten wir für die Ansprachen. Dieses unser erstes Weihnachtsfest, das wir in der Fremde feierten, wird wohl keiner der Gefangenen vergessen.

Einige Künstler die bei uns waren, machten einige Vorträge und Kunststücke, um unsere schweren Köpfe aufzufrischen. Es war für uns das Beste, dass solche unter uns waren, mit gutem Wiener Humor. Sonst wäre es mit uns gefehlt gewesen. Wären noch mehr närrisch geworden und draufgegangen.

Nun hofften wir, diese Weihnachten werden auch die letzten sein, denn wir werden wirklich bald erlöst werden. Auch die Schwester versprach uns baldige Heimkehr, und dass die Friedensverhandlungen bereits begonnen haben. Zu den Feiertagen bekommen wir auch Menageaufbesserung. Wieder einmal nach langer Zeit ein heimatliches Essen zu bekommen, wie das schmeckt, das muss selbst erlebt werden. Am ersten Tag gabs Nudelsuppe und Rindfleisch, den nächsten Tag gabs Gulasch. Da waren wir schon glücklich.

Gingen wieder die Tage dahin........

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