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1919 

 

Es war der 22. Jänner 1919.

Der Sturm ließ wieder etwas nach und wir dachten wieder an unseren Abmarsch. Kam der Kommandant in unsere Hütte und sagte, er will uns etwas Stoff mitgeben, dass wir uns bei den Kirgisen Lebensmittel eintauschen könnten, wenn es uns schlecht geht. Waren wir froh darüber. Er teilte ein Stück unter uns, kam einer auf einen halben Avschin, das heißt bei uns Meter. 

Nun waren wir bei der Nacht auf den Gedanken gekommen, die Schuhe derjenigen, die nicht viel Schutz gegen die Kälte boten, mit dem Filz, mit dem unsere Liegestatt ausgelegt war und wie leichter Kotzen war, zu überziehen. Fragten nicht weiter und machten uns an die Arbeit, damit die Kälte leichter zu ertragen war. Die Holzstiefel hatten, waren mehr geschützt. Aber das Gehen war schlecht bei soviel Schnee. Man tröstete sich mit dem Gedanken, wenn uns nur nicht friert. Denn wir hatten zirka 50 Grad Kälte.

Unser Zusammenrichten dauerte 2 Tage. Kam uns der Kommandant drauf, dass der Filz verschwunden war. Er fragte danach und wir sagten ihm, sollen wir mit den Sommerschuhen den Weg machen? Was kann er machen.

Der Mensch war ohnehin so erfroren. Wenn er nur von seinem Quartier zu unsere Hütten ging. Er ließ es uns nicht merken und sagte wenn er zu uns kam „heute ist es wärmer", auch wenn ihm dabei die Zähne schepperten. Wir scherten uns nicht weiter um seine Fragen, denn jeder Mensch schaut auf die Gesundheit, soweit es ihm möglich gemacht wird.

Es war Montag, als uns unser 50 Mann marschbereit waren. Der Sturm ließ nach und 40 Mann gingen weg. Die anderen 10 warteten, wo auch ich und meine 2 Kollegen waren, beschlossen am Dienstag zu gehen und sagten zu den anderen, wir werden schon nachkommen. Und richteten uns für den nächsten Tag. Besprachen am Abend so Manches, bis wir uns zur Ruhe begaben.

Da kamen schon wieder welche zurück, die in der Früh fort sind, ganz erschöpft und matt. Baten uns, wir sollen die Strecke nachgehen, die sie gegangen waren, um die zurückzubringen, die liegen geblieben sind. 15 haben es gewagt und sind weitergegangen. Aber ob sie im Stande waren, die 40 Wärs zu gehen, bis zur nächsten Station, das war fraglich.

Wir leisteten nun den liegengebliebenen Kameraden Hilfe, auf die sie bei der großen Kälte schon sehnsüchtig warteten.

Brachten alles zurück, und als alles besorgt war, gingen wir zum Kommandanten, und sagten ihm, dass es ganz unmöglich wäre, fortzukommen, indem wir doch alle unterernährt und entkräftet sind. Er solle uns ein Fuhrwerk besorgen, damit doch unsere Sachen befördert würden. Wenn es auch nicht viel war, das wir zu tragen hatten, wenn man halt ganz leer gehen kann, ist es schon viel leichter. Er wolle sich bei den Kirgisen umschauen um ein Pferdefuhrwerk. Aber am nächsten Tag waren wieder die Stürme, dass man nicht daran denken konnte. Es vergingen 3 Tage, der Hunger quälte uns fürchterlich. Hatten nichts zu essen. Sollte man das aufessen, was für den Marsch bestimmt war? Und die Stürme zum Ersticken.

Wir mussten essen und möchte es kommen wie es wolle.

Der 4. Tag war genauso wie die anderen Tage. Gingen ich und meine 2 Kollegen vor die Hütte um frische Luft zu schöpfen, da im Inneren ein fürchterlicher Gestank war, da sich niemand ins Freie wagen konnte. Sahen wir bei der Hütte, wo die Bäckerei war, ein Pferd stehen von den Kirgisen.

Sagten zueinander, wenn das am Abend noch dasteht, das gehört uns. Es war ein verirrtes, weil sie im Winter in der Wüste bei den Kirgisen nichts zu fressen bekommen. So laufen sie umher. Und wenn sich ein einzelnes verirrt, geht es solange gegen den Wind, bis es jemand antrifft.

Sobald die Stürme nachlassen, dann gehen die Kirgisen auf die Suche nach denselben. Als es Abend wurde, stand es noch immer auf dem gleichen Fleck. Brauchten auch keine Angst haben, dass es die Kirgisen suchen, da der Sturm noch fürchterlich ging. Nun machten wir ernst. Besorgten uns das Inslichlicht. Waren unser 5 Mann beisammen. Zogen das Pferd über die Stiegen hinunter. War ein gelernter Fleischhauer unter uns, der versetzte ihm einen Schlag auf den Kopf und stach es gleich ab.

Ein Mann leuchtete mit dem Inslichlicht und die anderen vier halfen zusammen und zogen dem Pferd die Haut herunter.

In einer kaum halben Stunde war alles vorüber, war alles zerteilt in Portionen und Trümmer. Niemand hatte eine Ahnung von unserem nächtlichen Treiben und wir fünf waren so herzlich froh, dass uns alles so glückte dabei. Und wir doch wieder zu essen bekommen. Füße und Eingeweide vergruben wir im Schnee und das Fleisch versteckten wir.

War nur mehr die eine Frage zu lösen, wie das Fleisch behandeln? Kochen wir es, so friert es uns am Weg zusammen, wenn wir am Transport sind. Fiel einem ein, tun wir’s am Spieß braten, das hält sich gut. Aber wo Holz hernehmen? Hielten wir bei der zusammengestürzten Hütte Nachschau und fanden wirklich noch eines und machten gleich Feuer im Ofen unserer Hütte.

Einen Teil vom Fleisch hing man mit einem Draht in den Rauchfang. Das andere gaben wir zum Feuer zum Spießbraten, was uns sehr gut gelang. In kurzer Zeit war alles besorgt und wir waren voll Freude. Konnten wir doch wieder unseren Hunger stillen. Brot hatten wir freilich keines.

So vergingen die Tage, die Stürme hörten mehr auf und man konnte an ein Weiterkommen denken.

Der Kommandant bekümmerte sich um ein Fuhrwerk, die wohl keine Freude hatten bei diesem Witterungswechsel. Wurde einer bestimmt für den 28. Jänner mit einem Schlitten und 2 Kameraden. Kam aber niemand zum Vorschein. Sagten wir, die lassen uns aufsitzen, wollen wahrscheinlich Silbergeld oder Stoff dafür. Die können aber so auch fahren, wussten ohnehin nichts vom Krieg.

Ein Partieführer von uns erklärte, er kann ein wenig kirgisisch reden, sollen 2 Mann von uns mitgehen. Gab uns 2 Gewehre und gingen zu den Kirgisen wegen dem bestellten Fuhrwerk. Er sah, dass sie ganz baff waren beim Anblick der Gewehre und sagte, sie sollen lieber fahren, denn uns ist nicht mehr zu trauen. Die fangen gleich zum Schießen an. Sagten gleich, dass sie fahren werden. Das Fuhrwerk wird morgen früh bei den Hütten sein.

Die Drei kamen zurück und wir warteten auf den nächsten Tag. Kochten uns wieder Wasser zum Tee ohne Zucker, da wir keinen hatten. Um 7 Uhr waren wir marschbereit. War aber noch immer kein Fuhrwerk zu sehen.

Packte uns der Zorn, was sollen wir mit dem Gesindel anfangen? Nahmen nochmals die Gewehre und gingen schnellen Schrittes nach dem Kirgisendorf. Kamen aber nicht ganz hin, kam uns schon ein Kirgise mit Schlitten mit 2 Kamelen entgegen. Die hätten uns sicher nochmals aufsitzen lassen. 

Gingen dann mit ihnen bis zu unseren Hütten, wo er dann den Kommandanten fragte, wie weit er mit uns fahren müsse?  Er sagte, bis zur nächsten Station, das sind 40 Wärs. Der Kirgise ärgerte sich darüber, musste sich aber doch fügen. Wir gaben unsere Sachen auf den Schlitten, auch 2 Schaufeln nahmen wir dazu, sollte es uns einwehen, dass wir uns doch helfen können. Vor der Kälte musste sich jeder selbst schützen. Wer einen Pelz hatte, für den war es leicht. Hatten wenige das Glück. Ich zog meine Holzstiefel an, dass ich es doch in den Füßen warm hatte.

Endlich zogen wir ab von dieser Gegend des Hungers und Elend. Hoffentlich war es ein Abschied auf „Nimmer Wiedersehen".

Was wird noch alles kommen, bis wir unser Ziel erreichen. Der Kirgise ging mit verdrossenem Gesicht vor den Kamelen fort. Und wir gingen hinten nach.

Kaum waren wir 5 Wärs weg von unseren Hütten, wollte ein Kamel nicht mehr gehen. Der Kirgis scherte sich nicht darum, er wäre froh gewesen, umkehren zu können. Er stand ein Stück weg und schaute. Wir sagten ihm, er solle herkommen und trachten, dass wir weiterkommen. Er zeigte, es geht nicht, das Vieh mag nicht. Wir sollen unsere Sachen herunternehmen und gehen. Kam uns der Zorn, nahm einer eine Schaufel herunter und klopfte dem Kamel eine in die Rippen, es half noch nicht. Andere schoben beim Schlitten an. Da legte sich das Vieh gar zu Boden. Da nahmen wir vor Zorn noch einmal die Schaufel und hauten hin, dass der Stiel abbrach. Alles nützte nichts. Und der Kirgis stand dabei und machte keine Miene zum Antreiben.

Da wandte sich unser Zorn gegen ihn. Drohten ihm, wir werden ihn erschlagen, wenn er nicht Mode macht.

Kam ihm doch die Abscheu vor so vielen. Er brachte das Tier zum Stehen und dann wieder zum Gehen.

Drohten ihm, wenn er es wieder macht, erschlagen wir ihn gleich, uns ist es alles eins.

Nun ging es so stückweise vor, es war wirklich ein störrisches Tier und blieb oft stehen.

Sollten an einem Tag 40 Wärs zurücklegen, um zur nächsten Station zu kommen. Kamen aber am 1. Tag nur 20 Wärs. Auf einem Feld durften wir nicht übernachten, wäre für uns alles der sichere Tod gewesen und es wurde bereits finster. Fuhren wir in ein Kirgisendorf hinein, die sollen uns übernachten. Weigerten sich, denn umsonst wollten sie nicht. Da war ein Wiener unter uns, der schon etwas kirgisisch konnte, der sagte, die Bahnbaugesellschaft wird es schon bezahlen. Er will einen Zettel schreiben, den sollen sie vorweisen. Das war ihnen recht. Er schrieb aber drauf, dass sie sich mit diesem Zettel den Hintern putzen können.

Aber lesen konnten sie ihn nicht, so waren sie zufrieden dass Worte draufstanden. Und behielten uns über Nacht. Zu fünf und fünf teilten wir uns auf die Hütten auf. Man wusste nicht, wo man sich ein Platzerl suchen sollte. Denn die Bewohner lagen selbst auf einem Häuflein beisammen. Die Läuse besuchten uns, dass wir froh waren als es Früh wurde. Und da wollten sie noch Bezahlung?

Bekamen wir nichts vom Bahnbau für unsere Arbeiten. Und erst die für das elende Nachtquartier.

Für das Teewasser, was wir in der Früh bekamen, mussten wir ihnen was geben.

Dann machten wir uns wieder marschbereit, mit dem freundlichen Kirgisen und dem störrischen Kamel.

Machten wieder 10 Wärs und kamen zu einer Baracke. Bekam man wenigstens zu essen. Viel hatten sie selbst nicht. Übernachteten dort und am nächsten Tag war der 31. Jänner. Ging es wieder weiter im gleichen Ton. Ich mit meinen Holzstiefeln, wo ich mich schon schwer ging. Legten einige Wärs zurück, wollten die Kamele nicht mehr, samt dem Kirgisen, dem es schon viel zu lange dauerte, bis er sein Ziel zurückgelegt hat.

Aber es half ihm nichts, wir traten gleich ganz energisch auf, nahmen wieder die Schaufel zur Hand, schoben an bei dem Schlitten, nun gings und wir machten doch noch 10 Wärs und kamen auf eine Hauptstation.

Dort fanden wir bessere Verpflegung vor. Die hatten besser für den Winter vorgesorgt als unser Kommandant. Trafen dort einige, die nicht auf uns gewartet haben und alleine gegangen sind. Die hatten sich die Füße so erfroren, mussten bis zum Frühjahr dort bleiben, konnten uns nicht begleiten. War auch der Tischler dabei, mit dem ich gearbeitet habe. Da verblieben wir über Nacht. In der Früh Teewasser und dann Menage. Es war der 1. Feber. Für den 2. Feber bekamen wir Menage mit.

Um 11 Uhr war der Abmarsch, noch mit dem gleichen Kirgis und seinen Kamelen. Machten wieder 12 Wärs. Dann übernachteten wir. Um 7 Uhr marschierten wir wieder weg und machten 22 Wärs.

Einige konnten fast nicht mehr. Setzten sich zeitweise auf den Schlitten, lang durften sie aber nicht wegen dem Erfrieren. Man musste sie mitbringen, da gab es kein Erbarmen.

Um 3 Uhr nachmittags kamen wir wieder auf einem größeren Punkt an. Da sah es schon mehr einer Station gleich. Waren schon die Telephonstangen. Es war schon Telephonverbindung mit der Stadt, die unser Reiseziel war. Bekamen Menage und blieben über Nacht. Legten uns zur Ruh, wo ein Platzerl war. Es waren lauter Unsrige dort beschäftigt, die auch über dem Winter blieben, da es auf diesem Punkt nicht so schlecht war mit der Verpflegung.

Hier wurde auch unser erster Fuhrmann entlassen. Konnte er den weiten Weg allein machen mit seinen Kamelen. Uns wurde vom Kommandanten ein frisches Fuhrwerk beigestellt. Wollten in der Früh fort, kam ein solcher Sturm, den wir abwarten mussten.

Den 4. Feber in der Früh ging es mit frischen Kamelen weg. Der Wind hatte sich gelegt, aber alles so verweht und verschneit. Man sah keine Karawanenstraße. Mussten uns nach den Telephonstangen richten, dass wir nicht verfehlten.

Legten 24 Wärs zurück und kamen abends wieder auf eine Station. Am Weg sah man nichts als die öde Wüste und die Kirgisenhütten. Das Vieh, Schafe, Pferde, Kamele und Kühe rannten herum, um sich aus den Schneemassen das Futter herauszuscharren. Fanden auch nur wenig, weil nur selten ein Hälmlein heraussah. Waren zum Erbarmen die armen Vieher. Obwohl wir auch nicht besser dran waren.

Am Wege sah man hie und da ein frisches Gerippe liegen. Waren wahrscheinlich verhungert oder erfroren. Und haben dann die Raubvögel, die Bären und Wölfe auch ihren Hunger stillen können.

Bekamen auf der Station ein wenig zu essen. Um 5 Uhr in der Früh waren wir schon wieder bereit. Musste uns der Kommandant wieder frisches Fuhrwerk besorgen. Kamen um 10 Uhr zum Abmarsch, mit 2 Kamelen, die sich gleich störrisch zeigten. Machten ungefähr 4 Wärs, kehrten um und meldeten uns beim Kommandanten. Und da ihm auch 2 Pferde zur Verfügung standen, so mussten die her, anstatt den Kamelen. Gingen um 12 Uhr mittags fort und machten bis am Abend noch 30 Wärs. Auf halbem Weg holte uns der Schlitten schon ein. Setzten sich 2 Mann auf, die nicht mehr weiter konnten. Auch wir kamen ganz entkräftet und matt an. Bekamen das Nötige zu essen und mussten in einer Tischlerei übernachten, wo schon lange niemand gearbeitet hat und schon alles eingefroren war. Es war furchtbar in dieser Kälte. Man konnte keine Ruhe finden. Dort verblieben wir 2 Nächte und 1 Tag, um uns etwas zu stärken für den Weitermarsch. Zu essen bekamen wir das Nötigste.

Am 7. Feber in der Früh wieder marschbereit. Fuhren mit 2 frischen Kamelen weg. Machten wir 10 Wärs. Konnte ein Kamel nicht mehr. War es krank, oder war es Schwäche, wusste man nicht. Der Kirgis mühte sich ab es fortzubringen. Aber es sah aus zum Verenden. Er stach es nieder, obwohl ihm leid war drum. Konnten wir ihm auch nicht helfen. Das Vieh war erlöst. Wer wird auf uns noch warten? Wenn es lange noch dauert, wird es uns auch so gehen. Mussten jetzt alles auf einen Schlitten laden und mit dem einen Kamel weiterfahren.

Eine Zeitlang ging es ganz gut. Dann wurde es dem einen auch zuviel und wollte nicht mehr weiter. Was wollen wir machen? Hatten noch weit zu gehen. Der Abend vor uns. In der freien Wüste übernachten? Bei unserem Kleidermangel und Unterernährung? Das wäre für uns der sichere Tod. Und mit dem Mute der Verzweiflung wechselten wir ab und schoben den Schlitten fort. Machten den ganzen Tag 22 Wärs und kamen um 10 Uhr nachts auf unserem Ziel an. Kochten uns einen Tee und lagen dann wie halb tot umeinander, vor lauter Schwäche und Entkräftung. Vom Schlafen keine Rede vor Kälte.

So verging die Nacht und es wurde der 8. Feber. Wir waren wieder reisefertig. Bekamen wieder frische Kamele, die sich gleich anfangs gut zeigten und wir machten 24 Wärs bis zum Abend. Zu sehen war wieder nichts als die öde Wüste, die gleiche Gegend und das hungernde Vieh. Abends bekamen wir gleich zu essen und begaben uns zur Ruhe.

Am 9. Feber früh wieder reisefertig. Marschierten wieder ab mit den gleichen Kamelen und machten bis abends wieder 30 Wärs. Müde und matt mussten wir in einer kalten Baracke übernachten, ohne einen Bissen Essen zu bekommen. So manche konnten nicht mehr stehen vor Schwäche.

Legte man sich auf den eiskalten Erdboden, war vom Schlafen keine Rede. In welch trauriger Verfassung wir schon waren, das ließe sich von keiner Feder schildern, das muss man erlebt haben.

So verging die Nacht und in der Früh bekamen wir erst zu essen. Wo wir uns dann ausruhten bis 11 Feber.

Um 8 Uhr früh wegmarschiert. Hatten wieder frische, gute Kamele, gingen den ganzen Tag bis in die Nacht hinein. Wir legten 40 Wärs zurück. Konnte kaum mehr einer auf den Füßen stehen vor Mattigkeit. Bekamen wieder keine Menage und legten uns um 12 Uhr nachts zur Ruh. Im gleichen Sinn wie die anderen Nächte und die gleiche Kälte.

In der Früh bekamen wir erst das Nötige zum Essen und machten uns wieder reisefertig.

War der 12. Feber. Um 10 Uhr ging es wieder mit frischen Kamelen fort, im gleichen Ton wie die anderen Tage. Waren schon ganz trostlos, da man nicht wusste. Wie weit unser Ziel noch entfernt ist. Die Kälte war immer zwischen 40 und 50 Grad. Die Holzstiefel erschwerten einem noch mehr das Gehen. Vielen hängten schon die Fetzen von den Stiefeln und von den Schuhen. Einige sagten schon, wir bleiben auf der Stelle liegen und erfrieren, wenigstens hat unsere Qual ein Ende. Tröstete doch einer den anderen. Vielleicht können wir uns doch überwinden und kommen doch noch an unser Ziel. Mit dieser Tröstung ging es doch wieder weiter. Dann sahen wir von weitem ein Dorf mit Häusern. Waren glücklich, endlich einmal was anderes zu sehen. Aber es dauerte lange bis wir hinkamen. Mussten diesen Tag 26 Wärs zurücklegen.

Es war ein Kosakendorf. Kamen uns schon entgegegeritten wegen unserer Papiere und um uns nach unserem Woher und Wohin zu befragen. Als wir das näher erklärten, waren sie ganz baff über unsere Erlebnisse. Hatten Mitleid mit uns, gingen mit uns durch die Straßen und verteilten uns 2 und 3 Mann in die Häuser. Wurden uns gleich wärmere Liegestätten angeboten.

Bekamen auch gleich Tee und Brot, da sie uns den Hunger von den Augen ablesen konnten. Da konnte man sich doch besser ausruhen als in der Kälte.

Morgens machten wir uns wieder reisefertig. Gingen zuerst durch die Straßen. Es waren auch ganz schöne Häuser dort, denn die Kosaken hatten es viel besser als die Russen, da sie die Leibgarde waren bei der Zarenregierung.

Bettelten uns Brot für die Weiterreise, was sie uns auch gerne gaben. Verließen dann das Dorf und es nahm uns gleich wieder die öde Wüste auf. Marschierten eine Weile, fing ein heftiger Sturm an, wir wussten nicht wohin, zurück war es zu weit. Der Kirgise der uns führte, deutete nur vorwärts, folgten ihm wieder. Er wird es schon wissen. Auch er hatte Angst vor dem Sturm.

Machten doch 7 Wärs und kamen zu drei Kirgisenhütten. Flüchteten gleich hinein. Die waren ganz bös über uns. Aber was wollten sie machen, wenn wir schon drinnen sind.

Mussten unsere Sachen gut versichern, denn die nahmen was sie erwischen konnten. Am besten war, man setzte sich drauf, denn zum Liegen war so kein Platz. Teewasser bekamen wir nur gegen Bezahlung. Ausschaute es dort, soviel Schmutz und Dreck, so auch die Bewohner. Pferdefleisch lag herum, auch in dem selben Zustand. Verging doch die Nacht und wir waren froh wieder loszukommen.

Am 14. Feber in der Früh ging es wieder weiter, obwohl noch ein Sturm ging. Wurden wieder ganz trostlos. Da man wieder nichts sah als Himmel und Erde und unser Ziel nicht näher kommen wollte. Mit lauter Trösten ging es doch wieder vorwärts.

Endlich sahen wir von weiten die Umrisse einer größeren Ortschaft. Je näher wir kamen, desto deutlicher sahen wir es.

Und mit letzter Anspannung unserer Kräfte kamen wir doch endlich hin und es war unser erstes Ziel

Die Vorstadt von Semipaladinsk!

Hatten den letzten Tag 17 Wärs zurückgelegt und wurden bei unserer Ankunft in die Häuser einquartiert. Waren herzlich froh, einmal los zu sein von dieser traurigen Wüste. Hofften doch nicht mehr hineingesteckt zu werden.

Wieviel Leid wird uns noch harren bis unsere Erlösung kommt?

Mit diesem Gedanken beschäftigt verging die Nacht.

Es waren Unsrige dort beschäftigt, die von unserer Ankunft hörten und uns abends besuchten, da sie neugierig waren, wie es uns immer gegangen ist. Tauschten unsere traurigen Verhältnisse und Leiden gegenseitig aus.

Erzählten uns, dass wir auch hier nichts Gutes erleben werden, indem die Serben und die Tschechen das Kommando haben.

Die keinen Gefangenen verschonen, der halbwegs gehen kann wird zur Arbeit gezwungen, da die Leute zu wenig sind. So erfuhren wir die traurigen Ereignisse, die der Bürgerkrieg mit sich brachte und was uns noch alles zu erwarten haben. Machten uns fürs Erste nicht all zuviel draus, denn so ein trostloses Leben wie in der Wüste war es doch nicht.

Erzählten uns von den Leiden der Gefangenen durch die Tschechen. Viele brachten sie ums Leben, um ihre Rache gegen die Österreicher und Deutschen zu stillen.

Wir hatten im Lager von Omsk auch viel erlebt von den Tschechen, bevor wir in die Wüste kamen. Aber so schlecht waren sie doch noch nicht. Sagten, tun wir halt mit solange es geht, dann hört es sich von selbst auf. Waren der Meinung, uns im Lager etwas erholen zu können von unseren Strapazen. Aber als sie sagten, dass alles aus dem Lager muss, was halbwegs gehen konnte, da hatten wir keine Hoffnung mehr auf Erholung.

Alles muss arbeiten. Zum Train werden sie verwendet, müssen an die Front fahren, solange bis sie nicht mehr können. Werden oft erschossen, oder müssen erfrieren. Dann heißt es wieder Schützengraben machen an der Front. Andere wieder Kommando reinigen. Pferdewärter, auch in die Spitäler als Sanitäter zu den Verwundeten und Typhuskranken. Auch Cholerakranke gab es in den Spitälern.

Die hatten uns ein trauriges Bild aufgerollt, was unsere schwermütige Stimmung noch verdüsterte und keinen Schlaf in uns aufkommen ließ. Unter diesen Gedanken verging doch die Nacht.

In der Früh bekamen wir Teewasser, nahmen Abschied von denen die dort beschäftigt waren und gingen noch vormittags über den Fluss Irtysch. Der war so stark zugefroren, dass sie mit den Pferden hin und her fuhren. Sogar eine Feldbahn war angelegt darüber, die an die Front ging, gegen den russischen Parteikampf, welcher die Folge des Bürgerkrieges wurde.

Nun kamen wir in die eigentliche Stadt Semipaladinsk.

Da konnten wir schon ein Bild von den Tschechen und Serben betrachten, wie die es trieben. Kavallerie mit Säbel und Gewehren, die Knute in der Hand, ritten herum, wo auch wir gleich unseren Teil bekamen, als wir zum Lager marschierten. Die Infanterie machte es auch nicht anders.

Russen sah man wenige dabei, die waren nicht so grauslich auf die Gefangenen. Nur Tschechen, Serben und Tataren hatten das Recht in der Stadt und außerhalb. Die Bewacher der Stadt waren Kirgisen und Tataren, die aber auch kirgisischer Abstammung waren. Waren zivilisierter. Konnten besser rechnen und schreiben. Sahen schon ganz anders aus als die Wüstenbewohner.

Die Stadt, eine Handelsstadt, da sie die erste nach der Wüste war, mit einem Hafen. So dass auch Schiffsverkehr war im Sommer. Wurde alles hergeliefert von Turkestan. Wo auch die Weinberln und Zibeben und gedörrtes Obst hergeliefert wurde. Alles was für die Wüste gebraucht wurde. Wurde dann alles überladen auf die Bahnen. Sogar das Salz, was in der Wüste gewonnen wurde, wurde von hier weiter versendet.

 

Im Lager Semipaladinsk

 

Bei unserer Ankunft im Lager sah man auch wieder das schreckliche Kommando das hier herrschte.

Es war ganz überfüllt mit Arbeitsunfähigen. Die schon am längsten hier waren, jammerten über Hunger und Elend. Kein Lebenszeichen von der Heimat, manche hatten überhaupt noch keine Zeile seit ihrer Gefangennahme.

Die waren wirklich zu erbarmen, diese armen Leidensgenossen. Das war doch bei mir nicht der Fall. Doch hatte ich auch das letzte Schreiben vor 14 Monaten erhalten und es mir auch schwer fiel, solange nichts von der Heimat zu wissen. Man kann doch das Leiden besser ertragen. Sonst müsste man ja beinahe verzweifeln. Man las doch wieder die alten Zeilen und es wurde einem leichter ums Herz.

Wurden nun auch in den Baracken untergebracht. Mussten aber unter den verseuchten Pritschen liegen, da sonst kein Platz war. Der Fußboden war voll Schmutz, wie die lungenkranken ausspuckten.

Voll Läuse und Wanzen, so musste man herumkriechen, bis man ein Platzerl fand. Da sah man erst die traurige Wirklichkeit, wie es uns beim Ankommen die Kameraden schilderten. Es war ein trauriges Lagerleben.

Wir verbrachten dort 1 Tag und 2 Nächte. Dann kam der nächste Transport aus der Wüste nach. Die auf einem anderen Punkt arbeiteten. Fand ich 2 Kollegen von mir, waren mitsammen in die Wüste gekommen und dort bei der Aufteilung getrennt worden. Hoffman von Viehofen und Langtaler von Wieselburg. Hoffman war krank und hatte Skorbut. Was eine sibirische Krankheit war und viele Krüppel wurden dadurch. Es kommt von der Unterernährung. Viele gingen ganz drauf dabei, wenn nicht geholfen wurde. Es wird von den Knochen das Mark zu Wasser. Nur durch Essig, saure Bohnen und Erbsen kann da geholfen werden. Mein Kollege kam ins Spital, wurde ihm geholfen, aber Invalide blieb er.

Wir, die beim ersten Transport aus der Wüste dabei waren, kamen in ein Zivilhaus. Waren froh. Trafen dort eine andere Ordnung vor als im Lager. Dort verblieben wir bis zum 20 Feber, war mein Geburtstag. Unsere Erholungszeit war bald beendet.

Hieß es, wir müssen auf Transport gehen, auf Arbeit, der fähig ist dazu. Von uns, die wir 50 Mann zählten, als wir von der Wüste kamen, waren uns 41, die halbwegs fähig waren zum Arbeiten. Die anderen im Spital, einige schon an Typhus gestorben.

Wir kamen auch auf Arbeit, wohin wussten wir nicht. Wurde geredet, zum Verpflegungstrain. Uns war es eigentlich gleich. Die Hauptsache war uns, um Essen zu bekommen, dass wir durchhalten. Denn ans Nachhausefahren gab es keinen Gedanken.

Nun wurden wir 41 zusammengenommen, wo ich, Anmasser und Stockinger fest zusammenhielten. Wollten uns nur krankheitshalber trennen lassen, sonst nicht.

Gesund war wohl keiner mehr, aber wer kann sich helfen gegen den Zwang der Tschechen. Kamen auf ein Kommando, fassten dort Pelz und Filzstiefel aus, waren wir wieder der Meinung, jetzt geht es an die Front.

Mit 8 Posten marschierten wir bei fürchterlichem Schneegestöber hinaus aus der Stadt, auf den Bahnhof. Derselbe war ca. 2 Wärs außerhalb der Stadt, damit er vergrößert werden kann, wenn von der Wüste her die Bahn fertig ist. Und dass die Stadt auch nicht gehindert war im Ausbau. Waren ohnehin schon Bauten angelegt bis zum Bahnhof, der noch fast neu war, erst im Jahre 1915 angelegt von unseren Gefangenen, wie uns später solche mitteilten, die beschäftigt waren dabei.

Damals waren ca. 70tausend Einwohner in der Stadt. Nun nach 4 Jahren war es uns bestimmt, dort weiter zu arbeiten, wo unsere armen Leidensgenossen angefangen hatten.

Wurden in 2 Viehwaggons einquartiert, Da war alles voll Mist und Morast. Mussten uns gründlich reinigen. Dann besorgten wir uns einen Blechofen. Kohlen und Holz gab es auf der Station. Das musste man sich stehlen. Man durfte sich halt nicht erwischen lassen. Dann schleppten wir uns Bretter her, dass wir uns Pritschen machen konnten und richteten uns ganz wohnlich ein. 2 Tage mussten wir heizen. Dann war alles gerichtet für unsere ferneren Bedürfnisse. Wurde uns gesagt, dass wir hier bleiben auf unraische Arbeiten. Müssen Waggon ausladen und einladen. Und die Menage bekommen wir vom Unra ausgefasst.

Mussten wir noch einen Waggon zu einer Küche einrichten, dass wir kochen konnten. Nach weiteren 2 Tagen kamen schon Waggons an, mit Mehl und anderen Lebensmittel, Geschütze und Munition für die Front.

Heu, Stroh, Hafer alles fürs Unra. Hatten manchen Tags bis zu 30 Waggons auszuladen und viele zum Überladen. Da musste man oft Tag und Nacht arbeiten. Da gab es keine Zeit mehr für unsere hoffnungslosen Gedanken. Und streng waren sie mit uns, durften den Bahnhof nicht verlassen. Denn die Patrouillen ritten umeinander. Sauste so manchmal die Knute über unseren Kopf, oder wo sie halt hintrafen in ihrer Bosheit. Wir mussten oft abends die Pferdewaggons ausputzen. War schon oft halbmannshoch Mist drinnen, musste man mit dem Krampen aufhauen, da alles festgefroren war. Man musste dieselben ein Stück hinausschieben, dass der Bahnhof kein Misthaufen wurde. Und hatten oft an einem Abend 20 bis 30 Waggons zu putzen. Da wurde es oft späte Nacht und ging man nach beendeter Arbeit zu unseren Waggons um zu essen und zu schlafen, dabei wurde man noch oft angehalten und absekkiert von den Wachen.

Obwohl selbst Gefangene bei der Patrouille waren, es waren halt tschechische, die durften sich schon was erlauben mit uns Deutschen. Da machten wir viel mit, konnten uns nur trösten, es wird mit der Zeit schon anders werden.

Einen russischen Offizier hatten wir, der war grauslich gegen uns. Sagten ihm einmal aus Verzweiflung in das Gesicht, wenn man ohnehin arbeitet was möglich ist, warum immer die Schläge auch? Er scherte sich aber nicht um unseren Verzweiflungsausbruch und unsere Behandlung blieb die gleiche. Mit der Zeit wurden wir mit den Stationsbeamten besser bekannt und klagten ihm unser hartes Los. Die ließen den Offizier rufen und sagten ihm, er solle uns doch in Ruhe lassen, müssen ohnehin so viel arbeiten, warum eine solche Behandlung? Das Herumhauen hat doch keinen Wert.

Da kam er abends als wir schliefen besoffen in unsere Waggons und lärmte und schrie, setzte uns den Revolver an und drohte uns zu erschießen. Wir konnten nichts machen, ließen ihn austoben, dann ging er wieder.

Ließen etliche Tage vorübergehen, dann erzählten wir es dem Stationsvorstand. Der ließ nochmals den Offizier kommen, um mit ihm ein ernstes Wort zu reden.

Erklärte ihm unsere Verhältnisse und unsere Leistungen, die wir machen mussten. Zuerst hatten sie heftigen Streit, dann brachte es der Vorstand soweit, dass wir jeder einen Zettel bekamen, als Ausweis für unsere Beschäftigung, mit dem Bahnhofstempel, dass wir doch sicher gehen konnten. Der Offizier war sein Herumschreien und Schelten schon so gewöhnt, er konnte nicht mehr anders. Ließen ihn halt schreien, bis er gerne aufhörte. Wir bemerkten, dass er auch von Zivilleuten Waggons übernahm, wir mussten sie ausladen und er wurde dafür bezahlt.

Wir hatten nichts als die Verpflegung, nicht viel mehr als Lagerkost, wird er uns auch da bestohlen haben. Wovon hätte er sich so ansaufen können. Unsere Arbeit wurde immer mehr, waren oft schon ganz entkräftet. Einige kamen ins Spital und starben dort. Bei allem Wetter musste gearbeitet werden. Ob Regen oder Schnee. Manchmal ging auch ein wüstenartiger Sturm. Trotzdem musste alles in Ordnung gemacht werden. Da half uns nichts.

So verging ein Tag nach dem anderen. Wochen und Monate vergingen, nur unser trauriges Leben blieb immer bei uns stehen. Unser Offizier musste uns auch verlassen. Musste eilends an die Front. Werden ihm wahrscheinlich auf seine Geldeinnahmen gekommen sein. Da waren wir alle herzlich froh darüber.

Unsere Waggons wurden gebraucht. Waren anderthalb Wärs von uns leere Kasernen, da die Mannschaft an der Front war. Mussten wir uns die räumen und säubern, da auch da alles verseucht war. Waren froh darüber, hatten wohl ziemlich weit zu unserer Arbeitsstätte, aber doch viel wohnlicher war alles, als es in den Waggons war. Vor der Tür hatten wir einen Posten, dass sich keiner entfernen konnte.

Aber der Weg war oft beschwerlich zur Arbeitsstätte, oft so verweht, dass man aufpassen musste. Oft ging der Sturm.

Einmal war ein Zusammenstoß. Waren 10 Waggons total hin. Fuhren 30 Waggons hinein in die Stadt. War so verweht, dass sie nicht mehr fortkommen. In der Maschine war der Schneepflug daran, kuppelten sie los von den Waggons. Fuhr die Maschine allein fort, um den Weg zu bahnen. Dann wollten sie retour fahren und die Waggons holen, sahen aber nichts vor lauter Sturm und Schneegestöber. Während dem schob der Wind an bei den Waggons, die etwas talabwärts standen. Die Bremser konnten nicht mehr genug bremsen und fertig war das Unglück.

Von den 30 waren 10 total hin. Die Bremser hatten leichte Verletzungen. Auch der Maschine geschah nicht viel. Sie konnte wieder zum Bahnhof fahren. Wir wurden alarmiert und mussten abends noch hinaus. Es war 70 Wärs außerhalb der Stadt. Mussten die Waggons ausladen, waren voll Holz.

Die verdorbenen mussten wir ganz wegschaffen vom Gleis. Dann musste alles eingeladen werden in die unbeschädigten. Auch frische nahmen wir mit hinaus. Das war eine Arbeit bei diesem Schneesturm! Wo einer den anderen kaum sah. Nach beendigter Arbeit fuhren wir mir den Waggons wieder zurück zum Bahnhof.

Gänzlich durchnässt am ganzen Körper, kamen wir nach Mitternacht in unsere Baracke. Jetzt sollten wir essen, konnten nicht vor Kälte. Die paar Stunden der Ruhe waren bald wieder vorüber. Denn zeitlich in der Früh mussten wir schon wieder zu unserer Arbeit. So gingen in gleicher Tätigkeit die Tage und Wochen dahin. Da kam wieder eine Mobilisierung bei den Russen. Mussten wir wieder aus den Baracken und mussten uns wieder unbrauchbare Waggons herrichten. Und mit der Mobilisierung der Russen sahen wir unsere Heimkehr in die Heimat wieder in weite Ferne entschwinden. Mussten dort im Feindesland unsere letzten Kräfte einsetzen, um das bisschen Essen. In dieser traurigen Stimmung und Fortdauer der schweren Arbeit verging doch die Zeit und es kam

 

Ostern 1919!

 

Werden doch unsere letzten Ostern sein fern der Heimat. So tröstete einer den anderen und dabei machten wir unsere Arbeit wie jeden anderen Tag. Wurde immer mehr unsere Arbeit im Frühjahr.

Die Eisversorgung für die Bahnangestellten, dann wurden Zimmerleute gesucht, da sie eine Erdhütte brauchten für einen Nachtwächter. Auch zum Heizen musste es gerichtet sein. Und einen kleinen Nebenraum brauchte man zur Aufbewahrung der leeren Säcke, den man versperren konnte. Denn am Bahnhof war ein Lagerplatz, alles aufgestapelt, Heu Stroh, Hafer und Weizen und dabei standen Posten, dass nichts davongetragen wurde. Dieselben wurden wegen Personalmangel eingezogen, so beschlossen sie, einen Nachtwächter anzustellen. Nachdem wir neben unserer Arbeit noch die Erdhütte nebst dem Nebenraum machten und alles nach Wunsch verrichtetet hatten, wollten sie von uns einen nehmen zum Nachtwächter. Wehrten uns aber entschieden gegen eine solche Zumutung. Das hätten dann die Russen ausgenützt, hätten fleißig gestohlen und wehrt sich so ein Gefangener, den prügeln sie ordentlich durch, oder erschlagen ihn ganz.

Stellten sie dann einen Russen an, der vom Unra das Essen bekam. So verging der März, April und Mai. Und mit der wärmeren Jahreszeit kamen auch viele Krankheiten.

Von den Strapazen des Winters. Wurde uns bekannt, dass sich in der Stadt ein ungarischer gefangener Arzt aufhalte. Er hieß Dr. Loichl, der sich den Gefangenen recht annahm. Er war wegen seiner Tüchtigkeit überall bekannt. Verständigten ihn, er soll zu uns auch einmal herauskommen. Er kam wirklich unseren Wünschen nach. Kam heraus und fragte uns nach unserem Befinden. Erzählten ihm von unseren Leiden in der Wüste, und hier bei unserer Ankunft. Anstatt uns etwas Ruhe zu lassen, mussten wir gleich wieder schwer arbeiten. Und die schmale Kost dazu. Und wir können uns nicht helfen.

Er staunte über unsere Erlebnisse, und dass wir so viel aushielten. Nun sagte er, wer glaubt, dass ihm etwas fehlt, den wird er untersuchen. Als er zu mir kam, sagte ich ihm alles, was ich schon mitgemacht und dass ich an den Hämorrhoiden leide, dass das Arbeiten oft so schwer ist. Er kannte es gleich, musste mich ausziehen und bücken, kamen gleich beim Maßdarm die Geschwüre heraus. Das war wie bei den Hennen der Eierstock. Hatte 6 solche Geschwüre.

Versprach mir, sobald er im Spital Platz hat, wird er mich verständigen, dass ich hineinkomme, er wird mich operieren.

Einen schickte er ins Lager. Der war ganz arbeitsunfähig. Und die Anderen ermunterte er zum Ausharren bei ihrer Arbeit. Denn sie sind alle unterernährt von der Wüste und die schwere Arbeit dazu. Er wird sein möglichstes machen, wird trachten, dass eine bessere Menage herausgegeben wird. Das ist für uns das beste Heilmittel. Gäbe ich euch ins Lager, die Tschechen würden euch nicht drinnen lassen und ihr kommt vielleicht auf Zwangsarbeit. Denen es noch schlechter geht. Vielen sind Hände und Füße abgefroren, deshalb war ja das Spital so überfüllt.

Nun dankten wir ihm für seine Erklärungen und Bemühungen. Er sagte, wir können uns alle mitsamt nicht helfen bei dieser Regierung. Die lassen jetzt ihren Zorn an uns aus. Das wussten wir selbst am besten, hatten schon genug erlebt, dann verließ er uns.

Am 9. Mai kam ich ins Spital, bekam ein Plätzchen wo wir Gefangenen waren. Bekam 3 Tage nichts zu essen wegen der Operation. Dann bekam ich einen Einlauf, um den Magen zu leeren.

Abends kam ich ins Operationszimmer. Musste mich auf den Tisch knien, auf Hände und Füße. Dann wurden mir 2 Schläuche in den Maßdarm eingeführt. Einer zum Wasser einführen, der andere musste das schmutzige wegläutern. Zirka 30 Liter Wasser gingen so durch meinen Unterleib, um alles zu reinigen. Glaubte schon, ich sei eine lebende Wasserleitung, weil sie gar nicht aufhören. Dann konnte ich mich ganz erschöpft niederlegen. Bekam eine Medizin, dass ich keinen Appetit bekommen sollte.

Am 16. Mai wurden wir unser 5 operiert, ich war der zweite, wurde von den Sanitätern aus dem Zimmer geholt, ging mit viel Angst und sinkendem Kopf und blieb vor den Operationstischen stehen. Gab nichts zu überlegen. Legten mich drauf und schnallten mich fest, dass ich mich nicht rühren konnte. Bekam Narkose, was bei mir lange nicht wirkte. Hörte immer neben mir sprechen. Dem Doktor wurde auch schon die Zeit lange. Sagte zu den anderen, der Mensch hat aber eine starke Natur und packte mich bei der Hand um den Puls zu fühlen. Endlich wurde doch der Kopf schwerer und ich schlief ein. Dann wurde ich operiert. Als mich 2 Sanitäter in das Zimmer zurücktrugen, erwachte ich dabei. Schlief aber gleich wieder ein. Bis sie den Nächsten brachten, war ich schon ganz wach. Der Andere lag lange in der Bewusstlosigkeit.

Und bei mir fingen schon die fürchterlichen Schmerzen an. Glaubte, im Maßdarm müssen sie mit einer glühenden Stange herumfahren. Jammerte entsetzlich, die Schwestern und Sanitäter trösteten mich so gut sie konnten. Aber das half halt alles nichts gegen meinen Schmerz. Dann kam auch der Arzt, um nach meinem Befinden zu sehen. Klagte ihm auch meine Schmerzen. Er tröstete mich auch. Sagte ich zu ihm, er weiß ja nicht wie das schmerzt. Oh ja, sagte er lachend, ich weiß schon wie das schmerzt.

So verging unter fortwährendem Schmerz und Jammer der Tag. Abends um 7 Uhr, kam der Doktor nochmals nachschauen bei den operierten, denn er war wirklich sehr besorgt um uns.

Sagte ihm, dass bei mir die Schmerzen immer zunehmen und jammerte so fort und schrie fast dabei. Da es gar nimmer zum Aushalten war. Gab mir die Schwester um 10 Uhr abends eine Injektion in den rechten Arm, was die Schmerzen tötete und dann aufhörten. Da wurde mir viel leichter. Aber die Nacht war unendlich lange. Schlafen konnte ich nicht, denn von der Narkose reckte es mich immer, musste immer spucken. Durfte nur am Rücken liegen und kaum rühren, wegen des 20 cm langen Gummischlauches, den ich im Mastdarm drinnen hatte und mit Jod umwickelt war. Deshalb brannte es so fürchterlich. Den Verband den ich drüber hatte, durfte auch nicht verrückt werden. So vergingen die Tage, zu essen bekam ich nichts, nur Medizin, dass der Brand nicht dazukommt. Die Schwester betreute mich immer. Musste Acht geben, dass beim Verband nichts passierte. Nach dem 4. Tag kam der Verband herunter. Untersuchte mich der Doktor und fand den Schlauch nicht. Glaubte, er ist herausgefallen, was ich aber verneinte. Das konnte er nicht glauben. Nahm sein Lahnzettel, womit er beim Mastdarm hineinfuhr um den Schlauch herauszuziehen. Konnte aber nichts finden, zwickte mich dabei hinein, dass ich laut aufschrie vor Schmerz. War ihm selbst zu dumm. Musste in das Verbandszimmer gehen, wo mir die Sanitäter einen Einlauf geben mussten, was wieder recht schmerzte. Dann wurde mir eine Leibschüssel gegeben, wo dann nach großen Schmerzen das Verschwundene zum Vorschein kam. Froh war ich darüber, als ich den Schlauch sah, der sicher mit 2 Meter Jodfetzen umwickelt war.

Dann lag ich wieder im Bett vor Mattigkeit. Der Schweiß rann mir über die Stirn. So verging der Tag und die Nacht.

Den nächsten Tag bekam ich nach 7 Tagen wieder das erste Essen. Etwas Milch und Tee. Dann langsam andere Suppen und dann Brot und ein wenig Fleisch drauf. Durchgang hatte ich auch keinen. Bekam ich Bittersalz, half aber auch nichts. Bekam wieder einen Einlauf, was aber das für Schmerzen waren, unglaublich. Denn der Mastdarm war doch ganz entzunden. Musste ich meine Notdurft verrichten, presste es mir die Tränen heraus und auch der Schweiß rann mir so herunter vor Schmerz. Fürchtete schon das bisschen Essen. Wollte schon lieber aus Verzweiflung aus der Haut fahren.

Dann kamen auch schon meine Kollegen, um mich aufzufrischen, hatten Mitleid mit mir, da ich so viel mitmachte.

So vergingen die Tage und mit meiner Heilung ging es doch recht rasch vorwärts. Und da ohnehin so viel Platzmangel war, kam ich am 2. Juni zurück zu meinen Kameraden auf den Bahnhof. Arbeiten konnte ich wohl nicht helfen. Half in der Küche den Koch. Leichtere Kost bekam ich auch schon.

Nach 14 Tagen fing ich wieder zu arbeiten an. Aber auch nur leichte Arbeit und nur zeitweise.

Bevor ich in das Spital ging, machten wir uns neben der Bahn eine Kegelbahn. Die Kugel und Kegel machten wir uns auch selbst, wenn wir ein freies Weilchen hatten.

Denn wir durften nie den Bahnhof verlassen und etwas Zerstreuung muss der Mensch haben. Ich mit meinem Leiden hab sie keine 3 Mal benützt. Als ich das Spital verließ und draußen ankam, sah ich da neben der Station ein Regiment Tschechen lagern, die in Reserve waren und übten sich da fleißig auf unserer Kegelstatt. Haben sie uns ganz demoliert und die unseren mussten zuschauen. Das waren Zustände bei dieser Kordschakregierung.

Diese Regierung dauerte wohl von heute auf morgen. Aber man hatte viel zu leiden darunter.

Da in Sevgepol eine Front war, wohin von uns eine Feldbahn abging in Barnaulrichtung (Barnaul war eine Stadt in der Nähe und eine Burg, und auf dieser hausten seit dem Zarenumsturz im Jahr 1918 Rotgardisten, die damals versprengt wurden).

Bauern waren auch dabei, und unsrige Gefangene, Deutsche und Ungarn. Diese flüchteten damals bei dem Umsturz auf diesen Berg, ganz waffenlos, hatten die 21tausend Mann nur 2 Gewehre und einen Revolver. Aber es waren lauter beherzte Burschen, die vor nichts zurückschreckten und ihr Leben auf ihre Art fortbrachten. Durch sie war aber der Bahnverkehr auf dieser Strecke sehr gefährdet. Die Burschen machten Überfälle und brachten die Züge zum Entgleisen. Nahmen sich die Lebensmittel und die Munition und alles was sie brauchen konnten. Hatten sich schon soviel erbeutet, dass sich jeder Mann 2 und 3fach ausrüsten konnte. Munition erzeugte sie selbst auch. Oft haben es tschechische Regimenter versucht, diese Leute auszurotten. War umsonst. Wurden immer zurückgeschlagen.

Auch diese Tschechen waren bestimmt, abzugehen an diese Front.

Sogar der Train fuhr hinaus, aber war alles umsonst. Diese 21tausend Mann warteten nur auf einen Sturz der Kordschakregierung. Und konnten hoffen, früher nach Anhänger zu erwerben, was auch leicht möglich war, bei den Drangsalierungen, die die Bewohner in und außerhalb der Stadt zu leiden hatten. Die armen Bewohner außerhalb der Stadt mussten soviel abliefern für die Stadt, dass es ihnen mit der Zeit unmöglich wurde. Hatten selbst kaum zu leben. Weiter weg, 400 bis 500 Wärs, da gab es noch Sachen genug. Aber der beschwerliche Transport war den Herrn zu unbequem und so wurden die in der Nähe ausgesaugt.

Als die Leute nichts mehr brachten, gingen die Tschechen und Serben selbst hinaus, aber ganz bewaffnet mit Artillerie und Maschinengewehren. Die ihnen nicht freiwillig etwas gaben, ging es mit Zwang und nahmen ihnen den letzen Bissen weg.

Kam einem das Wort aus „so haben es die Roten nicht gemacht, die waren doch besser!" Das musste das ganze Dorf entgelten. Wurden die Bewohner zusammengetrieben, durfte niemand aus dem Dorfe, wurde geplündert, dann ging das Dorf in Flammen auf. Erschossen und erschlagen, alles was Hände und Füße hatte. Selbst die kleinen Kinder hieben sie so lange um die Bäume, bis die Trümmer flogen.

Manch einer flüchtete doch in diesem Wirbel. Und so vermehrte sich die Armee der Rotgardisten immer mehr.

Sie hatten auch einen tüchtigen Führer, einen russischen Zarenoffizier, der alles wagte und bei der darauffolgenden Regierung zu hohen Ämtern kam. Die Dörfer, die in nächster Nähe der Dörfer waren, unterstützen die Rotgardisten sogar mit Lebensmittel. Da konnte sich der Führer wohl alle Hoffnung machen auf seine Anfänger. So wie ich das Unglück der Bauern von einem Dorfe schilderte, so erging es vielen Dörfern. Alles war eine Verwüstung, unmöglich zu schildern. Wir dachten uns oft, lange kann sich diese Regierung nicht mehr halten. Auch in der Stadt wurde dieser Kriegszustand immer mehr fühlbar. Es durfte niemand mehr auf die Gasse, alles war abgesperrt. Und die Leute am Berg wurden immer mehr. Vernichteten ganze tschechische Regimenter.

Sie hatten aber auch schon alles. Bomben und Granaten und Maschinengewehre, alles was sie sich erbeuteten.

Wurde beschlossen, es muss ein Panzerzug auf dieser Strecke fahren, da die anderen Züge nicht mehr sicher waren. Der erste Panzerzug kam an, er war ausgerüstet mit Maschinengewehren und Geschützen. Gut versorgt mit Bomben und Granaten. Dieser sollte jetzt Ruh herstellen auf dieser gefährlichen Strecke. Bei uns hielt der Zug eine Zeitlang. Ging die Mannschaft auf dem Bahnhof herum. Es waren durchwegs Tschechen, die auf dem Panzerzug waren. Kam uns ein Gesicht so bekannt vor, konnten uns nicht denken wo wir das gesehen haben. Er wurde auch aufmerksam auf uns. Frugen uns gegenseitig, ob wir uns nicht kennen sollten. Da kamen wir drauf, dass war der Tscheche, der keiner sein wollte, um bei uns bleiben zu können. Der sich in Tomsk vor meinen Augen den Hals durchschnitt und sich dann mit uns in die Wüste schwindelte und dort draußen dann von den Tschechen nach längerer Zeit gefangen wurde. Er ging damals schwer von uns weg, aber heut war er froh, dass es so gekommen war. Er hat seine gute Verpflegung, wurde am Maschinengewehr abgerichtet und es geht ihm gut. Er meinte, wenn ich auch keine Stunde meines Lebens sicher bin, an ein Nachhausefahren konnte man nicht denken und arbeiten brauche ich doch nichts. Da hatte er vollkommen recht. Wir mussten so elendig schinden und rackern für das bisschen Essen und waren unseres Lebens bei dieser Kordschakregierung genauso wenig sicher wie unser Kollege Andrusch. Auch war er ganz baff, als wir ihm von unserem Leiden in der Wüste erzählten, bis wir hierher kamen.

Da war er recht froh, dass er damals geholt wurde.

Er beschenkte uns mit Tee und Rauchmaterial, waren ihm sehr dankbar dafür. Sahen ihn dann noch einige Male, als er die Strecke durchfuhr, um für die Sicherheit zu sorgen.

Dann kam wohl noch der Panzerzug, aber unser Kollege Andrusch war nicht mehr dabei. Glaubten, es wird es schon überstanden haben. War aber anders als wir dachten. Konnte seine Heimatsehnsucht nicht mehr bezähmen und wagte trotz der großen Gefahren für sein Leben die Flucht. Kam trotz allem was bei solchen Wagnissen vorkommt, in seine Heimat. Konnte keine Beschäftigung finden, wurde er bei einer Firma Agent, um sein Leben fortzubringen. In dieser Eigenschaft, die ihn auch in unsere Gegend führte, kam er nach Jahren in St. Pölten zufällig in die Wohnung unseres Kollegen Hoffman.

Beim Klang seiner Stimme kam er unserem Kollegen bekannt vor. Er besah ihn etwas genauer und bemerkte am Hals die Narbe, die er sich mit dem Rasiermesser zufügte. Was uns ein Wiedersehen mit einem Freund bedeutete, kann man nicht schreiben, das muss man erlebt haben.

Nun wieder zurück zu unserem fernen Schicksal!

Wir arbeiteten immer fort, jeder war besorgt wegen dem Durchhalten, jeder wollte seine Heimat nochmals sehen.

Arbeit gab es immer genug, wussten oft nicht, wo wir anfangen sollten. Und die Menage wurde immer knapper. Waren gezwungen, von dem bisschen Nebenverdienst den wir hatten, Lebensmittel zu kaufen. Das dauerte aber nur eine Zeit lang. Dann bekamen wir in der Stadt auch nichts mehr. Denn die Bauern hatten selbst nichts mehr zum Weggeben. Und in die Stadt trauten sie sich gar nicht mehr, die noch was hatten. Da ihnen alles beschlagnahmt wurde.

Wir suchten dann beim Kommando an, um Erlaubnis und zugleich einer Bescheinigung, dass 2 Mann von uns in weiter entlegene Dörfer gehen konnten, um Lebensmittel einzukaufen. Da wir bei dieser Kost nicht mehr arbeiten können. Es wurde uns bewilligt, da sie es selbst einsahen, dass wir viel arbeiten müssen und daher auch mehr zum Leben brauchen. Machten sich zwei zusammen, denen wir vertrauen konnten, dass sie uns nicht beschwindeln, war auch mein Freund Stockinger dabei, und versorgten uns mit Lebensmittel.

Eines Tages fuhren sie mit der Bahn in Barnaulrichtung, was die gefährlichste Strecke war. Blieben schon 2 Tage aus. Dachten uns halt, sie werden mehrere Dörfer aufsuchen müssen, um das Nötigste zu bekommen.

Sie kamen aber nicht mehr.

Langte ein Telegramm ein, dass die Roten vom Berg einen Überfall auf Bahn und Dörfer, wo die zwei auch mitgenommen wurden, machten. Später erfuhren wir, dass Kollege Stockinger im Gefangenenlager am Berg Koch ist.

Denn die unsrigen Gefangenen, die seit 1918 bei den versprengten Roten waren, hatten ihr eigenes Bataillon.

Und bei denen wurde unser Stockinger Koch. War er wieder bei Leidensgefährten, die wohl auch schon lieber die Heimat gesehen hätten, als die Kämpfe und Überfälle.

Die Sachen von Stockinger habe ich, als sein bester Freund, in Aufbewahrung genommen, bis wir uns wieder einmal treffen sollten. Das Glück hatten wir erst später in der teuren Heimat.

Verständigung von ihm bekam ich noch in Semipaladinsk. Verging die Zeit bis zum 27. August 1919. Kamen wieder von den Waggons in die hölzernen Baracken, wo wir schon einmal waren, anderthalb Wärs weg vom Bahnhof.

Gingen nun wieder von dort zu unserer Beschäftigung.

Die Waggons blieben leer stehen, da sie unbrauchbar waren. Nur die Küche ließen wir im Waggon. Die anderen benutzten wir, wenn momentan arbeitsfrei war, zu unserem Unterstand, denn entfernen durften wir sie auch nicht vom Bahnhof.

So hielt man uns immer mit leeren Versprechungen auf baldige Heimkehr, tausend und tausend Mal und wir standen doch immer der Aufsicht gegenüber. Gingen die Tage und Wochen dahin. Immer noch keine Aussicht auf unsere so heißersehnte Heimkehr. Viele starben aus Kränkung, da man doch ohne Lebenszeichen fern der Heimat leben musste. Andere wurden wahnsinnig und gingen auch zugrunde. Es war schon ein Jammerleben, dass jeder Beschreibung spotten würde.

Unsere Kollegen, die arbeitsunfähigkeitshalber im Lager sein mussten, besuchten wir öfter um sie zu trösten. War aber auch gefährlich für uns.

Besuchten wir, Anmasser und ich, auch den Kollegen aus Wien, unser Freund Hoffman, der als Invalide im Lager war und den wir brachten, was wir uns vom Munde absparen konnten. War nicht viel, denn seit die zwei abgefangen wurden, war niemand von uns, der es ausführen mochte. So waren wir abermals auch auf die schmale Kost angewiesen.

Der Weg zur Stadt war sehr lebhaft. Viele Einspänner die zur Bahn fuhren und in andere Richtungen. Auch Patrouillen ritten herum wie die Bestien, dass man keine Minute sicher war, zusammengetreten zu werden.

Denn der Kriegszustand wurde immer fühlbarer.

Waren nicht mehr weit weg von der Stadt, hörten wir schreien, dachten uns, wird halt jemand einem fahrenden Fuhrwerk nachgerufen haben, um zur Bahn zu wollen.

Kam von der Stadt heraus ein Gefangener, blieben wir einen Moment stehen, da wir weiter nichts bemerkten, sagten wir, das Schreien geht uns an, denn bei Kriegszustand dürfen nicht mehrere beisammenstehen. Dem Moment fiel ein Revolverschuss, der vor unseren Füßen einfiel. Waren wir ganz erschrocken und gingen sofort auseinander. Und gingen jeder einzeln, dass er kein sicheres Ziel mehr hatte. Wollte er nochmals schießen, gingen wir mit „Hände hoch" entgegen.

Unser Wiener, der gut russisch konnte, frug ihn, was er mit uns wolle. Der Kerl war ganz betroffen und sagte, er wolle zur Bahn hinaus, habe einen Fuhrwerker, der fuhr mir davon. Kannte sich aus, dass er ihn umsonst führen müsste. Aus Zorn schoss er herum, ohne zu schauen wo hin. Wenn das auf offener Straße sein darf, eine solche Regierung ist traurig.

So gingen die Tage dahin und die Wochen. Kam der September und der Oktober, kam der Winter mit großer Kälte, die Arbeit wurde immer mehr und was uns schon am meisten auffiel, alles ging nach Frankreich.

Denn die Kordschakregierung ging von Frankreich aus und da sie einsahen, dass ihre Herrlichkeit bald ein Ende nehmen könnte, wurde alles nach Frankreich geschleppt.

Mussten jeden Tag 6 bis 8 Waggons verladen, rohe Rindshäute, Weizen und Hafer, Kamele und Schafe, alles ging in das Ausland.

Umsturz der Kordschakregierung!

Es war Mitte November 1919. Da fing es unaufhaltsam an zu gären. Die Roten von der Zarenregierung übriggebliebenen, hatten ihre Spione, die alles ausfindig machten, wie es mit der Kordschakregierung steht. Machten ihnen oft Verkehrsstörungen auf der Bahn, dass einige Tage die Züge nicht gehen konnten.

In Irkutsk hinten waren auch so versprengte Rotte. Die überfielen oft die Züge, plünderten sie, hauptsächlich war es Munition und Geschütze, nur um sich gut zu sichern für ihren geplanten Umsturz.

Auch die Hauptfront der Roten, die in und um Petersburg, von den Regimentern der Kordschakregierung eingeschlossen waren. Wobei beabsichtigt war, dieselben gänzlich auszuhungern, damit sie sich erbeben. Die hatten auch nur den einen Gedanken, einmal einen Verzweiflungsaufstand zu machen über die Kordschakregierung. Auch von den Engländern und Franzosen wurden sie bedrängt, aber alle Hindernisse schreckten sie nicht zurück und warteten nur auf einen günstigen Moment, der ihnen von ihren Spionen schon mitgeteilt wurde.

Entweder leben oder sterben war ihre Parole.

Denn die waren schon anderthalb Jahre hier eingesperrt.

Die Zeit wurde immer ernster. Wir hörten aus der Stadt immer häufiger Schießereien, fiel so mancher zum Opfer.

Die Straßen wurden geräumt von den Tschechen. Es waren viele bei der Kordschakregierung. Die Roten wurden alle eingesperrt. Da gab es viele Unschuldige dabei, die womöglich nur Offiziersdiener waren. Auch Gefangene waren dabei, die gar nichts verschuldet hatten. Bei denen wurde halt alles eingesperrt, das nicht zu ihnen gehörte. Und jetzt räumten sie aus und wo kommen die jetzt hin?

Es kam niemand mehr zum Vorschein. Endlich kamen wir auf die traurige Tatsache. Unweit vom Bahnhof befand sich eine Lederfabrik, worin auch unsrige beschäftigt waren. Wir trafen uns einmal und kamen auf die armen Arrestanten zu sprechen, wo die hingekommen seien. Die wussten es.

In ihrer Nähe war eine Ebene, wohin niemand kam und dahin wurden Nacht für Nacht die armen Opfer geschleppt, auf ein Häuflein zusammengestellt und rings um sie macht die Kavallerie einen Kreis. Auf Kommando stürzten sie sich auf ihre Opfer, die ganz nackt waren und zerhauten sie mit ihren Bajonetten in Stücke. Es stieß wohl auch ein jeder einen Schrei aus, aber soviel Lärm gab es doch nicht, als wenn geschossen worden wäre.

Wir waren ganz weg über solche Grausamkeiten.

Eines Nachts hörten wir vor unserer Baracke eine fremde Stimme, der unseren Posten, der vor der Tür stand, ausfragte, ob hier Gefangene untergebracht sind, was wir arbeiten, ob wir gerne arbeiten und ob doch alle gut gestimmt sind. Der Posten war doch ein guter Mensch, der nur Gutes über uns sagte. Und wir waren einer großen Gefahr glücklich entkommen, denn es war ein Abmurkser von der Kordschakregierung. Wir wären wohl mitgewandert zu dem traurigen Todesplatz, wenn der Posten von uns ein unrechtes Wort gesagt hätte. So war keinen Tag seines Lebens sicher. Dachten uns, so kann es nicht mehr lang fortdauern. Die besseren Leute aus der Stadt flüchteten per Bahn und Wagen nach China, um ihr Leben und ihre Sachen in Sicherheit zu bringen.

Die Gefangenen wurden gezwungen zum Trainfahren, und die Serben fuhren als Begleitung mit, damit den reichen Herrn nichts passieren konnte und sich selbst brachten sie auch in Sicherheit.

Auch zu uns kam der Befehl, wir müssen zum Train. Davor hatten wir große Abscheu, denn diese Kälte von 40 bis 50 Grad, wie die dann zurückkamen, Hände und Füße abgefrorene. Da war es uns doch auf der Bahn lieber. Bei der anstrengenden Arbeit konnten wir uns doch warm machen.

Es schien aber wirklich wir müssen, kam der Befehl, wir müssen uns marschbereit machen. Hatten aber einen tüchtigen Gefangenenkommandanten, der uns über hatte. War ein schneidiger Bursche. Den baten wir in unserer Not und baten ihn, dass er schauen soll, dass wir hier bleiben konnten. Der ging zum Bahnhofsvorstand, beredete sich mit ihm, und sagte ihm, er solle ansuchen, dass er uns hier braucht. Und wirklich, im letzten Moment hieß es, wir können hier bleiben. Konnten ihm nicht genug danken unseren braven Kommandanten.

Und machten unsere Arbeit fort wie bisher.

In der Nacht zum 1. Dezember hörten wir große Schießereien in der Stadt. Wir verbrachten Rest der Nacht ganz unruhig, da man gar nicht wusste was los sein. In der Früh, als wir zur gewohnten Beschäftigung gingen, war unser erstes, zu fragen was los sein. Die Bahnbediensteten gaben uns ganz freundlich Auskunft, dass in der Nacht der Umsturz war.

Man sah auch schon, dass die Rote Regierung ausgerufen war, in dem am Bahnhof die roten Fahnen zu sehen waren und das Rote Militär freundlich mit Bajonett auf und eine rote Rosette an der Kappe hatten, mit voller Begeisterung ihren Dienst erfüllend.

Dann erfuhren wir das Nähere. In der Stadt war eine Kaserne, worin die Serben und Tschechen waren.

Anfangs waren ihrer 200 Mann, und als aber die besseren Leute flüchteten und Begleitung brauchten, was die Serben auch nützten um ihr Leben zu sichern, so schmolz das Häuflein zusammen auf 36 Mann.

Und diesen Umstand nützte das siebente russische Regiment, das noch in der Stadt war und auch auf Erlösung wartete und ihnen die Gräuel anekelten, wie mit den Bewohnern der Stadt verfahren wurde.

Sie umzingelten die Kaserne, sprangen über Zäune und Gitter, brachen bei den Türen ein und überraschten die 36 Mann. Sie hatten wohl im Hofe zu ihrer Sicherheit ein Maschinengewehr aufgestellt, aber es konnte keiner mehr heran um loszufeuern. Sie wurden eingesperrt und konnten sich nicht helfen. Die Russen besetzten nun die Stadt in- und außerhalb und warteten auf Hilfe, die bald kam.

Eine Abteilung Kavallerie war kurz vor dem Umsturz hinausgeschickt worden zum Berg, konnten aber wieder nichts ausrichten mit den versprengten Roten. Sie kamen unverrichteter Dinge wieder zurück in die Stadt, nichts ahnend, dass inzwischen Umsturz war und wurden gleich vor der Stadt von den Russen beschossen und gefangen. Den ganzen Tag rückte schon die Bauernarmee an, beritten und auch viel Fußvolk, bewaffnet mit Gewehren, Säbeln und Bajonetten. Die das nicht hatten, hatten Spieße wie Heugabeln. Alles Mögliche war vertreten zur Verteidigung. Ihr Führer hieß Mamdof. Wurden mit Musik empfangen. Das war eine Freude und ein Hurra bei ihrem Einzug.

Auch die Hauptfront, die in Petersburg eingeschlossen war, machte ihren Verzweiflungsausfall. Und gelang ihnen wirklich. Es war wohl ein gewagter Kampf gegen die Übermacht. Viele Tote und Verwundete gab es. Viele wurden gefangen genommen. Aber die den Roten doch entkamen und flüchteten, nahmen fürchterliche Rache. Zerstörten die Eisenbahnen, vernichteten alles was ihnen unterkam. Zündeten die Fabriken an.

Da sahen sie es ein, dass es mit der Kordschakregierung ein Ende nahm, wollen sie den Roten nicht alles freiwillig überlassen. Die Kordschakregierenden, die ihren Sitz in Omsk hatten, es waren ihrer 25, die wollten alle mit ihrem Eigentum zurückflüchten nach Wladiwostok. Mit samt den Tschechen und Serben, die dort waren. Erreichten aber ihr Ziel nicht, wurden abgefangen und mussten auf ihr Schicksal warten. In Irkutsk gab es auch genug, die ins Ausland flüchten wollten, mit vielen Sachen, sogar 2 Waggons Gold wollten sie mitnehmen. Wurden aber noch rechtzeitig gefangen genommen und die Sachen blieben im Land.

Die Rote Armee verstärkte sich immer mehr, trotzdem der Verkehr langsam ging, hatten doch die Serben und die Tschechen die Bahnstrecken zerstört und die Brücken in die Luft gesprengt. Musste alles durch die Pferde transportiert werden. So gings trotzdem weiter mit fröhlichem Hurra.

Jede Stadt machte ihren Umsturz selbst, da sie froh waren, von dieser drückenden Regierung loszukommen. Bald war die Armee auch mit unserer Stadt in Verbindung. Dann begannen die Verhöre mit der Kordschakregierung. Manche mussten ihr Leben lassen, die anderen wurden zu Zwangsarbeit verurteilt. Bekamen ihre Verpflegung und mussten schwer arbeiten.

Wir warteten auch auf unsere Zukunft, Arbeit gab es vorläufig keine, da doch der Bahnverkehr infolge der Vernichtung eingestellt war. Wurden auch von den Roten übernommen und vom Unra verpflegt. Mussten dann Ordnung machen auf dem Bahnhof, denn es wurde alles unternommen, trotz des strengen Winters den Verkehr baldigst herzustellen.

Hatten dann, als alles in Ordnung war, ganz schöne Zeiten. Hatten Nebenverdienst, was uns gehörte.

War bald alles geregelt und in schönster Ordnung.

Was die gefangenen Tschechen und Serben betraf, so mussten sie von denen, die sie früher drangsalierten, das gleiche Schicksal erleiden. Was sie im blinden Hasse gegen die armen Gefangenen und Familien machten. An den Flusse neben der Stadt war eine Insel, war fest verfroren. Dorthin wurden die grausamen Menschen gebracht, auch nackt ausgezogen, wurde auch Sturm auf sie gemacht, dann wurde auf der Insel ein Loch gestampft im Eis, dort wurden sie hineingesteckt. Niemand hatte Erbarmen mit diesen Scheusalen.

Und erst der Kordschak ging es schlecht bei ihrem Rückzug nach Wladiwostok. So viele Verwundete hatten sie vom Sturm gegen Petersburg. Waren ganze Züge zu Spitälern eingerichtet. Kranke gab es auch genug dabei.

Und eine solche Hast und Unruhe war das, die Züge wurden überlastet, und die Eile die sie hatten, nur um fortzukommen. Dass die Züge direkt entgleisten, es war ein furchtbares Wirrwarr. Das Zugpersonal ließ alles liegen und stehen, und lief davon um nur ihr Leben zu retten.

Durch diese Unordnung brachen viele Krankheiten aus, zuerst der Typhus, der sich schnell verbreitete. Und da keine Hilfe kam, wurde es immer ärger. Kam Cholera und Pest. In allen Städten herrschte das gleiche Elend.

Die Stadt Nover Nikolajevka wurde ganz abgesperrt. Durfte niemand aus und ein. Und starben dort in kurzer Zeit 70tausend Menschen. Viele unserer Leidensgenossen, die in den Städten waren, kamen ums Leben. Denn sie verrichteten Sanitätsdienste, solange es ging.

Bei der großen Kälte im Winter konnte auch nicht daran gedacht werden, die Leichenmassen zu beerdigen. Hätte niemand einen Spatenstich machen können bei solcher Gefrier. So mussten die Leichen auf einen Haufen zusammengeworfen werden. Und im Frühjahr mussten wieder die Gefangenen her. Was sie mit dem Beerdigen nicht schaffen konnten, wurde verbrannt, damit doch einmal ein Ende wurde mit dieser Seuche. Langsam entschwand dieses fürchterliche Elend.

Die Gefangenen, die die traurigen Zeiten, die unmöglich zu schildern wären in ihrer traurigen Größe, überlebten, wurden belobt, über ihr braves pflichtbewusstes Verhalten mit den Kranken in dem Elend.

Und durften auch diejenigen mit dem 1. Transport, der in die Heimat ging, schon mitfahren.

Wir arbeiteten fort in unserer gleichen Arbeit. Es war doch ein ganz anderes Leben. Fühlten uns so glücklich, da wir keiner großen Gefahr mehr ausgesetzt waren.

Hatten die Freiheit und wurden wieder wie Menschen behandelt. Das Kordschakgeld wurde mit der Zeit ungültig. Wurde eingezogen und es bekam jeder Mann, war es Russe oder Gefangener, 500 Rubel Privatgeld in die Hand. Wir waren froh, hatten nichts verloren, da wir nichts hatten, und kamen endlich auch zu Geld.

Weihnachten 1919!

Freuten uns schon, es wird das letze Weihnachtsfest sein fern unserer lieben Heimat. Besorgten uns einen Christbaum. Schmückten ihn, so gut wir konnten. Suchten dann beim Kommando an, ob wir uns in unserer Baracke eine Bühne machen dürften. Waren einige Wiener dabei, die konnten Theateraufführugen, und Vorträge wollten sie abhalten.

Einige selbstverfertigte Geigen und andere Instrumente hatten wir auch und da es uns erlaubt wurde, wollten wir ein gemütliches Weihnachtsfest feiern. Da ohnehin die anderen Weihnachtsfeste mehr als traurig waren.

Auch für ein anständiges Essen sorgten wir uns, da wir doch Geld und 2 gute Köche hatten.

Vergönnten uns am heiligen Abend einen Schweinsbraten mit Erdäpfel, schwarzer Kaffe und Gugelhupf dazu. Sogar jeder ein Flaschl Bier.

Hatten sogar Gäste, der Bahnvorstand samt Frau, den Magazineur samt Frau und die beiden Packer.

Unsere Feier nahm wirklich einen schönen Verlauf. Alles fühlte sich so glücklich durcheinander, dachte doch jeder, nächste Weihnachten sind wir in der Heimat.

So vergingen die Feiertage, kam das Jahr 1920.

Mit der fröhlichen Stimmung geht es nach Haus!

Die Sowjetregierung übernahm die Führer Trotzki und Lenin.

Hatten alle Bestrebungen das Land zu heben und wieder in zivilisierten Zustand zu bringen.

Das auszuführen wurde ihnen sehr erschwert. Schon von dem Grunde aus, dass diejenigen, die am meisten für diese Regierung waren, nicht lesen und schreiben konnten. Es war das Bauernvolk und die Arbeiter.

Und dazu so viele Nationen. Es waren 40 Nationen, da gehört wohl viel Müh und Umsicht dazu.

Und alles ruiniert im ganzen Land, alle Eisenbahnen, viele Fabriken, in den Städten viele Häuser, und ganze Dörfer. Der Bauernstand war ganz zerrüttet. Viele Felder waren seit der Revolution nicht mehr bebaut.

Dann gab es wieder viele Köpfe und viel Sinn. Machten viele Schwierigkeiten in die Pläne der Führer.

Denn für jeden einzelnen konnten sie keine Regierung machen. Wurden Versammlungen abgehalten, dann wurden Organisationen gegründet.

Und von diesen Gruppen die sich bildeten, wurden wieder einige gewählt, die lesen und schreiben konnten. Wurden kontrollich geprüft, ob sie wirklich für die Regierung sind, oder sich nur scheinbar interessierten.

Die mussten dann das Volk aufklären, wie alles werden soll im Land und was die Zukunft bringen muss, damit alles wieder recht wird.

Dann reisten auch kontrollich geprüfte Delegierte in den Städten und Dörfern umher. Hielten freie Versammlungen ab. Konnten alle beiwohnen, Einwohner und Gefangene. Da gab es tausend und tausend Menschen bei solchen Versammlungen, die oft gleich einen ganzen Tag dauerten. Es wurde in verschiedenen Sprachen geredet, damit ja alles aufgeklärt wurde. Darauf wurden Verordnungen gemacht, wo dann eine Abstimmung war. Wo die Mehrheit der Stimmen war, wurde beschlossen und der Regierung mitgeteilt. Und dann ausgearbeitet wurde was das Volk will.

So erhob sich dann die Sowjetregierung und die Diktatur der Proletarier, der Bauern und der Arbeiter.

Und nach Wochen und Monaten sah man schon, dass es vorwärts ging. So schwer eine solche Leitung für die Führer war, denn es fehlte an der Technik und hauptsächlich an den nötigsten Lebensmitteln. Entstanden viele Hungerkrawalle in den Städten, da gar nichts zu essen war, indem doch alles ruiniert und vernichtet war. Von weit und breit kein Eisenbahnverkehr. Und Tausende von Kilometern war es für die Pferde zu beschwerlich für den Transport. Hie und da gab es Demonstrationen, was wieder besänftigt wurde. Solche Zustände waren leicht denkbar, denn der Hunger tut weh. Und auch nichts zu bekommen. Denn so groß das Land war, gab es doch so weite Flächen, zum Beispiel die Wüste, wo nichts gedeihen konnte. Und jetzt war das Land ganz auf sich selbst angewiesen. War von allen Seiten besetzt. Konnte nicht eingeliefert werden. Bei der Kordschakregierung wurde wie schön erwähnt, von den Engländern und Franzosen eingeliefert. Und bei dem Umsturz der Kordschakregierung verloren sie riesig. Schon einmal in Geld 16 Milliarden. Das im Jahr 1919 keine kleine Summe war.

Und die Front unterstützen sie soviel wie möglich. Und jetzt durch diesen Umsturz sollte alles für sie verloren sein?

Für die früheren Kriegsschulden interessierte sich ja die Sowjetregierung, aber diese Schulden kümmerten sie nicht.

Die Franzosen und Engländer konnten sich aber in diesem Verlust nicht fügen und wollten mit Gewalt die Sowjetregierung unterdrücken.

Ein Teil des Landes stand ununterbrochen im Kriegszustand, mit den beiden Mächten, die einen tüchtigen Führer hatten mit Kommandant Tenikin.

Der Landstrich, auf dem gekämpft wurde, hieß In der Grimm. Es war ungefähr so groß wie Niederösterreich.

Es war nicht genug für die beiden Sowjetführer, das Land zu haben, hatten auch für das Militär zu sorgen, dass den beiden Mächten gegenüberstand.

Und wären doch alle zu Hause so notwendig gewesen für die Arbeit. Dieser Kampf dauerte aber unentwegt bis zum Jahre 1922.

Die beiden Mächte holten sich sogar Polen zu Hilfe und freiwillige aus Ungarn.

Aber so, wie die beiden Sowjetführer, Trotzki und Lenin, so war auch das ganze Volk bestrebt von dem Wunsche, vorwärts zu kommen und verzweifelten nicht sofort an den Beschwerden und Hemmnissen.

Auch für die Toten wurde gesorgt, die damals beim Umsturz ums Leben kamen.

Wurde auch in der Nähe der Stadt, wo wir waren, auf einer Anhöhe ein Massengrab errichtet, gleich für Hunderte. Da wurden die Gefallenen hereingebracht, die in Tansportnähe waren und hier feierlich begraben.

Auch an die armen Opfer dachte man, die von den Serben und Tschechen Säbeln zerhaut und zur Not eingescharrt wurden. Dazu wurden aber solche Menschen verwendet, die Schuld daran trugen, die armen Opfer so zu misshandeln. Da mussten die Offiziere mit Krampen und Schaufeln arbeiten, mussten die Leute wieder ausgraben, die ohnehin nur mangelhaft eingescharrt waren.

Sie hatten wohl keine Freude daran, was sollten sie machen? Uns erbarmten sie wohl nicht dabei. Denn ein solcher Rohheitsakt wäre wohl nicht notwendig gewesen.

Wurde in der Stadt ein Zimmer gemietet, die herausgescharrten die furchtbar verstümmelt waren, auf Schlitten geladen und hineingeführt. Das Zimmer wurde geheizt, dass die Leichen auftauen konnten, denn sie waren fest gefroren.

Damit jede Leiche in einen Sarg gelegt werden konnte. Denn die Armen hatten ja alle Formen, denn als sie tot waren, wurden sie einfach in die Löcher geworfen und zugescharrt. Die Leute von der Stadt und Umgebung konnten sich die Leichen anschauen, ob vielleicht Angehörige darunter sind. Ich sah sie mir auch an, waren fast unkenntlich, so zerhaut waren sie. Es war ein schreckliches Leid. Ganze Familien, vom kleinsten Kind angefangen. Was sollten wohl diese verschuldet haben? Lang hielt man es nicht aus vor Gestank. Da schon einige halbverweste Leichen darunter waren.

Die Begräbnisse schaute ich mir auch an. Einmal waren gleich 34 Leichen, wurden auf Schlitten geführt. 1 bis 2 Särge auf einem Schlitten. Die Särge waren bekränzt. 3 Musikkapellen spielten. Und mehrere tausend Menschen gingen mit.

Die Särge wurden in einem Massengrab aufeinandergestellt, wobei 3 Kanonenschüsse abgefeuert wurden. Tränen wurden dabei viele vergossen.

Eine Bühne war daneben angebracht, wo einig Ansprachen gehalten wurden. Über die bedauernswerten Opfer der Kordschakregierung.

Nun wieder zurück zu den Führern der Sowjetregierung. Es wurden freie Arbeitstage eingeführt und zwar Samstag und Sonntag. Arbeitete jeder Mensch gerne umsonst, um nur herauszukommen aus diesem Elend.

Das war aber im ganzen Kriege so eingeführt. Die Bahnen wurden ausgebessert, was das Notwendigste war, damit Lebensmittel hereingeschafft werden konnten. Brücken, Straßen, Häuser, und die Bergwerke wurden in Betrieb gesetzt, da es an Kohle mangelte.

Und die Salzwerke wegen Salz, da es auch gegendweise keines gab zum Kochen. Alles war in aufopfernder Tätigkeit. So kam langsam das Frühjahr und ließ alles leichter arbeiten, als bei der strengen Kälte im Winter.

Dann war das nächste Notwendige, das Schulwesen musste gefördert werden. Wurden in den Städten und Dörfern viele Theater und Kinos errichtet.

Dort sind ja die Dörfer so groß wie bei uns ein Marktflecken. Sind oft 200 Nummern.

Wurde alles unentgeltlich gemacht, sogar die Vorstellungen zahlte der Staat selbst.

Auch auf unserem Bahnhof haben ich und ein Wiener Kollege in unserer freien Zeit ganz umsonst eine Theaterbühne aufgestellt. Der Bahnvorstand gab uns den Plan und das Holz dazu und wir hatten es bald fertig. Die Russen waren sehr erfreut darüber und spielten jede Woche darauf. Zwei Mal sahen wir es uns an, spielten ganz schön, aber verstehen konnten wir nichts davon. 

 

 

 

 

 

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