8. Theodor Reik
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Nachdem sich Adler, Jung und Rank zu Beginn dieses Jahrhunderts von Freud losgesagt hatten, war die Psychoanalyse nicht mehr dessen ausschließliche Domäne. Es gab von nun an drei Formen der Analyse:
1. die orthodoxe Freudsche Methode, die weiterhin an Zahl der Praktiker und an Einfluß zunahm;
2. eine neue Kategorie der Analyse, die »abgeleitet« oder »neofreudianisch« genannt wurde, was eine Analyse nach der allgemeinen Theorie von Freud bedeutete, doch mit Abweichungen hinsichtlich spezifischer theoretischer Regeln und therapeutischer Techniken;
3. eine Bewegung, die sich dem Freudschen Modell verpflichtet fühlte, aber der Meinung war, Ursache und Dynamik der Neurose lägen eindeutig anderswo und beruhten hauptsächlich auf Umweltfaktoren. Diese dritte Kategorie ist allgemein bekannt als die humanistisch-existentialistische Richtung der Psychoanalyse, und sie führte schließlich zu der großen Vielzahl von quasi- und nicht-analytischen Psychotherapien, die heute im Schwange sind.
Die Reiksche Analyse ist wahrscheinlich diejenige Auffassung der Psychotherapie, die den orthodoxen Freudschen Prinzipien am nächsten blieb, aber dennoch eine deutlich unterschiedliche Theorie über die Entstehung der Neurose enthält. Die Theorie war nicht wirklich neu, sondern eher eine Erweiterung von Freuds Theorie über den Ödipuskomplex. Auch stammte sie nicht eigentlich von Theodor Reik, sondern wurde in den 1930er Jahren von einer Reihe psychoanalytischer Erneuerer entwickelt. Heute gibt es mehrere Interpretationen, von denen die Reiksche Auffassung nur eine ist, aber eine führende. Nach dieser allgemeinen Theorie liegt die Ursache der Neurose nicht in der ödipalen Phase im Leben eines Menschen, sondern in der prä-ödipalen Phase — im Säuglingsalter.
Die Reiksche Schule der Analyse entstand Ende der 1930er Jahre, als Theodor Reik, der talentierte Psychologe und Psychoanalytiker, der von Freud gründlich ausgebildet worden war, als Flüchtling vor den Nazis in die Vereinigten Staaten kam. Aber da er zufällig Dr. phil. und nicht Dr. med. war, wurde ihm die volle Mitgliedschaft in der Amerikanischen Psychoanalytischen Gesellschaft (APA) verweigert; diese Gesellschaft bestand damals ausschließlich aus Psychiatern, die bestrebt waren, den medizinischen Charakter der psychoanalytischen Behandlung zu bewahren.
Obwohl sich Freud sehr für seinen Schüler einsetzte und seine Qualifikationen hervorhob, war die APA unerbittlich in ihrer Verweigerung der vollen Mitgliedschaft; so praktizierte Reik weiterhin selbständig Psychoanalyse und schrieb sein berühmtes Buch <Listening with the third Ear>, durch das viele nichtärztliche Psychotherapeuten auf ihn aufmerksam wurden. Reik wurde bald der Führer von nicht-ärztlichen analytischen Kreisen, und das hatte die Gründung der National Psychological Association for Psychoanalysis (NPAP) zur Folge, die die Anerkennung von Psychologen als qualifizierte Praktiker der Psychoanalyse fördern wollte.
Reik war von Freud analysiert und ausgebildet worden. Er hatte auch mit Freud gearbeitet und war ihm treu geblieben, und nur kleine Abweichungen in seiner psychoanalytischen Philosophie kennzeichneten seine Auffassung. Die bedeutsamste Abweichung war sein Zweifel, ob die kindliche Sexualität wirklich die letzte Ursache der Neurose sei.
In den Jahren, bevor sich Reik in Amerika niederließ, hatten sich auch andere getreue Freudianer mit dieser Frage herumgeschlagen. Eine von ihnen war Anna Freud, die Tochter des Meisters, die selbst Psychoanalytikerin geworden war und sich auf Störungen bei Kindern spezialisiert hatte. Aufgrund ihrer Erfahrungen neigte sie zu der Ansicht, daß die Entstehung von Neurosen, die bei Kindern in der prä-ödipalen Phase ihres Lebens auftreten, zeitlich vor dem Ödipuskomplex liegen müsse.
Ein weiterer Zeitgenosse von Reik war Sandor Ferenczi, der seine Ausbildung auch unter Freud erhalten hatte und ebenfalls der Meinung war, daß die Neurose ihren Ursprung in der frühen Kindheit, wenn nicht gar im Säuglingsalter, habe und dann auftrete, wenn es einem Säugling an Verständnis und Liebe seitens der Eltern mangelt.
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Eine dritte Zeitgenossin, wenn auch wesentlich jünger, war Melanie Klein, die von Freud und Ferenczi ausgebildet worden war und der Ansicht von Ferenczi über die Neurosenbildung den Vorzug gab. Sie stellte dann eine Theorie auf, die das erste Lebensjahr als den Beginn der Ich- und Überich-Entwicklung annimmt; nach der von ihr entwickelten Auffassung ist die infantile Sexualität im ersten Lebensjahr der entscheidende Faktor für die spätere Entwicklung.
Als Reik nach Amerika kam, brachte er Bruchstücke dieser neuen Theorie über das Säuglingsalter mit und baute sie schließlich in seine eigene psycho-analytische Theorie ein. In der Folge hat sich die Reiksche Richtung der Psychoanalyse, die am Leben erhalten wurde durch die NPAP und die zahlreichen, in deren Institut ausgebildeten Analytiker, zu einer recht weitverbreiteten Schule der Psychotherapie entwickelt. Die Reiksche Methode folgt ziemlich genau der klassischen Freudschen Analyse. Nur ihr theoretisches Prinzip ist leicht abgewandelt; bei den entscheidenden Techniken der Therapie — dem freien Assoziieren, der Katharsis, der Deutung und dem Durcharbeiten — konzentriert man sich also nicht auf die Kindheit des Patienten (fünf bis sieben Jahre), sondern auf das Säuglingsalter.
Heute beinhaltet das Reiksche Grundprinzip, wie es von Reiks führenden Schülern interpretiert wird, in erster Linie den Begriff <Mangel an Bemutterung>1) im Säuglingsalter, der als Ursache von psychischen Störungen bei Erwachsenen angesehen wird. Nach Reikscher Auffassung bestimmt die Befriedigung der frühkindlichen Es-Triebe unmittelbar die spätere Ich-Entwicklung.
1) »Bemuttern« bezieht sich auf alle Aspekte der mütterlichen Funktionen — nicht nur auf die physische Präsenz, sondern auch auf die Befriedigung subtilerer infantiler Bedürfnisse durch eine Vielzahl von Bemutterungstechniken, z.B. Streicheln, Schmusen usw.
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Beim Säugling sind die lebenswichtigen Triebe (die Ausdruck grundlegend animalischer Bedürfnissen sind) auf die Mutter gerichtet. Im Zuge der Erforschung der kindlichen Entwicklung sind zahllose umfangreiche Untersuchungen angestellt worden, die übereinstimmend gezeigt haben, daß fehlende oder kümmerliche Bemutterung im ersten Lebensjahr sich katastrophal auf die Überlebensfähigkeit eines Säuglings auswirkt, auch wenn die körperlichen, diätetischen, ärztlichen und hygienischen Bedingungen auf einem hohen Niveau gehalten werden. Wenn das körperliche Überleben durch den Mangel an Bemutterung gefährdet ist, dann, so lautet die Reiksche Theorie, muß das psychische Überleben ebenso betroffen sein. Und wenn ein Mangel an Bemutterung eine so heimtückische Wirkung hat, dann führt eine falsche Bemutterung zu ähnlichen Folgen.
Neben dem einfachen Mangel an Bemutterung gibt es drei Variablen des Bemutterns, die sich unmittelbar auf die psychische Entwicklung eines Säuglings auswirken und daher auch darauf, ob sein späteres Anpassungsverhalten normal oder abnorm wird. Eine Variable ist die Qualität des Bemutterns. Sie ist beim Aufziehen von Kindern am wichtigsten. Eine gleichgültige oder verständnislose Mutter ist im Umgang mit ihrem Kind nicht ausreichend sensibel für seine Signale und versteht nicht den ganzen Umfang seiner nicht-verbalen Kommunikation.
Wenn der Säugling und später das Kind kein »Feedback« erhält, wird es mutlos und lernt, nur die deutlicheren Signale auszusenden, die auch eine unzulängliche Mutter empfangen kann. Die Nichtanwendung von subtileren und phantasievoileren Signalen hemmt die Entwicklung des Kindes und führt dazu, daß es auf einem mehr augenfälligen, gegenständlichen, beschränkten Niveau stehenbleibt. Dem Kind wird, mit anderen Worten, beigebracht, so zu sein wie seine Mutter: gleichgültig, verständnislos oder gefühllos. Es wird wirklich seiner Mutter Kind, mit dem sie sich wohl fühlt. Es hat keinen anderen Maßstab, nach dem es sich richten kann, als das Milieu und die Kommunikation der Mutter.
Andererseits fängt eine aufgeweckte und sensible Mutter viel mehr Hinweise und Signale ihres Kindes auf und reagiert darauf auf einem immer höheren Kommunikationsniveau, das die Persönlichkeits- und Charakterentwicklung anregt. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es eine ganze Skala von Bemutterungs-qualitäten.
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Die Qualitätsunterschiede des Bemutterns spielen eine entscheidende Rolle in der Entwicklung. Nach der Bemutterungstheorie führen die einem Kind übermittelten Erfahrungen zu neurologischen Veränderungen, die die Grundlage dafür schaffen, daß das Kind zukünftige Erfahrungen verarbeiten kann — etwa so, wie der Computer auf das reagiert, was der Programmierer ihm eingibt. (Die Computer-Analogie kann allerdings nicht zu weit getrieben werden, denn in der Interaktion zwischen Mutter und Kind — ob sie nun von guter oder schlechter Qualität ist — mögen emotionale Faktoren eine Rolle spielen, die den Prozeß verzerren.)
Die Intensität der Reaktion und des Engagements einer Mutter ist die zweite bedeutsame Variable der Interaktion zwischen Mutter und Kind. Sie ist genauso unterschiedlich wie die Qualität des Bemutterns — sie reicht von den unbeteiligten Müttern, die ihre Kinder emotional oder physisch sich selbst überlassen oder vernachlässigen, bis zu den zwanghaft überbeteiligten Müttern.
Die Quantität des Bemutterns ist die dritte Variable, die die Entwicklung im Säuglingsalter und der Kindheit beeinflußt. Quantität bezieht sich auf den Zeitaufwand bei der Interaktion mit dem Kind — wie lange mit ihm gespielt, geredet, ihm zugehört, es ausgeschimpft, angeregt, geherzt, im Arm gehalten wird oder die Mutter sich nur an ihm freut.
Problematisch ist an diesen Variablen die Art und Weise, wie sie aufeinander einwirken. Mit anderen Worten, eine Mutter kann eine Mutter mit hoher Qualität, mit mittlerer Intensität und niedriger Quantität sein. Das heißt, sie mag im Umgang mit ihrem Kind außerordentlich aufgeschlossen sein und auf die Kommunikation des Kindes angemessen reagieren, aber nicht anhaltend und gleichmäßig genug. Ebenso mag eine Mutter bei hoher Quantität und hoher Intensität des Bemutterns dennoch insofern eine niedrige Qualität aufweisen, als ihre Intelligenz und Sensibilität begrenzt sind. Die möglichen Kombinationen von Bemutterungsmerkmalen sind fast unendlich. Eins der wichtigsten Ziele der Reikschen Therapie ist es, herauszufinden, welche Art von Bemutterung einem Patienten zuteil wurde, um einen Maßstab für seine neurotische Vorgeschichte zu erhalten.
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Die Reiksche Theorie ordnet die vielen möglichen Kombinationen des Bemutterns in fünf Kategorien ein: gleichgültiges Bemuttern, widerstrebendes Bemuttern, durchschnittliches Bemuttern, hingebungsvolles Bemuttern und »Jokaste«-Bemuttern. Die beiden erstgenannten und die letzte führen zweifellos zu Fehlanpassungen und Neurosen. Auch die dritte kann eine schwere Neurose hervorrufen, während die Wahrscheinlichkeit bei der vierten sehr viel geringer ist.
Das »Jokaste«-Bemuttern als spezifische Ursache von Neurosen erhielt seinen Namen auf etwa dieselbe Weise wie der Ödipuskomplex. Sie werden sich erinnern, daß Ödipus eine Gestalt der griechischen Mythologie ist; er tötete unwissentlich seinen Vater und heiratete dann seine Mutter. Seine Mutter hieß Jokaste, und der Begriff »Jokaste«-Bemuttern wurde von den Reikianern geprägt, um damit das hauptsächliche Merkmal dieser Art von Bemuttern auszudrücken. Es wird angenommen, es sei die Folge der emotionalen Aushungerung einer Frau — eben der Deprivation, der Jokaste, die Mutter und Frau von Ödipus, unterworfen war.
Ebenso wie die vier anderen Kategorien des Bemutterns, ist das Jokaste-Bemuttern von den Verfechtern der Reikschen Therapie in beträchtlicher klinischer Ausführlichkeit beschrieben worden. Es heißt, es komme dazu in Familiensituationen, in denen der Vater körperlich und/oder psychisch abwesend ist und als männlicher Einfluß im Haushalt fehlt. Das führt zur emotionalen Aushungerung der Mutter, die ihr Verlangen dann dadurch zu stillen sucht, daß sie ihr Bedürfnis nach Gesellschaft, nach einem Liebesobjekt, nach einem Kind und einem Versorger — nach allem, was eine Frau von ihrem Mann braucht — auf ihr Kind richtet.
Der Jokastekomplex, um einen weiteren Begriff zu prägen, tritt auf, wenn entweder schon ein Kind da ist oder auch erst nach der Geburt eines Kindes. In beiden Fällen stellt die Mutter in Ermangelung eines erwachsenen Mannes eine enge, feste, intime und ausschließliche Liebesbeziehung zu ihrem Kind her, macht es zu ihrem hauptsächlichen Liebesobjekt und überträgt ihm die zukünftige Aufgabe, ihr Gefährte, Beschützer und Versorger zu sein.
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Der immerwährende Liebespaar-Dialog zwischen Mutter und Kind scheint alle Aspekte der geistigen und emotionalen Entwicklung des Kindes zu beschleunigen. Das Kind ist altklug und läßt viel früher als üblich die Eigenschaften eines Erwachsenen erkennen.
Bis zu einem gewissen Punkt erscheint die Interaktion zwischen Mutter und Kind ideal: Die drei Variablen des Bemutterns sind in hohem Maße wirksam — Qualität, Intensität und Quantität. Aber bald wird die Beziehung auf dem Niveau eines angespannten, alles verzehrenden Liebesverhältnisses unauflöslich und zwanghaft. Jede Trennung von Mutter und Kind wird zu einer doppelten Quelle des Schmerzes, die Folge sind lange, qualvolle Briefe und Telefonanrufe mit immer neuen Gelöbnissen geistiger Treue.
Die Jokaste-Mutter pflegt diese Beziehung noch lange, nachdem sie ihr natürliches Ende hätte gefunden haben sollen. Dadurch verhindert sie, daß ihr Kind die normale Individuation durch Trennung erlebt, die alle Kinder durchmachen sollten. Während der Entwicklung zur Selbständigkeit und einer eigenen Identität wird das Kind im frühen Erwachsenenalter sehr anfällig für Neurose sein.
Ich habe eine extreme Form der Jokaste-Bemutterung geschildert. Der Prozeß kann sich auch in milderer Form abspielen. Jede abnorme Abhängigkeit von Mutter und Kind, die eine ungünstige Entwicklung zur Folge hat, kann spätere neurotische Symptome beim Kind hervorrufen. Durch »Jokaste« verursachte Neurosen verlaufen nicht nach einem bestimmten Schema, aber die Reiksche Analyse sieht das Jokaste-Bemuttern als eins der wichtigeren allgemeinen Syndrome von spezifischen Formen der Neurose und Abnormität an.
Eins davon ist natürlich latente oder offenkundige Homosexualität.2) Die fast phobische Furcht vor Liebe ist ein weiteres. Kindern einer Jokaste-Mutter fällt es schwer, zu heiraten oder auch nur sexuelle Beziehungen zu unterhalten.
2) Die Frage, ob Homosexualität normal oder abnorm, ein Zustand geistiger Gesundheit oder Krankheit ist, wird unter Psychotherapeuten noch immer diskutiert. Allgemein scheint man darin übereinzustimmen, daß sie eine Form abnormen Verhaltens, aber keine Krankheit ist.
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Ihre Beziehungen sind von einer zwanghaften Verquickung von Liebe und Haß geprägt, weil sie sich vor echter Intimität und Liebe fürchten. Wenn sie wirklich heiraten oder ein Verhältnis anknüpfen, dann gewöhnlich interesselos und mit jemandem, der ihnen an sozialer Stellung und Bildung unterlegen ist, um auf diese Weise Ansprüchen und Bedürfnissen zu entgehen, denen sie nicht entsprechen könnten.
Das Jokaste-Bemuttern ist falsches Bemuttern, aber gewöhnlich wirkt es sich nur nachteilig auf Söhne aus. Die anderen Formen des falschen Bemutterns — gleichgültiges, widerstrebendes, durchschnittliches Bemuttern — schädigen auch die psychische Entwicklung von Mädchen. Nach Auffassung der Reikschen Analyse sind Mädchen in vielen Fällen sogar eher einer Schädigung durch falsches Bemuttern ausgesetzt, eben weil sie Mädchen sind und eine angeborene Fähigkeit zum Bemuttern haben, die Männer nicht besitzen.
Wenn Sie sich einer Reikschen Psychotherapie unterziehen sollten, werden Sie feststellen, daß die Methode der Freudschen Analyse ziemlich ähnlich ist. Der einzige wichtige Unterschied in der Technik beruht auf dem Reikschen Theorem, daß die Psychoanalyse eine kreative Zusammenarbeit zwischen Patient und Therapeut darstellt. Höchstwahrscheinlich werden Sie also finden, daß der Reiksche Analytiker an Ihrer mißlichen Lage interessierter ist, mehr Verständnis dafür aufbringt und in seinem Verhältnis zu Ihnen weniger unnahbar und autoritär ist.
Natürlich werden Sie auch feststellen, daß der Kernpunkt der Therapie ein anderer ist. Statt zu versuchen, verdrängte psycho-sexuelle Störungen aufzudecken, die von Ihrem unaufgelösten Ödipuskomplex herrühren, wird der Reiksche Analytiker im großen und ganzen versuchen, Sie anzuleiten, das verdrängte Material und die blockierten Emotionen aufzudecken, die er für die Folge der Ihnen in Ihrer prä-ödipalen Entwicklung zuteil gewordenen falschen Bemutterung ansieht.
Die Reiksche Analyse, könnte man sagen, schließt die Lücke, die der Streit zwischen der Rankschen und der Freudschen Therapie gelassen hat. Sie entlehnt zwar den größten Teil ihres therapeutischen Grundprinzips von Freud, doch verdankt sie auch Rank einen Teil, weil er der erste war, der Freuds Ödipus-Schranke durchbrach und dem Psychoanalytiker ein verständnisvolleres Verhalten und eine aktive Rolle in der psychotherapeutischen Beziehung anriet, während er gleichzeitig die fundamentalen Techniken der Freudschen Analyse bewahrte.
Das auf das Säuglingsalter konzentrierte Grundprinzip der Reikschen Therapie stützt sich zum großen Teil auf psychologische und soziologische Forschungen in Form von statistischen Erhebungen, psychologischen Tests und anderen Verfahren, die darauf abzielen, die Korrelation zwischen psychischen Deprivationszuständen des Säuglings und psychischen Störungen des Erwachsenen abzuschätzen.
Solche Forschungen werden gewöhnlich an Universitäten betrieben. Das professionelle Interesse an der Reikschen Therapie konzentriert sich also vor allem auf die psychologischen und soziologischen Fakultäten der Universitäten. Infolgedessen haben die meisten praktizierenden Reikschen Analytiker gewöhnlich eine psychologische und soziologische Ausbildung und keine medizinische. Ein weiterer Grund, warum man wenige Psychiater finden wird, die die Reiksche Analyse praktizieren, ist natürlich, daß Reik selbst Psychologe war.
Als therapeutische Methode scheint für die Reiksche Analyse mehr zu sprechen als für andere Formen der Analyse, vor allem angesichts der umfangreichen, dokumentarisch belegten, Untersuchungen, die vorgelegt wurden, um ihren Theorien über das Säuglingsalter und das Bemuttern wissenschaftliche Glaubwürdigkeit zu verleihen.
Wenn es stimmt, daß Formen von psychischer Deprivation im Säuglingsalter wirklich die Ursache von Neurosen sind, dann gibt es allerdings noch wenig wissenschaftliche Beweise dafür, daß die Reiksche psychoanalytische Methode imstande ist, es erfolgreich mit der Ursache aufzunehmen.
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