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12. Die erste Razzia: Eine Katastrophe!

 

 

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Ein paar Tage später — ich war gerade mit meinen radiotechnischen Studien beschäftigt, kam eine Stimme durch den Lautsprecher: "Kourdakov, Kourdakov, sofort im Kontrollbüro melden!" Mein Lehrer nickte, und ich packte meine Bücher zusammen und machte mich auf den Weg.

Der diensthabende Offizier im Kontrollbüro sagte: "Kourdakov, hier ist eine telefonische Nachricht vom Hauptmann Nikiforow. Du sollst dich heute abend um zehn Uhr mit .deinen Leuten in der Polizeistation einfinden. Er sagte, du wüßtest schon, weshalb."

«Ja, ich weiß," sagte ich. "Vielen Dank." Um zehn Uhr an diesem Abend traf ich mich mit vierzehn meiner Leute, allen, die ich in der kurzen Zeit zusammentrommeln konnte, auf der Polizeiwache.

"Schick deine Leute in den hinteren Raum", befahl Nikiforow. "Laß sie sich noch etwas entspannen. Es ist noch zu früh." Ich schickte also meine Leute in den kleinen Aufenthaltsraum im hinteren Teil der Polizeiwache, während ich an Nikiforows Schreibtisch stehenblieb.

"Hier sind deine Instruktionen", sagte er. "Wir haben erfahren, daß sich ein paar Gläubige heute abend gegen elf Uhr in einer Wohnung versammeln wollen."

"Und wo?" fragte ich.

Auf der riesigen Straßenkarte in seinem Büro zeigte er auf ein Haus im 75. Distrikt, einer Wohngegend auf der anderen Seite der Stadt. Nikiforow fuhr mit seinen Anweisungen fort. "Es werden höchstens zwölf bis fünfzehn Leute dort sein. Das dürfte also keine Schwierigkeit für euch sein."

"Woher wissen Sie das alles?" fragte ich verblüfft. Die Versammlung hatte ja schließlich noch nicht angefangen, so daß Nachbarn verdächtige Aktivitäten gemeldet haben könnten.

Ein sardonisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. "Nun, ein kleiner Vogel hat es mir ins Ohr gezwitschert, Kourdakov!" sagte er. "Du tätest besser daran, nicht zu viel zu fragen."

Ich wollte ihm eigentlich nur etwas Freundliches sagen und mußte erfahren, wie schwierig Nikiforow manchmal sein konnte. Ich beschloß, mich in Zukunft ein bißchen zurückzuhalten. Schließlich wollte ich ja mit ihm auf gutem Fuße stehen.


Inzwischen saßen meine Leute hinten im Aufenthaltsraum herum. "Greift nur zu. Genossen, trinkt und macht es euch gemütlich", rief Nikiforow hinüber und zeigte auf die Wodkaflasche und die Gläser auf dem Tisch. So etwas ließen wir uns natürlich nicht zweimal sagen, und es dauerte gar nicht lange, bis wir alle leicht angeheitert in lustiger Unterhaltung zusammensaßen.

Als Nikiforow sah, daß der Wodka uns aufgelockert hatte, sagte er: "Ihr solltet gegen elf Uhr hier losfahren. Dann haben die Gläubigen ungefähr eine halbe Stunde Zeit, um mit ihrer Versammlung zu beginnen, und sie werden denken, daß alles in Ordnung sei. Wir wollen vor allem ihre Anführer, die heimlichen Pastoren. Hier sind die Namen der zwei Leute, die ihr herbringen sollt."

"Jawohl, Genosse", erwiderte ich. "Und was ist mit den anderen?"

"Die anderen? Ach, schüchtert sie ein bißchen ein. Verabreicht ihnen ein ,nettes, kleines Andenken', woran sich sie erinnern. Aber bringt unter allen Umständen die Anführer hierher", sagte er hart und deutete auf die Namen auf dem Zettel, den er mir in die Hand drückte.

"Jawohl, Genösse", erwiderte ich wieder. Im stillen wunderte ich midi etwas, warum er uns all diese Instruktionen gab. Was war diesmal anders? Wenn wir in eine Bar geschickt worden waren, um dort eine Schlägerei zu beenden, war "Niki" stets offen und direkt. Doch heute abend sah ich, daß er nervös war, und ich fragte mich, warum.

"Paßt auf, daß euch niemand in der Straße sieht", fuhr er fort. "Eigentlich dürftet ihr keine Schwierigkeiten haben; es ist schon elf Uhr. Doch sollten noch Leute auf der Straße sein, so wartet ein paar Minuten, bis sie außer Sichtweite sind."

Während einer seiner Einführungsreden hatte Azarow ausdrücklich betont, daß alle Unternehmungen gegen die Gläubigen mit größter Geheimhaltung vonstatten gehen müßten. Unter keinen Umständen durfte die Bevölkerung davon erfahren. Mich verwunderte das sehr und machte mich gleichzeitig ziemlich neugierig, denn wenn wir uns betrunkene Kerle vorzunehmen hatten, die in eine Schlägerei verwickelt waren, pflügten wir eintach lauthals in die Menge, und es hatte keine Probleme gegeben. Ich fragte nach dem Grund, und er erwiderte: "Nun Kourdakov, es könnte vielleicht mancher mißverstehen, was wir tun und warum wir es tun. Die meisten Menschen erkennen die Gefahr nicht, die diese Leute für unsere Gesellschaft bedeuten. Außerdem gibt es überall Feinde unseres Landes, Agenten des Imperialismus, die mit wahrer Genugtuung berichten würden, daß wir

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die Gläubigen verfolgen. Daher ist es unbedingt erforderlich, daß ihr alles tut, was in eurer Macht steht, um ohne Zeugen zu arbeiten, vor allem, achtet darauf, daß niemals Photos von eurem Einschreiten gemacht werden. Wir können nicht zulassen, daß Feinde unseres Volkes aller Welt berichten, daß wir die Gläubigen verfolgen und keine religiöse Freiheit gewähren, oder sollten wir das etwa?" sagte er und lachte. Das war für uns eine durchaus einleuchtende Erklärung.

Ich versicherte Azarow, daß wir warten würden, bis die Straße leer war, bevor wir irgend etwas unternehmen würden. "Gut, Kourdakov", sagte er. "Geh jetzt zu deinen Leuten, und ich rufe euch, wenn es soweit ist."

Zurück im Aufenthaltsraum, wo ich mir selbst noch einige Gläser genehmigte, stellte ich fest, daß der Wodka bereits alle in Stimmung versetzt hatte. Die Gespanntheit war gewichen, und Wladimir war gerade dabei, eine Geschichte zu erzählen. Alle lachten. Es dauerte aber nicht mehr lange, bis Nikiforow hereinkam und sagte: "Nun, Kourdakov, es ist elf Uhr, Zeit, euch auf den Weg zu machen." Als wir uns vom Tisch erhoben, stieß Alex dagegen, und ein paar Gläser fielen um. Er entschuldigte sich.

An der Tür gab mir Nikiforow noch die letzten Instruktionen. Er sagte: "Kourdakov, ich will, daß ihr eine eingehende Haussuchung vornehmt und euch nach Bibeln und Literatur umseht. Wir wissen, daß diese Leute antisowjetische Literatur haben. Wir brauchen davon so viel wie möglich, damit das Gorkom sie nach Moskau schicken kann. Sucht das Haus sorgfältig ab, und bringt alles mit, was ihr finden könnt!" Ich nickte zustimmend.

Im Innenhof der Polizeiwache, wo die Wagen standen, kletterte Viktor ins Führerhaus. Ich stieg zu ihm, während die anderen es sich hinten, so gut es ging, bequem machten. Heute benutzten wir keine Sirenen. Wir hätten auch sowieso keine gebraucht, denn die Straßen waren kaum noch befahren. Und außerdem wollten wir unser Kommen den Gläubigen nicht schon vorher ankündigen.

Die Stadt war nur im Zentrum erleuchtet, die kleineren Nebenstraßen lagen im Dunkeln. Wir mußten durch einige dunkle Gassen fahren, um das Haus ausfindig zu machen, wo sich die Gläubigen treffen sollten. Schließlich hatten wir die Straße gefunden und fuhren langsam weiter, um die Nummern an den Häusern zu entziffern.

Ich spähte in die Dunkelheit, ob irgendwo noch Fußgänger unterwegs wären. Doch die Straße lag völlig verlassen. Viktor schaute ins Dunkle nach links und ich nach rechts, beide behielten wir die Hausnummern im Auge. Schließlich sagte ich: "Der nächste Block muß es sein, Viktor. Laß uns hier anhalten."

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Er parkte, stellte den Motor ab, und wir stiegen aus. Ich erinnerte die anderen daran, sowenig Geräusch wie möglich zu machen. Wir wollten keinen Lärm verursachen, um auch nicht die geringste Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen.

Ich ging voran, während die anderen mir folgten. Es war ein kleines Holzhaus mit einem Holzdach. Es stand fast völlig durch einen hohen Zaun verdeckt und sah wie viele andere Häuser in Petropawlowsk aus. Die Vorhänge waren vorgezogen, doch ein schwacher Lichtschein fiel nach draußen.

Was sollten wir jetzt machen? Ein unsicheres Gefühl beschlich mich. Dies war doch etwas anderes, als eine Schlägerei in einer Bar zu beenden. Dort brauchten wir uns nur unter die wütende Menge zu mischen. Boxhiebe und Judogriffe zu verteilen, und schon bald war der Fall erledigt. Doch hier: Anstelle von Schlägereien, Schreien und Fluchen waren ein paar Leute in einer Wohnung versammelt! Wir konnten sie leise singen hören. Wir sahen uns gegenseitig an. Was sollten wir als nächstes machen? Nun, es war wohl meine Sache, den ersten Schritt zu tun, und so ging ich zur Tür und klopfte an. Dann klopfte ich noch einmal etwas lauter.

Wir standen unbeholfen herum und warteten darauf, daß die Tür aufgemacht wurde. Irgendwie kamen wir uns sehr lächerlich vor. Was für ein Anblick! Vierzehn große, stämmige Kerle hintereinander auf dem schmalen Gartenpfad, der zur Tür eines kleinen Hauses führte, nachts, in einer völlig verlassenen Gegend, und der erste in der Reihe klopfte höflich an die Tür!

Bald hörten wir innen Fußtritte, und jemand öffnete die Tür. Ein Mann von mittlerer Statur stand vor uns und fragte höflich: "Ja, was kann ich für Sie tun?" Er schaute über meine Schulter auf die anderen und verstand. Sein Gesicht wurde niedergeschlagen, doch er bewahrte Haltung und sagte: "Kommen Sie herein."

Als wir eintraten, schaute ich mich um. Das Haus bestand nur aus einem Raum und war spärlich eingerichtet. In einer Ecke war eine Kochnische. Zwölf oder dreizehn Leute saßen auf der Bettkante und auf Stühlen, die man zusammengestellt hatte. Sie sangen leise einen russischen Choral und fuhren auch fort im Singen — jedoch mit nervösen Seitenblicken — selbst während wir sprachen.

Der Mann, der uns die Türe geöffnet hatte, fragte leise: "Kommen Sie von der Polizei?"

Er wußte es natürlich. Woher sollten wir sonst kommen?

Ich erwiderte, ganz automatisch ebenfalls im Flüsterton: "Ja, wir sind von der Polizei." Im stillen dachte ich bei mir, das ist ja albern! Wir sind hergeschickt worden, um dieses Treffen der Gläubigen abzubrechen, und hier stehe ich und führe eine Unterhaltung im Flüsterton. damit ich auch ja den Gesang nicht störe!

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Inzwischen hatten sie wohl erkannt, daß ihre Versammlung zu Ende war. Doch erstaunlicherweise sangen sie noch immer. Wir unterhielten uns, bis das Lied zu Ende war. Dann schwiegen sie und sahen uns an. Das kleine Haus war gepfropft voll mit den Gläubigen und meinen Leuten.

Fast in Abwehr, da ich nicht wenig verlegen war, versuchte ich meine Autorität geltend zu machen: "Was geht hier vor?" verlangte ich zu wissen.

Der Leiter der Gruppe sagte: "Wir halten einen Gottesdienst."
"Aber es gibt keinen Gott", sagte ich.
"Nun, wir glauben, daß es doch einen Gott gibt, und zu seiner Ehre haben wir uns hier versammelt", erwiderte der Mann, der gewiß der heimliche Pastor war.
"Das ist aber nicht erlaubt!" sagte ich bestimmt.
"Warum nicht?"
"Weil es gegen das Gesetz verstößt. Und wir haben den Befehl, die Sache zu beenden."

Noch immer höflich erwiderte der Mann: "Aber wir brechen doch nicht das Gesetz. Selbst Genösse Lenin sagte, daß die Einwohner unseres Landes das Recht und die Freiheit haben, Gott anzubeten."

Ich wußte wirklich nicht, was ich dazu sagen sollte. Und da er meine Unsicherheit fühlte, blieb er bei diesem Thema: "Genosse Lenin sagte, daß jeder Bürger unseres Landes das volle Recht hat, seinen religiösen Glauben auszuüben oder aber nicht zu glauben, je nachdem, was er für richtig hält."

"Stimmt das? " fragte ich.
"Natürlich. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen zeigen, an welcher Stelle Lenin das gesagt hat."

Auf diese Weise kamen wir nicht von der Stelle. Ich war völlig verwirrt; meine Leute hinter mir waren verlegen, und ich merkte, daß wir in dieser Diskussion den kürzeren ziehen würden. Dann begann der Gläubige eine Stelle aus der Verfassung der Sowjetunion zu zitieren, an der geschrieben steht, daß jeder Bürger das Recht hat, seinen religiösen Glauben auszuüben. "Wir nutzen lediglich die Rechte, Genösse", sagte er, "die uns der Begründer unseres Landes und der Verfassung der Sowjetunion eingeräumt hat. Tun wir irgend jemand unrecht? Sehen Sie sich um. Wir glauben an Gott und sind in seinem Namen hier zusammengekommen. Das ist alles. Das ist unser Recht, und wir belästigen niemand. Was haben wir getan?"

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Ich war in der Klemme, denn ich wußte, daß unsere Verfassung tatsächlich diesen Absatz enthielt, und ich erinnerte mich außerdem, daß auch Lenin irgendwo von der religiösen Freiheit gesprochen hatte. Ich erinnerte mich daran, daß ich in Leningrad Gläubige hatte zur Kirche gehen sehen und wie ich damals gedacht hatte, daß unser Land tatsächlich religiöse Freiheit bot.

Ich protestierte schwach: "Aber Sie brechen die Gesetze unseres Landes. Verstehen Sie das nicht?"

"Bitte erklären Sie mir, wieso", entgegnete der Anführer.

"Nun, ich weiß lediglich, daß Sie die Gesetze übertreten, und ich habe hier zwei Namen von Leuten, die ich leider bitten muß, mitzukommen."

Die Gläubigen sahen sich untereinander an und erkannten, daß zwei aus ihrer Mitte mitkommen mußten. Der Mann, mit dem ich gesprochen hatte, war einer von ihnen. Während sich die beiden Männer ihre Mäntel anzogen, um mit zur Polizeiwache zu kommen, gingen die widersprüchlichsten Gedanken durch meinen Kopf. Schließlich waren unsere beiden Gefangenen fertig. Ruhig schüttelten sie den anderen die Hand, sagten etwas ähnliches wie "betet für uns" und kamen dann mit uns zur Türe hinaus. Beim Hinausgehen hörten wir, daß die Zurückbleibenden zu beten anfingen.

Noch im Polizeiwagen, während wir über die unebenen, dunklen Straßen von Petropawlowsk holperten, war ich völlig verwirrt. Ich wollte mich lieber in die schlimmste Schlägerei mit zwanzig Messerhelden stürzen, als noch einmal so etwas erleben zu müssen! Das hatte mir wirklich keinen Spaß gemacht.

Wir stellten den Wagen hinter dem Polizeigebäude ab und stiegen aus. Niki stand bereits wartend in der Tür, ein breites Lächeln im Gesicht. Doch das Lächeln verschwand in der Minute, als wir zur Tür hineinkamen. Er warf einen Blick auf uns und auf die beiden Männer, die wir festgenommen hatten und wurde fuchsteufelswild. Er wandte sich an einen seiner Untergebenen und schnauzte ihn an: "Nimm diese Gefangenen hier mit, und sperr sie ein!" Sofort wurden sie abgeführt. Dann wandte sich Nikiforow an uns. "Was für eine schafsköpfige Gesellschaft!" schnauzte er uns an. "Vierzehn erwachsene Männer kommen von einer Razzia zurück und haben nichts weiter vorzuzeigen als zwei kleine, ältere Herren, die bei ihrer Festnahme nicht einmal Widerstand leisteten."

Nikiforow hatte nicht lange gebraucht, um die Situation zu durchschauen. "Nun, meine lieben Kinderlein", sagte er sarkastisch, "es sieht ganz so aus, als wenn ihr auf einem netten, kleinen Picknick ward."

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Dann ließ er plötzlich seinen Sarkasmus fallen und brüllte: "Was denkt ihr Babys denn, weswegen ich euch dort hingeschickt habe?" Er hielt uns eine Standpauke, die wir nicht so schnell vergessen sollten, während er wütend im Zimmer auf- und niederraste.

"Aber Genosse Nikiforow", protestierte ich, "diese Leute haben keinerlei Widerstand geleistet. Es war überhaupt nicht mit unseren sonstigen Aktionen zu vergleichen. Das sind einfach andere Leute. Wir müssen manchmal eben verschiedene Techniken anwenden!"

"Verschiedene Techniken!" brüllte er. "Andere Leute! Ich werde dir sagen, was das für Leute sind! Das sind ganz gemeine, hinterlistige Staatsverräter! Ich schicke euch fort, um sie gefangenzunehmen und unser Land vor ihnen zu schützen, und die bekehren euch um ein Haar!" Allein die Tatsache, daß wir sie für harmlos hielten und Argumente für ihre Rechte hätten, sei schon der Beweis dafür, sagte er, wie hinterlistig und verderblich und schlau sie wären. Könnten wir das nicht begreifen? Er warf sich offensichtlich völlig erschöpft von seinem Ausbruch in einen Sessel.

Nach einem kurzen Augenblick schienen seine Kräfte wiederzukehren. Er sprang auf und setzte seine Predigt fort. "Kann ich es euch jemals in eure verblendeten Gehirne eintrichtern, daß das unsere schlimmsten Feinde sind? Sie sind die gefährlichsten Kriminellen unter uns. Sie sind wie Schlangen. Sie halten sich im Verborgenen auf, bis sie zum Schlag ausholen können, und dann ist es gewöhnlich zu spät! Mir sind hundert Mörder lieber, die frei herumlaufen, als ein Dutzend dieser Volksverdummer! Die Mörder können wir jederzeit festnehmen. Aber diese Leute — bei ihnen weiß man nie, was sie als nächstes vorhaben. Sie verbreiten ihre tödliche Propaganda überall und arbeiten beständig hinter unserem Rücken. Und ihr", rief er autgebracht, "ihr habt auch noch Verständnis für sie!" Er wütete ununterbrochen weiter.

"Das sind die Blutsauger des russischen Volkes", schrie er. "Wir müssen diese Elemente vernichten, ausrotten. Sympathisiert ihr jetzt immer noch mit ihnen? "

Inzwischen hatten wir begonnen, die ganze Sache in einem anderen Licht zu sehen. Die Schüchternheit, die meine Leute vorhin an den Tag gelegt hatten, hatte einer großen Wut Platz gemacht, weil sie von den Gläubigen so hereingelegt worden waren. Niemand will hereingelegt werden. Wir murmelten eine gestammelte Entschuldigung, daß wir Nikiforow wohl nicht richtig verstanden hätten.

Immer noch schlechter Stimmung fuhr er fort, uns anzuschnauzen: "Nun, das nächste Mal versteht ihr gefälligst besser! Was bedeutet euch die Partei eigentlich?"

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Das traf uns schwer. Ich würde alles, was ich besaß, für die Partei hergeben. Ich war aufgebracht und ärgerlich — auf mich und auf die Leute, die mich so hereingelegt hatten. Das nächste Mal, das versprach ich mir selbst, würde ich nicht so einfältig sein. Das nächste Mal, dachte ich, das nächste Mal!

Nikiforow fand, daß wir dringend noch ein paar normale Polizei-einsätze brauchten. Wenn er uns also die nächsten Male rief, war es wieder wegen Schlägereien oder ähnlicher Vorfälle.

 

Nikiforow kannte die menschliche Natur. Er war ein Meister der Psychologie, ein Student der menschlichen Gedanken und Verhaltensweise und wandte dieses Wissen geschickt im Umgang mit den Kriminellen an. Und genauso gebrauchte er seine Fertigkeit bei uns. Er wußte genau, wie und womit er uns treffen konnte. Im Laufe der kommenden Wochen ließ er niemals eine Gelegenheit ungenutzt, uns für besonders brutales Vorgehen zu belohnen. Als wir einmal zwei Diebe gefaßt hatten und sie ihm brachten, rief Nikiforow nach einem Blick auf die beiden aus- "Was war denn das für eine Festnahme? Sie sehen ja noch genau so frisch aus wie am Tag ihrer Geburt! Was ist denn los mit euch Babys? Werdet ihr niemals lernen, wie man solche Gesichter behandelt? Nehmt sie mit und zeigt mir, was ihr gelernt habt!"

Wladimir und Anatoly, unsere beiden Boxchampions, nahmen die beiden armen Burschen mit nach draußen. Gleich darauf hörten wir die Schläge und Schreie. Sie benutzten die beiden Diebe als übungsbälle. Als sie wieder zurückgebracht wurden, waren ihre Gesichter nicht mehr zu erkennen. "Gut, Jungs", sagte Niki. "Das ist schon besser! Jetzt handelt ihr wie die Männer, für die ich euch gehalten habe!" Wir tranken Wodka, lachten und verbrachten einen unterhaltsamen Abend.

Das war nur ein Schritt in Nikiforows Brutalisierungsprogramm. Doch ich kann ihm nicht allein die Schuld geben. Wir reagierten mit Enthusiasmus und genossen bald diese Art von gewalttätigem Leben genauso wie er.

Im Mai hatten wir begonnen. Jetzt war es Anfang August. Die meisten Streifzüge hatten wir gegen Gangster und Schläger unternommen. Doch nach und nach streute er immer wieder zwischen die Schlägereien und brutalen Festnahmen einen kleinen Überfall auf Gläubige. Eine Razzia in einer Bar, eine Festnahme von Gläubigen. Schon bald hatten wir gelernt, die Gesichter der Gläubigen genauso zu demolieren wie die Gesichter von betrunkenen, sich prügelnden Seeleuten. Doch immer noch waren unsere Überfälle und Versammlungen von Gläubigen recht unbedeutend, es waren immer kleine Gruppen, die sich in ihren Wohnungen versammelt hatten.

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