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3  Was aus der Überproduktion folgt  

 

 

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Ein griechischer Dichter aus der Zeit CicerosAntipatros25)besang die Erfindung der Wassermühle zum Mahlen des Getreides als Befreierin der Sklavinnen und Errichterin des goldenen Zeitalters:

»Schonet der mahlenden Hand, o Müllerinnen, und schlafet sanft! Es verkündet der Hahn euch den Morgen umsonst! Däo hat die Arbeit der Mädchen den Nymphen befohlen, und itzt hüpfen sie leicht über die Räder dahin, daß die erschütterten Achsen mit ihren Speichen sich wälzen, und im Kreise die Last drehen des wälzenden Steins. Laßt uns leben das Leben der Väter, und laßt uns der Gaben arbeitslos uns freun, welche die Göttin uns schenkt.«

Ach, die Zeit der Muße, die der heidnische Dichter verkündete, ist nicht gekommen. Die blinde, wahnsinnige und menschenmörderische Arbeitssucht hat die Maschine aus einem Befreiungsinstrument in ein Instrument zur Knechtung freier Menschen umgewandelt: die Produktionskraft der Maschine verarmt die Menschen.

 

Eine gute Arbeiterin verfertigt auf dem Handklöppel gerade fünf Maschen in der Minute; gewisse Klöppelmaschinen fertigen in derselben Zeit dreißigtausend. Jede Minute der Maschine ist somit gleich hundert Arbeitsstunden der Arbeiterin, oder vielmehr, jede Minute Maschinenarbeit ermöglicht der Arbeiterin zehn Tage Ruhe. Was für die Spitzenindustrie gilt, trifft mehr oder minder für alle durch die moderne Mechanik umgestalteten Industrien zu. Was sehen wir aber? Je mehr sich die Maschine vervollkommnet und mit beständig verbesserter Schnelligkeit und Präzision die menschliche Arbeit verdrängt, verdoppelt der Arbeiter, anstatt seine Ruhe entsprechend zu vermehren, noch seine Anstrengungen, als wollte er mit den Maschinen wetteifern. O törichte und mörderische Konkurrenz!

Um der Konkurrenz zwischen Mensch und Maschine freien Lauf zu verschaffen, haben die Proletarier die weisen Gesetze, welche die Arbeit der Handwerker der alten Zünfte beschränkten, abgeschafft, die Feiertage unterdrückt.26) Meint man aber, daß die Arbeiter, weil sie damals von sieben Tagen der Woche nur fünf arbeiteten, nur von Luft und Wasser gelebt hätten, wie die verlogenen Ökonomen uns vorerzählen? Geht doch! Sie hatten Mußezeit, um die irdischen Freuden zu kosten, um zu lieben und zu scherzen, um vergnügt zu Ehren des lustigen Gottes des Müßiggangs Tafel zu halten. 

Das grämliche, im Protestantismus verheuchelte England hieß damals das «fröhliche England« (Merry England). Rabelais, Quevedo, Cervantes, die unbekannten Verfasser der pikarischen Romane machen uns das Wasser im Munde zusammenlaufen mit ihren Schilderungen jener monumentalen Schlemmereien,27) mit denen man sich damals zwischen zwei Schlachten und zwei Verheerungen regalierte und in denen »nichts gespart ward«. Jordaens und die niederländische Schule haben sie uns auf ihren lebenslustigen Gemälden dargestellt. 

Erhabene Riesenmägen, was ist aus euch geworden? Erhabene Geister, die ihr das ganze menschliche Denken umfaßtet, wo seid ihr hin? Wir sind durch und durch verzwergt und entartet. Die vielen Entbehrungen, die Kartoffel, gefärbter Wein und der preußische Schnaps haben in weiser Verbindung mit Zwangsarbeit unsere Körper erschlafft und unseren Geist verkleinert. Und zur selben Zeit, wo der Mensch seinen Magen zusammenschnürt und die Produktivität der Maschine von Tag zu Tag wächst, wollen uns die Ökonomen die Malthussche Theorie,28) die Religion der Enthaltsamkeit und das Dogma der Arbeit predigen? Man sollte ihnen lieber die Zunge ausreißen und den Hunden vorwerfen.

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Da jedoch die Arbeiterklasse in ihrer Einfalt und Treuherzigkeit sich den Kopf hat verdrehen lassen und sich mit ihrem naiven Ungestüm blindlings in Arbeit und Enthaltsamkeit gestürzt hat, so sieht sich die Kapitalistenklasse zu erzwungener Faulheit und Üppigkeit, zur Unproduktivität und Überkonsum verurteilt. Und wenn die Überarbeit des Proletariers seinen Körper abrackert und seine Nerven zerrüttet, so ist sie für den Bourgeois nicht minder fruchtbar an Leiden.

Die Enthaltsamkeit, zu welcher sich die produktive Klasse hat verurteilen lassen, macht es der Bourgeoisie zur Pflicht, sich der Überkonsumtion der von dieser in Überzahl verfertigten Produkte zu weihen. 

Zu Anfang der kapitalistischen Produktion, vor etwa ein oder zwei Jahrhunderten, war der Bourgeois noch ein ordentlicher Mann von vernünftigen und friedlichen Sitten: er begnügte sich mit seiner Frau, wenigstens beinahe, er trank nur, wenn er Durst, und aß nur, wenn er Hunger hatte. Er überließ den Höflingen und Hofdamen die noblen Tugenden der Ausschweifung. 

Heute gibt es keinen Sohn eines Parvenü, der nicht glaubt, er müsse die Prostitution fördern und seinen Körper verquecksilbern, um der Schufterei, der sich die Arbeiter in den Quecksilberminen aussetzen, einen Sinn zu geben.29 Es gibt keinen Bourgeois, der sich nicht mit Trüffelkapaunen und mit verschifftem Laffite vollstopft, um die Geflügelzüchter von La Fleche und die Winzer des Bordelais zu fördern. 

Bei diesem Geschäft geht der Körper schnell zugrunde, die Haare werden dünner, die Zähne fallen aus, der Rumpf deformiert, der Bauch schwillt an, die Brust wird asthmatisch, die Bewegungen werden schwerfälliger, die Gelenke steif, die Glieder gichtig. 

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Andere, die zu schwach sind, um die Anstrengung der Ausschweifung zu ertragen, aber mit der gehörigen Dosis philisterhafter Klugmeierei ausgestattet, dörren ihr Gehirn aus, wie die Garnier von der politischen Ökonomie oder die Acollas von der juristischen Philosophie, und hecken dickbändige, schlafsucht­erregende Bücher, um die Mußestunden von Schriftsetzern und Buchdruckern auszufüllen.

Die Frauen von Welt führen ein Märtyrerleben. Um die feenhaften Garderoben, bei deren Herstellung die Schneiderinnen sich die Schwindsucht an den Hals arbeiten, zu prüfen und zur Geltung zu bringen, schlüpfen sie den ganzen Tag von einer Robe in die andere; stundenlang liefern sie ihren hohlen Kopf Haarkünstlern aus, die um jeden Preis ihre Leidenschaft für die komplizierte Anordnung falscher Haare befriedigen wollen. 

Eingeschnürt in ihre Korsetts, die Füße in enge Stiefeletten gezwängt, den Busen in einer Weise entblößt, daß ein Gardeleutnant darüber rot werden könnte, drehen sie sich ganze Nächte hindurch auf ihren Wohltätigkeitsbällen, um einige Sous für die Armen zusammenzubringen. O ihr heiligen Dulderinnen!

Um ihrem doppelten gesellschaftlichen Beruf als Nichtproduzent und Überkonsument nachzukommen, hat die Bourgeoisie nicht nur ihren bescheidenen Bedürfnissen Zwang antun, die ihr seit zwei Jahrhunderten zur Gewohnheit gewordene Arbeitsamkeit sich abgewöhnen und sich einem zügellosen Luxus, der Anstopfung mit Trüffeln, sowie syphilitischen Ausschweifungen ergeben gemußt, sie mußte auch eine enorme Masse Menschen der produktiven Arbeit entziehen, um sich Mitesser zu verschaffen.

Einige Zahlen mögen beweisen, wie kolossal diese Brachlegung von produktiven Kräften ist. 

Nach dem Zensus von 1861 zählte die Gesamtbevölkerung von England und Wales 20.066.244 Personen, wovon 9.776.259 männlich und 10.289.965 weiblich. 

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Zieht man hiervon ab, was zu alt oder zu jung zur Arbeit, die Frauen, jungen Personen und unproduktive Kinder, dann die ideologischen Berufe, wie Regierung, Polizei, Klerus, Stadtverwaltung, Arme, Prostitution, Künste, Wissenschaften etc., ferner alle, deren ausschließliches Geschäft der Verzehr fremder Arbeit in der Form von Grundrente, Zinsen, Dividenden etc., so bleiben in runder Zahl acht Millionen beiderlei Geschlechts und der verschiedenen Alterstufen, mit Einschluß sämtlicher in der Produktion, dem Handel, der Finanz etc. funktionierenden Kapitalisten. Von diesen acht Millionen kommen auf:

»Rechnen wir die in allen Textilfabriken Beschäftigten zusammen mit dem Personal der Kohlen- und Metallbergwerke, so erhalten wir 1.208.442; rechnen wir sie zusammen mit dem Personal aller Metallwerke und Manufakturen, so ist die Gesamtzahl 1.039.605, beidemal kleiner als die Zahl der modernen Haussklaven. Welch erhebendes Resultat der kapitalistisch exploitierten Maschinerie!«30)

Zu dieser ganzen dienenden Klasse, deren Zahl den Höhegrad der kapitalistischen Zivilisation charakterisiert, müssen wir die zahlreiche Klasse der Unglücklichen hinzurechnen, die sich ausschließlich der Befriedigung der kostspieligen und sinnlosen Bedürfnisse der reichen Klassen widmen: Diamantschleifer, Spitzenarbeiterinnen, Luxusstickerinnen, Galanteriearbeiter, Modeschneider, Ausstatter der Lusthäuser etc.31

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Einmal in der absoluten Faulheit versunken und von dem erzwungenen Genuß demoralisiert, gewöhnte sich die Bourgeoisie trotz der Übel, welche ihr daraus erwachsen, bald an ihr neues Leben. Mit Schrecken sah sie jeder Änderung der Dinge entgegen. Angesichts der jammervollen Lebensweise, der sich die Arbeiterklasse resigniert unterwarf, und der organischen Verkümmerung, welche die unnatürliche Arbeitssucht zur Folge hat, steigerte sich noch ihr Widerwille gegen jede Auferlegung von Arbeitsleistungen und gegen jede Einschränkung ihrer Genüsse.

Und just zu dieser Zeit setzten es sich die Proletarier, ohne der Demoralisation, welche sich die Bourgeoisie als eine gesellschaftliche Pflicht auferlegt hatte, im geringsten zu achten, in den Kopf, die Kapitalisten zwangsweise zur Arbeit anzuhalten. In ihrer Einfalt nahmen sie die Theorien der Ökonomen und Moralisten über die Arbeit für bare Münze und schickten sich an, die Praxis derselben den Kapitalisten zur Pflicht zu machen. Das Proletariat proklamierte die Parole: »Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.«31 Im Jahre 1831 erhob sich Lyon für »Blei oder Arbeit«; die Juni-Insurgenten von 1848 forderten das Recht auf Arbeit; und die Föderierten vom März 1871 bezeichneten ihren Aufstand als die Revolution der Arbeit.

Auf diese barbarischen Angriffe wider das bürgerliche Wohlleben und alle bürgerliche Faulheit konnten die Kapitalisten nur mit gewaltsamer Unterdrückung antworten; aber wenn sie auch diese revolutionären Ausbrüche zu unterdrücken vermochten, so wissen sie doch, daß selbst in dem Meere des vergossenen Blutes die absurde Idee des Proletariats, den Müßiggängern und Satten Arbeit aufzuerlegen, nicht ertränkt worden ist; und nur um dieses Unheil abzuwenden, umgeben sie sich mit Soldaten, mit Polizisten, Behörden und Kerkermeistern, die in einer mühseligen Unproduktivität erhalten werden.

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Heute kann niemand mehr über den Charakter der modernen Heere im unklaren sein; sie sind nur deshalb stehende, um den »inneren Feind« niederzuhalten. So sind die Festungen von Paris und Lyon nicht gebaut worden, um die Stadt nach außen zu verteidigen, sondern um Revolten zu unterdrücken. 

Ein Beispiel, gegen das es keinen Widerspruch gibt, ist Belgien, dieses Schlaraffenland des Kapitalismus. 

Seine Neutralität ist von den europäischen Mächten verbürgt, und trotzdem ist seine Armee, im Verhältnis zur Bevölkerungszahl, eine der stärksten. Ihre glorreichen Schlachtfelder aber sind die Ebenen des Borinage und von Charleroi; in dem Blute von unbewaffneten Bergleuten und Arbeitern pflegt der belgische Offizier seinen Degen zu taufen und seine Epauletten zu fischen. Die europäischen Nationen haben keine Volks- sondern Söldnerarmeen zum Schutze der Kapitalisten gegen die Wut des Volkes, das dieselben zu zehnstündiger Gruben- und Fabrikarbeit verdammen will.

Die Arbeiterklasse hat, indem sie sich den Bauch zusammengeschnürt hat, über Gebühr den Bauch der Bourgeoisie entwickelt, die zu Überkonsum verdammt ist.

Um sich diese schmerzhafte Arbeit zu erleichtern, hat die Bourgeoisie eine Masse Leute von der Arbeiterklasse abgezogen und sie, die bedeutend überlegener sind als jene, die in der nützlichen Produktion verblieben, ihrerseits zu Unproduktivität und Überkonsum verdammt. Aber so groß dieses Heer von unnützen Mäulern, so unersättlich auch seine Gefräßigkeit ist, so genügt es noch immer nicht, um alle Waren zu konsumieren, welche die durch das Dogma von der Arbeit verdummten Arbeiter wie Besessene erzeugen, ohne sie konsumieren zu wollen, ohne sich darum zu kümmern, ob sich überhaupt Leute finden, die sie konsumieren.

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Und so besteht, angesichts der doppelten Verrücktheit der Arbeiter, sich durch Überarbeit umzubringen und in Entbehrungen dahinzuvegetieren, das große Problem der kapitalistischen Produktion nicht darin, Produzenten zu finden und ihre Kräfte zu verzehnfachen, sondern Konsumenten zu entdecken, ihren Appetit zu reizen und bei ihnen künstliche Bedürfnisse zu wecken.

Und da die europäischen Arbeiter, vor Hunger und Kälte zitternd, sich weigern, die Stoffe, die sie weben, zu tragen, den Wein, den sie ernten, zu trinken, so sehen sich die armen Fabrikanten genötigt, wie toll zu den Antipoden zu laufen und dort Leute zu suchen, die sie tragen und trinken. Hunderte von Millionen und Milliarden sind es, welche Europa jährlich nach allen vier Enden der Welt zu Völkern exportiert, die nicht wissen, was sie damit anfangen sollen.33 Die erforschten Erdteile sind ihnen nicht ausgedehnt genug, daher brauchen sie jungfräuliches Land. Die Fabrikanten Europas träumen Tag und Nacht von Afrika, vom Saharameer, von der Sudanbahn; mit gespannter Aufmerksamkeit folgen sie dem Vordringen der Livingstone, der Stanley, der Du Chaillu, der de Brazza; offenen Mundes lauschen sie den wunderverheißenden Erzählungen dieser mutigen Reisenden; Welch unbekannte Wunder verbirgt nicht dieser »dunkle Erdteil«! Ganze Felder sind mit Elephantenzähnen besät, ganze Flüsse von Palmöl fließen in einem Bett von Goldsand dahin, Millionen von schwarzen Hintern, nackt wie der Schädel von Dufaure oder Girardin, harren des europäischen Kattuns, um den Anstand zu erlernen, harren der Schnapsflaschen und Bibeln, um die Tugenden der Zivilisation kennenzulernen.

Aber alles das reicht nicht: die Bourgeois, die sich anmästen, die Dienstbotenklasse, die zahlreicher ist als die produktive Klasse, fremde und barbarische Völker, die man mit europäischen Waren vollstopft – nichts, nichts vermag die Berge von Produkten zu erschöpfen, welche sich höher und gewaltiger als die Pyramiden Ägyptens auftürmen: die Produktivität der europäischen Arbeiter trotzt allem Konsum, aller Verschleuderung. 

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Die Fabrikanten wissen in ihrer Verwirrung nicht mehr, wo den Kopf lassen, sie können nicht Rohstoffe genug auftreiben, um die wahnsinnige, ausufernde Leidenschaft ihrer Arbeiter für die Arbeit zu befriedigen. Gewisse Wollenfabrikanten kaufen schmutzige, halbverfaulte Lumpen ein und verfertigen daraus ein Tuch, das Renaissance genannt wird und so lange hält wie Wahlversprechen. Anstatt der Seidenfaser ihre Einfachheit und natürliche Geschmeidigkeit zu lassen, überläd man sie in Lyon mit Mineralsalzen, die ihr Gewicht geben, sie aber brüchig und wenig brauchbar machen. Alle unsere Produkte sind verfälscht, um ihren Absatz zu erleichtern und ihre Existenzdauer zu verkürzen. 

Unser Epoche sollte das Zeitalter der Fälschung genannt werden, wie die ersten Epochen der Menschheit die Namen Steinzeit, Bronzezeit — je nach dem Charakter ihrer Produktion — erhielten. Ignoranten zeihen unsere frommen Fabrikanten des Betruges, während sie in Wahrheit nur der Gedanke beseelt, den Arbeitern, die sich nicht dazu entschließen können, mit gekreuzten Armen sich ihres Lebens zu freuen, Arbeit zu geben

Diese Fälschungen, die einzig und allein humanitären Rücksichten entspringen, jedoch den Fabrikanten, die sie praktizieren, famose Profite eintragen, sind zwar für die Qualität der Waren von verderblichster Wirkung, sind zwar eine unerschöpfliche Quelle von Vergeudung menschlicher Arbeit, aber sie kennzeichnen doch die geniale Philanthropie unserer Bourgeois und die schreckliche Verkehrtheit der Arbeiter, die, um ihre lasterhafte Arbeitssucht zu befriedigen, die Herren Industriellen veranlassen, die Stimme ihres Gewissens zu ersticken und sogar die Gesetze der kaufmännischen Ehrbarkeit zu verletzen.

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Und doch, trotz aller Überproduktion, trotz Warenfälschung überfluten die Arbeiter in immer wachsender Menge den Markt und rufen flehentlich: Arbeit! Arbeit! 

Ihre übergroße Zahl sollte sie veranlassen, ihre Leidenschaft zu zügeln — statt dessen treibt sie sie zur Raserei. Wo sich nur Aussicht auf Arbeit bietet, darauf stürzen sie sich. Sie arbeiten 12, 14 Stunden, um sich nur so recht abschinden zu können; und tags darauf liegen sie wieder auf dem Pflaster und wissen nicht, wie ihre Arbeitssucht befriedigen. Jahr für Jahr treten in allen Industrien mit der Regelmäßigkeit der Jahreszeiten Stockungen ein; auf die für den Organismus mörderische Überarbeit folgt für zwei bis vier Monate absolute Ruhe, und keine Arbeit, kein Bissen. 

Wenn denn nun das Arbeitslaster im Herzen der Arbeiter teuflisch eingewurzelt ist, wenn es denn alle anderen natürlichen Instinkte erstickt, und wenn andererseits die von der Gesellschaft erforderte Arbeitsmenge notwendigerweise durch den Konsum und die Menge des Rohmaterials begrenzt ist, warum in sechs Monaten die Arbeit des ganzen Jahres verschlingen? 

Warum sie nicht lieber gleichmäßig auf die zwölf Monate verteilen, und jeden Arbeiter zwingen, sich das Jahr über täglich mit sechs oder fünf Stunden zu begnügen, anstatt sich während sechs Monaten mit täglich 12 Stunden den Magen zu verderben? Wenn ihnen ihr täglicher Arbeitsanteil gesichert ist, werden die Arbeiter nicht mehr miteinander eifersüchteln, sich nicht mehr die Arbeit aus der Hand und das Brot vom Mund wegreißen; dann werden sie, nicht mehr an Leib und Seele erschöpft, anfangen, die Tugenden der Faulheit zu üben.

Was die Arbeiter, verdummt durch ihr Laster, nicht einsehen wollen: man muß, um Arbeit für alle zu haben, sie rationieren wie Wasser auf einem Schiff in Not. Das haben sogar Industrielle im Interesse der kapitalistischen Ausbeutung selbst verlangt: eine gesetzliche Einschränkung der Arbeitszeit.

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Im Jahre 1860 erklärte einer der größten Fabrikanten des Elsaß, Herr Bourcart aus Gebweiler vor der gewerblichen Unterrichtskommission, daß »die Arbeit von 12 Stunden übermäßig ist und auf elf Stunden reduziert werden, daß sonnabends die Arbeit um 2 Uhr aufhören sollte. Ich empfehle diese Maßregel, obwohl sie auf den ersten Blick drückend erscheint; wir haben sie in unseren Etablissements seit vier Jahren versucht und stehen uns gut dabei; die Durchschnittsproduktion ist, anstatt zu fallen, gestiegen.«

In seiner Studie <Die Maschinen> zitiert Herr F. Passy folgenden Brief eines belgischen Großindustriellen, eines Herrn Ottevaere:

»Obwohl unsere Maschinen dieselben sind wie die der englischen Spinnereien, produzieren sie doch nicht so viel wie sie sollten, und wie dieselben Maschinen in England produzieren, trotzdem dort täglich zwei Stunden weniger gearbeitet wird... Wir arbeiten zwei volle Stunden zuviel; ich bin überzeugt, daß wenn wir statt 13 Stunden nur elf arbeiteten, wir ebenso viel und infolgedessen ökonomischer produzierten.«

Aus anderer Quelle bestätigt Herr Leroy-Beaulieu, daß »ein großer belgischer Manufakturist die Beobachtung gemacht hat, daß die Wochen, in welche ein Feiertag fällt, keine geringere Produktion aufweisen als die gewöhnlichen Wochen.«34) 

Was das durch die Moralisten versimpelte Volk nicht gewagt hat, hat eine aristokratische Regierung gewagt. Unbekümmert um die hochmoralischen und wirtschaftlichen Einwände der Ökonomen, die gleich Unglücksraben krächzten, daß die Fabrikarbeit um eine Stunde herabsetzen den Ruin der englischen Industrie dekretieren hieße, hat die englische Regierung die zehnstündige Arbeitszeit gesetzlich eingeführt; und nach wie vor ist England das erste Industrieland der Welt.

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Die große Erfahrung Englands liegt vor, die Erfahrung einiger intelligenter Kapitalisten liegt vor: sie beweisen un-widerleglich, daß, um die menschliche Produktion zu steigern, man die Arbeitszeit herabsetzen und die Zahl der bezahlten Feiertage vermehren muß, und das französische Volk sieht es immer noch nicht ein. Aber wenn eine jämmerliche Verkürzung um zwei Stunden die englische Produktion um ein Drittel in zehn Jahren erhöht hat,35) welchen schwindelnden Vormarsch würde eine gesetzliche Verringerung des Arbeitstages auf drei Stunden für die französische Produktion bedeuten? 

Können die Arbeiter denn nicht begreifen, daß dadurch, daß sie sich mit Arbeit überbürden, sie ihre und ihrer Nachkommenschaft Kräfte erschöpfen, daß sie, abgenutzt, vorzeitig arbeitsunfähig werden, daß sie, aufgesogen und abgestumpft von einem einzigen Laster, nicht mehr Menschen sind, sondern menschliche Wracks, daß sie alle schönen Anlagen in sich ertöten, nur um der rasenden Arbeitssucht willen?

Ach, wie arkadische Papageien plappern sie die Lektionen der Ökonomen nach: »Arbeiten wir, arbeiten wir, um den Nationalreichtum zu vermehren!« O ihr Idioten! Weil ihr zuviel arbeitet, entwickelt sich die industrielle Technik zu langsam. Laßt euer Geschrei und hört einen Ökonomen – es ist kein großes Licht, es ist nur Herr L. Reybaud, den wir glücklicherweise vor einigen Monaten verloren haben: »Im allgemeinen richtet sich die Revolution in den Arbeitsmethoden nach den Bedingungen der Arbeitskräfte. Solange die Arbeitskräfte ihre Dienste billig anbieten, wendet man sie im Übermaße an; werden sie teurer, so sucht man sie zu sparen.«36) 

Um die Kapitalisten zu zwingen, ihre Maschinen von Holz und Eisen zu vervollkommnen, muß man die Löhne der Maschinen von Fleisch und Bein erhöhen und die Arbeitszeit derselben verringern. Beweise dafür? Man kann sie zu hunderten erbringen.

In der Spinnerei wurde die automatische Spinnmaschine (selfacting mule) in Manchester erfunden und angewendet, weil die Spinner sich weigerten, solange zu arbeiten wie früher.

In Amerika bemächtigt sich die Maschine aller Zweige der Agrarproduktion, von der Butterfabrikation bis zum Getreidejäten. Warum? Weil die Amerikaner, frei und faul, lieber tausend Tode sterben möchten, als das Viehleben eines französischen Bauern zu führen. Die im glorreichen Frankreich so mühsame, mit so vielem Bücken verbundene Landarbeit ist im Westen Amerikas ein angenehmer Zeitvertreib in freier Luft, den man sitzend genießt und dabei gemächlich seine Pfeife raucht.

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